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Nach dem Brexit: Personalnot der Briten spitzt sich zu, Lieferengpässe drohen

Dossier

[23. bis 25. November 2018 in Stockholm] Gegen die Logistik der Ausbeutung – Treffen der Plattform für einen transnationalen sozialen StreikOb bei der Ernte, in der Pflege oder hinter dem Lkw-Lenkrad – nach dem Brexit wächst in Großbritannien der Mangel an Arbeitskräften. Inzwischen gibt es mehr als eine Million unbesetzte Stellen. (…) Insgesamt 30.000 Visa stellt die britische Regierung weiter für ausländische Helfer im Erntesektor zur Verfügung. Doch das sei viel zu wenig, beklagt Ally Capper. „British jobs for british people“ – die eigenen Arbeitskräfte in den eigenen Arbeitsmarkt zu holen oder zurückzuholen, das war eine Forderung, die in der Debatte vor dem Brexit-Referendum auch immer eine wichtige Rolle spielte. Doch die Post-Brexit, Post-Corona-Wirklichkeit sieht anders aus (…) Drängend ist nach dem Brexit und wegen der Corona-Krise etwa der Mangel an Lkw-Fahrern, in vielen Branchen kommt es derzeit zu Lieferengpässen. 100.000 zusätzliche Fahrer würden gebraucht, rechnete der Branchenverband Road Haulage Association vor. Ändere sich das nicht, könnten die Preise steigen und die Inflation anheizen. Beschleunigte Zulassungsverfahren für Fahrer sollen nun Abhilfe schaffen. Aber die Logistikbranche hält das für nicht ausreichend und fordert auch Sondervisa für ausländische Arbeitskräfte, wie bei den Erntehelfern…“ Beitrag von Gabi Biesinger, London, vom 14.09.2021 bei tagesschau.de externer Link, siehe dazu:

  • »Die Frage, wer die Kontrolle hat, ist nicht abstrakt«. Großbritannien: Trotz Mangels an Beschäftigten keine Verbesserung der Arbeitsbedingungen New
    „… Wir wissen nicht, ob es eine statistische Zunahme von Konflikten am Arbeitsplatz gibt, aber es zeichnen sich einige Muster ab. Einerseits setzt sich die Serie der »Fire and rehire«-Konflikte (feuern und wieder einstellen, jW) fort. Das Merkwürdige ist, dass diese Angriffe auf die Löhne und Arbeitsbedingungen zur gleichen Zeit stattfinden, in der in der Wirtschaft insgesamt ein Arbeitskräftemangel herrscht. Das verleiht der ganzen Situation eine gewisse Spannung. Wie können die Chefs es wagen, den Lohnabhängigen mit Arbeitsplatzabbau zu drohen, wenn andere Chefs Schwierigkeiten haben, Arbeitskräfte zu finden? [Gelingt es den Gewerkschaften, diese Spannungen aufzugreifen?] Das Problem ist, dass die Gewerkschaften nicht in der Lage sind, ihre größere Verhandlungsmacht in einigen Sektoren zu nutzen, um die Bedingungen in anderen zu verteidigen. Am eklatantesten war dies im Fall des »Fire and rehire«-Angriffs auf die Beschäftigten am Flughafen Heathrow, wo ein Genosse von uns arbeitet. Es war klar, dass es während der Pandemie keine Passagierflüge gab und British Airways und das Management des Flughafens Heathrow dies nutzen würden, um die Löhne und Arbeitsbedingungen anzugreifen. Zur gleichen Zeit boomte die Frachtabteilung in Heathrow wie verrückt, und die Kollegen machten Überstunden, um Sicherheitskleidung aus China und andere Waren auszuladen. Die Strategie der Gewerkschaft Unite bei British Airways bestand darin, darüber zu jammern, dass »British Airways Großbritannien betrügt«, im Grunde eine zahnlose öffentliche Kampagne. [Lässt sich trotz dieser Hürden aus den derzeitigen Arbeitskämpfen eine größere Bedeutung ablesen?] Als Kollektiv sind wir der Meinung, dass in diesen Verteidigungskämpfen politische Spannungen sichtbar werden. Wir haben bereits die Diskrepanz zwischen Arbeitskräftemangel und Angriffen auf Arbeitsplätze erwähnt. Wenn wir tiefer blicken, können wir sehen, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter aus der Pandemie mit Erfahrungen der »Arbeiterkontrolle« herauskommen. Während der anfänglichen Lockdowns mussten die Arbeiter in vielen Unternehmen über die Gesundheits- und Sicherheitslage diskutieren und handeln. Die Frage, wer die Kontrolle hat, ist nicht abstrakt, insbesondere in einer Situation, in der viele Arbeiter feststellen, dass die Unternehmensleitung die Kontrolle über die globalen Lieferketten und den Arbeitsmarkt verloren zu haben scheint…“ Interview von Christian Bunke in der jungen Welt vom 30.12.2021 externer Link mit Marcus Shikari, Mitglied bei den Angry Workers externer Link, einem linken Kollektiv wütender Arbeiterinnen und Arbeiter in Großbritannien.
  • Dann schon lieber Lkw. Schlechte Bezahlung und miese Arbeitsbedingungen bringen immer mehr britische Busfahrer dazu, den Beruf zu wechseln 
    Einer der unfreiwillig komischsten Aspekte der Coronapandemie ist die für Chefs und Aktionäre zahlreicher Konzerne weltweit schockierende Erkenntnis, dass sich ohne menschliche Arbeitskraft wenig bewegt. Derzeit machen in Großbritannien aktive Busunternehmen diese überraschende Erfahrung durch. Laut Statistiken des Branchenverbands Confederation of Passenger Transport UK (CPT) von Ende Oktober können 4.000 offene Stellen nicht nachbesetzt werden. Das macht sich am deutlichsten im kommunalen öffentlichen Nahverkehr bemerkbar. In einer wachsenden Zahl von Städten kommt es zu einer Verlängerung von Intervallen oder sogar der Einstellung ganzer Buslinien, weil die dafür benötigten Fahrer fehlen.
    Vor allem in Lokalzeitungen werden große Busunternehmen wie der landesweit tätige Konzern Stagecoach derzeit zu Stellungnahmen genötigt. So erklärte eine Firmensprecherin am 6. September die Problemursachen gegenüber dem Portal This is Wiltshire, einem Lokalmedium aus dem Speckgürtel in der Nähe Londons: »Es gibt viele Ursachen. Beschäftigte müssen sich aufgrund der Pandemie isolieren, es gibt Verzögerungen bei der Ausstellung neuer Führerscheine durch die zuständige Behörde, und ausgebildete Fahrer haben Großbritannien aufgrund des Brexit verlassen.«
    Inzwischen hat die Gewerkschaft Unite eigene Nachforschungen angestellt. Sie führte eine Umfrage unter 500 Busfahrern aus ganz Großbritannien durch, deren Antworten am 29. November veröffentlicht wurden. Demnach gibt es in 99 Prozent aller Busdepots Personalmangel. Vier von fünf Busfahrern berichteten von einer wachsenden Zahl unbesetzter Stellen seit Beginn der Pandemie im März 2020. Rund die Hälfte der Befragten sagte, dass in ihren jeweiligen Depots zwischen 20 bis 40 Fahrer »verlorengegangen« seien. Im Ergebnis sei es deshalb in der überwiegenden Mehrheit aller Orte zu Ausfällen gekommen, so die Gewerkschaft. (…) »Es gibt eine Reihe von Gemeinsamkeiten zwischen Lkw-Fahrern und Busfahrern. Dazu gehören sehr lange Arbeitszeiten, massive Übermüdung, und sie leiden darunter, dass es keine Toiletten oder Waschgelegenheiten für sie gibt.« Dies führe unter vielen Busfahrern zu einer grundsätzlichen Überlegung, so Morton weiter: »Wenn man unter solch viktorianischen Bedingungen arbeiten muss, dann kann man gleich 20 Pfund pro Stunde als Lkw-Fahrer verdienen, anstatt nur zehn Pfund pro Stunde als Busfahrer.« Tatsächlich sind die Löhne von Busfahrern erheblich niedriger als die ihrer Trucker-Kollegen…“ Artikel von Christian Bunke in der jungen Welt vom 03.12.2021 externer Link
  • Mangel an Lkw-FahrerInnen in Grossbritannien – die Rache der Arbeiterklasse?
    Seit Ende September 2021 leidet das Vereinigte Königreich unter einer Krise bei der Benzinversorgung. Angesichts eines abstürzenden Pfunds und fehlendem Treibstoff für wichtige öffentliche Dienstleistungen wurden Tankwagenfahrer des Militärs eingesetzt, um Treibstoff zu den 8.380 Tankstellen des Landes zu transportieren. Der Mangel an Lkw-Fahrer/innen führte auch dazu, dass sich Container im wichtigsten britischen Hafen Felixstowe stapeln und große Reedereien einen Teil der Ladung nach Kontinentaleuropa umleiten. Am 1. Oktober berichtete der Spiegel über ein „bizarres“ Schreiben der britischen Regierung an deutsche Bürger/innen, die im Vereinigten Königreich leben, in dem diese aufgefordert werden, eine Arbeit als Lkw-Fahrer/innen in Betracht zu ziehen. (Deutsche Führerscheine, die bis 1999 ausgestellt wurden, berechtigen zum Führen von Kleinlastern bis 7,5 Tonnen, auch wenn die betreffenden Personen noch nie einen Lkw gefahren haben.) Ein ähnliches Schreiben wurde an eine Million potenzielle Lkw-Fahrer/innen im Land verschickt.
    Berichte über den Benzinmangel konzentrieren sich in der Regel auf die unmittelbaren Auswirkungen des Brexit – Einschränkungen im Handel und ein Mangel an LKW-Fahrer/innen aufgrund der strengen neuen Einwanderungsregeln des Landes. Im Gegensatz dazu preist die Regierung Johnson weiterhin den Erfolg steigender Löhne aufgrund der angespannten Arbeitsmärkte. Indem sie den Brexit in den Mittelpunkt stellen, übersehen beide Darstellungen die tieferen Ursachen der Krise und die Notwendigkeit umfassender industrieller Reformen, um diese zu beheben.
    Spediteursverbände hatten die Regierung bereits 2014 vor einem Mangel an Lkw-Fahrer/innen gewarnt. Aufgrund der sinkenden Löhne und Arbeitsstandards gehen jedes Jahr mehr Lkw-Fahrer/innen in den Ruhestand als in den Sektor eintreten. Vor der Pandemie hatten 12 500 EU-Fahrer/innen das Vereinigte Königreich als Folge des Brexit verlassen – eine große Zahl, die aber nicht ausreichte, um die aktuelle Krise auszulösen. Aufgrund der Pandemie sank die Zahl der Personen, die die Prüfung zum/r Lkw-Fahrer/in bestanden haben, im Jahr 2020 um 25.000. Darüber hinaus hinderte die als IR35 bekannte Steueränderung nach dem Brexit die Fahrer/innen daran, Gesellschaften mit beschränkter Haftung zu gründen, um ihre Steuer- und Sozialversicherungsbeiträge zu senken, wodurch die Arbeit im Vereinigten Königreich teurer wurde. Das fallende Pfund und die für 2021 erwarteten Warenkontrollen an der britischen Grenze verstärkten diesen Effekt noch. Weniger diskutiert, dafür aber umso bedeutender sind die 50 000 im Vereinigten Königreich ansässigen Fahrer/innen, die die Branche infolge der Pandemie verließen und nie wieder zurückkehrten. Die Flucht dieser Fahrer/innen wirft ein Schlaglicht auf die seit langem bestehenden Arbeitsprobleme in der britischen Transportbranche.
    Etwa die Hälfte der Befragten einer kürzlich durchgeführten Umfrage nannte die Lohnsätze und die zunehmenden Kündigungen als wichtige Gründe für den Fahrer/innenmangel. Während Lkw-Fahrer/innen im Jahr 2010 im Vereinigten Königreich 51 Prozent mehr pro Stunde verdienten als Supermarktkassierer/innen, schrumpfte der Unterschied bis 2020 auf 27 Prozent. Zwischen 2015 und 2021 stieg der durchschnittliche Stundenlohn für britische Lkw-Fahrer/innen um 10 Prozent, verglichen mit 16 Prozent in allen britischen Branchen. In einer Umfrage aus dem Jahr 2016 wurden Kündigungen ebenfalls auf schlechte Löhne, schlechte Infrastruktur an Fernstraßen und schlechte Behandlung durch das Unternehmen zurückgeführt.
    Die meisten Fahrer/innen verlassen die Branche mit Anfang dreißig, da der Beruf nicht mit dem Familienleben vereinbar ist. Obwohl die Arbeitszeit für britische Lkw-Fahrer/innen offiziell maximal zehn Stunden pro Tag beträgt (die frühere Obergrenze von neun Stunden pro Tag wurde aufgrund des Fahrer/innenmangels angehoben), sind die Fahrer/innen oft zwölf bis fünfzehn Stunden pro Tag außer Haus, um zum nächsten Abholort und nach Hause zu fahren. Bei solch langen Arbeitszeiten bleibt ihnen nur genügend Zeit, um nach der Arbeit zu schlafen. Hinzu kommen unvorhersehbare Schichtpläne und häufige Wochenendarbeit. Die im Vergleich zu vielen EU-Ländern schlechte Qualität der Infrastruktur für Fahrer/innen im Vereinigten Königreich – mangelhafte Duschen, schlechte Qualität des Essens und hohe Preise in Autobahnrestaurants – war ein weiteres anhaltendes Problem. Fehlende Covid-19-Tests und strenge Schließkontrollen während der Pandemie waren der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Der daraus resultierende Arbeitskräftemangel erhöhte den Druck auf die verbleibenden Fahrer/innen, länger zu arbeiten, und verschärfte den Kreislauf noch weiter.
    Ironischerweise haben der Brexit und die Pandemie einigen dieser Trends entgegengewirkt, indem sie die Abhängigkeit der Industriesektoren von Arbeitsmigrant/innen deutlich gemacht haben. Supermärkte wie Aldi, Tesco und Asda sowie der genossenschaftliche Einzelhändler John Lewis haben die Löhne für Lkw-Fahrer/innen erhöht oder begonnen, Antrittsprämien zu zahlen. Die britische Gewerkschaft GMB handelte mit dem Lieferunternehmen Yodel eine Lohnerhöhung von 20 Prozent für die Fahrer/innen aus, nachdem 95 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder für einen Arbeitskampf gestimmt hatten. Diese Maßnahmen mögen zwar einige Fahrer/innen dazu veranlassen, den Arbeitgeber zu wechseln, sie lösen jedoch nicht die zugrunde liegenden Probleme und dürften daher kaum dazu führen, dass die Fahrer/innen wieder auf den Markt zurückkehren. Allein in diesem Jahr stiegen die Löhne der Lkw-Fahrer/innen im Vereinigten Königreich um 20 Prozent, aber deren Zahl nahm nicht wesentlich zu.
    Auch die Lohnerhöhungen in einigen Sektoren führen nicht zu einer Steigerung des Gesamteinkommens: Um eine Lohn-Preis-Spirale zu vermeiden, muss die Produktivität entsprechend gesteigert werden. Da es keine Pläne für industrielle Investitionen gibt, keine Vorschläge zur Änderung der brutalen gewerkschaftsfeindlichen Vorschriften Großbritanniens vorliegen und rigide Maßnahmen gegen Proteste in Arbeit sind, haben die schlechten Arbeitsbedingungen das Potenzial, in den kommenden Monaten zu weiteren Versorgungsengpässen zu führen, insbesondere da der Schwarze Freitag und Weihnachten vor der Tür stehen. Bei dem derzeitigen Tempo von neuen Tests fuer LKW-Fahrer/innen wird es zwei Jahre dauern, bis die Lücke an benötigten Lkw-Fahrer/innen geschlossen ist. Damit neue Fahrer/innen in der Branche bleiben, müssen sich die Arbeitsbedingungen ändern.“ Artikel von Jörg Nowak vom 22.10.2021 – wir danken! 
  • Britische Busfahrer fahren jetzt Lkw
    In Großbritannien fehlen Lkw-Fahrer. Die höheren Löhne ziehen jetzt zunehmend Busfahrer an. Das führt zu einem Mangel am anderen Ende. Etliche britische Busfahrer entscheiden sich einem Bericht zufolge aufgrund besserer Löhne für einen Wechsel in die Logistikbranche. Die Abwanderung gehe auf den eklatanten Mangel an Lastwagenfahrern zurück, der die Löhne in der Branche steigen lasse, sagte Bobby Morton von der Gewerkschaft Unite am Sonntag dem Sender Sky News. Busfahrer hätten genauso wie Lkw-Fahrer lange Schichten und nicht genügend Toiletten und Sanitäranlagen zur Verfügung. „Daher denken sich die Leute jetzt, wenn wir weiter unter diesen viktorianischen Bedingungen arbeiten müssen, dann können wir auch für 20 Pfund die Stunde einen Lastwagen fahren, statt für zehn Pfund die Stunde einen Bus“, erklärte Morton. „Daher gehen die Busfahrer gerade in Scharen in die andere Branche.“ Der Confederation of Passenger Transport UK zufolge fehlen derzeit rund 4000 Busfahrerinnen und Busfahrer in Großbritannien. Auf manchen Strecken fallen dadurch bereits Verbindungen aus. Das Verkehrsministerium erklärte, man habe bereits die Verfahren für Fahrprüfungen und vorläufige Bus-Führerscheine beschleunigt…“ Meldung vom 24.10.2021 in der FAZ online externer Link
  • Lieferengpässe in England: Hauptgrund sind schlechte Arbeitsbedingungen. Durch den Brexit mussten tausende Fahrer:innen das Land verlassen. Aber schon davor fehlte Personal 
    „… An Tankstellen in London und im Südwesten Englands fehlt immer noch Treibstoff. Der Grund ist in einem Land wie Großbritannien nicht ein Mangel an Treibstoff, sondern an Arbeiter:innen, die den Treibstoff zu den Tankstellen fahren könnten. Es war schon lange klar, dass dieses Problem aufkommen würde. Im Juli griff die die britische Regierung Rechte von Lkw-Fahrer:innen an, indem sie die minimalen Ruhezeiten kürzte, natürlich nur „vorübergehend“. Damit gefährdete sie nicht nur das Leben der Fahrer:innen, sondern das aller Verkehrsteilnehmer:innen. Seitdem hat sie sich trotzdem unfähig gezeigt, das Problem zu lösen. Es fehlen immer noch 100.000 Fahrer:innen und so kam es im vergangen Monat zu den ersten Versorgungsproblemen. Was jetzt mit Tankstellen passiert, kann sich aber auch auf andere Industrien ausweiten. Schon jetzt macht man sich sorgen, um die erhöhte Geflügelnachfrage zur Weihnachtszeit. Das eigentliche Problem ist eines, dass sich in der Corona-Zeit immer wieder gezeigt hat. Essentielle Arbeit wird nicht ausreichend entlohnt und findet zu unmöglichen Bedingungen statt, deswegen möchte sie kaum eine:r leisten. (…) Der Sinn der EU war immer Deutschland, Frankreich und Großbritannien ökonomische Kontrolle über die wirtschaftsschwächeren Länder der Freihandelszone zu geben. In den, relativ zum Westen armen Ländern Osteuropas ist es einfach, Arbeiter:innen trotz schlechter Löhne und Arbeitsbedingungen anzuwerben. Denn die Bedingungen sind immer noch besser als in deren Heimat und weit besser als gar keinen Job zu haben. Die britische Politik hat diesen imperialistischen Vorteil leichtfertig verspielt. Aber auch in Deutschland fehlen zunehmend Lkw-Fahrer:innen. Jedes Jahr gehen 35.000 in Ruhestand, während nur 15.000 neu in den Job einsteigen. Zwar erwartet die Logistikbranche noch keine Engpässe wie in Großbritannien. Aber langfristig steht auch Deutschland vor einem Problem – trotz der Arbeitskräfte aus Osteuropa. Die EU ist also auch keine Lösung – sie hat den Niedriglohnsektor nur gefestigt. Um die Versorgung zu sichern braucht es gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen.“ Beitrag von Octávio Haubert vom 10. Oktober 2021 bei Klasse gegen Klasse externer Link
  • UK setzt Soldaten für die Benzinversorgung ein
    „Das gab’s zuletzt im Krieg: Das britische Militär hat mit der Belieferung von Tankstellen begonnen, um die Treibstoffknappheit zu verringern. (…) Soldaten in Tarnuniform waren am Montag an einer Raffinerie nördlich von London im Einsatz. Insgesamt 200 Militärangehörige sollen an der “Operation Escalin” teilnehmen, die dem anhaltenden Mangel an Lkw-Lieferfahrern nach dem Brexit entgegenwirken soll. Durch den britischen EU-Austritt waren viele osteuropäische LKW-Fahrer zurück in ihre Heimat gegangen – sie fehlen nun. Für zusätzliche Probleme sorgten die strikten Corona-Beschränkungen und Reisesperren. Außerdem gibt es Streß in vielen Lieferketten. Was hat letztlich den Ausschlag gegeben? Zahlen die Briten die Zeche für den Brexit, wie SPD-Kanzlerkandidat Scholz behauptet? Oder könnte Ähnliches auch in Deutschland oder anderswo in der EU passieren? Wir wissen es nicht – wie auch? Klar ist nur eins: Auch in Deutschland sind viele Lieferketten zum Zerreißen gespannt. Auch in der EU steigen die Energiepreise und damit die Neigung zu Hamsterkäufen bei Benzin. Und auch in Deutschland fehlen tausende Trucker…“ Beitrag vom 4. Oktober 2021 von Eric Bonse in Lost in Europe externer Link
  • Die Grenzen der Menschenfreundlichkeit britischer Konservativer
    „… Mit ihrer Rede vom nötigen Lohnwachstum sind die Tories mitnichten plötzlich zu Arbeiterfreunden mutiert, auch wenn sie sich nicht erst seit dem Brexit als „Arbeiterpartei“ zu gerieren versuchen. Der Menschenfreundlichkeit britischer Konservativer sind seit jeher enge Grenzen gesetzt. Am Beispiel der Logistikbranche wird das derzeit besonders deutlich. Hier fehlen zwischen 50.000 und 100.000 Fahrer. Dafür gibt es vielschichtige Gründe. Zum einen gehen geburtenstarke Jahrgänge in Rente, ein europaweites Phänomen. Schon seit Jahren kommen zu wenig neue Fahrer nach. Die Löhne in der Branche sind stark rückläufig. Die Arbeitszeiten sind hingegen lang. Logistikkonzerne setzten deshalb zunehmend auf osteuropäische Fahrer. 20.000 von ihnen fehlen nun schlagartig, einerseits weil sie aufgrund des Brexit ihre Arbeitsgenehmigung verloren haben, andererseits weil sie aufgrund der Covid-19 Pandemie in ihre Heimatländer zurückgekehrt sind und nun keine Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit in Großbritannien mehr anstreben. Auch auf dem europäischen Festland gibt es einen Fahrermangel, und auch hier werden inzwischen bessere Löhne gezählt als noch vor zwei Jahren. Die Vergabe von 5.000 temporären Visa für ausländische Fahrer ist deshalb nichts weiter als ein Tropfen auf den heißen Stein. Branchenforderungen nach weitreichenderen Ausnahmeregelungen für ausländische Fahrer, wie sie vom Branchenverband Road Haulage Association gefordert werden, wollen die Tories aufgrund ihrer vorgeblichen Lohnerhöhungsstrategie aber nicht nachkommen. Während die Tories auch hier in der Öffentlichkeit arbeiterfreundliche Rhetorik anschlagen und die Frachtunternehmer zur Zahlung höherer Löhne animieren, setzt sie in der Praxis Schritte mit einem für die Fahrer potentiell gemeingefährlichen Inhalt. So existiert bereits seit Monaten ein Noterlass, der die maximal zulässige tägliche Fahrzeit von neun Stunden auf zehn Stunden erhöht. Zweimal pro Woche darf ein Fahrer auch elf Stunden am Stück fahren. Inzwischen wurde die Gültigkeit dieser Regelung auf bis Ende Oktober verlängert. Das erzeugt Protest der Gewerkschaften. Eine Branche, in der die Regierung einfach längere Arbeitszeiten erzwingen könne, werde keine neuen Arbeitskräfte anziehen, heißt es in einer Stellungnahme der Gewerkschaft Unite. Die Regelung wird als Sicherheitsrisiko bezeichnet, vor allem in den kommenden Wintermonaten drohe eine Zunahme von Fahrunfällen übermüdeter Lkw-Fahrer. Wachsende Zahl von Streiks: Kaum eine Branche in Großbritannien ist vom Fachkräftemangel ausgenommen. Laut der britischen Handelskammer haben 70 Prozent aller Betriebe Probleme bei der Personalrekrutierung. Das betrifft sogar die City of London, deren Interessensverband „the City UK“ schon seit Längerem über einen wachsenden Fachkräftemangel klagt. Dem steht gegenüber, dass die Kampfbereitschaft der Belegschaften im privaten Sektor und im Industriebereich zunimmt. Gerade erst hat die Mitgliedschaft der Großgewerkschaft Unite mit Sharon Graham eine neue Generalsekretärin mit syndikalistischem Habitus gewählt. Graham möchte die betriebliche Schlagkraft ihrer Gewerkschaft erhöhen und branchenübergreifende Tarifverträge und bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen. Schon jetzt ist eine wachsende Zahl von Streiks beobachtbar. Diese haben zwar mehrheitlich einen defensiven Charakter, können aber mit dem Personalmangel im Rücken möglicherweise in eine offensive Richtung umschlagen. Im Gesundheitsbereich, hier sind rund eine Million Posten unbesetzt, kündigt sich für die kommenden Monate ebenfalls ein Lohnkampf ab…“ Aus „Arbeitskräftemangel UK: „Schmerzen des Wandels“„, Artikel von Christian Bunke vom 06. Oktober 2021 in Telepolis externer Link bezogen auf die Äußerung von Johnson:
  • Johnson: Wollen keine günstigen Arbeitskräfte mehr aus dem Ausland – um eine „gut bezahlte, gut ausgebildete, hochproduktive Volkswirtschaft“ zu werden… 
    Der britische Premierminister Boris Johnson hat Forderungen nach einer Lockerung der Einwanderungsregeln zur Eindämmung des Lastwagenfahrermangels in seinem Land zurückgewiesen. Autofahrer in Großbritannien haben derzeit große Schwierigkeiten an Kraftstoff zu kommen, weil viele Tankstellen nicht mehr ausreichend beliefert werden können. „Was wir nicht wollen, ist zurückzukehren zu einer Situation, in der die Logistikbranche sich auf eine Menge Einwanderung günstiger Arbeitskräfte stützt, was zur Folge hat, dass die Gehälter nicht steigen und die Qualität der Arbeitsplätze nicht zunimmt“, sagte Johnson am Samstag. Die britische Wirtschaft müsse ihre Abhängigkeit von schlecht bezahlten ausländischen Arbeitskräften beenden, um eine „gut bezahlte, gut ausgebildete, hochproduktive Volkswirtschaft“ zu werden…“ Agenturmeldung am 02.10.2021 bei web.de externer Link
  • Die Versorgungskrise am Horizont: Experten warnen, eine Versorungskrise wie in Großbritannien drohe wegen Lkw-Fahrermangels auch Deutschland und der EU. Grund sind Dumpinglöhne und miserable Arbeitsbedingungen
    „Eine Versorgungskrise wie aktuell in Großbritannien droht wegen des kontinuierlich zunehmenden Mangels an Lkw-Fahrern auch Deutschland und der EU. Das besagen Einschätzungen von Branchenexperten. Im Vereinigten Königreich waren nach ersten Schwierigkeiten bei der Belieferung von Supermärkten nun am vergangenen Wochenende die Benzinvorräte von wohl zwei Dritteln aller Tankstellen zur Neige gegangen; trotz erster Anzeichen einer Erholung dauert der Mangel an. Experten weisen darauf hin, dass in der Bundesrepublik fast ebenso viele Lkw-Fahrer fehlen wie in Großbritannien – und es werden mehr. Das ist auch in den Ländern Ost- und Südosteuropas der Fall, die einen beträchtlichen Teil des Lkw-Frachtverkehrs in der EU abdecken. Ursache des Fahrermangels sind – wie in Großbritannien – Dumpinglöhne und miserable Arbeitsbedingungen, mit denen in der EU allgemein meist Arbeitskräfte aus Europas östlicher und südöstlicher Peripherie abgefunden werden. Philippinische Lkw-Fahrer werden mit der Aussage zitiert, sie hätten in Saudi-Arabien bessere Arbeitsbedingungen vorgefunden als in Europa. (…) Großbritannien, das seinerseits Niedriglohnpersonal traditionell stark aus seinen früheren Kolonien rekrutiert, hat mit dem Austritt aus der EU auch Abschied vom Niedriglohnimport aus Ost- und Südosteuropa genommen. Es steckt nun in einer Übergangskrise, von der noch nicht klar ist, wohin sie führt. Bereits im Sommer wurde berichtet, erste Unternehmen böten Lkw-Fahrern deutliche Lohnerhöhungen an. Jetzt dringt auch die Regierung darauf, den Fahrern „mehr zu zahlen, statt den Markt nur mit billiger Arbeit zu überfluten“; sie gerät dadurch in Konflikt mit der auf Lkw-Transporte angewiesenen Industrie. Die Auseinandersetzungen dauern an.“ Bericht vom 30. September 2021 von und bei German-Foreign-Policy.com externer Link
  • Brexit schafft Mangel: Leere Supermarktregale im Mutterland des Kapitalismus, Schlangen vor Tankstellen. Arbeiter verweigern Dumpinglöhne. Militär mobilisiert 
    „Ein zentrales Versprechen von Premier Boris Johnson lautete: Der »Brexit« schaffe »britische Jobs« für »Briten« – ein Satz mit x, das war wohl nix. Denn seit dem Inkrafttreten des Austrittsabkommens aus der EU fehlen in Großbritannien Arbeiter an allen Ecken. In zahlreichen mies bezahlten Dienstleistungsberufen waren zuvor Osteuropäer im Rahmen der sogenannten EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit auf der Insel tätig. Doch seit dem Austritt aus der Wirtschaftsunion müssen sich EU-Ausländer zeitaufwendigen und teuren Visaverfahren unterziehen. Und die britischen Lohnabhängigen wollen ihre Arbeitskraft nicht zu den geltenden Dumpingpreisen verkaufen. Die Folge ist: Mangel an allen Orten. In Supermärkten bleiben die Regale leer. Weihnachten könnte dieses Jahr besinnlich ausfallen, da die übliche Warenschwemme deutlich reduziert ist. Der Branchenverband Road Haulage Association (RHA) geht davon aus, dass bis zu 100.000 Lkw-Fahrer im Land fehlen, die früher das Logistiknetz der Supermärkte aufrechterhalten haben. Die Regierung wollte den Systemfehler bislang aussitzen. Verkehrsminister Grant Shapps hatte es noch am Freitag abgelehnt, Arbeiter aus dem Ausland anzuheuern. Erst als am Wochenende bekannt wurde, dass Energiekonzerne Dutzende Tankstellen nicht mehr beliefern konnten, erwachte die Regierung aus dem Tiefschlaf. Bis zu 5.000 Arbeitsvisa für Lastwagenfahrer sollen bereitgestellt werden, teilte das Verkehrsministerium am Sonntag in London mit. Zudem sollen 5.500 Fachkräfte für die Geflügelverarbeitung angeworben werden. (…) Vertreter der Logistikbranche und der Nahrungsmittelindustrie begrüßten die Regierungspläne. Zugleich machten sie deutlich, dass die insgesamt 10.500 Arbeiter nicht ausreichten. (…) Mittlerweile wurde das Militär mobilisiert, um der Mangelwirtschaft Abhilfe zu verschaffen. Vorgesehen ist etwa, dass Fahrlehrer der Armee helfen, den enormen Rückstau an Fahrprüfungen aufzuarbeiten, der auch durch die Coronapandemie entstanden ist. Das Verkehrsminister schloss nicht aus, dass Soldaten sogar als Fahrer einspringen könnten. Der Mangel in der Lebensmittelindustrie wird auch durch die steigenden Energiekosten befeuert. Mehrere Fabriken, in denen Kohlenstoffdioxid (CO2) hergestellt wird, mussten die Produktion einstellen, weil sie die Teuerungen nicht bewältigen konnten…“ Artikel von Simon Zeise in der jungen Welt vom 27. September 2021 externer Link, siehe auch:
  • Anstehen ohne Alternative: Krise in Großbritannien ausgeweitet. Wettbewerbsregeln außer Kraft gesetzt
    „Die Versorgungskrise in Großbritannien verschärft sich. In einigen Landesteilen sei an bis zu 90 Prozent der Zapfsäulen der Sprit ausgegangen, teilte der Verband der unabhängigen Tankstellenbetreiber (PRA) am Montag mit. (…) Man müsse die Entwicklung stoppen, sonst gerate man in einen Teufelskreis. Spediteure, Tankstellen und Einzelhändler fordern die Regierung schon seit einiger Zeit auf, das Problem rasch anzugehen, um Engpässe und leere Supermarktregale an Weihnachten zu vermeiden. Sie warnen aber auch, dass man kaum auf schnelle Lösungen hoffen könne, da der Mangel an Lkw-Fahrern so akut sei und der Transport von Kraftstoffen zusätzliche Schulungen und Lizenzen erfordere. Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng setzte am Sonntag abend Wettbewerbsregeln außer Kraft, damit die Branche gemeinsam gegen die Engpässe vorgehen kann. (…) Der deutsche Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) erklärte am Montag, dass der Austritt Großbritanniens aus der EU mitverantwortlich für die Misere sei. Auf die Frage, ob Deutschland Lastwagenfahrer nach Großbritannien schicken könne, antwortete Scholz, dass die sogenannte EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit ein Merkmal der Europäischen Union sei. »Wir haben sehr hart daran gearbeitet, die Briten davon zu überzeugen, die Union nicht zu verlassen. Am Ende haben sie sich anders entschieden.« Infolge des »Brexits« haben schätzungsweise 20.000 vor allem osteuropäische Fahrer Großbritannien verlassen – neue, strenge Einwanderungsregeln hemmen nun aber den Zuzug.“ Meldung in der jungen Welt vom 28. September 2021 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=193813
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