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Ein Parlament in Flammen: Auf die Explosion der Armut folgt die Explosion der sozialen Proteste für den Sturz der Regierung in Guatemala

Einer der wesentlichen Gründe für die Explosion der Massenproteste in Guatemala im November 2020: Die vorherige Explosion der Armut...„… In Guatemala sind Demonstranten bei Protesten gegen Haushaltskürzungen in das Parlament eingedrungen und haben dort Feuer gelegt. Aus Teilen des Gebäudes schlugen Flammen, wie Nachrichtenagenturen berichteten. Die Feuerwehr konnte den Brand löschen. Mehrere Menschen mussten wegen Rauchvergiftungen behandelt werden. Demonstranten warfen auch Fenster des Parlaments ein. Präsident Giammattei kritisierte den Angriff scharf. Er erklärte per Twitter, die Täter müssten mit der vollen Härte des Gesetzes rechnen. Die Proteste in dem zentralamerikanischen Land hatten vor wenigen Tagen nach der Verabschiedung des neuen Staatshaushalts begonnen. Er sieht Kürzungen bei Bildung und Gesundheit vor. Regierungsgegner kritisieren, dass zugleich ein Großteil des Etats Privatunternehmen zugute komme. In Guatamala lebt mehr als die Hälfte der 17 Millionen Einwohner in Armut“ – so die Meldung „Demonstranten setzen Parlament in Brand“ am 22. November 2020 im Deutschlandfunk externer Link über die militanten Proteste gegen den neoliberalen Staatshaushalt der Rechtsregierung Guatemalas. Siehe dazu unsere aktuelle Materialsammlung vom 22. November 2020 über die aktuellen Proteste, ihre Vorgeschichte – mit einigen Hinweisen auf ihre sozialen Ursachen:

Hundreds of protesters occupy the Congress and set the building on fiream 22. November 2020 im Twitter-Kanal von sidereal pilgrim externer Link ist nicht nur ein Videobericht von dem brennenden Parlamentsgebäude, sondern im dazugehörenden Thread wird auch über die bereits vorher entfesselte Repression berichtet, die die Nationalpolizei hemmungslos durchzog…

„Así cerró la jornada de protestas en Guatemala por el presupuesto 2021“ am 21. November 2020 bei Prensa Libre externer Link meldet zum Abschluss des Protesttages gegen den Staatshaushalt 2021, dass bisher 22 Festgenommene der Staatsanwaltschaft vorgeführt worden seien und Dutzende in den Krankenhäusern der Hauptstadt behandelt. Die Meldung wird ergänzt durch einige Videoberichte über Polizeiangriffe auf Teilnehmende der Demonstration.

En Totonicapán realizan manifestación exigiendo la renuncia de DrGiammattei y todos los corruptos en el CongresoGuate y la Corte Suprema de Justicia CSJam 22. November 2020 im Rwitter-Kanal von Prensa Comunitaria externer Link meldet eine große Demonstration in einer Provinzstadt – denn die Proteste gegen den Haushalt fanden nicht nur in Ciudad Guatemala statt, sondern überall im Land – und überall in einer jeweils besonderen Größe, die immer auch in der Berichterstattung hervor gehobe wurde. Hier wurde der Rücktritt von Regierung, Parlament und Verfassungsgericht gefordert… Ähnliche Berichte gibt es auch noch aus zahlreichen anderen Regionen des Landes.

“Levantamiento popular en todo el país contra los políticos corruptos y el FMI“ am 21. November 2020 bei Resumen Latinoamericano externer Link ist eine Fotoreportage, mit der ein erster Überblick über die Demonstrationen im ganzen Land gegeben wurde – wie auch der misslungeen Repressionsversuche der Polizei

“Heiße Wut in Guatemala“ von Peter Steiniger am 22. November 2020 in nd online externer Link berichtet zu den Organisatoren unter anderem: „… Aufgerufen zur Demonstration am Samstagnachmittag in der Hauptstadt hatte ein Bündnis von sozialen Bewegungen, Stadtteilgruppen, Menschenrechts- sowie studentischen Organisationen. Nach den Zwischenfällen im Parlamentsgebäude richtete sich die Repression der Sicherheitskräfte auch gegen die mehr als 10 000 Teilnehmer – darunter viele Familien – der friedlich verlaufenden Kundgebung auf dem Platz der Verfassung, die von der Polizei mit Tränengasgranaten beschossen wurden. Die Aktionen gegen den Haushalt haben auch weitere Städte des Landes erfasst, darunter Huehuetenango und Quetzaltenango. wo die Polizei ebenfalls gewaltsam gegen Demonstranten vorging. Der am vergangenen Mittwoch im Parlament im Eilverfahren beschlossene Rekordetat über umgerechnet 12,7 Milliarden Dollar sieht vor, Mittel für den Gesundheits- und Bildungssektor, die Bekämpfung der Unterernährung sowie die Menschenrechtsombudsstelle zu kürzen. Statt dessen soll erheblich mehr Geld in die von Korruption durchsetzten Bereiche Bauwesen und Infrastruktur fließen, was die im Land tätigen internationalen Konzerne begünstigt. Guatemala wird damit ein noch höherer Schuldendienst aufgebürdet. Die Haushaltspläne wurden in den vergangenen Wochen von Protesten aus verschiedenen Sektoren der Gesellschaft und erregten Debatten in den sozialen Medien begleitet. Gegen den Etat wandten sich Vertreter der Kirchen, der Unternehmerverbände des Landes und von Oppositionsgruppen. Dem Widerstand gegen den Haushalt schloss sich auch Vizepräsident Guillermo Castillo an, der Staatschef Giammattei erfolglos aufforderte, gegen das Gesetzesdekret sein Veto einzulegen…“

„Korruption und Sozialabbau“ von Wolf-Dieter Vogel am 22. November 2020 in der taz online externer Link unterstreicht zu den Zielen der DemonstrantInnen unter anderem: „… Viele der Protestierenden richteten ihre Kritik gegen die korrupten Strukturen und grundsätzlich gegen den Präsidenten Alejandro Giammattei, der erst im Januar sein Amt angetreten hatte. „Weg mit Giammattei“, riefen sie und ­schwenkten die guatemaltekische Flagge. Auch der Haushalt steht unter Beschuss, weil er das Land komplett verschulden wird. Im Vergleich zum Vorjahr sollen die Ausgaben um ein Viertel erhöht werden. Noch in der Nacht zum Samstag hatte Vizepräsident Guillermo Castillo dem Präsidenten vorgeschlagen, gemeinsam „für das Wohl des Landes“ zurückzutreten. Sowohl Unternehmerverbände als auch Organisationen der Zivilgesellschaft sprachen sich gegen den Haushalt aus, der von einer Parteienkoalition verabschiedet wurde, die Giammattei unterstützt. Die gua­te­maltekische Bischofskonferenz bezeichnete den Beschluss als „unverantwortlich“ und forderte den Präsidenten auf, sein Veto dagegen einzulegen. Angesichts der Coronapandemie und der Zerstörungen, die jüngst die Wirbelstürme Eta und Iota angerichteten hatten, entspreche er nicht den Bedürfnissen des Landes, ergänzte das Krisenkomittee der Tourismusbranche…“

“Vicepresidente Guillermo Castillo pide a Giammattei que renuncien los dos y acentúa la diferencia entre ambos“ von Irving Escobar am 20. November 2020 bei Prensa Libre externer Link war – am Vorabend der da bereits absehbar enormen Mobilisierung – die Meldung zur Erklärung des Vizepräsidenten, er habee Präsident Giammatei um den gemeinsamen Rücktritt gebeten, was dieser abgelehnt habe. Denn der verabschiedete Haushalt entspreche nicht den Koalitionsvereinbarungen. Was von vielen Seiten als erster Erfolg der Massenproteste bewertet wurde…

“Presupuesto 2021: Estos son siete pecados cometidos por 115 diputados la noche del martes“ von Douglas Cuevas und Urías Gamarro am 19. November 2020 bei Prensa Libre externer Link war ein Beitrag über die Stellungnahme einer Gruppe im Lande bekannter Ökonomen, die dem in der Nacht zuvor verabschiedeten Haushalt “sieben Sünden” vorwafen – neben dem Grundvorwurf, er werde den Bedürfnissen der Bevölkerung nicht gerecht, auch diverse Verfahrens- und Verfassungsfraggen.

„»Wir essen nur noch schwarze Bohnen«“ von Andreas Boueke am 21. September 2020 in nd online externer Link zur aktuellen Situation auf dem Lande, hier für Kaffeebauern als Beispiel: „… Sixto Pérez ist in Santa Rosa aufgewachsen. In dieser südlichen Provinz des mittelamerikanischen Landes Guatemala wurden jahrzehntelang über 20 Prozent der nationalen Produktion wertvollen Hochlandkaffees geerntet. Der alte Mann hat spät geheiratet. Seine fast 30 Jahre jüngere Frau Angela brachte drei Töchter zur Welt. Sie kann ihre Enttäuschung nicht verbergen: »Als wir geheiratet haben, war der Kaffeepreis noch gut und die Pflanzen hatten nicht diese furchtbaren Krankheiten. Seither ging es immer nur bergab. Jetzt können wir uns nichts mehr kaufen. Es gibt kein Geld. Wir essen nur noch schwarze Bohnen…“

„Guatemala. La crisis alimentaria se extiende a las áreas urbanas, como daño colateral del coronavirus“ von Ana Lucia Ola am 06. Mai 2020 bei kaosenlared externer Link berichtet davon, dass der Hunger durch die Epidemie und die Politik der Regierung dazu den Weg vom Land (wo er schon länger ein echtes Problem für immer mehr Menschen war) in die Stadt gefunden hat.

„Menschenrechtsorganisationen in Guatemala: Regierung nutzt Corona-Pandemie für weiteren Abbau der Demokratie“ von Melanie Schipper am 11. September 2020 bei amerika21.de externer Link war einer der Berichte über das Anwachsen politischer und sozialer Spannungen vor allem durch die Epidemie-Maßnahmen der Regierung, die auch im Vorlauf der aktuellen Proteste eine wesentliche Rolle spielten: „… Die Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Aktivitäten und der Mobilität im Land wird kritisch gesehen. In einigen Gebieten gelten die strikten Maßnahmen dagegen weiterhin, so dass der Eindruck aufkommt, sie würden aufrechterhalten, um die Interessen von Bergbau- und Agrarkonzernen zu schützen. Die staatliche Strategie ziele offenbar darauf ab, „der Oligarchie Privilegien zu garantieren. Es war eine kriminelle Politik des ‚Rette sich wer kann‘, im Rahmen des Autoritarismus, des Niedergangs der Demokratie und der stetigen Zunahme der Aggressionen gegen Menschenrechtsverteidiger“, so Jorge Santos, Koordinator der Schutzeinheit für Verteidigerinnen und Verteidiger der Menschenrechte Guatemala (Udefegua). Der sogenannte „Pakt der Korrupten“, ein Bündnis von acht oligarchischen Gruppen, wird mit Angriffen gegen den Ombudsmann für Menschenrechte, den Sonderbeauftragen gegen Straflosigkeit und verschiedene Richter, die sich für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie und gegen Korruption einsetzen, in Verbindung gebracht. Die Einschränkungen und Maßnahmen wirken sich auch massiv auf das Leben und die Gesundheit von Menschenrechtsverteidigern aus. In den Gebieten mit Ausnahmezustand wurden über 50 Menschen inhaftiert, darunter Vertreter indigener Behörden und auch Journalisten…“

„“Wo sind die Millionen?“ Proteste gegen die Regierung Giammatei in Guatemala“ von Michael Kohli am 20. August 2020 ebenfalls bei amerika21.de externer Link berichtete vom Auftakt der neuen Protestwelle unter anderem: „… Die Demonstrierenden forderten den Rücktritt Giammatteis und der Generalstaatsanwältin Consuelo Porras und stellten die Frage, wo die über 20.000 Millionen Quetzales geblieben sind, welche für die Bekämpfung der Corona-Pandemie und deren Folgen versprochen wurden. Zu dem Protest aufgerufen hatten verschiedene soziale Organisationen, die sich gegen die Korruption einsetzen. Die Kritik an Porras bezieht sich vorwiegend auf ihre Rolle im Streit um die Erneuerungswahl der Richterinnen und Richter des obersten Gerichts. Das Verfassungsgericht hatte den Kongress bei der Ernennung von Kandidaten zurückgepfiffen und angeordnet, dass Personen mit offenen Korruptionsverfahren nicht gewählt werden dürfen. Darauf reagierte der sogenannte „Pakt der Korrupten“ kurzerhand mit der Einleitung eines Immunitätsaufhebungsantrag gegen die Richterinnen und Richter, die das obige Urteil unterschrieben hatten. Porras sah in der Folge jedoch davon ab, der Aufforderung zu folgen und gegen diejenigen Abgeordneten zu ermitteln, welche das Immunitätsaufhebungsverfahren weiterführten, trotz Anullierung durch das Verfassungsgericht. Die Zustimmung für das Krisenmanagement der Regierung Giammattei ist von 83 im April auf 49 Prozent im Juli drastisch gesunken. Ein Großteil der Bevölkerung glaubt den offiziellen Zahlen zu Infizierten und Verstorbenen durch Covid-19 immer weniger...“

„Guatemala. Diputados contra un pueblo ya moribundo“ am 22. November 2020 bei Resumen Latinoamericano externer Link hebt den Gegensatz zwischen der Armut weiter Teile der Bevölkerung (sieben von 10 Kindern unter 5 Jahren haben Mangelernährung) und dem „eigentlichen Reichtum“ des Landes hervor, das im Durchschnitt das wohlhabendste in Mittelamerika ist. Im Durchschnitt heißt die Rechtsradikalen und die Oligarchie, die sie vertreten reißen sich das meiste unter den Nagel: Im Präsidentenpalast werden täglich 14.000 Dollar für Essen ausgegeben – solche Zahlen gibt es in dem Beitrag noch viele, die deutlich machen dass die meisten Menschen Guatemalas jeden Grund haben, dieses Parlament anzuzünden…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=181812
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