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Nach der einen gestürzten Statue – die nächste. „Rhodes must fall“ erreicht Großbritannien, denn „Der Kolonialismus ist nicht Geschichte Großbritanniens, sondern Oxfords Gegenwart“

Eine Statue wird gestürzt - die eines Sklavenhändlers in Bristol am 4.6.2020„… Sonntag, der 7. Juni: Protestierende reißen in der englischen Hafenstadt Bristol inmitten der BlackLivesMatter-Proteste die Statue des ehemaligen Sklavenhändlers Edward Colston ein. Sie knien so lange auf seinem Hals, wie der mörderische Polizist in Minneapolis auf dem Hals von George Floyd kniete, bevor dieser starb – dann werfen sie die Statue in das Hafenbecken. In jenes Meer also, in das Colstons Royal African Company zwischen 1680 und 1692 rund 19.000 Sklaven werfen ließ, weil sie zu krank für den Transport waren oder auf der Überfahrt zu den Plantagen verstarben. Kurz danach erscheinen Fotos aus Brüssel: Hier steigen Menschen auf die Statue des kolonialen Schlächters König Leopold II. und singen »Mörder«, während sie die Flagge des einst belgisch kolonisierten Kongo hochhalten. (…) Im Falle der Colston-Statue stand der Protest ohnehin längst auf der Tagesordnung. Nicht nur stellte die Stadt Bristol die bronzene Statue 1895 auf, als die Sklaverei längst verboten war, zudem mussten die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bis 2015 die Schulden zurückzahlen, die die Regierung aufgenommen hatte, um den Colston-Clan für das bei der Abschaffung der Sklaverei im Jahr 1833 verlorene Eigentum zu »entschädigen«. Insgesamt zahlten die Menschen von Bristol also 182 Jahre lang für den Reichtum einer Verbrecher-Familie und ehrten Edward Colston dafür auch noch mit einer Bronze-Statue. Eine frühere Petition mit 10.000 Unterschriften hatte die Statue nicht stürzen können – nun aber brachte der Stoß der Gerechtigkeit sie zu Fall…“ – aus dem Beitrag „Black Lives Matter erreicht Europa – und reißt das koloniale Erbe ein“ von Ines Schwerdtner am 09. Juni 2020 beim deutschen Jacobin Magazin externer Link über die „Statuen-Proteste“ (vor allem) in Großbritannien – worin auch noch auf die Tatsache verwiesen wird, dass es Länder gibt, in denen Bismarck-Statuen hässlich in der Landschaft herum stehen… Siehe dazu auch ein Video von der Aktion sowie Meldungen zur Reaktion der Regierung und von Prominenten, einen Beitrag zur Geschichte der Auseinandersetzung um diese spezielle Statue und darüber, was sie verdeutlicht, sowie eine Meldung über die Fortsetzung der Kampagne gegen Statuen von Rassisten und Kolonialisten, die heute noch die Umwelt verschandeln:

  • „Demonstranten werfen Statue von Sklavenhändler in Hafenbecken“ am 08. Juni 2020 bei Spiegel online externer Link meldet auch die Reaktion der Reaktion, beziehungsweise der Johnson-Regierung: „… Die britische Innenministerin Priti Patel nannte das Vorgehen der Demonstranten in Bristol „zutiefst schändlich“. Patel sagte im Sender Sky News: „Das ist ein völlig inakzeptabler Akt und spricht erneut für den Vandalismus, wie wir ihn gestern in London gesehen haben.“ Die Polizei in der britischen Hauptstadt hatte am Samstag nach einer weitgehend friedlichen Demonstration mit Tausenden Teilnehmern 29 Menschen festgenommen – nach Zusammenstößen mit Polizisten im abgesperrten Regierungsviertel. Der Bürgermeister von Bristol, Marvin Rees, erklärte, die 1895 errichtete Statue habe seit Jahren für Kontroversen gesorgt. Es sei wichtig, denjenigen zuzuhören, für die sie ein Affront gewesen sei…“
  • „Happening now: We are hundreds of people gathered in front of the Cecil Rhodes statue in Oxford. People refuse to learn, teach and live under the shadow of slave traders, colonialists and racists“ am 09. Juni 2020 im Twitter-Kanal von Dilar Dirik externer Link berichtet von den Protesten in Oxford gegen die weitere Anwesenheit der Statue des Kolonialisten Cecil Rhodes – wobei sich die DemonstrantInnen sowohl ausdrücklich auf die „Rhodes must fall“ – Bewegung in Südafrika beziehen, als sie auch unterstreichen, dass der britische Kolonialismus kein „Problem der Vergangenheit“ sei – sondern gegenwärtig.
  • „WTF?!“ von David Olusoga am 09. Juni 2020 im Freitag online externer Link dokumentiert (ursprünglich im Guardian, übersetzt von Holger Hutt) hebt unter anderem zur Geschichte der Auseinandersetzung um dieses Schandmal, Statue genannt, hervor: „… Die Menge, die dafür sorgte, dass Colston fiel, bestand zwar aus allen Bevölkerungsgruppen, aber einige von ihnen gehören zu den Nachkommen derjenigen, die an die Decks von Colstons Schiffen gekettet waren. Von seinem Sockel gerissen, erschien Colston kleiner: vermindert in Größe und Potenz. Flach liegend, mit seiner studierten nachdenklichen Pose, sah er plötzlich absurd aus. Als die Figur so am Boden lag, machte einer der Demonstranten eine finstere, aber eindrucksvolle Geste. Indem er sich mit dem Knie auf die bronzene Kehle von Edward Colston stützte, erinnerte er uns an den schrecklichen Auslöser für diese außergewöhnlichen Ereignisse. Die Tatsache, dass ein Mann, der vor 299 Jahren starb, dieser Tage auf den Titelseiten der meisten britischen Zeitungen zu finden ist, lässt vermuten, dass Bristol bei der Aufarbeitung seiner Geschichte einiges verpasst hat. Trotz der beharrlichen Bemühungen von Aktivist*innen wurden alle Versuche, die Statue friedlich entfernen zu lassen, von den Verteidiger*innen Colstons vereitelt. Im Jahr 2019 scheiterten die Versuche, eine Gedenktafel am Sockel anzubringen, nachdem die Bristol’s Society of Merchant Venturers, die Hohepriester des Colston-Kults, darauf bestanden, den Text zu verwässern, indem sie Qualifikationen hinzufügten, von denen sie anscheinend glaubten, sie würden seine Verbrechen relativieren. Doch was viele an der Statue abstieß, war nicht, dass sie Colston aufwertete, sondern dass sie über seine Opfer schwieg – über diejenigen, deren Leben zerstört wurde, um das Vermögen zu errichten, das er an die Stadt verschwendet hatte. Die lange Verteidigung der Figur und des Rufs Colstons war unverhohlen und schamlos, aber nicht einzigartig. In anderen britischen Städten werden andere Männer in Bronze und Marmor verehrt, die durch Menschenhandel reich geworden sind oder die den „respektablen Handel“ verteidigten. Auf dem St. Andrew Square in Edinburgh steht auf einem gut 45 Meter hohen Sockel Henry Dundas, 1. Vicomte Melville, dessen großer Beitrag zur Zivilisation darin bestand, Versuche zur Verabschiedung eines Gesetzes zur Abschaffung des Sklavenhandels verwässert und hinausgezögert zu haben. Historiker können nur schwer abschätzen, wie viele Tausende seinetwegen starben oder in die Sklaverei verschleppt wurden. Schon jetzt sind die sozialen Medien voll mit Rufen danach, Dundas in den Forth zu schmeißen. Wir erleben die ersten Tage seit 1895, an denen das Bildnis eines Massenmörders seinen Schatten nicht über das Stadtzentrum von Bristol wirft. Diejenigen, die darüber entsetzt sind, was am Sonntag geschehen ist, müssen sich einige schwierige Fragen stellen. Glauben sie wirklich, dass Bristol ein besserer Ort war, als die Gestalt eines Sklavenhändlers im Zentrum der Stadt stand? Sind sie wirklich nicht in der Lage – auch jetzt noch – zu verstehen, warum diejenigen, die von den Opfern Colstons abstammen, seine Statue immer als einen Frevel angesehen und sich jahrzehntelang für ihre Entfernung eingesetzt haben?...“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=173733
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