Jahrzehnte lang ausspioniert: Britische Basis-GewerkschafterInnen, FriedensaktivistInnen und soziale Initiativen. Oder: United Kingdom of Police Spies

„… Wenn verdeckt ermittelnde britische Geheimpolizisten sich zur Tarnung nicht weiter die Identitäten verstorbener Kinder aneignen dürfen, müsse bald »paramilitärische Polizei« zur Bewachung von Demonstrationen in Großbritannien eingesetzt werden. Das sagte am Donnerstag der Rechtsanwalt Oliver Sanders in seinem Eröffnungsplädoyer. Es war der dritte Tag in der öffentlichen Untersuchung zur Infiltration politischer Organisationen von 1968 bis heute durch klandestine Strukturen des Polizeiapparats. Sanders vertritt dabei die Interessen zahlreicher früherer sogenannter Spycops. Die von einem ehemaligen Obersten Richter geleitete öffentliche Untersuchung war schon im Jahr 2014 durch die damalige Innen- und spätere Premierministerin Theresa May initiiert worden. Es dauerte sechs Jahre, bis es losgehen konnte, auch, weil viele frühere Geheimpolizisten auf Anonymität pochten. Diese zu gewährleisten bedeutete anscheinend einen enormen bürokratischen Aufwand. Konkret geht es um die geheimpolizeiliche Infiltration von über 1.000 Organisationen, zunächst durch das bei der Londoner »Metropolitan Police« angesiedelte »Special Demonstration Squad« und später durch die »National Public Order Intelligence Unit«. Hunderte Polizisten waren über vier Jahrzehnte im Einsatz. Deren Arbeit wurde eng mit dem britischen Inlandsgeheimdienst MI 5 koordiniert, wie Rechtsanwalt Sanders ausführte…“ – so beginnt der Beitrag „»Spycops« im Visier“ von Christian Bunke am 06. November 2020 in der jungen welt – worin noch darüber berichtet wird, wie die britische Rechtsregierung versucht, aus dieser Untersuchung eine Verteidigung und Ausweitung des Polizeistaats zu machen… Siehe dazu drei weitere aktuelle Beiträge und (unterschiedliche) Bewertungen des Spitzelwesens in Großbritannien:

• „Trade unionists were spied on by undercover police officer ‘for decades’ undercover police inquiry hears“ am 06. November 2020 bei der Gewerkschaft Unite ist eine Stellungnahme einer der großen britischen Gewerkschaften zum Spitzelwesen, worin auch einige Fälle, beginnend mit den „Pentonville 5“ 1972 (5 Docker, die sich weigerten, eine gerichtliche Anordnung auf ein Ende der Streikposten zu befolgen), nachgezeichnet werden. Die Vorgänge als solche werden darin vom Stellvertretenden Gewerkschaftsvorsitzenden scharf kritisiert – allerdings als „politisches und moralisches Fehlverhalten“ eher beschönigt…

• „Ex-wives of spycops speak of ‘profound ongoing psychological impact’ after learning of their husbands‘ acts“ von Bethany Riellyam 06. November 2020 im Morning Star ist ein Beitrag über die Reaktionen der betrogenen Ehefrauen von Polizeispitzeln, die eine einzige Anklage gegen die Unmenschlichkeit des Polizeistaates sind und – in unterschiedlicher Intensität – Aktionen der betroffenen Organisationen einfordern…

• „Spy cops inquiry gives glimpse of scale of state infiltration“ von Simon Basketter am 03. November 2020 beim Socialist Worker steht hier als Beispiel für die Reaktionen zahlreicher linker britischer Organisationen, Gruppierungen und Einzelpersonen, die die neuen Enthüllungen keineswegs als „Fehler“ und moralisch verwerflich, sondern weitaus eher als „Spitze des Eisbergs“ und politisch beabsichtigt bewerten.