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Proteste gegen Nickelmine in Guatemala: Polizeigewalt und Ausnahmezustand in El Estor

Dossier

Proteste gegen Nickelmine in Guatemala: Polizeigewalt und Ausnahmezustand in El EstorIn den vergangenen Tagen ist es im Landkreis Izabel im Nordosten Guatemalas zu massiver staatlicher Gewalt gegen ein Protestcamp von Gegnern der Nickelmine Compañia Guatemalteca de Niquel (CGN-Pronico) gekommen. Am Sonntag hat Staatspräsident Alejandro Giammattei über den Landkreis den Ausnahmezustand verhängt. Seit dem 4. Oktober blockieren externer Link Einwohner aus insgesamt 94 Gemeinden und Fischerverbände vom Izabalsee mit einem Widerstandscamp eine Zufahrtstraße zur Mine und lassen Lastwagen der Firma nicht passieren. Hintergrund ist eine Entscheidung des Verfassungsgerichtes aus dem Jahre 2019, wonach das Bergbauunternehmen seine Arbeit einzustellen habe, bis eine Volksbefragung der überwiegend zur Volksgruppe der Maya Q’eqchi‘ gehörenden Einwohner des Landkreises erfolgt ist. Bisher setzte die Mine ihre Arbeit aber unbeirrt fort. (…) Am Freitag eskalierte die Lage. Prensa Comunitaria schreibt externer Link von 200 Einsatzkräften von Spezialeinheiten der Polizei, die die Protestierenden mit Tränengasgranaten angegriffen haben…“ Artikel von Thorben Austen vom 26.10.2021 bei amerika21 externer Link und dazu:

  • Nickelmine in El Estor, Guatemala: Gerichtshof für Menschenrechte urteilt für indigene Gemeinde New
    Staat muss Land zurückgeben und die Gemeinschaften erneut zum Bergbauprojekt befragen. Anwalt: Urteil könnte Präzendenzfall in Lateinamerika schaffen
    Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte (CorteIDH) hat den Staat Guatemala verurteilt externer Link, weil er den Betrieb der Nickelmine Fénix auf Land genehmigt hat, das der indigenen Gemeinde Agua Caliente Lote 9 in El Estor gehört. Das Gericht wies den Staat an, es zurückzugeben und die Maya-Gemeinschaften der Q’eqchi‘ zu dem Bergbauprojekt zu befragen. Der Staat Guatemala „ist verantwortlich für die fehlende Anerkennung des kollektiven Eigentums, für das Fehlen einer angemessenen Konsultation über Bergbauaktivität und für Gewaltakte und Schikanierung einer indigenen Gemeinschaft“, titelt das Kommuniqué externer Link zum Urteil.
    Eigentümerin der größten Nickelmine Mittelamerikas ist seit 2011 die Schweizer Bergbaufirma Solway Group, die sie unter dem Namen Compañía Guatemalteca de Níquel S.A. (CGN) als Tochtergesellschaft ausgliederte. Der Betrieb und die damit verbundenen Umweltschäden führen seit Jahren zu Konflikten mit den Anwohnern, die überwiegend als Kleinbauern oder vom Fischfang leben. Zuletzt eskalierte die Situation im Oktober 2021, als es zu massiver staatlicher Gewalt gegen ein Protestcamp kam. (…)Mit ihrer Klage beim CorteIDH forderte die Gemeinde Agua Caliente Lote 9 auch Wiedergutmachung für die Verletzung ihrer Rechte durch den Staat „angesichts der Agrarpolitik und der Projekte der Bergbauindustrie in ihren Gebieten“ sowie für das Fehlen legislativer und administrativer Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer territorialen Rechte und Selbstverwaltung. Ihr Anwalt Leonardo Crippa vom Indian Law Resource Center erklärte externer Link: „Das Gericht hat erstmals entschieden, dass die Regierung die Gesetzgebung ändern muss, um die kollektiven Landbesitzrechte indigener Völker anzuerkennen und alle diskriminierenden Gesetze zu streichen und diese Gemeinschaften als eigenständige rechtliche, soziale und politische Einheiten anzuerkennen.“ Nach 40-jährigem Kampf habe die Gemeinde sich durchgesetzt und schaffe damit möglicherweise einen Präzedenzfall für indigene Gemeinden in ganz Lateinamerika, so eine Pressemitteilung externer Link des Center.
    Mitglieder des Ahnenrates der Maya Q’eqchi‘ und des Fischerverbandes begrüßten externer Link das Urteil zur Anerkennung ihrer angestammter Ländereien…“ Beitrag von Vilma Guzmán vom 11.01.2024 in amerika21 externer Link, siehe auch:

    • Sieg von Mayas gegen Mine. Guatemala: Indigene erkämpfen wegweisendes Urteil gegen Bergbaukonzern
      Das Urteil ist einige Wochen alt, aber in seiner Bedeutung kaum zu überschätzen. Nach jahrelangem politischen und juristischen Streit wurde Guatemala Mitte Dezember von der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (IACHR) für den Betrieb einer Nickelmine in El Estor im Nordosten des Landes verurteilt, genauer: Einer »Reihe von Verletzungen der Rechte der indigenen Maya-Gemeinschaft der Q’eqchi’ in Agua Caliente« schuldig gesprochen. Vertreter aus der Gemeinde Agua Caliente Lote 9 hatten vor dem Gerichtshof in Costa Rica geklagt. Laut Prensa Libre hat der Staat Guatemala nun »sechs Monate Zeit«, der Maya-Gemeinschaft »einen kollektiven Gemeinschaftstitel für ihr Land anzubieten und Maßnahmen zu ergreifen, um das Land angemessen abzugrenzen«.
      Die ARD-Tagesschau sprach in einem Bericht vom vergangenen Samstag von einem »bindenden Urteil«, das nicht »angefochten werden kann und nach Ansicht beteiligter Juristen richtungsweisenden Charakter für den gesamten Subkontinent hat«. Der Richterspruch schreibt auch die Einleitung eines Konsultationsverfahrens mit der Gemeinde über die Zustimmung zum Bergbau vor. Das guatemaltekische Verfassungsgericht hat eine Befragung der indigenen Anwohner allerdings bereits 2019 in einem Urteil verfügt, damals unter Verweis auf Artikel 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Die Ausbeutung der Mine wurde danach ohne Befragung fortgesetzt. (…)
      Ende Februar 2023 stellten die beiden guatemaltekischen Tochterfirmen der SIG ihre Arbeit »vorübergehend« ein und entließen Mitarbeiter. Hintergrund waren US-Sanktionen gegen russische Unternehmen und der Verdacht, die SIG würde mit russischem Kapital operieren (jW berichtete externer Link). In einer Stellungnahme zum Urteil der IACHR erklärte der Konzern nun Ende Dezember, in den »letzten zwölf Monaten weitreichende Reformen durchgeführt (zu haben), um die Transparenz und Rechenschaftspflicht zu verbessern« – im Herbst hätten die USA »alle Sanktionen gegen die beiden Bergbau-Tochtergesellschaften für ein Jahr ausgesetzt.«
      Nach Angaben von Anwohnern ist der Betrieb inzwischen dennoch weitgehend eingestellt worden. Marcelo Sabuc vom »Bauernkomitee des Hochlandes« (CCDA) erklärte gegenüber jW unter Berufung auf lokale Gemeindeführer, das Unternehmen habe vor dem Urteil des IACHR »Ende November den Großteil der Arbeiter entlassen.« Aktuell gäbe es nur noch »ungefähr 15 Beschäftigte«, die »keine operativen Arbeiten durchführen«...“ Artikel von Thorben Austen, Quetzaltenango, in der jungen Welt vom 11.01.2024 externer Link
  • Positiver Nebeneffekt: Nickelmine in Guatemala muss wegen US-Sanktionspolitik Betrieb einstellen. Viele Ortsansässige freut das 
    „Die Nickelmine der Solway Investment Group (SIG) im Landkreis El Estor im Norden Guatemalas hat ihren Betrieb Ende Februar eingestellt. Seitdem wird das silbrig-weiße Metall dort auch nicht mehr weiterverarbeitet. Hintergrund sind die von den USA verhängten Sanktionen gegen russische Wirtschaftsunternehmen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine. Die SIG soll mit »russischem Kapital« wirtschaften. (…) Die SIG mit Sitz in der Schweiz ist ein »privater Bergbau und Metallkonzern« und nach eigenen Angaben »weltweit größter Nickelproduzent«. (…) In einer Pressemitteilung der SIG vom 1. März hieß es, man habe nach Verhängung der Sanktionen durch das US-Finanzministerium am 18. November »reaktionsschnell, transparent und entgegenkommend gegenüber der Regierung der Vereinigten Staaten und der guatemaltekischen Regierung« gehandelt. (…) Dennoch sei man gezwungen gewesen, den Betrieb zum 28. Februar »aufgrund der Sanktionen« einzustellen, wenn auch nur »vorübergehend«. Den Beschäftigten habe man »freiwillige Beurlaubung« angeboten, bis zu 500 hätten das Angebot angenommen und »Anspruch auf vier oder fünf Monatsgehälter Entschädigung«. (…) Bergbauprojekte stehen in Guatemala viel in der Kritik. (…) Die Umweltschäden durch den Bergbau sind dabei enorm, häufig werden internationale Umweltstandards nicht eingehalten und die nach internationalen Bestimmungen vorgeschriebenen Befragungen indigener Völker vor Inbetriebnahme von Großprojekten nicht durchgeführt. Auch die SIG stand diesbezüglich immer wieder in der Kritik. Im März vergangenen Jahres etwa enthüllte ein internationales Journalistenteam »kriminelle Methoden« des Unternehmens. Eine Hackergruppe namens »Guacamaya« hatte den Journalisten interne Dokumente des Konzerns zugespielt, denen zufolge Umweltschäden bewusst vertuscht sowie lokale Entscheidungsträger und die Polizei bestochen wurden. Das Unternehmen plante sogar »Vertreibungen« von widerständigen Gemeinden, zu einer Umsetzung kam es nicht. (…) Entsprechend zufrieden mit dem Lauf der Dinge ist Cristóbal Pop, Präsident der Kleinfischervereinigung auf dem an die Mine angrenzenden Izabalsee und einer der Anführer des Widerstandes. Die Entscheidung habe »für Gerechtigkeit gesorgt«, wurde er in Prensa Libre zitiert. Nach Einschätzung der Zeitung wird sich die Schließung »nicht auf Gewerbetreibende und Kleinunternehmen auswirken«, da der versprochene »wirtschaftliche Impuls« durch die Mine ausgeblieben sei. Alice Froidevaux von der Schweizer Solidaritätsorganisation Guatemala-Netz Zürich, die die Region zuletzt Ende Januar besucht hat, sagte gegenüber jW, die »Situation vor Ort sei von Unsicherheit geprägt«, es gebe »viele Gerüchte, auch über einen möglichen Verkauf der Mine«. Der Widerstand sei »nach dem letzten Ausnahmezustand und der Kriminalisierung geschwächt«, weiterhin werde die »Bevölkerung bewusst gespalten« und etwa die von Entlassung bedrohten Arbeiter gegen die Widerstandsbewegung ausgespielt.“ Artikel von Thorben Austen in der jungen Welt vom 23. März 2023 externer Link
  • [„Mining Secrets“] Umweltschäden durch Nickelmine in Guatemala: Schweizer Firma Solway in der Kritik 
    Das Schweizer Bergbauunternehmen Solway Investment Group soll bezüglich seiner Nickelmine Fénix im Landkreis El Estor im Nordosten Guatemalas „über Jahre hinweg mutmaßlich die Bevölkerung belogen, staatliche Stellen bestochen und die Umwelt gefährdet haben“. Diesen Vorwurf erhebt ein 65-köpfiges Journalistenteam von 20 Medien aus 16 Ländern. (…) Auslöser waren Berichte des guatemaltekischen Journalisten Carlos Ernesto Choc, Maya Q’eqchi‘ aus El Estor. (…) Das Redaktionsnetzwerk Forbidden Stories griff den Fall auf und machte die Vorgänge international bekannt. Im Frühjahr 2021 spielte dann die Hackergruppe „Guacamaya“ dem Netzwerk ­470 E-Mail-Konten und acht Millionen Dokumente aus internen Unterlagen des Konzerns zu. Die Journalisten werteten das Material aus ließen es von unabhängigen Experten überprüfen. Wie die Süddeutsche Zeitung und die Zeit berichten, habe das Unternehmen zahlreiche Daten zu Umweltschäden des an die Mine grenzenden Izabal-Sees selbst dokumentiert. Die Konzentration von Chrom, einem Abfallprodukt der Mine, soll bei Ablagerungen im See bis zu 2.500 Mikrogramm pro Gramm Schlick betragen haben. Werte ab 90 Mikrogramm sind nach Expertenmeinung bereits schädlich für die Ökosysteme. Verfärbungen des Sees sollen auf die Mine zurückgehen, Fischer und Anwohner hatten dies schon länger angenommen. Ursächlich sei die Kontamination mit Brauneisenerz. Auch der Umgang mit dem Widerstand gegen die Nickelmine ist Thema in den Berichten. Das Unternehmen erstellte laut Rechercheergebnissen Listen über Anwohner mit Vermerken zu ihrer Einstellung zur Mine. Über die unternehmensnahe Stiftung Raxché sollen Gelder an einen lokalen Indigenenrat und „vier Privatpersonen“ geflossen sein, die sich dann für die Mine aussprachen. Mehr als 45.000 US-Dollar seien außerdem allein 2020 als „Spende“ an die nationale Polizei gegangen. Auch direkte Vertreibungen soll Solway geplant haben...“ Artikel von Thorben Austen, Quetzaltenango, vom 13.03.2022 in amerika21 externer Link

Grundinfos:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=194587
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