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Griechische Migrationspolitik (mit Syriza – und Nachfolgern)

Dossier

Poseidons Kinder. Ein Lied über die Flüchlinge im Mittelmeer von der österreichische Reggaegruppe Iriepathie.Unter der Syriza-Regierung werden Flüchtlinge an Griechenlands Meeresgrenzen nicht mehr zurückgedrängt, Sammellager wurden aufgelöst – so Tasia Christodoulopoulou im Interview von Heike Schrader in der jungen Welt vom 15. Mai 2015 externer Link – doch der gute Wille war schnell weg… Siehe zur Situation der Flüchtlinge das Dossier Humanitäre Krise in Griechenland droht zu eskalieren und zum Push-back-Deal mit Seehofer Seehofers harter Kurs in der Asyl- und Flüchtlingspolitik: Zurückweisungen an der Grenze (europafeindlich und rechtswidrig) und dem mit der Türkei EU-Türkei-Deal in der Flüchtlingsfrage sowie hier zum Umgang der griechischen Politik damit:

  • Der Fall von Abdelhafiz O. aus Ägypten in Griechenland: Ihm drohen 1.020 Jahre Gefängnis: „Ich habe nur das Boot gesteuert“ New
    „Am 28. Dezember 2023 legte ein Boot mit Abdelhafiz O., einem zweifachen Vater aus Ägypten, und 69 anderen Menschen von Tobruk, Libyen ab. Mehrere andere Passagiere sagten aus, dass Abdelhafiz einer von ihnen war und, genau so wie der Rest der Passagiere, zu einer gefährlichen Überfahrt gezwungen war. Obwohl er das Boot nur steuerte, klagten ihn die griechischen Behörden des Menschenschmuggels an. Ihm wird die Verantwortung für die gefährliche Reise vorgeworfen und so droht ihm eine Gefängnisstrafe von bis zu 1.020 Jahren. (…) Konkret handelte es sich um die Vorwürfe des “Handeln aus Gewinnabsicht“ und der “Gefährdung des Lebens der Passagiere”. Diese Anklage basiert auf der Behauptung, sie hätten die Steuerung gegen eine Ermäßigung ihres Fahrpreises übernommen sowie auf der mangelnden Rettungsausrüstung des Bootes, den schlechten Wetterbedingungen und der Gefahr des Sinkens. Dieses Szenario kommt in ähnlichen Prozessen nur allzu häufig vor. Das Steuern des Bootes gegen einen ermäßigten Fahrpreis wird von den Behörden regelmäßig als ”Gewinnstreben“ ausgelegt. Darüber hinaus werden die Migrant:innen und Geflüchteten für die sehr gefährlichen Bedingungen bestraft, denen sie selbst ausgesetzt waren. Die überfüllten, unsicheren und seeuntüchtigen Schiffe, in denen sie reisen müssen, werden häufig als Rechtfertigung für die Anwendung der erschwerenden Umstände der Gefährdung des Lebens der Passagiere herangezogen – und das trotz der Tatsache, dass die geschmuggelten Menschen in der Regel keine Informationen und Kontrolle über diese gefährlichen Arrangements und die Gefährdung ihres eigenen Lebens haben. Geschmuggelte Migrant:innen und Geflüchtete werden nicht nur des Schmuggels angeklagt, nur weil sie das Steuer übernommen haben – was im Widerspruch zu internationalem Recht steht, welches sie eigentlich schützen soll –, sondern sie werden auch zu harten Strafen verurteilt, als wären sie skrupellose, profitgierige Kriminelle. (…) Gemeinsam mit seinen beiden Söhnen und seiner Frau in Ägpyten, die sich sehr um ihren Vater und Ehemann sorgen, fordern wir: – dass die Anklage gegen Abdelhafiz O. fallen gelassen wird – Freiheit für alle, die für das Steuern eines Bootes oder Autos inhaftiert werden, trotz der Tatsache, dass es keine Alternative gibt, um die Europäische Union zu erreichen – Ein Ende der Kriminalisierung von Migration und der Inhaftierung von Menschen auf der Flucht.“ Meldung von und bei borderline-europe Menschenrechte ohne Grenzen e. V. vom 29. Oktober 2024 externer Link
  • Homayoun Sabetera kommt frei: Griechisches Gericht hat die Strafe des iranischen Einwanderers als vermeintlicher Schleuser auf das Mindestmaß reduziert
    • Homayoun kommt frei!
      Homayoun wird aus dem Gefängnis entlassen! Das Gericht hat beschlossen, die Strafe für den iranischen Einwanderer Homayoun Sabetara zu reduzieren.
      Das Gericht in Thessaloniki hat bekannt gegeben, dass das erste Urteil des Berufungsgerichts im Fall gegen die Verurteilung des syrischen Häftlings Homayoun Sabetera aufgehoben wurde. Die Verhandlung vor dem Berufungsgericht in Thessaloniki hatte ein positives Ergebnis für den 61-jährigen iranischen Einwanderer Homayoun Sabetara, Vater von zwei Kindern, der wegen des Vorwurfs des „Migrantenhandels“ angeklagt war. Homayoun war seit 2021 in griechischen Gefängnissen inhaftiert, nachdem er zusammen mit anderen Migranten festgenommen wurde, als er versuchte, Griechenland zu durchqueren, um zu seiner Tochter in Deutschland zu kommen. Er war in erster Instanz zu 18 Jahren Haft verurteilt worden – er saß wie Tausende von Migranten in unserem Land als Folge der systematischen Kriminalisierung der Migration in Europa im Gefängnis. Nach einer groß angelegten Solidaritätskampagne von Flüchtlingsrechtsorganisationen und in Thessaloniki ansässigen Vereinen, die auf das Problem aufmerksam machten, beschloss das Gericht heute, seine Strafe auf das Mindestmaß zu reduzieren. Er wird in einigen Wochen freigelassen, wenn er die entsprechende Strafe abgesessen hat.
      Nach Angaben von Homayoun Sabetaras Anwalt Haris Ladis wurde seine Strafe von 18 Jahren in 7 Jahre und 4 Monate Gefängnis umgewandelt – der erschwerende Umstand der Profitmacherei wurde gestrichen und ihm wurde ein zweiter mildernder Umstand (neben dem früheren ehrlichen Leben) zugestanden, nämlich die Ausführung der Tat ohne niedrige Beweggründe. Homayoun Sabetara wird in das Gefängnis von Trikala zurückgebracht, dürfte aber in naher Zukunft freigelassen werden. Der Fall lässt nach Angaben des Anwalts noch verschiedene rechtliche Fragen offen, die in den nächsten Phasen vor dem Obersten Gerichtshof und den europäischen Gerichten geprüft werden. (…) Nach der Verhandlung fand vor dem Gericht eine Kundgebung von Kollektiven und Solidaritätsgruppen statt.“ griech. Artikel von Stavroula Poulimeni vom 25.9.2024 in alterthess.gr in dt. Übersetzung am 26. September 2024 in griechenlandsolidarität externer Link
    • Siehe mehr Infos und Fotos bei der FreeHomayoun-Kampage externer Link (auf Englisch)
    • Homayoun Sabetara kommt frei. Griechische Justiz entlässt als Schleuser verurteilten iranischen Flüchtling aus der Haft
      „»Ich bin einfach nur glücklich«, sagte eine sichtlich erleichterte Mahtab Sabetara am Mittwoch nach der Urteilsverkündung gegen ihren Vater Homayoun Sabetara. Nachdem dieser im September 2022 als angeblicher »Schlepper« zu 18 Jahren Haft verurteilt worden war, hatte seine Tochter mit Unterstützung der Kampagne #FreeHoumayoun ein Berufungsverfahren angestrengt, das nun endlich zum Abschluss kam. Die Anwälte der Verteidigung Dimitris Choulis und Haris Ladis konnten das Gericht in Thessaloniki zu einer erheblichen Reduzierung des Strafmaßes bewegen, das auf sieben Jahre und vier Monate Haft herabgesetzt wurde. Da Homayoun Sabetara bereits seit drei Jahren in Griechenland im Gefängnis sitzt, wird er unter Auflagen bald freikommen. (…) Mit dem jetzigen Urteil wird anerkannt, dass Sabetara nicht als Schmuggler auf Profit aus war und sich nicht aus »niedrigen Beweggründen« an der Flucht beteiligte, sondern »diese Reise unternahm, um zu seinen Kindern in Berlin zu gelangen«, wie sein Anwalt Haris Ladis hervorhebt…“ Artikel von Elisabeth Heinze, Thessaloniki, vom 26.09.2024 in ND online externer Link
    • Siehe frühere Meldungen zum Fall hier weiter unten
    • Siehe auch: „Lebenslange Haft für Migrant:innen, die sich selbst schleusen – Schleuser-Prozesse in Griechenland als Beispiel europäischer Kriminalisierungspraxis“ im Dossier: Debatte um Schleuser und Schlepper – richtet sich gegen Fluchthelfer
  • Der ungeheuerliche Scheinprozess gegen die rechtsextremen „Milizionäre“ von Evros
    Im August 2023 entführten drei Rechtsextremisten dreist 13 verängstigte Flüchtlinge und zwängten sie in einen Anhänger, der an ein Auto angehängt war. Heute verkündete das Gericht Urteile, die sich nur mit der illegalen Inhaftierung der Flüchtlinge befassten und die rassistischen Motive, die dem Angriff zugrunde lagen, außer Acht ließen. Der Prozess, der mit Polizeizeugen gespickt war, die die Schwere des Vorfalls verharmlosten, entwickelte sich zu einer Farce. In einem Gerichtssaal, der mit Anhängern der Extremisten gefüllt war, wurden die Täter in Sprechchören als „gute Kinder“ gelobt. Die Verteidigung unter der Leitung von Michalis Dimitrakopoulos erniedrigte die Flüchtlinge und bezeichnete sie als „13 Bestien“.
    Es handelte sich um einen Scheinprozess, bei dem die rassistischen Beweggründe aus dem Fall herausgenommen wurden. Diese Männer hatten Flüchtlinge in einen Wohnwagen gezwungen und sie „Stücke“ genannt. Ihre Rhetorik, wie von ThePressProject aufgedeckt, identifizierte die Opfer eindeutig als „illegale Einwanderer“. (…)
    Das dreiköpfige Berufungsgericht für Strafsachen in Komotini verurteilte heute die drei rechtsextremen Bürgerwehrler zu fünf Jahren Gefängnis, die in eine Geldstrafe von nur 10 Euro pro Tag umgewandelt werden können. Die Tatsache, dass das Gericht die rassistischen Motive nicht anerkennt, ist empörend. Trotz ihres brutalen Vorgehens während des Brandes im vergangenen Jahr stufte das Gericht die Anklage von einem Verbrechen zu einem Vergehen herab und verwarf den Vorwurf des Raubes und der Rassenfeindlichkeit. Der Rädelsführer, Apostolos Tota, wurde zu 63 Monaten Haft verurteilt, die beiden anderen Extremisten erhielten 60 Monate Haft. Diese Urteile, die in eine Geldstrafe umgewandelt werden können, bedeuten, dass die Täter, die seit September letzten Jahres inhaftiert sind, sofort freigelassen werden. Sie haben außerdem Berufung eingelegt, wodurch die Zahlung der Geldstrafen ausgesetzt wird.
    Die Entscheidung des Gerichts, die rassistischen Motive auszuschließen, ist verwunderlich. Die Männer haben Flüchtlinge gewaltsam in einen Wohnwagen gepfercht, sie abfällig als „Stückchen“ bezeichnet und rechtsextreme Abzeichen angebracht. Ihre Rhetorik und ihre Handlungen waren, wie von TPP aufgedeckt, von Rassismus durchdrungen
    .“ engl. Beitrag vom 5. Juli 2024 beim The Press Project externer Link mit Fotos (maschinenübersetzt)
  • Griechische Küstenwache setzt erneut Kinder in der Ägäis aus – Haftbefehl gegen den Gründer der Hilfsorganisation Aegean Boat Report, die berichtete
    „… Am Mittwoch externer Link führte die griechische Küstenwache erneut einen solchen Pushback durch, berichtet die Hilfsorganisation Aegean Boat Report. Demnach wurden auch 14 Kinder in Rettungsinseln geworfen und in der Ägäis ausgesetzt. Insgesamt seien in den letzten Tagen zehn Rettungsinseln mit 180 Menschen, darunter 60 Kleinkinder, an der türkischen Küste angetrieben worden, so Aegean Boat Report. Statt die Verantwortlichen zu verfolgen, haben griechische Behörden jüngst einen Haftbefehl gegen den Gründer der Organisation, Tommy Olsen, erlassen externer Link.
    Ein Fernsehbericht externer Link der britischen BBC hat vergangene Woche belegt externer Link, dass bei derartigen Pushbacks innerhalb von drei Jahren mindestens 43 Menschen ertrunken sind. Auch Frontex ist teilweise involviert. In den Missionen »Poseidon« auf See und »Terra« an Land sind mehrere Hundert Beamte aus EU-Mitgliedstaaten sowie von Frontex in Griechenland im Einsatz, darunter auch Schiffe, die Geflüchtete an griechische Einheiten übergeben, die sie dann auf See aussetzen.
    Ebenfalls vergangene Woche hat das deutsche ARD-Magazin »STRG F« über eine solche Kooperation vom Januar 2024 berichtet externer Link und dazu den neuen Frontex-Chef Hans Leijtens externer Link befragt. Er habe griechische Beamte aufgefordert, die Zurückweisungen zu stoppen. »Ich habe es ihnen gesagt. Aber das Ding ist, es zu verhindern, kann ich nicht«, sagte Leijtens dem Sender. »Das Kommando und die Kontrolle liegen beim Mitgliedstaat.« (…) Kein Mitglied der griechischen Küstenwache oder Polizei wurde bislang für die menschenrechtswidrigen Handlungen verfolgt. Trotzdem empfiehlt der Frontex-Grundrechtebeauftragte nicht, die Missionen in Griechenland auszusetzen. »Das Mindeste, was Frontex tun sollte, ist, das Gesetz zu respektieren und die Operationen auszusetzen«, sagt Hanaa Hakiki vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in Berlin zum »nd«. Die Agentur könne ihren schlechten Ruf nicht ignorieren. »Wenn Frontex nach der Wahl von Leggeri nicht mehr mit der rassistischen extremen Rechten in Verbindung gebracht werden will, muss sie drastische Maßnahmen ergreifen«, so die leitende Rechtsberaterin im Programm für Grenzjustiz beim ECCHR…“ Artikel von Matthias Monroy vom 24.06.2024 in ND online mit umfangreichen Ausführungen zur Rolle von Frontex
  • Neue Website: „pylosverbrechen.de“
    Das Pylos-Verbrechen ist der vorläufige grausame Tiefpunkt der allgemeinen Gewalt gegen Geflüchtete in Europa. Schon oft ist nachgewiesen worden, dass Wächter an den Grenzen Europas Geflüchtete mit Gewalt zurückdrängen. In sehr vielen Fällen kamen Menschen auf der Flucht dabei zu Tode.  Der Pylos-Fall ragt heraus durch seine Extreme. Dadurch wie brutal der Tod von vielen hundert Menschen in Kauf genommen oder sogar gewollt wurde. Wir haben eine neue Website mit dem Namen „pylosverbrechen.de“ erstellt. Darauf informieren wir über Entwicklungen der Tragödie vor Gericht, Protestaktionen usw. Das Ziel dieser Website ist, dass dieses ungeheuerliche Verbrechen nicht in Vergessenheit gerät – und dass die Verantwortlichen bestraft werden. Die Verantwortlichen sind nicht nur in Griechenland zu finden, sondern an vielen Orten in Europa, wo das tödliche europäische Grenzregime aufrechterhalten wird. Der Kampf um Gerechtigkeit für die Opfer von Pylos soll ein Fanal dafür sei, dass wir die täglichen Verbrechen gegen Menschen auf der Flucht nicht akzeptieren!“ Meldung am am 22. Juni 2024 in griechenlandsolidarität externer Link zu https://pylosverbrechen.wordpress.com/ externer Link
  • [Neue BBC-Recherche] Tod von Dutzenden Migranten: Griechische Küstenwache warf Geflüchtete ins Mittelmeer  Die griechische Küstenwache hat in den vergangenen drei Jahren den Tod von Dutzenden Migranten im Mittelmeer verursacht. Mindestens neun von ihnen seien absichtlich ins Mittelmeer geworfen worden, berichtet der britische Sender BBC unter Berufung auf Aussagen von Zeugen. Laut der Recherche mit dem Titel »Totenstille« externer Link zeigen die Vorfälle ein klares Muster. Auf einem Film sind demnach zwölf Personen zu erkennen, die von einem Boot der Küstenwache in einem Schlauchboot ausgesetzt wurden.
    Die BBC legte den Bericht mit Aufnahmen, die von Geflüchteten stammen, einem ehemaligen hochrangigen Vertreter der griechischen Küstenwache vor. Dieser bezeichnete das Vorgehen – als er das Mikrofon der Reporter für abgeschaltet hielt – als »offensichtlich illegal« und »internationales Verbrechen«. (…) Die BBC hat versucht, die Zahl der Todesfällen bei derartigen Menschenrechtsverletzungen zu berechnen, und zog dafür Berichte aus lokalen Medien, von Nichtregierungsorganisationen und der türkischen Küstenwache heran. Von Mai 2020 bis 2023 kam es demnach bei 15 Vorfällen zu 43 Toten. Die Verifizierung sei jedoch schwierig, so die BBC, da Zeugen oft verschwänden oder Angst hätten auszusagen. In vier Fällen seien die Angaben durch Augenzeugen bestätigt worden.
    Ein Mann aus Kamerun berichtete der BBC, er sei im September 2021 auf der Insel Samos von griechischen Behörden gejagt und mit zwei weiteren Migranten auf ein Boot der Küstenwache gebracht worden. Die beiden anderen seien ins Wasser geworfen worden und ertrunken. Ihre Leichen wurden dem Bericht zufolge an der türkischen Küste gefunden. In einem ähnlichen Fall soll ein Mann aus Somalia im März 2021 auf der Insel Chios von der griechischen Armee an die Küstenwache übergeben worden sein, die ihn mit gefesselten Händen ins Wasser geworfen haben soll. Er überlebte knapp, drei seiner Begleiter starben, so die BBC. Im September 2022 ertranken laut dem Bericht mehrere Kinder, nachdem die Küstenwache 85 Migranten nahe der Insel Rhodos in türkische Gewässer zurückgebracht und in ein Schlauchboot gesetzt hatte, das zu sinken begann. (…) Die Recherche belegt außerdem, wie Behörden den Geflüchteten systematisch das Recht auf Asyl vorenthalten. Interviewpartner berichteten demnach, Männer in Zivil und oft maskiert hätten sie aufgegriffen, verschleppt und in die Türkei zurückgeschickt. Die Recherche belegt außerdem, wie Behörden den Geflüchteten systematisch das Recht auf Asyl vorenthalten. Interviewpartner berichteten demnach, Männer in Zivil und oft maskiert hätten sie aufgegriffen, verschleppt und in die Türkei zurückgeschickt. Diese Pushback-Praxis wird seit Jahren von Menschenrechtsgruppen dokumentiert. Beinahe zeitgleich mit dem BBC-Bericht machte am Montag auch Al Jazeera eine Recherche öffentlich, die belegt dass griechische Polizeitruppen auf der Insel Kos Geflüchteten ihre Mobiltelefone wegnehmen, ihnen die Augen verbinden, diese fesselt und auf diese Weise mutmaßlich einen Pushback vorbereitet. Darüber hatte die Organisation Aegean Boat Report vor einem Jahr berichtet und ein Video online gestellt. Der österreichische Aktivist Fayad Mulla filmte einen solchen Vorfall im Februar 2023 auf Lesbos…“ Artikel von Matthias Monroy vom 17.06.2024 in ND online externer Link, siehe dazu:

  • In Kalamata, Griechenland, beginnt der Prozeß gegen die «Pylos 9» – die Sündenböcke von Pylos – mit einem Freispruch! Den Überlebenden des Schiffbruchs drohten lebenslängliche Haftstrafen
    • FREISPRUCH DER NEUN ANGEKLAGTEN DES SCHIFFSUNGLÜCKS VON PYLOS WEGEN FEHLENDER ZUSTÄNDIGKEIT DER GRIECHISCHEN GERICHTE
      Das Strafgericht von Kalamata hat heute die neun Angeklagten freigesprochen, die vom griechischen Staat des Schmuggels und der illegalen Einreise beschuldigt wurden. Es erklärte sich außerdem für unzuständig, über die Anschuldigungen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und der Verursachung des Schiffsunglücks von Pylos, bei dem am 14. Juni 2023 über 600 Menschen ums Leben kamen, zu urteilen.
      Nach einem Einspruch der Verteidigung, wonach das Gericht für die Anklagepunkte Verursachung eines Schiffbruchs und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung nicht zuständig sei und im Falle des Schmuggels und der illegalen Einreise die rechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien, akzeptierten die Staatsanwaltschaft und anschließend das Gericht den Einspruch und ließen die Anklage gegen die neun Ägypter fallen.
      Dieses Urteil stützt sich auf die Tatsache, dass die angeblichen Straftaten der Pylos 9 in internationalen Gewässern, also außerhalb des griechischen Hoheitsgebiets und der griechischen Gerichtsbarkeit, begangen wurden. Vor der Entscheidung über die Zuständigkeit wurden die Angeklagten einzeln zum Zielort ihres Bootes befragt, um sicherzustellen, dass sie die Absicht hatten, nach Italien und nicht nach Griechenland zu fahren. Die Angeklagten bestätigten dies und erklärten, sie verstünden nicht, warum sie angeklagt und inhaftiert worden seien. Einer der Angeklagten erklärte: „Ich weiß nicht, warum ich hier bin. Ich bin vom Meer ins Gefängnis gekommen“.
      Zwei Offiziere der griechischen Küstenwache wurden ebenfalls befragt, wobei sich ihre Aussagen auf die Bestimmung der genauen Position des Schiffswracks und des Zielorts des Migrantenboots beschränkten. Dazu gehörte auch die Befragung des Kapitäns des HCG-Schiffs 920, des Schiffs der Küstenwache, das von vielen Überlebenden des Schiffbruchs von Pylos beschuldigt wurde, das Kentern des Schiffes verursacht zu haben, indem es versucht hatte, das Boot abzuschleppen. Da die Anhörung jedoch zu Ende war, bevor der Fall in der Sache behandelt wurde, musste sich der Kapitän des Schiffes nie vor Gericht für seine Handlungen und Unterlassungen verantworten.
      Die Angeklagten von Pylos 9, denen mehrere lebenslange Haftstrafen drohten, werden nun aus dem Gefängnis entlassen. Auch wenn das heutige Ergebnis eine große Erleichterung darstellt, insbesondere angesichts der systematischen Kriminalisierung von Migranten in Griechenland, darf nicht vergessen werden, welchen Leidensweg die neun Angeklagten, die selbst Überlebende des Schiffsunglücks waren, durchgemacht haben. Obwohl sie von Anfang an ihre Unschuld beteuerten, wurden sie dennoch verfolgt und fast ein Jahr lang inhaftiert, ohne Zugang zu psychosozialer Unterstützung.
      Der heutige Erfolg ist ein weiterer Beweis dafür, dass Anklagen gegen Migranten wegen Schleusung willkürlich und unbegründet sind…“ engl. Pressemitteilung vom 21. Mai 2024 von Legal Centre Lesvos externer Link (maschinenübersetzt) und zuvor:

      • Update zum #Pylos9-Prozess: Das Gericht in Kalamata weist alle Anklagen gegen die #Pylos9 wegen fehlender Zuständigkeit ab. Nach 11 Monaten ungerechtfertigter Inhaftierung wird die #Pylos9 freigelassen werden.“ engl. Meldung des Legal Centre Lesvos am 21.5. auf Twitter externer Link
    • Flüchtlingspolitik: Die Sündenböcke von Pylos
      Hunderte Flüchtende ertranken vergangenen Juni vor der griechischen Küste. Obwohl die Verantwortung der Behörden dokumentiert ist, müssen sich neun Überlebende kommende Woche für die Schiffskatastrophe vor Gericht verantworten. (…) Von den über 700 Flüchtenden an Bord haben 104 die Katastrophe im Ionischen Meer überlebt. Neun davon werden am Tag nach ihrer Ankunft an Land verhaftet, einige müssen direkt vom Spital zum Verhör. Die Staatsanwaltschaft wirft den Männern aus Ägypten diverse Vergehen vor – von der «Beihilfe zur illegalen Einreise» über die Verursachung des Schiffbruchs bis zur «Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung» und der illegalen Einreise. Kommenden Dienstag soll in Kalamata auf dem Peloponnes der Prozess gegen die «Pylos 9» stattfinden – sofern er nicht in letzter Minute verschoben wird. Bei einer Verurteilung drohen den Angeklagten mehrfach lebenslängliche Haftstrafen. Das Verfahren ist ein Paradebeispiel für die Kriminalisierung flüchtender Menschen als «Schlepper» – eine Praxis, die in den letzten Jahren immer mehr zugenommen hat. Ein Beispiel aber auch für die Gewalt des europäischen Grenzregimes…“ Artikel von Anna Jikhareva in der WoZ vom 16. Mai 2024 externer Link
    • Griechenland: Rechte der Überlebenden des Schiffbruchs von Pylos auf ein faires Gerichtsverfahren respektieren
      Strafverfolgung sollte nicht als Schutzschild für die Feststellung der Verantwortlichkeiten der griechischen Behörden dienen
      Der bevorstehende Prozess gegen neun Überlebende des Schiffsunglücks von Pylos im Juni 2023 vor Griechenland wirft Bedenken hinsichtlich eines fairen Verfahrens auf, so Human Rights Watch und Amnesty International heute. Die Überlebenden werden des Schmuggels, der Verursachung eines Schiffbruchs, der illegalen Einreise sowie der Bildung und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung angeklagt und könnten im Falle einer Verurteilung mehrfach lebenslänglich bekommen. Eine parallele Untersuchung über die mögliche Verantwortung der griechischen Behörden für den Schiffbruch befindet sich noch im Anfangsstadium, so dass das Strafgericht bei der Beurteilung der Schuld der Angeklagten nur über unvollständige Informationen verfügen wird. Der Strafprozess soll am 21. Mai 2024 in Kalamata, Griechenland, beginnen
      …“ engl. Appell vom 17. Mai 2024 bei hrw externer Link (maschinenübersetzt)
    • Stoppt die Vertuschung des Tötens von 600 Menschen!
      In den nächsten Wochen werden wir sehen, ob es Mitsotakis und Co. und seinen europäischen Verbündeten gelingen wird, das ungeheuerliche Verbrechen von Pylos zu vertuschen. Ob es ihnen gelingen wird, neun Sündenböcke zu langen Gefännisstrafen verurteilen zu lassen. Ob die meisten Menschen der Justiz und der staatlichen Propangandamaschine die Lüge von der unschuldigen Küstenwache und der unschuldigen Frontex abkaufen werden.
      Am 14. Juni jährt sich das Verbrechen. Eingedenk dessen wird es in vielen Städten Europas Aktionen geben. Bereits jetzt ist bekannt, dass in London, Paris, Kopenhagen, Warschau, Nikosia und Athen Kundgebungen stattfinden werden. In Berlin wird Pro Asyl am 14. Juni tagsüber eine Aktion durchführen (…)
      Am 21. Mai wird das Sündenbock-Gerichtsverfahren in Kalamata beginnen. Neun willkürlich ausgewählte Überlebende des Schiffbruchs werden aller möglicher Verbrechen angeklagt – einschließlich der Verursachung des Schiffbruchs (siehe dazu unten die Erklärung der Initiative von Anwälten und Juristen zum Prozess in Kalamata ).
      Am 12. Mai wird es ein großes Solidaritätskonzert in Athen zur Unterstützung der Kampagne für Gerechtigkeit für die Opfer des kriminellen Schiffbruchs von Pylos geben (Siehe https://www.efsyn.gr/ellada/koinonia/431764_synaylia-allileggyis-gia-ta-thymata-toy-egklimatikoy-nayagioy-tis-pyloy externer Link).
      Am 15. Juni werden in Kalamata ein Solidaritätskonzert und eine Demonstration organisiert.
      Am 16. Mai: Pressekonferenz von acht Verteidiger:innen der neun Angeklagten (Infos dazu: https://www.kinimatorama.net/event/165947 externer Link) in Athen. (Siehe Plakat hier unten)
      Am 20. Mai findet eine Kundgebung in Athen statt und
      am 21. Mai wird zu dem Gerichtsverfahren in Kalamata mobilisert.
      Initiative von Anwälten und Juristen zum Pylos-Verbrechen
      „Lassen Sie die 9 ägyptischen Überlebenden nicht zu „Sündenböcken“ für das Verbrechen von Pylos werden! (Ankündigung der Initiative vor dem Prozess am 21.5.2024 externer Link): Am 21. Mai 2024 beginnt vor dem Landgericht von Kalamata der Prozess gegen die 9 Ägypter, die am 14. Juni 2023 vor der Küste von Pylos nach dem Schiffbruch gerettet wurden. Nach ihrer Rettung wurden diese Personen beschuldigt, „die Schmuggler“ zu sein. Seitdem befinden sie sich in Haft und müssen sich wegen Anstiftung zum Schiffbruch, Schmuggel von Migranten, Bildung einer kriminellen Vereinigung und illegaler Einreise verantworten. Als Initiative von Anwälten und Juristen für das Schiffsunglück von Pylos verfolgen wir diesen Fall mit großer Sorge und begründeter Besorgnis. Die strafrechtlichen Vorwürfe gegen diese Menschen werden durch die Fakten nicht gestützt. Die vorherrschenden Vorurteile gefährden die unparteiische Bewertung der Beweise und die Ermittlung der tatsächlichen Ursachen und der wahren Schuldigen dieser Tragödie…“ Beitrag vom 5. Mai 2024 in griechenlandsolidarität externer Link
    • Siehe mehr zu Pylos hier unten und auch in unserem Dossier: Humanitäre Krise in Griechenland droht zu eskalieren
  • Griechenland: Staatsterror Verfahrensverschleppung. Berufungsverfahren von Homayoun Sabetara in Thessaloniki wird im September fortgesetzt
    • Griechenland: Staatsterror Verfahrensverschleppung
      „Homayoun Sabetara wird bereits fast drei Jahre lang unschuldig in griechischen Gefängnissen gefangen gehalten. Dabei leidet er an einer Krebserkrankung. Am 23.4.2024 vertagte das Gericht sich bis zum 24. September 2024, weil der einzige Zeuge der Angeklage nicht erschien. Das heißt Homayoun Sabetara wird ein weiteres halbes Jahr unschuldig im Gefängnis festgehalten.
      Die griechische Justiz bestraft unschuldige Menschen hart, ohne irgendwelche Beweise für eine Straftat. Angesichts eines anderen bekannten Falles hatten wir das „Staatsterror Verfahrensverschleppung“ (…) genannt. Es geht um Terror, um Verbreitung von Angst. Alle, die auf der Flucht sind, sollen abgeschreckt werden. Seht her, wenn ihr zu uns kommt, landet ihr für viele Jahre im Gefängnis, egal ob wir euch irgendetwas vorwerfen können, oder nicht.“
      Meldung vom 26. April 2024 bei der Griechenlandsolidarität externer Link
    • #FreeHomayoun: Kriminalisierter Helfer. Berufungsverfahren von Homayoun Sabetara in Thessaloniki wird im September fortgesetzt
      Als der gebürtige Iraner Homayoun Sabetara im September 2022 wegen »Beihilfe bei der unerlaubten Einreise aus Drittstaaten in die EU« in Griechenland zu 18 Jahren Haft verurteilt wurde, stand für seine Tochter Mahtab und ihre Unterstützerinnen sofort fest, dass sie gegen dieses Urteil vorgehen werden. Der Prozess war für den vergangenen Montag anberaumt, wieder in Thessaloniki.
      Unterstützeraktion mit Bannern und Plakaten vor dem Gericht
      Eine Menschengruppe hatte sich am Montag vor dem Gericht in Thessaloniki mit Bannern und Plakaten versammelt, um Sabetara mit Parolen lautstark zu unterstützen und auf die Kriminalisierung der Geflüchteten in Griechenland und in Europa aufmerksam zu machen. Nach sieben Stunden des Wartens erfuhren sie, dass der Prozess – wie leider üblich – auf den Folgetag verschoben werde. In der Berufung am Dienstag machte dann die Verteidigung von Homayoun Sabetara das Gericht auf etliche Verfahrensfehler aufmerksam. (…) Auf die Anträge der Verteidigung ging das Berufungsgericht am Dienstag insofern ein, als der Prozess zunächst bis Ende September vertagt wurde. Das Lager von Sabetara führt diesen Schritt auf eine Art »Überforderung« des Gerichts zurück. (…) Prozessbeobachterin Julia Winkler von der Nichtregierungsorganisation Borderline Europe sieht darin eine Chance. Indirekt habe das Gericht anerkannt, dass das erste Verfahren nicht korrekt war. Bis September soll der Belastungszeuge nun ausfindig gemacht und vor Gericht befragt werden. Wird der Zeuge nicht gefunden, dürfe die Aussage, die den Schlüssel im Prozess gegen Sabetara darstellt, nicht länger berücksichtigt werden. »Rechtsverletzungen wie diese sind systemisch«, betont Winkler gegenüber »nd«
      …“ Artikel von Elisabeth Heinze, Thessaloniki, vom 26.04.2024 in ND online externer Link, siehe zu den Hintergründen:
    • Kampagne zur Freilassung von Homayoun Sabetara
      „… Erneute Verschiebung des Berufungsverfahrens gegen Homayoun Sabetara: Nach 576 Tagen Wartezeit begann heute seine Berufungsverhandlung vor dem Gericht in Thessaloniki. Wie im ersten Prozess fehlte der einzige Zeuge der Anklage. Homayoun Sabetara wurde im August 2021 verhaftet, nachdem griechische Behörden in Thessaloniki das Auto angehalten hatten, das er fuhr. Anschließend wurde er wegen Menschenschmuggels angeklagt und zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt. Seine Verurteilung basierte in erster Linie auf der schriftlichen Aussage eines Zeugen, der nie vor Gericht erschien. Seitdem sitzt Homayoun im Gefängnis. Während der heutigen Anhörungen brachte einer von Homayouns Anwälten, Harris Ladis, das Argument vor, dass das Gericht es unter Verstoß gegen Artikel 6 des EGMR versäumt habe, den Zeugen der Anklage ins Kreuzverhör zu nehmen. Der Zeuge war abwesend und wurde daher nie befragt. Aus diesen Gründen beantragte Homayouns Anwaltsteam beim Gericht, die fragliche Erklärung nicht zu lesen. Das Gericht entschied jedoch, die Verhandlung stattdessen auf den 24.09.24 zu verschieben, um Zeit zu haben, den Zeugen ausfindig zu machen. Mahtab Sabetara, Homayouns Tochter, ist am Boden zerstört: „Die Anwälte meines Vaters beantragten seine Freilassung zu Bedingungen, die auf seinen Gesundheitszustand zurückzuführen waren. Das Gericht lehnte den Antrag jedoch innerhalb weniger Minuten ab.“ Auch Homayouns Anwalt Dimitris Choulis kommentierte die Entscheidung des Gerichts: „Die heutige Entscheidung ist eine Botschaft des Justizsystems: Wenn Sie sich wehren, werden wir Sie bestrafen. Obwohl wir diese mentale Folter aus früheren Fällen gewohnt sind, überrascht es mich immer wieder, wenn die Richter gehen so hart mit schutzbedürftigen Menschen um.“ Tatsächlich ist dies kein beispielloses Ergebnis. Der Fall von Homayoun Sabetara ist ein eklatantes Beispiel für die systematische Kriminalisierung von Menschen auf der Flucht durch die griechischen Behörden. Derzeit sind in Griechenland über 2.000 Menschen inhaftiert, die aufgrund fragwürdiger Beweise als mutmaßliche Schmuggler verurteilt wurden und deren Recht auf ein faires Verfahren verletzt wurde. (…) Homayouns Tochter Mahtab Sabetara und ihr Unterstützerteam setzen sich mit der Kampagne #FreeHomayoun dafür ein, die internationale Aufmerksamkeit auf diese Ungerechtigkeit zu lenken. Mahtab Sabetara betont gegenüber Unterstützern und der Öffentlichkeit: „Wir werden weiterhin gegen die Kriminalisierung der Migration kämpfen und die heutigen Tränen in Stärke und Entschlossenheit umwandeln.“ Bericht von und bei Free Homayoun vom April 2024 externer Link mit Videos und der Möglichkeit die Kampagne durch Unterschrift zu unterstützen (Text automatische Übersetzung)
  • 13 Schüsse auf ein Boot voller Schutzsuchender in der Bucht von Pserimos in 2014 vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof verurteilt und nun rechtskräftig
    Beamte der griechischen Küstenwache eröffnen im September 2014 das Feuer auf ein Flüchtlingsboot und treffen zwei Syrer – einen davon tödlich. Mit Unterstützung von PRO ASYL verklagen die Hinterbliebenen Griechenland vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof. Dieser gibt ihnen nun in allen Punkten Recht. (…) Sie kommen zu dem Schluss, dass der Schusswaffeneinsatz nicht gerechtfertigt war und die Küstenwache eindeutig unverhältnismäßige Gewalt angewendet hat. Die griechische Regierung konnte in dem Verfahren nicht einmal klare rechtliche Regeln für den Schusswaffeneinsatz durch die Küstenwache vorlegen. Auch bezüglich der griechischen Staatsanwaltschaft fällt das Urteil vernichtend aus: Die von den nationalen Behörden durchgeführte Untersuchung weise »zahlreiche Mängel [auf], die unter anderem zum Verlust von Beweismitteln führten und die Untersuchung unzureichend machten«. Die Richter*innen sprechen Douaa Alkhatib und ihren Kindern eine Entschädigung in Höhe von 80.000€ zu…“ Umfangreiche Meldung vom 24.04.2024 bei Pro Asyl externer Link („13 Schüsse auf ein Boot voller Schutzsuchender“) mit der gesamten Geschichte (siehe auch hier sehr weit unten)
  • „Detention Landscapes“: Dystopie der Inhaftierung
    „Die EU setzt mit ihren vor kurzem verabschiedeten Asyl-Gesetzen vor allem auf Inhaftierung. Eine neue, allen zugängliche interaktive Datenbank zeigt, wie sehr Gewalt und Entrechtung die bereits in Griechenland existierenden Haftanstalten für Geflüchttete kennzeichnen…“ Übersetzung von Georg Brzoska am 21. April 2024 in griechenlandsolidarität aus efsyn externer Link über die interaktive Open-Source-Datenbank „Detention Landscapes“ externer Link, die von der Forschungsgruppe „Border Criminologies“ an der Universität Oxford, dem Border Violence Monitoring Network (BVMN) und dem Mobile Info Team erstellt wurde
  • Panopticon für Geflüchtete: Griechenland soll Strafe für Überwachung in Grenzcamps zahlen
    „… Doppelter „Nato-Sicherheitszaun“ mit Stacheldraht. Kameras, die selbst den Basketballplatz und die Gemeinschaftsräume rund um die Uhr im Blick haben. Drohnen sorgen für Überwachung aus der Luft. Das Lager auf Samos, das die griechische Regierung 2021 mit viel Getöse eröffnet hat, gleicht eher einem Gefängnis als einer Erstaufnahme für Asylsuchende, die gerade in Europa gelandet sind. Das Überwachungssystem, das in diesem und vier weiteren Lagern auf den griechischen Inseln für „Sicherheit“ sorgen soll, heißt Centaurus. Die Bilder aus den Sicherheitskameras und Drohnen laufen in einem Kontrollzentrum im Ministerium in Athen zusammen. Bei besonderen Situationen sollen auch Polizeibehörden oder die Feuerwehr direkten Zugang zu den Aufnahmen bekommen. Mit dem System Hyperion wird der Zugang zum Lager kontrolliert: biometrischen Eingangstore, die sich nur mit Fingerabdrücken öffnen lassen. Für den Einsatz dieser Technologien ohne vorherige Grundrechtsprüfung hat das Ministerium nun eine Strafe kassiert. Die griechische Datenschutzaufsicht sieht einen Verstoß gegen Datenschutzgesetze in der EU (DSGVO). In einem lang erwarteten Beschluss belegte sie vergangene Woche das Ministerium für Migration und Asyl mit einem Bußgeld von 175.000 Euro. (…) Zwei konkrete Punkte führten laut Datenschutzbehörde zu der Entscheidung: Das Ministerium hat es versäumt, rechtzeitig eine Datenschutz-Folgenabschätzung zu erstellen. Gemeint ist damit eine Bewertung, welche Auswirkungen der Einsatz der Überwachung auf die Grundrechte der betroffenen Personen hat. Es geht um die Asylsuchenden, die in den Lagern festgehalten werden, aber auch Angestellte, Mitarbeitende von NGOs oder Gäste, die das Lager betreten. Eine solche Abschätzung hätte bereits vor der Anschaffung und dem Einsatz der Technologien vollständig vorliegen müssen, schreibt die Aufsichtsbehörde in ihrer Entscheidung. Stattdessen ist sie bis heute unvollständig: Ein Verstoß gegen die Artikel 25 und 35 der Datenschutzgrundverordnung, für die die Behörde eine Geldbuße in Höhe von 100.000 Euro verhängt. Zusätzlich wirft die Behörde dem Ministerium Intransparenz vor. Dokumente hätten beispielsweise verwirrende und widersprüchliche Angaben enthalten. Verträge mit den Unternehmen, die die Überwachungssysteme betreiben, hätte das Ministerium mit Verweis auf Geheimhaltung gar nicht herausgegeben, und damit auch keine Details zu den Bedingungen, zu denen die Daten verarbeitet werden. Wie diese Systeme mit anderen Datenbanken etwa zur Strafverfolgung verknüpft sind, ob also Aufnahmen und biometrische Daten auch bei der Polizei landen könnten, das wollte das Ministerium ebenfalls nicht mitteilen. Dafür verhängte die Aufsichtsbehörde weitere 75.000 Euro Strafe. (…) Die Lager auf den Ägäischen Inseln werden vollständig von der EU finanziert und gelten als „Modell“. Nach ihrem Vorbild plant die EU in den kommenden Jahren weitere Lager an ihren Außengrenzen zu errichten. Die Entscheidung der griechischen Datenschutzaufsicht wird von der Kommission vermutlich mit Interesse verfolgt. Sie macht deutlich, unter welchen Voraussetzungen Überwachungstechnologien in diesen Camps eingesetzt werden können. Beitrag von Chris Köver vom 10. April 2024 bei Netzpolitik.org externer Link
  • [FreetheMoria6] Gnadenlose Verfolgung in Griechenland: Die angeblichen »Brandstifter« des Lagers Mória warten weiter auf Gerechtigkeit
    „Dreieinhalb Jahre nach dem Großfeuer im griechischen Flüchtlingslager Mória auf der Insel Lésbos ist der griechischen Justiz immer noch nicht klar, dass die wirklichen Brandstifter auch Ende der vergangenen Woche nicht im Gerichtssaal saßen, sondern in den EU-Regierungen und -Institutionen. Eine Berufungsinstanz bestätigte am Freitag nachmittag in der Inselhauptstadt Mytilíni die in erster Verhandlung gefällten Schuldsprüche gegen vier junge Afghanen, die angeklagt waren, am 8. September 2020 Feuer an das Lager gelegt und womöglich den Tod von zwölf Menschen verursacht zu haben. In erster Instanz waren die Minderjährigen auf der Insel Chíos – zur angeblichen Tatzeit 15 bis 18 Jahre alt – im Juni 2021 zu jeweils zehn Jahren Haft verurteilt worden. Lediglich einem Gefangenen wurde dieses Mal ein Strafnachlass von zwei Jahren gewährt. Die griechische Hilfsorganisation Legal Centre Lésvos (LCL), die den Angeklagten seit drei Jahren mit Anwälten zur Seite steht, kündigte am Montag Revision am Obersten Gerichtshof an. Wie die Pressesprecherin der Organisation, Lorraine Leete, gegenüber jW erklärte, sei die Entscheidung in dem siebenköpfigen gemischten Richterkollegium mit fünf gegen zwei Stimmen gefallen. Das LCL werde erneut auf die Verfahrensfehler – »Davon gibt es viele« – und die während der beiden Gerichtsprozesse desavouierten »Zeugen« der Staatsanwaltschaft hinweisen, erklärte Leete. Wie die Prozessbeobachter der Athener Tageszeitung Efimerída ton Syntaktón (Efsyn) am Montag berichteten, sei die Verhandlung in Mytilíni von offener Ablehnung der aus Kriegs- und Armutszonen geflüchteten Menschen geprägt gewesen. Die Staatsanwaltschaft sei unter dem Motto angetreten, »sie (die Geflüchteten) hätten in ihren Heimatländern bleiben sollen«. Sie habe sich weniger für die Brandnacht und die Situation der Menschen in Mória interessiert als für die Frage, warum die Angeklagten »ausgerechnet nach Griechenland gekommen« seien. Beschädigt oder sogar kriminalisiert worden sei – wieder einmal – die Rolle von unabhängigen Organisationen wie LCL oder Pro Asyl. (…) Das Ende der »Schande Europas«, wie Jean Ziegler Mória genannt hatte, war allerdings nicht das Ende der schandhaften EU-Immigrationspolitik der Kriminalisierung von Geflüchteten und Hilfsorganisationen. Es gab »Kronzeugen«, die nicht vor Gericht erschienen. »Belastende« Dokumente, die – weil nicht übersetzt – von den Angeklagten nicht verstanden wurden, seien nach wie vor an der Tagesordnung, beklagte das LCL gegenüber jW.“ Artikel von Hansgeorg Hermann in der jungen Welt vom 13.03.2024 externer Link

    • Der Geist von Moria: Ein Brief aus Lesbos
      „Das Strafgericht in Mytilini, der Hauptstadt der Insel Lesbos, ist über die Inselgrenzen hinaus für seine teils drakonischen Strafen gegen Migrant:innen und Helfer:innen bekannt. Da werden gerne mal ein paar Jahre Haft für das vermeintliche Lenken eines Bootes verhängt. Der Vorwurf: Schleusertum. Menschen, die Wasserflaschen an gestrandete Migrant:innen ausgeben, werden wegen Förderung des illegalen Aufenthalts verurteilt. All dies ist leider nichts Neues. Die Kriminalisierung von Migration ist etwas, das Griechenland nicht erfunden hat, sondern eine europaweite Tendenz, die ich auch aus Deutschland kenne. Am Montag, den 04. März, beginnt das Verfahren gegen die Moria 4. (…) Das Verfahren in der ersten Instanz ist schon durch zahlreiche Verstöße gegen fair-trial Grundsätze aufgefallen. Da ist zum einen die fehlende Übersetzung der Urteilsgründe in die Sprache der Angeklagten, Farsi. Dann die Anklage der vier Afghan:innen vor dem regulären Strafgericht, obwohl drei von ihnen Geburtszertifikate vorweisen konnten, die ausweisen, dass sie zum vermeintlichen Tatzeitpunkt minderjährig waren. Hinzu kommt die Vertagung des Prozesses in der zweiten Instanz um ein Jahr (die Angeklagten sitzen zu Beginn des Berufungsverfahrens seit dreieinhalb Jahren in Haft). Umso interessanter also, wie das mytilinische Strafgericht das Verfahren gegen die Moria 4 in der zweiten Instanz handhaben wird. (…) [Für] drei der vier Angeklagten wird die Minderjährigkeit zum Zeitpunkt der Brandstiftung nun in der zweiten Instanz durch das Gericht anerkannt. (…) Die Zeugenaussagen zeichnen durchweg ein Bild von Moria, das von Chaos, Not und mangelnder medizinischer Versorgung während Covid geprägt ist. Worin sie allerdings nicht ergiebig sind, ist, wer eigentlich die Feuer gelegt hat. Das einzige Beweismittel, dass den Angeklagten mit einer möglichen Brandstiftung in Moria verbindet, ist die schriftliche Zeugenaussage eines vermeintlichen Nachbarn des Angeklagten im Camp. Dieser ist aber nicht mehr auffindbar und nicht mehr zu identifizieren. Keiner der Polizeibeamten, die im Laufe des Prozesses aussagen werden, war bei der Identifizierung des Angeklagten durch diesen verschwundenen Zeugen dabei. Keiner kann etwas darüber aussagen, wie der Angeklagte inmitten des Chaos der Feuer in Moria als Brandstifter identifiziert wurde. Keiner der Polizeibeamten oder anderen Zeugen hat überhaupt eine Brandstiftung beobachten können. Einige „glauben“ jedoch, dass Moria durch die Migrant:innen, die im Camp leben, angezündet wurde. Es hat auch keiner der aussagenden Polizeibeamten die Zeugenaussage zu den Akten genommen. Ein Protokoll über die Vernehmung liegt nicht vor. Und dennoch: Die Richter:innen lassen die Verlesung der schriftlichen Aussage des verschwundenen Zeugen als Hauptbeweismittel zu. (…) [In] ihrem Plädoyer versucht die Staatsanwältin, die mangelnde Beweiskraft der Zeugenaussage „eines Geistes“ (Zitat der Verteidigung) mit der Charakterzeichnung des Angeklagten als undankbarem, lügenden und nicht vertrauenswürdigen Migranten (Zitat: „nicht Geflüchteten!“) auszugleichen. Ohnehin seien nicht die Migrant:innen in Moria die Opfer der Feuer (Zitat: „Würde man uns in Afghanistan aufnehmen?“), sondern die Eigentümer:innen der Nachbargrundstücke. Ich bin erstaunt über die Beweisaufnahme. Und darüber, wie wenig über die Brandstiftung selbst und wie viel stattdessen über die Bewohner:innen des Camps, ihre vermeintlichen ethnischen Fehden und fragwürdigen Migrationsmotive geredet wird. Das Urteil bekomme ich Freitagnachmittag per WhatsApp mitgeteilt, da ich nach Hause muss, um für meine mündliche Prüfung zu lernen. Acht Jahre Haft. Ohne Bewährung, strafmildernde Gründe werden nur zum Teil anerkannt. Schließlich kenne man das Führungszeugnis des Angeklagten nicht und könne es aufgrund der Herrschaft der Taliban in Afghanistan auch nicht beschaffen. (…) Auch die Strafzumessung reiht sich also in das Narrativ des per se gefährlichen Migranten ein, dem im Zweifel eine düstere, kriminelle Vergangenheit zu unterstellen ist…“ Erfahrungsbericht von Anne-Marlen Engler vom 15. März 2024 im Verfassungsblog externer Link
    • Siehe die Kampagnenseite Freedom for the Moria 6 externer Link und die Berichterstattung von Solidarity Campaign FreetheMoria6 auf Twitter externer Link und die von Legal Centre Lesvos externer Link – auch auf Twitter externer Link
    • #FreetheMoria6 #MoriaTrialWatch
    • Wie brannte Moria ab?
      2020 ging das Geflüchtetenlager in Flammen auf. Als Brandstifter wurden sechs junge Afghanen verurteilt. Ein Rechercheteam zeigt jetzt: Es gibt noch einige offene Fragen…“ Reportage von Franziska Grillmeier vom 13.09.2023 in fluter.de externer Link mit vielen Fotos
    • Und frühere Berichte hier weiter unten
  • Frontex-Bericht bestätigt: Griechenland hat mehr als 600 Menschen sterben lassen 
    „Ein Bericht des Grundrechtsbeauftragten von Frontex stellt griechischen Behörden ein vernichtendes Zeugnis aus und bestätigt, dass sie beim Schiffsunglück von Pylos im Juni 2023 keine Maßnahmen ergriffen haben, um die mehr als 750 Schutzsuchenden zu retten. PRO ASYL fordert, dass endlich massive Sanktionen gegen Griechenland eingeleitet werden. (…) Der Bericht könnte für Griechenland drastische Folgen haben: Im Juli 2023 war bekannt geworden, dass die Agentur Frontex ihre Entscheidung zu einem möglichen Rückzug aus Griechenland wegen massiver Menschenrechtsverletzungen der dortigen Behörden im Umgang mit Schutzsuchenden von den Ergebnissen des Berichts abhängig machen möchte. Auch der Stopp von Zahlungen an Griechenland steht im Raum. Aus Sicht von PRO ASYL sind massive Sanktionen gegen Griechenland längst überfällig, der Bericht des Grundrechtsbeauftragten Grimheden verdeutlicht erneut die Dringlichkeit: Frontex muss sich umgehend aus Griechenland zurückziehen, die Bundesregierung muss das deutsche Kontingent mitsamt technischer Ausrüstung aus dem Einsatz abziehen. Die Europäische Kommission muss endlich Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland einleiten, EU-Gelder an Griechenland müssen eingefroren werden…“ Meldung vom 14.02.2024 bei Pro Asyl externer Link
  • Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt Griechenland wegen tödlicher Schüsse der Küstenwache auf Flüchtlinge nach über neun Jahren
    „Wegen des Todes eines syrischen Familienvaters ist Griechenland gestern in einem von PRO ASYL unterstützten Verfahren vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt worden. (…) Das Urteil belegt erneut, wie die griechische Küstenwache im Umgang mit Schutzsuchenden systematisch schwerste Menschenrechtsverletzungen begeht, ohne Konsequenzen durch die griechische Justiz fürchten zu müssen. (…) Ein Beamter der griechischen Küstenwache hatte am 22. September 2014 in der Nähe der griechischen Insel Pserimos insgesamt dreizehn Schüsse auf ein Flüchtlingsboot abgegeben, als dieses nicht anhielt. Der syrische Familienvater Belal Tello wurde von einer Kugel am Kopf getroffen, ein weiterer Syrer an der Schulter. Nach mehreren Monaten im künstlichen Koma wurde Belal Tello mit Unterstützung von PRO ASYL nach Schweden ausgeflogen, wohin seine Ehefrau mit den beiden gemeinsamen Kindern – zum Zeitpunkt des Vorfalls zwei und drei Jahre alt – zwischenzeitlich geflohen war. Dort erlag er im Dezember 2015 seinen Verletzungen. Ein vorläufiges Ermittlungsverfahren, was von der zuständigen Staatsanwaltschaft gegen die Beamten der Küstenwache eingeleitet worden war, wurde im Juni 2015 eingestellt. Marianna Tzeferakou, Rechtsanwältin bei »Refugee Support Aegean« (RSA), der griechischen Partnerorganisation von PRO ASYL, hat daraufhin im Dezember 2015 im Namen der Witwe Douaa Alkhatib und der beiden Kinder von Belal Tello Beschwerde beim EGMR eingereicht. (…)Der Gerichtshof hat der Witwe und den Kindern am Dienstag in allen Punkten Recht gegeben, ihnen eine Entschädigung in Höhe von 80.000 Euro zugesprochen und Griechenland wegen eines Verstoßes gegen Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Leben) verurteilt (Alkhatib und Andere gegen Griechenland, 3566/16). Konkret stellte der Gerichtshof unter anderem fest, dass der Schusswaffeneinsatz nicht gerechtfertigt war und die Küstenwache übermäßige Gewalt angewendet hat. Darüber hinaus rügte das Gericht, dass die Ermittlungen der griechischen Behörden zu dem Vorfall unzureichend waren und gravierende Mängel aufweisen, was unter anderem zum Verlust von Beweismitteln geführt hat. Karl Kopp, Leiter der Europaabteilung und Geschäftsführer von PRO ASYL, kommentiert: »Das Straßburger Urteil ist für die Angehörigen von Belal Tello und für uns nach über neun Jahren ein traurig bitterer Erfolg. Das Urteil reiht sich ein in eine ganze Kette von Fällen, in denen die griechische Küstenwache schutzsuchende Menschen misshandelt oder gar ihren Tod billigend in Kauf nimmt. Das ist auch der Hintergrund der unterlassenen Lebensrettung mit mehr als 600 Toten bei dem schrecklichen Schiffsunglück im Juni 2023 vor der Stadt Pylos. Dass gegen die Beamt*innen der Küstenwache nicht ernsthaft ermittelt wird, sondern die Verfahren gravierende Mängel aufweisen und in aller Regel eingestellt werden, offenbart ein massives Rechtsstaatsproblem in Griechenland. Das EU-Mitgliedsland verletzt systematisch und schwerwiegenden die EU-Werte. Die Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens der EU gegen Griechenland ist überfällig. Darüber hinaus braucht es angesichts der schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen und Straftaten von Uniformierten eine unabhängige Kontrolle des Grenzschutzes – nicht nur in Griechenland.«…“ Pressemitteilung vom 17. Januar 2024 von und bei Pro Asyl externer Link
  • Die kriminelle Gewalt des Schattenstaates gegen Flüchtende geht auch im neuen Jahr unvermindert weiter 
    Aegean Boat Report berichtete bereits über mehrere Pushbacks des Jahres 2024. Vor einigen Tagen veröffentlichte Aegean Boat Report die Statistik der griechischen Pushbacks des Jahres 2024: „Im Jahr 2023 haben wir 904 illegale Zurückschiebungen in der Ägäis registriert, die von der griechischen Küstenwache durchgeführt wurden. 25.855 Menschen, Kinder, Frauen und Männer, wurde ihr Recht auf Asyl verweigert, ihre Menschenrechte wurden von der griechischen Regierung verletzt. 199 dieser Pushback-Fälle wurden mit Hilfe von Rettungsgeräten durchgeführt, wobei 5.137 Menschen, Kinder, Frauen und Männer in insgesamt 292 Rettungsinseln untergebracht und hilflos auf dem Meer treibend zurückgelassen wurden…“ Meldung vom 7. Januar 2024 in griechenlandsolidarität externer Link
  • [Bericht von Ärzte ohne Grenzen] In aller Öffentlichkeit: Der Preis der unmenschlichen Migrationspolitik und gewalttätigen Praktiken an den griechischen Seegrenzen
    • Griechenland: Pushbacks und Gewalt gegen Schutzsuchende
      Geflüchtete und Migrant*innen erleben auf den griechischen Ägäis-Inseln physische Gewalt und Erniedrigungen. Dies geht aus einem am Donnerstag von Ärzte ohne Grenzen veröffentlichten Bericht hervor. Demnach berichteten Patient*innen den Teams von Ärzte ohne Grenzen, dass sie geschlagen und in Handschellen gelegt wurden, dass sie sich demütigenden Leibesvisitationen unterziehen mussten, sie ihres Besitzes beraubt und gewaltsam aufs Meer zurückgedrängt wurden. Die internationale Hilfsorganisation fordert ein Ende der Gewalt und der Erniedrigungen gegenüber Schutzsuchenden an den EU-Außengrenzen. Der Zugang zu fairen Asylverfahren und medizinischer und humanitärer Hilfe muss gewährleistet werden. Der Bericht mit dem Titel „In Plain Sight: The Human Cost of Migration Policies and Violent Practices at Greek Sea Borders“ umfasst Aussagen von Betroffenen und medizinische Daten, die die Teams von Ärzte ohne Grenzen zwischen August 2021 und Juli 2023 auf Lesbos und Samos gesammelt haben. Einige Patient*innen berichteten den Teams, dass sie schon vor Erreichen Griechenlands mit Gewalt konfrontiert wurden. „Als wir in griechische Gewässer einfuhren, kam ein kleines graues Boot in unsere Richtung“, sagte Fatima*. „Ein schwarz gekleideter Mann mit vermummtem Gesicht sprang auf unser Boot. Er schlug mit einem Stock auf die Person vor ihm ein. Dann riss er den Motor ab und ließ ihn ins Wasser fallen. Wir standen mitten auf dem Meer ohne Motor da.“ Andere Patient*innen schilderten, wie sie bei ihrer Ankunft auf Lesbos und Samos in kleinen Booten von Uniformierten oder maskierten Männern abgefangen wurden. Ihre Hand- oder Fußgelenke seien mit Plastikkabelbindern fixiert worden, sie seien mit Knüppeln und Schlagstöcken geschlagen, verbal beleidigt und gezwungen worden, sich vor Fremden einer Leibesvisitation zu unterziehen. Weitere Patient*innen berichteten, dass ihre Mobiltelefone, ihr Geld und ihre Medikamente konfisziert worden seien. Dann seien sie gezwungen worden, in Boote zu steigen, mit denen sie aufs Meer hinausgebracht wurden. Dort habe man sie auf Rettungsinseln verladen und habe ihre Habseligkeiten ins Wasser geworfen…“ Pressemitteilung von Ärzte ohne Grenzen vom 2. November 2023 externer Link mit Video zum engl. Bericht externer Link „In Plain Sight: The Human Cost of Migration Policies and Violent Practices at Greek Sea Borders“ (In aller Öffentlichkeit: Der Preis der unmenschlichen Migrationspolitik und gewalttätigen Praktiken an den griechischen Seegrenzen), siehe auch:
    • Illegale Pushbacks werden zur Routine
      Über 7.900 traumatisierte Ankömmlinge in zwei Jahren: MSF dokumentiert systematische Pushbacks und fordert ein Ende der Gewalt gegen Schutzsuchende
      Vermummte Küstenwächter, mutwillig beschädigte Boote, körperliche Angriffe – an den Grenzen von Griechenland nimmt die Gewalt gegen Migranten nach Einschätzung der Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) drastisch zu. Ein aktueller Bericht der griechischen MSF-Sektion mit dem Titel „In plain sight – The Human Cost of Migration Policies and Violent Practices at Greek Sea Borders“, der CORRECTIV vorab vorlag, dokumentiert ein brachiales Vorgehen gegen Geflüchtete und mehrfache Pushbacks, besonders auf den Ägäisinseln Samos und Lesbos…“ Beitrag von Jean Peters vom 2. November 2023 bei correctiv.org externer Link
    • Griechenland: Helfer kritisieren massive Gewalt gegen Geflüchtete
      Zehntausende Menschen haben in diesem Jahr Schutz in Griechenland gesucht. Dabei wurden sie oft schlecht behandelt. „Ärzte ohne Grenzen“ verlangt nun ein Eingreifen der griechischen Regierung und der EU. Geflüchtete auf den griechischen Ägäisinseln sind laut „Ärzte ohne Grenzen“ Gewalt und Erniedrigungen ausgesetzt. Uniformierte Beamte auf Lesbos und Samos schlügen die Schutzsuchenden, legten ihnen unnötigerweise Handschellen an, raubten sie aus und drängten sie zurück auf das Mittelmeer, hieß es in einem Bericht, der am Donnerstag in Athen vorgestellt wurde. „Wir fordern die griechische Regierung und die europäischen Staats- und Regierungschefs auf, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Menschen, die in Griechenland Schutz suchen, mit Menschlichkeit und Würde behandelt werden“, sagte der Präsident der Hilfsorganisation, Christos Christou. Das erzwungene Zurückdrängen der Menschen auf das Mittelmeer, sogenannte Pushbacks, solle dauerhaft beendet und die Einhaltung der Menschenrechte von unabhängigen Behörden geprüft werden, forderte „Ärzte ohne Grenzen“. Den Geflüchteten müsse ein Zugang zu fairen Asylverfahren und medizinischer und humanitärer Hilfe ermöglicht werden. Auch müsse sich der Umgang mit Helferinnen und Helfern ändern, sowohl auf dem Mittelmeer als auch an Land. „Zivilgesellschaftliche Organisationen und Hilfsorganisationen, die versuchen, Schutzbedürftigen auf den ägäischen Inseln zu helfen, werden von den Behörden behindert und teilweise strafrechtlich verfolgt“, kritisierte der politische Referent von „Ärzte ohne Grenzen“, Felix Braunsdorf. (…) Nach UN-Angaben sind in diesem Jahr über 37.500 Schutzsuchende in Griechenland angekommen, knapp 32.000 von ihnen auf dem Seeweg. Im gesamten Jahr 2022 erreichten 18.780 Geflüchtete das Land, davon 12.760 über das Mittelmeer.
      Der Bericht „In Plain Sight: The Human Cost of Migration Policies and Violent Practices at Greek Sea Borders“ von „Ärzte ohne Grenzen“ umfasst Aussagen von Betroffenen und medizinische Daten, die die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hilfsorganisation zwischen August 2021 und Juli 2023 auf Lesbos und Samos gesammelt haben. Demzufolge werden ankommende Menschen bereits vor Erreichen des Festlands durch griechische Behördenmitarbeiter angegriffen…“ Meldung vom 02.11.2023 im Migazin externer Link
  • Massive Vorwürfe: Tausende Asylsuchende sollen auf Samos und Lesbos inhaftiert sein
    Die Vorwürfe wiegen schwer: In EU-finanzierten Zentren auf griechischen Inseln werden Schutzsuchende bei Ankunft hinter Stacheldrähten inhaftiert. 22 Menschenrechtsorganisationen sprechen von unmenschlichen Bedingungen. Menschenrechtsorganisationen zufolge werden auf den Ägäis-Inseln Samos und Lesbos rund 4.000 Asylsuchende unrechtmäßig in von der EU finanzierten Zentren inhaftiert. Die Behörden seien von der großen Zahl von Ankommenden überfordert, „infolgedessen wurden alle Neuankömmlinge automatisch inhaftiert, was zu massiven Verstößen gegen das Recht auf Freiheit gemäß Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention führt“, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung von 22 Organisationen externer Link, darunter „Anwälte ohne Grenzen“. Die Geflüchteten würden „unmenschlichen und erniedrigenden Bedingungen ausgesetzt“, während sie auf die Registrierung ihrer Asylanträge warteten, schreiben die Organisationen. Auf Samos seien Hunderte hinter Stacheldrahtzäunen in Containern untergebracht. Die Bewohner hätten nur begrenzt Zugang zu medizinischer Notversorgung. Die Polizei nehme ihnen Mobiltelefone und Pässe ab, was ihre Privatsphäre verletze und Zugang zu Unterstützung behindere. Meist dauere die Inhaftierung einen Monat…“ Meldung vom 19.09.2023 im Migazin externer Link
  • Drei Monate nach Pylos-Schiffsunglück: Überlebende beklagen fehlende Aufklärung und stellen Strafanzeige gegen griechische Behörden
    Auch drei Monate nach einem der tödlichsten Schiffsunglücke im Mittelmeer wurde in Griechenland keine ernstzunehmende Untersuchung eingeleitet. 40 Überlebende haben deshalb gestern Beschwerde beim zuständigen Seegericht von Piräus eingereicht. Sie fordern, dass die Vorwürfe gegen die griechische Küstenwache lückenlos aufgeklärt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Mehrere der Überlebenden werden von der griechischen Partnerorganisation von PRO ASYL, Refugee Support Aegean (RSA), vertreten. (…) Die Überlebenden beklagen, dass nicht nur die erforderlichen Rettungsmaßnahmen unterlassen wurden, als die lebensbedrohliche Situation für die Menschen auf dem überfüllten Trawler längst offensichtlich war, sondern dass die griechische Küstenwache stattdessen einen Schleppversuch unternahm und womöglich dadurch das Schiff zum Kentern brachte. „Was passiert ist, war nichts anderes als ein brutales Massaker. Wir fordern eine internationale Verurteilung und dass die Täter der griechischen Küstenwache und all jene, die es versäumt haben, uns zu retten, dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Wir wollen Gerechtigkeit für alle Opfer auf dem Boot“, sagt Hasan Al Jalam, ein syrischer Überlebender der Katastrophe, der sich inzwischen in Deutschland im Asylverfahren befindet und von PRO ASYL unterstützt wird…“ Pressemitteilung vom 14.09.2023 bei Pro Asyl externer Link
  • Griechische Polizei räumt Flüchtlingslager Lavrio mit rund 50 kurdischen Geflüchteten – Proteste gegen den Deal des griechischen Staates mit dem türkischen Faschismus
    • Griechische Polizei räumt Flüchtlingslager Lavrio
      „Die griechische Polizei hat im Morgengrauen eine Razzia im selbstverwalteten Flüchtlingslager Lavrio in der Nähe von Athen durchgeführt und das Camp zwangsgeräumt. In dem Lager lebten rund 50 kurdische Flüchtlinge aus der Türkei, Syrien und dem Irak, darunter auch 19 Kinder. Die Polizei soll bei der Razzia Zimmertüren aufgebrochen haben. Das Camp wurde seit langer Zeit von der türkischen Regierung als „terroristisches Ausbildungslager“ angefeindet und als Zufluchtsort für Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und anderer verbotener linksgerichteter Organisationen aus der Türkei bezeichnet. Griechische Medien berichteten, die Razzia sei eine „Geste an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan“. Es wird befürchtet, dass einige der kurdischen Flüchtlinge als Folge der Aktion ausgeliefert werden könnten. Das griechische Ministerium für Migration und Asyl hatte im April die schrittweise Schließung des Lagers Lavrio beschlossen, da es angeblich für die Unterbringung von Flüchtlingen ungeeignet sei. Im Rahmen dieses Prozesses wurden etwa 100 der 150 im Lager untergebrachten Menschen bereits in andere Unterkünfte in der Region verlegt. (…) Bis vor wenigen Jahren war das Camp offiziell von Athen anerkannt und wurde mit Hilfe des griechischen Roten Kreuzes betrieben. Doch 2017 entzog die Syriza-Regierung dem Lager überraschend die staatliche Unterstützung. Seitdem war Lavrio eine Art Selbstverwaltungszone, finanziert aus Spenden, unter anderem vom Kurdischen Roten Halbmond (Heyva Sor a Kurdistanê). Die Selbstverwaltung des Lagers arbeitete nach dem Prinzip der Demokratischen Autonomie. Es gab Komitees für Sicherheit, Sauberkeit, Gesundheit, Frauen, Jugend und Verwaltung. Mit Lavrio wurde europaweit etwas Einzigartiges geschaffen. Die Bevölkerung der Kleinstadt Lavrio mit ca. 25.000 Einwohner:innen solidarisierte sich mit den Menschen im Lager, brachten Lebensmittel und andere Sachspenden vorbei und kauften morgens ihre Zigaretten in dem kleinen Kiosk, den das Lager betrieb…“ Bericht vom 5. Juli 2023 in den ANFNews externer Link mit vielen Fotos und Videos, siehe dazu noch:
    • Athen: Proteste gegen Räumung von Lavrio
      „… Am Mittwochmorgen stürmte die griechische Polizei das hauptsächlich von Kurd:innen bewohnte Flüchtlingslager Lavrio bei Athen und räumte das Camp. Kaum war das Lager geräumt, zogen Demonstrant:innen durch Athen und verurteilten die Zusammenarbeit des griechischen Staates mit dem türkischen Faschismus. (…) Die Aktivist:innen zogen unter einem massiven Polizeiaufgebot und streckenweise engem Spalier bis vor das Parlament. In ihren Reden wurde die Razzia im Lager als Teil eines Deals mit der NATO und der Türkei kritisiert. Die Aktivist:innen riefen lautstark Parolen wie „Es lebe der Widerstand des kurdischen Volkes“. (…) Die türkische Regierung diffamierte das Lager mit seinen etwa 50 Bewohnern lange Zeit als „terroristisches Ausbildungslager“ und als Rückzugsort der PKK und anderer linker Gruppen aus der Türkei und Nordkurdistan. Die Razzia scheint Teil einer Appeasement-Politik der NATO gegenüber der Türkei zu sein, um ihre Ablehnung eines NATO-Beitritts Schwedens zu mildern und Ergebnisse beim bevorstehenden NATO-Gipfel zu erzielen, der am 11. und 12. Juli in Vilnius stattfinden wird…“ Meldung vom 6. Juli 2023 in ANFNews externer Link
    • A Gift to Erdogan? Greece Evicts Dozens of Kurds from Lavrio Shelter
      engl. Artikel von Tasos Kokkinidis vom 6.7.2023 in greekreporter.com externer Link mit Fotos und Videos
    • Grèce : Stop à la répression des Kurdes de Lavrio
      franz. Protest- und Solierklärung von Solidaires vom 6.7.2023 externer Link
    • Weitere Fotos und Videos unter #Lavrio
    • Siehe zum Nato-Hintergrund unser Dossier: Schwedens und Finnlands Nato-Beitritt: „Nicht von Erdogan erpressen lassen“
  • Kriminalisierung von Geflüchteten in Griechenland: Unfaire Verfahren, drakonische Strafen 
    „… Der vorgebliche Kampf der Europäischen Union gegen Schleusungskriminalität führt zumindest in Griechenland zur „systematischen Kriminalisierung von Geflüchteten“ – denn festgenommen werden zumeist Migrantinnen oder Migranten, die mehr oder weniger freiwillig das Steuer eines Boots oder eines Autos übernommen haben. Sie werden von der griechischen Justiz oft in einem Schnellverfahren zu drakonischen Haft- und hohen Geldstrafen verurteilt, ohne einen anwaltlichen Beistand und ohne dass die Vorwürfe gründlich geprüft worden wären. Das sind Ergebnisse einer Studie, die von zwei Wissenschaftlerinnen des Vereins „Borderline Europe“ im Auftrag der Grünen-Fraktion im Europaparlament erarbeitet wurde. Das 56-seitige Gutachten wird am 6. Juli vorgestellt. Es liegt der Frankfurter Rundschau bereits vor. Der Grünen-Europaabgeordnete Erik Marquardt kommentierte: „Die griechische Justiz wird politisch missbraucht, um Menschen auf der Flucht abzuschrecken.“ Die Gerichtsverfahren seien „eines Rechtsstaates und eines EU-Staates unwürdig“. (…) Die Autorinnen der Studie sehen nicht nur Griechenland, sondern die Europäische Union in der Pflicht, die Missstände abzustellen…“ Artikel von Pitt von Bebenburg vom 6. Juli 2023 in der Frankfurter Rundschau online externer Link
  • Schiffs“unglück“ vor der Küste Griechenlands: PolitikerInnen „erschüttert“, doch es war ein kalkuliertes Verbrechen und über 500facher Mord!
    Umfangreiche Berichterstattung im Dossier: Humanitäre Krise in Griechenland droht zu eskalieren
  • Videos beweisen, wie Flüchtlinge auf Lesbos entführt und im Meer ausgesetzt werden – EU-Kommission „besorgt über Filmmaterial“
    • Wie Flüchtlinge auf Lesbos entführt und im Meer ausgesetzt werden
      Laut „New York Times“-Recherchen, die auf einem Video eines österreichischen Flüchtlingshelfers basieren, werden Asylsuchende von griechischen Inseln auf Life-Boats in die Türkei zurückgetrieben
      Vermummte, die auf griechischen Inseln Asylsuchende festnehmen und diese in aufblasbaren Rettungsinseln auf dem Meer aussetzen, um sie so zurück in die Türkei zu bringen: Dass solche illegalen Praktiken existieren, wurde schon länger vermutet. Beweise fehlten jedoch – bis jetzt. Nun gibt es weit mehr als die bisherigen Mutmaßungen. Das ist unter anderen Fayad Mulla zu verdanken, einem humanitären Helfer aus Österreich, der bis vor zwei Wochen auf der Insel Lesbos im Einsatz war. Er hat ein Video über eine Entführung und Aussetzung von Flüchtlingen im Meer am 11. April 2023 gemacht. Seine Aufnahmen liefern detaillierte Einblicke in die Geschehnisse, die dringende Fragen an die griechischen Asylverantwortlichen und an die Zuständigen für die EU-Abschottung gegenüber Flüchtlingen stellen.
      Das Video hat Mulla der „New York Times“ zur Verfügung gestellt. Journalistinnen und Journalisten des renommierten US-Mediums gelang es, elf Entführte in der Türkei wiederzufinden – darunter ein Baby und mehrere kleine Kinder. Sie befragten die Erwachsenen. Diese bestätigten, auf Lesbos von Vermummten festgenommen und auf einem Life-Boat ausgesetzt worden zu sein. Dass sie zusätzlich auf Fotos der türkischen Küstenwache vom 11. April zu erkennen sind, unterstreicht die Beweiskraft des Vorgebrachte. (…) Auf Lesbos würden die Geflüchteten in Kastenwagen ohne Kennzeichen an die Küste gebracht und dort auf Schiffen der griechischen Küstenwache an die türkische Seegrenze transportiert, schildert Mulla. Dort setze man sie auf den aufblasbaren Rettungsinseln – sogenannten Life-Boats – aus. Die türkische Küstenwache finde die Rettungsinseln zumeist. Die Menschen würden dann zurück in die Türkei gebracht. In manchen Fällen jedoch würden die Aussetzungen tödlich enden…“ Artikel von Irene Brickner vom 19. Mai 2023 im standtard.at externer Link, siehe auch:
    • NYT: Greece Says It Doesn’t Ditch Migrants at Sea. It Was Caught in the Act. externer Link (kostenpflichtig)
    • Videos belegen Pushbacks in Griechenland
      Die New York Times hat Videos veröffentlicht, auf denen zu sehen ist, wie die griechische Küstenwache Asylsuchende – darunter auch Kinder – zum Meer bringt und auf einem Floß aussetzt. Es ist mutmaßlich der erste Videobeweis für illegale Pushbacks an der griechischen Küste, die die Regierung in Athen stets abstreitet. Die Geflüchteten stammten der Recherche zufolge aus Somalia, Eritrea und Äthiopien. Eine der Frauen der Gruppe hatte ein sechs Monate altes Baby bei sich. Die Videos wurden der US-Zeitung von einem österreichischen humanitären Helfer zur Verfügung gestellt, der seit zweieinhalb Jahren auf der Insel Lesbos arbeitet und versucht hat, Missbräuche gegen Migranten zu dokumentieren. Die New York Times hat nach eigener Aussage das Filmmaterial auch hochrangigen Beamten der Europäischen Kommission in Brüssel gezeigt und beschrieben, wie es auf Echtheit überprüft wurde. In einem schriftlichen Kommentaren gab die EU-Kommission an, man sei „besorgt über das Filmmaterial“ und dass man die Angelegenheit mit den griechischen Behörden besprechen werde. Griechenland müsse seinen „Verpflichtungen aus der EU-Verordnung uneingeschränkt nachkommen“, hieß es weiter…“ Meldung vom 19.05.2023 im ZDF externer Link
  • Griechenland: Aktuelles über die Kontrollwahn-Lager auf den Inseln 
    „Refugee Support in the Aegean (RSA) und PRO ASYL veröffentlichen am 3.5.2023 Informationen und Bilder über die aktuelle Realität und Situation in den neuen von der EU finanzierten Lagern auf fünf Inseln der östlichen Ägäis (Lesbos, Chios, Samos, Kos und Leros)… RSA stellt fest: „Sieben Jahre nach der Unterzeichnung des giftigen EU-Türkei-Abkommens sind die Inseln der Ostägäis nach wie vor ein schwarzes Loch für die Grundrechte von Antragstellern und Personen, die internationalen Schutz suchen… In den geschlossenen kontrollierten Einrichtungen – deren Bau von der Europäischen Union finanziert wurde – leben Asylbewerber und ihre Kinder in abgelegenen Gebieten unter Bedingungen verstärkter Kontrolle, Überwachung und Repression. Die neuen Strukturen wurden als offene Unterkünfte beworben, die bessere Bedingungen und Sicherheit bieten, aber sie ähneln eher Gefängnissen. Darüber hinaus gibt es einen erheblichen Mangel an Rechtsbeistand, medizinischer Versorgung und Dolmetschern. Aufgrund von Verzögerungen bei Ausschreibungen, dem Rückzug von Nichtregierungsorganisationen und Verzögerungen bei der Bereitstellung der monatlichen finanziellen Unterstützung für Asylbewerber gibt es auch Mängel bei der Qualität und Quantität von Lebensmitteln und Grundbedarfsartikeln.“ (…) In den neuen Lagern für Geflüchtete wurde ein „geschlossenes Überwachungssystem“ („Closed Monitoring System“) installiert. Das bedeutet, dass fast alle Räume und Orte im Lager 24 Stunden am Tag durch Kameras überwacht werden. Die Kamerabilder werden ständig in ein Kontrollzentrum vor Ort und in ein Kontrollzentrum im Migrationsministerium in Athen übertragen. Auch weitere Kontrolleure könnten jederzeit in die Räume hineinschauen (z.B. die Polizei). Das ist für mich das erschreckendste an den neuen Lagern. Es erinnert an den Kontrollwahn des Kyriakos Mitsotakis, der „seinem“ Geheimdienst das Überwachen von allen und jedem angeordnet hat.“ Meldung vom 4. Mai 2023 bei griechenlandsolidarität externer Link mit Zitaten aus einem Artikel in der efsyn vom 3. Mai 2023
  • Von Syrien nach Griechenland und gewaltsam zurück 
    „Die Odyssee von Yassir* ist beispielhaft für die europäische Abschottungspolitik. Im Oktober 2021 wird er Opfer eines Pushbacks von Griechenland in die Türkei. Von dort erfolgt gar die Abschiebung nach Syrien, nun ist er vom verheerenden Erdbeben betroffen. Unsere griechischen Kolleg*innen von Refugee Support Aegean (RSA) stehen mit ihm in Kontakt. (…) Nach Yassirs Aussage ignorierten die griechischen Beamten ihre ausdrücklichen Bitten um internationalen Schutz, entkleideten und misshandelten die Geflüchteten. Sie wurden ohne Registrierung in Isolationshaft genommen und bekamen nur ihre Unterwäsche zurück. Anschließend zwangen die Beamten sie dann auf ein Boot, das von zwei maskierten Männern gesteuert wurde und setzten sie hilflos auf einer kleinen Insel im Fluss Evros aus. Noch während der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) über einen durch RSA eingereichten Eilantrag in Yassirs Fall beriet, wurden also durch die griechischen Behörden Tatsachen geschaffen und die Gruppe von Geflüchteten in die Türkei abgeschoben. »Das war der erste Versuch. Ich habe es noch einmal versucht, wurde aber von den griechischen Behörden verhaftet und noch am selben Tag in die Türkei zurückgeschickt«, berichtet er. So wie Yassir geht es vielen Schutzsuchenden. Denn diese illegalen Zurückweisungen durch griechische Grenzbeamte sind inzwischen trauriger Alltag in Griechenland: Unabhängige Stellen gehen allein 2022 von mehr als 25.000 Opfern illegaler Zurückweisungen in der Ägäis aus. Hinzu kommen die sich häufenden Pushbacks an der türkisch-griechischen Landgrenze entlang des Flusses Evros. Diese Vorgänge sind Teil der restriktiven Abschreckungspolitik der griechischen Regierung. Die Türkei wird dort als sogenannter »sicherer Drittstaat« betrachtet, obwohl die Genfer Flüchtlingskonvention dort nur unter Vorbehalt gilt – und eben nicht für Menschen, die nicht aus Europa stammen, so wie Yassir. Auch wenn Geflüchtete es schaffen, in Griechenland einen Asylantrag zu stellen, wird das Gesuch häufig unter dieser Prämisse abgelehnt. Dabei ignorieren die griechischen Behörden, dass die Betroffenen in der Türkei oft keinen Schutz erhalten, sondern ihnen sogar die Kettenabschiebung nach Afghanistan oder Syrien droht. Auch das ist Yassir widerfahren. (…) »Die türkischen Behörden haben mich vor zwei Monaten zurück nach Syrien abgeschoben. Es war die dritte Abschiebung, seit ich gezwungen wurde, Syrien zu verlassen. Das war im Dezember 2022. Ich verließ die Wohnung, in der ich in Istanbul wohnte, um etwas Brot zu kaufen. Dann wurde ich von vier Personen in Zivilkleidung angehalten, die mich auf Türkisch ansprachen und mich nach einer Aufenthaltsgenehmigung fragten. Als ich ihnen sagte, dass ich keine habe, setzten sie mich in ein Fahrzeug und brachten mich nach Tuzla. Um Mitternacht wurde ich nach Adana gebracht, wo ich vier Tage, bis zu meiner Abschiebung nach Syrien, festgehalten wurde.« (…) Yassir berichtet außerdem über die brutale Behandlung durch die türkischen Behörden. »Meine Hände waren gefesselt, sie ließen mich 15 Stunden lang ohne Wasser und Essen, sie misshandelten mich körperlich, indem sie mir ins Gesicht schlugen und auf den Rest meines Körpers traten, und sie beschimpften mich. In Adana zwangen sie mich gewaltsam, meine Fingerabdrücke abzugeben. Sie nahmen mir die beiden Handys ab, die ich bei mir hatte. Bei meiner Abschiebung nach Syrien haben sie mir nur eines zurückgegeben.«…“ Bericht vom 30. März 2023 von und bei Pro Asyl externer Link
  • Der repressive Kurs der griechischen Regierung und seine Überwachung: »Vom Ausrauben sind alle betroffen« 
    Im Interview von Cyrus Salimi-Asl vom 23. März 2023 in Neues Deutschland online externer Link berichtet der griechische Journalist Stavros Malichudis über den repressiven Kurs der griechischen Regierung und über seine Überwachung: „… Die beunruhigendste Entwicklung ist, dass Griechenland eine Wendung zum Autoritarismus genommen hat. Wenn Menschen nach dem Tod von fast 60 Menschen gegen mangelnde Sicherheitsvorkehrungen protestieren und die Antwort darauf ist Polizeigewalt gegen die Demonstranten, dann ist das sehr alarmierend. (…) Meine Überwachung ist im November 2021 durch eine linke Tageszeitung publik geworden. (…) Es ist erschreckend, wie groß die Bandbreite der Personen ist, die unter Überwachung standen. Ich bin ein Journalist, der hauptsächlich zum Thema Migration arbeitet. (…) Wir haben mehr als 15 000 Entscheidungen zur Überwachung pro Jahr, und jede kann eine oder mehr Personen betreffen. (…) Dass Geflüchtete zurückgedrängt und ausgeraubt werden, ist über Jahre von vielen anderen Medien dokumentiert worden, wir sind nicht die ersten. Wir haben uns auf den finanziellen Aspekt konzentriert und haben 374 Zeugenaussagen analysiert, die vom Border Violence Monitoring Network zusammengetragen worden sind. Wir haben uns speziell mit dem geraubten Besitz und Geld befasst und dazu Interviews mit Geflüchteten, Regierungsvertretern, Grenzpolizisten und Frontex geführt. Unsere Schätzung liegt bei zwei Millionen Euro, aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Viele Fälle von Pushbacks werden ja nicht angezeigt. (…) Für eine bestimmte Zeit war Griechenland toleranter gegenüber türkischen Dissidenten, aber da gibt es jetzt auch massive Pushbacks. Es ist nicht so sehr eine Frage der Nationalität. Familien gegenüber sind die Grenzpolizisten weniger feindselig eingestellt, gegenüber einzelnen Männern sind sie gewalttätiger. Bei der Nationalität zeigen die Grenzpolizisten mehr Empathie gegenüber Syrern, während sie sich gegenüber Menschen aus Bangladesch, Pakistan oder Afrika äußerst gewalttätig verhalten. Aber von Pushbacks und vom Ausrauben sind alle gleichermaßen betroffen.“
  • Kriminalisierung von Geflüchteten erreicht neue Eskalationsstufe: Verurteilung nach versuchter Selbstverbrennung wegen Brandstiftung und Sachbeschädigung
    • Neue Kriminalisierungart von Geflüchteter: Obwohl Selbstverletzung in Griechenland nicht strafbar ist, wurde eine schwangere Frau wegen ihres Selbstmordversuchs verurteilt
      „„Ungerechtfertigte Verurteilung einer verzweifelten Mutter nach Selbstmordversuch
      Statement der Initiativen CPT Aegean Migrant Solidarity, borderline-europe e.V., You can’t evict Solidarity vom 09.02.2023: Am 08. Februar 2023 wurde eine 29-jährige Frau, die versucht hat, sich im berüchtigten Camp Moria 2 auf der griechischen Insel Lesbos aus Verzweiflung selbst zu verbrennen, wegen Brandstiftung und Sachbeschädigung verurteilt. M.M. wurde zwar von der Anklage der Brandstiftung mit Gefährdung anderer Personen freigesprochen. Eine Verurteilung für dieses Kapitalverbrechen hätte bis zu 10 Jahren Gefängnis bedeutet. Sie wurde jedoch für vorsätzliche Brandstiftung und Beschädigung von fremden Eigentums schuldig befunden, was zu einer 15-monatigen Haftstrafe auf Bewährung führte. Dies wurde von einer gemischten Jury einstimmig entschieden, obwohl selbst der Staatsanwalt das Fallenlassen der Anklage wegen Brandstiftung angemessen sah, da der Tatbestand laut Gesetz nicht vorlag. Skandalös ist, dass die Jury die Tat nicht als Selbstverletzung bewertete, die in Griechenland nicht unter Strafe steht.“ Meldung vom 10.2.2023 bei griechenlandsolidarität externer Link aus Borderline-europe vom 09.02.2023 externer Link dort mit Hintergründen, siehe auch:
    • Freiheit für M​.​M. – Frau wegen versuchtem Selbstmord in Griechenland vor Gericht
      Petition bei change.org externer Link
  • Kurdischer Journalist Murat Verim nach Pushback durch Griechenland in der Türkei verhaftet – auch seine Eltern gepushbacked 
    Der unter Terrorvorwürfen verurteilte kurdische Journalist Murat Verim ist bei dem Versuch, nach Europa zu gelangen, von griechischen Grenzschützern festgenommen und in die Türkei zurückgeschoben worden. Nun befindet er sich in Edirne in Haft. Er befindet sich nun im Hochsicherheitsgefängnis der westtürkischen Grenzstadt Edirne, wo er eine vierjährige Freiheitsstrafe aufgrund eines inzwischen rechtskräftigen Urteils des Schwurgerichts Mardin (ku. Mêrdîn) wegen Unterstützung einer „Terrororganisation“ absitzen muss. Wann Verim tatsächlich wieder frei kommt, ist allerdings offen. Mindestens zwei weitere Verfahren sind noch anhängig beziehungsweise warten auf die Revisionsverhandlung. Auch hier geht es um sogenannte Terrorismusvorwürfe, die Standardkeule gegen kritische Medienschaffende. Die Grundlage für die Vorwürfe ist die Berichterstattung Verims über Menschenrechtsverletzungen zur Zeit der Ausgangssperren in militärisch belagerten Städten Nordkurdistans zwischen 2015 und 2016. (…) Dass Verim bei dem Versuch, nach Europa zu gelangen, von griechischen Grenzschützern festgenommen und in die Türkei zurückgeschoben worden ist, wurde nur zufällig durch Anwält:innen bekannt, die politische Gefangene im F-Typ-Gefängnis von Edirne vertreten…“ ANF-Meldung vom 24 Jan. 2023 externer Link, siehe auch auf Twitter die Berichterstattung durch Kerem Schamberger externer Link und insbesondere im Thread vom 23.1. externer Link mit Video: „Die Mutter und der Vater von @AzadeLice wurden ebenfalls gestern von griechischen (Un)Sicherheitskräften festgenommen und gepushbacked. Seine Eltern waren politisch aktive KurdInnen und befinden sich nun auf einer türkischen Polizeistation. Hier seht ihr seine Eltern, wie sie auf der griechischen Seite des Evros-Flusses um Asyl bitten. Wenig später werden sie festgenommen und zurückgeschoben…“
  • Lesbos: Kriminalisierung von Lebensrettern geht (doch) weiter 
    Heute, am 13.1.2023 gab es einen zweiten Gerichtstermin für die 24 angeklagten Flüchtlingshelfer auf Lesbos. In manchen Medienberichten darüber heißt es, der Prozess sei eingestellt worden. In gewisser Weise stimmt das zwar, aber es ist eine kolossale Falschmeldung. Das Martyrium der Angeklagten geht weiter. Der griechische Staat schafft es, mit diesem und vielen anderen Gerichtsverfahren die Flüchtlingshilfe kaputt zu machen. Genau das ist sein Ziel. Die juristische Verfolgung der Angeklagten geht weiter. Der griechische Staat hat es geschafft, eine griechische NGO zur Rettung von Geflüchteten, das ERCI (Emergency Response Center International), zu zerschlagen. Die NGO existiert nicht mehr. Und vielleicht wird den Menschen, die als Teil dieser Organisation ca. 1000 Schiffbrüchigen das Leben gerettet haben, nie in Griechenland Recht zugesprochen werden. Jendfalls sieht es heute nicht danach aus. Die Angeklagten werden nämlich weiter verfolgt. Heute wurde zwar ein Verfahren eingestellt, aber gleichzeitig läuft ein zweites Verfahren, in dem den selben Angeklagten viel schwerere Vergehen vorgeworfen werden…“ Beitrag vom 13.1.2023 bei Griechenlandsolidarität externer Link und eine der irritierenden Agenturmeldungen:

    • Lesbos: Gericht lässt Spionagevorwurf gegen Seenotretter fallen
      Die griechische Justiz hat ein umstrittenes Verfahren gegen mehr als 20 Seenotretter – darunter der Deutsche Sean Binder und die Syrerin Sarah Mardini – eingestellt. Die Anklage warf ihnen unter anderem Spionage vor. Das Gericht von Mytilene, der Hauptstadt der Insel Lesbos, traf die Entscheidung aufgrund von Verfahrensmängeln, insbesondere der fehlenden Übersetzung der Anklageschrift für alle ausländischen Angeklagten. Die humanitären Helferinnen und Helfer hatten Geflüchteten vor Jahren bei der Überfahrt über das Mittelmeer auf die Insel Lesbos geholfen und sahen sich daraufhin mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Mardini und Binder verbrachten 2018 mehr als drei Monate in Untersuchungshaft in Griechenland. „Wir jubeln nicht“, sagte Binders Rechtsanwalt Zacharias Keses Reportern an Ort und Stelle. Diese Entscheidung des Gerichtes sei ein „Etappensieg“, hieß es seitens der Verteidiger weiter. (…) Den Aktivisten werden zudem Menschenhandel und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen – die Ermittlungen dazu laufen noch. Ob und wann es einen Prozess dazu geben wird, ist den Verteidigern zufolge unklar. Insgesamt waren 24 Personen angeklagt…“ Meldung vom 13.1.2023 bei ORF.at externer Link und etwas klarer:
    • Prozess auf Lesbos: Etwas weniger Ungerechtigkeit
      Ein griechisches Gericht weist die Vorwürfe gegen die syrische Seenotretterin Sarah Mardini zurück. Ein Freispruch für sie und 23 Mitangeklagte ist das aber noch nicht…“ Artikel von Lars Spannagel vom 13. Januar 2023 in der Zeit online externer Link
  • »Ich rief verzweifelt nach Hilfe. Doch die Antwort waren weitere Schläge«. Bruder des Verstorbenen erstattet Anzeige
    Auf der Flucht wurde Akram Abdulkadir in Griechenland schwer krank. Doch statt ihm zu helfen, inhaftierten und misshandelten griechische Sicherheitskräfte ihn. Während eines Pushbacks starb er qualvoll in den Armen seines Bruders Hassan. Der lebt inzwischen in Deutschland und hat mit Hilfe von PRO ASYL Anzeige in Griechenland erstattet.
    [Hassan, Sie haben Anzeige erstattet gegen griechische Sicherheitskräfte. Vertreten werden Sie von Marianna Tzeferakou, einer Anwältin unserer griechischen Partnerorganisation (RSA). Dabei geht es neben unmenschlicher Behandlung und illegaler Inhaftierung vor allem um unterlassene Hilfeleistung mit Todesfolge. Was steckt hinter dieser Anzeige?]
    Dass mein Bruder Akram in Griechenland elend gestorben ist, weil niemand ihm geholfen hat. Wir beide sind von griechischen Sicherheitskräften verhaftet worden, waren einen Tag lang in ihrer Gewalt. Von Anfang an habe ich die Beamten angefleht, meinen kranken Bruder ins Krankenhaus zu bringen – aber sie haben nichts unternommen. Im Gegenteil: Sie warfen uns in eine Zelle, ein Wärter hat meinem todkranken Bruder Akram zwei Mal einen Stock in den Bauch gerammt. Er hat danach Blut gespuckt und das Bewusstsein verloren. Akram starb schließlich in meinen Armen in einem Transporter, in dem wir mit anderen zur Grenze transportiert wurden. Wir sollten illegal in die Türkei abgeschoben werden. Es war und ist wie ein Albtraum, der nie endet…“ Interview vom 13.01.2023 bei Pro Asyl externer Link – unbedingt lesen!
  • Griechenland: Schauprozess gegen Seenotretter*innen beginnt am 10. Januar
    Seán Binder und Sarah Mardini haben sich auf der griechischen Insel Lesbos für Flüchtlinge engagiert und werden deshalb strafrechtlich verfolgt. Die griechischen Behörden werfen ihnen Spionage, Schlepperei und Mitgliedschaft in einem kriminellen Netzwerk vor. Am 10. Januar beginnt der Prozess gegen die beiden Seenotretter*innen. Im Vorfeld des Prozesses gegen Sarah Mardini und Seán Binder fordert Amnesty International die griechischen Behörden erneut auf, alle Anklagen gegen die beiden fallen zu lassen. Seán Binder ist ausgebildeter Rettungstaucher, die Aktivistin Sarah Mardini ist selbst aus Syrien geflohen. Ihre Geschichte wurde durch die Netflix-Produktion „Die Schwimmerinnen“ einem breiten Publikum bekannt. Jetzt stehen die beiden Freiwilligen zusammen mit 22 anderen Mitgliedern der Seenotrettungs-NGO, für die sie tätig waren, vor Gericht. Sie sehen sich unfairen und unbegründeten Anschuldigungen ausgesetzt, nur weil sie Flüchtlingen und Migrant*innen geholfen haben, die im Meer zu ertrinken drohten. „Wenn ich nur deswegen kriminalisiert werden kann, weil ich Wasserflaschen und ein Lächeln verteile, dann kann das allen passieren. In diesem Prozess geht es nicht um mich und Sara oder gar die 22 anderen Angeklagten. Vielmehr versuchen die griechischen Behörden mit diesem Prozess, Mitgefühl für andere zu unterbinden und Menschen daran zu hindern, Sicherheit zu suchen. Aber ich vertraue darauf, dass die Gerechtigkeit siegen wird und wir wieder ein normales Leben führen können“, sagte Seán Binder. Nils Muižnieks, Regionaldirektor für Europa bei Amnesty International, sagte: „Sarah und Seán taten, was wir alle an ihrer Stelle tun müssten. Menschen zu helfen, die auf einem der tödlichsten Seewege Europas zu ertrinken drohen, und ihnen an der Küste beizustehen, ist kein Verbrechen. Dieser Prozess zeigt, dass die griechischen Behörden bis zum Äußersten gehen, um humanitäre Hilfe zu verhindern und Migrant*innen und Flüchtlinge davon abzuhalten, an der Küste des Landes Schutz zu suchen. Das ist leider in vielen europäischen Ländern der Fall. Es ist eine Farce, dass dieser Prozess überhaupt stattfindet. Alle Anklagen gegen die Seenotretter*innen müssen sofort fallengelassen werden.“ (…) In dem bevorstehenden Prozess geht es um Straftaten wie Spionage und Fälschung, die mit bis zu acht Jahren Gefängnis bestraft werden können. Zusätzlich ist gegen die beiden Aktivist*innen ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen unbegründeter Anschuldigungen wie Schlepperei, Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Geldwäsche anhängig. Ihnen droht eine Höchststrafe von 20 Jahren. Die Ermittlungen laufen nun schon seit über vier Jahren.“ Meldung vom 5. Januar 2023 bei Amnesty Deutschland externer Link mit weiteren Informationen, siehe auch

  • Griechische Abschreckungspolitik: Von der schützenden Wohnung zurück ins Lager
    Während in Griechenland Weihnachten gefeiert wurde, mussten Hunderte Flüchtlinge ihre Wohnungen, vertraute Nachbarschaften, Schulen und Jobs verlassen und in kalte Lager-Container ziehen, darunter kleine Kinder und kranke Menschen. Refugee Support Aegean, Partnerorganisation von PRO ASYL, hat mit Betroffenen gesprochen.
    Obwohl die Europäische Kommission das Notfallprogramm zur Integration und Unterbringung (ESTIA II) für vulnerable Asylsuchende weiterhin finanzieren wollte, hat die griechische Regierung darauf bestanden, das Programm zu beenden. Zivilgesellschaftliche Organisationen, Lehrkräfte und Flüchtlinge haben ihr Entsetzen über diesen Rückschritt bei Schutz und Integration ausgedrückt und fordern eine Fortsetzung des Wohnungsprogramms. Hunderte Familien wurden bereits von ihren Wohnungen in Flüchtlingscamps zurückgeschickt oder warten auf die Zwangsräumung und Überstellung dorthin.  Tausende Menschen sind bereits von Räumungen oder Überstellungen in Camps betroffen, seitdem die Regierung im Februar 2022 das Ende des ESTIA-Programms bekannt gegeben hatte, als mit diesem noch etwa 12.500 Menschen eine Wohnung hatten. (…) Geflüchtete berichten, dass sie nur kurz und mündlich über ihren erzwungenen Umzug in die Flüchtlingslager informiert wurden, oft sogar, ohne den genauen Ort anzugeben. Plötzlich mussten Kinder ihre Schulen und Freund*innen verlassen, Erwachsene ihre Sprach- und Berufskurse, Personen mit Gesundheitsproblemen mussten ihre Behandlung unterbrechen. Diejenigen, die Gelegenheitsarbeiten gefunden hatten, mussten weit wegziehen von ihren Arbeitsmöglichkeiten…“ Meldung vom 06.01.2023 bei Pro Asyl externer Link
  • Kein totes Mädchen gefunden: Rückruf einer Flüchtlingsgeschichte
    An den EU-Außengrenzen sterben regelmäßig Menschen. Aber nicht jeder Bericht hält einer genauen Recherche stand. Und in solchen Fällen gibt es mitunter ein größeres Nachspiel. Nachdem vor wenigen Wochen Spiegel Online vier Artikel über das Schicksal einer Flüchtlingsgruppe auf einer Insel im Grenzfluss Evros zur Überprüfung vom Netz genommen hatte, sind diese nun endgültig zurückgerufen worden. Die Behauptung, dass ein kleines Flüchtlingsmädchen namens Maria auf der Insel von einem Skorpion gestochen worden und danach gestorben sei, kann somit nicht gehalten werden. „Maria, fünf Jahre, gestorben an der EU-Außengrenze“ war der Titel eines Artikels der Reihe. Die vier Spiegel-Reportagen beschrieben das Schicksal einer Gruppe von 38 Geflüchteten, die mehrere Wochen lang auf einer kleinen, wegen der Strömung ständig ihre Ausdehnung wechselnden Insel im Grenzfluss Evros zwischen der Türkei und Griechenland festsaßen. (…) Während der angeblichen Robinsonade auf der Evros-Insel sollte noch ein weiteres Kind von einem Skorpion gestochen worden sein, was bei den medizinischen Untersuchungen nicht verifiziert werden konnte. Ins Rollen kam die Angelegenheit durch einen Telepolis vorliegenden Brief von Immigrationsminister Notis Mitarachi an den Chefredakteur des Spiegel, Steffen Klusmann. Mitarachi schildert in dem Schreiben vom 19. September, wie sein Ministerium durch eine Untersuchung zum Schluss kam, dass die Spiegel-Stories nicht korrekt seien. Um es vorwegzunehmen: Es gibt Tote an den EU-Außengrenzen, aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist darunter nicht das fünfjährige Mädchen mit dem Namen Maria. Das Internetmedium des für seine Regierungsfreundlichkeit bekannten TV-Senders Skai-TV vermeldete zum Beispiel am 16. November 2022, dass bislang 29 ertrunkene Geflüchtete auf der Insel Euböa gefunden wurden externer Link. Von 68 Bootsinsassen konnten nur zwölf gerettet werden. Wochenlang wurden Leichen von Ertrunkenen an griechische Strände gespült. Allein aus der Tatsache, dass es im Fall der fünfjährigen Maria eine offensichtliche Täuschung gibt, sagt nicht aus, dass die EU-Außengrenze keine Todesfalle für Geflüchtete ist…“ Beitrag von Wassilis Aswestopoulos vom 6. Januar 2023 in Telepolis externer Link – siehe auch:

    • In eigener Sache: Der Fall Maria – die Aufarbeitung
      Im Sommer hat der SPIEGEL mehrere Beiträge über Geflüchtete am Grenzfluss Evros veröffentlicht. Wir berichteten, ein syrisches Kind sei gestorben, weil Griechenland keine Hilfe geleistet habe. Nachdem Zweifel aufkamen, sind wir noch einmal tief in die Recherche eingestiegen…“ Umfangreiche Ergebnisse der vertieften Recherche und Aufarbeitung am 30.12.2022 im Spiegel online externer Link
    • Siehe unsere Verlinkungen dazu hier weiter unten
  • Griechische Strafverfolgungsbehörden starten neuen Rundumschlag gegen Organisationen, die die illegalen Praktiken im Umgang mit Geflüchteten aufdecken 
    Die Staatsanwaltschaft von Kos beschuldigt auf der Grundlage eines Dossiers der Küstenwache den Direktor der griechischen Beobachtungsstelle für Helsinki-Abkommen, Panagiotis Dimitras, und den Direktor des Aegean Boat Report, Tommy Olsen, der Bildung einer kriminellen Vereinigung mit weiteren erschwerenden Umständen, weil sie Flüchtlinge unterstützt haben, Auslöser dafür war die Enthüllung des Falles der 40-jährigen Chida aus Kamerun, die in internationalen Netzwerken breit bekannt gemacht wurde. 14 zivilgesellschaftliche Organisationen und eine große Zahl solidarischer Menschen stehen an ihrer Seite.
    Die Strafverfolgungsbehörden haben einen neuen Rundumschlag gegen die Solidarität und insbesondere gegen Organisationen gestartet, die die illegalen Praktiken der griechischen Behörden im Umgang mit der Flüchtlingsbevölkerung aufdecken. Die Staatsanwaltschaft von Kos erhebt unter Berufung auf ein einschlägiges Dossier der Küstenwache Anklage gegen Panagiotis Dimitras, den Leiter der griechischen Beobachtungsstelle für Helsinki-Abkommen (EAPA), und gegen Tommy Olsen, den Gründer und Leiter der Organisation Aegean Boat Report, wegen schwerer Straftaten, wegen „Gründung einer kriminellen Vereinigung mit dem Ziel, Daten über Drittstaatsangehörige zu erhalten, die versuchen, illegal nach Griechenland einzureisen, um ihnen die illegale Einreise und den illegalen Aufenthalt zu erleichtern, indem sie den Behörden ihre vollständigen Daten und ihren genauen Aufenthaltsort im Land übermitteln, damit sie einem Asylverfahren unterzogen werden können“. Erschwerend kommt hinzu, dass er diese Straftaten „gewerbsmäßig begangen hat, da die von ihm geschaffene Infrastruktur (d.h. der Betrieb der Griechischen Beobachtungsstelle für die Abkommen von Helsinki) die Absicht erkennen lässt, die Tat wiederholt zu begehen und Einkommen zu erzielen“.
    In dieser offensichtlichen Verdrehung der Realität, dass diese Organisationen die illegale Rückführung von Flüchtlingen aufdecken und behindern und die Behörden zwingen, ihrer Pflicht nachzukommen, haben die beiden jetzt angeklagten Menschenrechtsverteidiger 14 Organisationen der Zivilgesellschaft auf ihrer Seite, die in einer gemeinsamen Pressemitteilung den Start einer Informationskampagne ankündigen, um Wahrheit und Gerechtigkeit wiederherzustellen. Indem sie diese rachsüchtige Verfolgung als „Hexenjagd“ bezeichnen, enthüllen sie auch die Grundlage der Anschuldigung. Im Mittelpunkt der Verfolgung steht der „Fall Chida“, ein 40-jähriger Flüchtling aus Kamerun, der zweimal Opfer von Refoulement wurde, bis es ihm gelang, am 13.07.2021 nach Kos zu gelangen. Wenige Tage vor seiner Ankunft auf der Insel prangerte er die illegalen Praktiken der Hafenbehörden des Landes an und stellte sie in einem Interview mit der BBC auf internationaler Ebene bloß. Sein Interview wurde zufällig am selben Tag ausgestrahlt, an dem Chida in Griechenland eintraf…“ Maschinenübersetzung aus dem gr. Artikel von George Pagoudis vom 20.12.2022 in efsyn.gr externer Link („Die Verteidiger der Legalität werden wegen eines Verbrechens angeklagt“), siehe auch:

  • UNO: griechische Regierung verleumdet und droht Lebensretter 
    Offizieller Brief der UN-Sonderberichterstatterin zur Lage von Menschenrechtsverteidigern an die griechische Regierung, 26. September 2022: „Griechenland: Verleumdungen und Drohungen gegen den Menschenrechtsverteidiger Iasonas Apostolopoulos externer Link.
    Iasonas Apostolopoulos ist ein Menschenrechtsverteidiger für Migranten, Geflüchtete und Asylsuchende und ehemaliger Ingenieur. Seit 2015 ist er bei Such- und Rettungsaktionen in den Meeren an den Grenzen der Europäischen Union tätig. Derzeit arbeitet er für die italienische Organisation Mediterannea Saving Humans und koordiniert Such- und Rettungseinsätze im zentralen Mittelmeer.
    Bedenken hinsichtlich der angeblichen Einschüchterung, Kriminalisierung und Einschränkung der Arbeit von Personen, die sich für die Rechte von Flüchtlingen, Asylsuchenden und Migranten einsetzen, wurden der griechischen Regierung von mehreren Mandatsträgern der UN-Sonderverfahren bereits mehrfach mitgeteilt (siehe GRC 4/2021, GRC 1/2021 und GRC 2/2020). Wir danken der Regierung für ihr fortgesetztes Engagement in diesen Angelegenheiten, sind jedoch angesichts der nachstehenden Informationen besorgt darüber, dass einige Menschenrechtsverteidiger, die in diesen Bereichen tätig sind, weiterhin unter einem feindlichen Umfeld leiden
    .“ Beitrag von Georg Brzoska am 4. Oktober 2022 bei griechenlandsolidarität externer Link
  • Staatsgewalt gegen Geflüchtete: Das Geflüchtetencamp im Athener Stadtteil Eleonas wird geräumt – gegen den Willen vieler BewohnerInnen. Auf Proteste folgen Festnahmen. 
    „Hunderte Migrant:innen protestieren seit vergangenem Freitag gegen die Räumung ihrer Unterkunft im Athener Stadtteil Eleonas. An jenem Tag hatte die Campleitung mit dem Transfer der insgesamt etwa 700 BewohnerInnen des Lagers begonnen. Nachdem sich ein Teil der Flüchtlinge geweigert hatte, in die Busse zu steigen, zog die Campverwaltung die Polizei hinzu. Als BewohnerInnen das Camp zu blockieren versuchten, stürmten Polizeieinheiten das Areal mit einem Großaufgebot. „Es gab dabei extreme Gewalt“, sagt Miriam, eine Aktivistin der Gruppe Solidarity with Migrants, am Telefon der taz. Sie ist eine von insgesamt sechs UnterstützerInnen, die an dem Tag festgenommen wurden. Sie schätzt, dass etwa 40 Frauen und Kinder bei der Aktion verletzt wurden. Auf Videoaufnahmen ist zu sehen, wie Polizisten Insassen mit Schilden, Tränengas und Knüppeln abdrängen. Migrationsminister Notis Mitarakis schrieb auf Twitter, die Räumung von Eleonas sei nötig, weil der Stadtteil „modernisiert“ werde und es in anderen Camps Platz gebe. Seit den Zusammenstößen am Wochenende protestieren die rund 300 verbliebenen BewohnerInnen zusammen mit linken Gruppen, Anwälten der Verhafteten und ehemaligen SozialarbeiterInnen des Lagers. In einer Erklärung warfen sie der rechten Néa-Dimokratía-Regierung und Athens Bürgermeister Kostas Bakogiannis einen „kriminellen“ Umgang mit den Flüchtenden vor. Sie erinnerten daran, dass diese in Eleanos eine Bleibe gefunden hatten, nachdem sie in den „Höllenlöchern Moria und Amygdaleza“ hatten leben müssen. (…) Die Polizei hatte sich am Freitag zurückgezogen. Der nächste Transfer ist von der Campleitung für kommenden Dienstag angesetzt. Die BewohnerInnen fürchten, dass die Polizei diesen erneut mit Gewalt durchzusetzen versucht. (…) 2022 sind bislang knapp 8.000 Geflüchtete auf dem See- und Landweg in Griechenland angekommen – etwa doppelt so viele wie im gesamten Vorjahr. Die meisten Ankommenden stammen aus Palästina, Afghanistan, Somalia, Sierra Leone und Syrien. Griechenland setzt auf eine zunehmend brutale und offene Politik von Pushbacks in der Ägäis und an der Landgrenze zur Türkei. Das Projekt Alarm Phone Aegean Border Archive spricht in einem Bericht von Mitte August von „eskalierender Gewalt“ gegen Flüchtlinge in der Region. Nach UN-Angaben sind seit Januar deshalb in der östlichen Mittelmeerregion 101 Menschen gestorben.“ Reportage von Christian Jacob vom 25. August 2022 in der taz online externer Link
  • Drama um Geflüchtete in Griechenland. Vorwürfe wegen Propaganda: Zwischen Fake News und „Bedrohung der nationalen Sicherheit“ 
    „Die Geflüchteten in Griechenland stehen erneut im Fokus internationaler Medien. Nur im Land selbst ist es mitunter schwer, darüber zu berichten. Schuld ist unter anderen der im Herbst 2021 reformierte Artikel 191 der Fake News unter Strafe stellt. Was Fake News sind und was nicht, bestimmt im Zweifel die Regierung. Neutrale Berichterstattung aus dem Grenzgebiet zwischen Griechenland und der Türkei ist nicht möglich. Beide Regierungen haben es zum militärischen Sperrgebiet erklärt. (…) Der Vizevorsitzende des rechtsextremen Parteibündnisses National Recreation und frühere Rechtsanwalt von Abdullah Öcalan, Failos Kranidiotis, reichte beim Areopag eine Anzeige gegen alle ein, die wiederholten und verbreiteten, was internationale Medien über eine Gruppe von 38 Geflüchteten auf einer Insel im Grenzfluss Evros schrieben. Berichte zum Thema wurden über Agenturen wie Reuters und dpa verbreitet und von zahlreichen Medien veröffentlicht. Von offizieller Seite wurden derartige Berichte als Propaganda gegen Griechenland eingestuft. Die Führung der Polizei veröffentlichte am vergangenen Sonntag ein Pressestatement, in dem der Oppositionspartei Syriza vorgeworfen würde, sie würde im Sinn ausländischer Propaganda gegen das eigene Land agieren. Im Kern ging es um den Streit, ob die Insel im Grenzfluss Evros, auf denen die Geflüchteten festsaßen, griechisches oder türkisches Territorium ist. Zwischenzeitlich war, nach Angaben der Geflüchteten, ein kleines Mädchen auf der Insel von einem Skorpion gestochen worden und ohne ärztliche Behandlung verstorben. Das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge hatte sich eingeschaltet und die Regierungen beider Staaten ermahnt, den Menschen Hilfe zukommen zu lassen. (…) Tagelang wurde diskutiert, wessen Hoheitsgebiet das strittige Eiland im Fluss ist. Anders als sonst, wo Griechenland und die Türkei ihre Gebietsansprüche vehement verteidigen, wurde nun von beiden geleugnet, dass es eigenes Hoheitsgebiet sei. Dort, wo die Geflüchteten anhand ihrer Telefondaten lokalisiert wurden, hat das griechische Katasteramt griechisches Hoheitsgebiet registriert. Bürgerschutzminister Takis Theodorikakos behauptet dagegen, dass es türkisches Gebiet sei und stützt sich dabei auf eine nicht öffentliche Stellungnahme der griechischen Militärführung. Die Geflüchteten gelangten schließlich am Montag mit einem Boot auf unstrittig griechisches Territorium. (…) Die restriktive Politik gegen Geflüchtete hat dafür gesorgt, dass die Lager im Land immer leerer werden. Jetzt sollen sie sukzessive geräumt werden. In Athen kommt es in diesen Tagen zur gewaltsamen Räumung des früheren Vorzeigelagers Eleonas. Die verbliebenen Bewohner sollen auf andere Lager verteilt werden und sträuben sich.“ Beitrag von Wassilis Aswestopoulis vom 20. August 2022 in Telepolis externer Link
  • Gruppe von 39 Asylbewerber*innen sitzt fest im Fluss Evros, hinundher geschoben zwischen Türkei und Griechenland – bereits ein fünfjähriges Mädchen gestorben 
    • Hetzjagd beendet. Erst nach einem Monat nimmt Athen Dutzende Geflüchtete auf, die am Grenzfluss Evros hin- und hergetrieben wurden 
      Menschenjagd am Evros. Einen Monat lang irrten 39 syrische Kriegsflüchtlinge durch die wilde Uferlandschaft des griechisch-türkischen Grenzflusses, unter ihnen sieben Kinder und eine hochschwangere Frau. Das fünf Jahre alte Mädchen Maria starb, von einem Skorpion gestochen, zu Beginn der vergangenen Woche. Ihre Eltern versuchten, den kleinen Leichnam im kühlen Wasser zu konservieren, bevor ihre Leidensgenossen das tote Kind schließlich auf einer kleinen Insel mitten im Grenzgewässer beerdigten. Dimitra Kalogeropoulou, die Präsidentin des griechischen Roten Kreuzes, sprach am Montag von einem neuen Beweis für »die allseits bekannte Barbarei, die an allen Grenzen Europas stattfindet«. Am Montag zur Mittagszeit schließlich erlaubten die Grenzposten den Flüchtlingen offenbar, auf griechischer Seite an Land zu gehen.
      Statt der erbetenen Hilfe eines Arztes und eines Krankenwagens für die blutende Schwangere empfing die Menschen zunächst die Polizei, berichteten Athener Tageszeitungen am Dienstag. Seit Tagen hatten internationale Hilfsorganisationen und das Rote Kreuz die griechische Polizei aufgefordert, den auf der kleinen Insel im Fluss verlorenen Familien einen sicheren Transport an Land zu ermöglichen und ihnen ihr Recht auf einen Asylantrag zu gewähren. Ein Gebot, auf das jüngst auch der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte noch einmal ausdrücklich hingewiesen hatte…“ Artikel von Hansgeorg Hermann, Chania, in der jungen Welt vom 17.08.2022 externer Link. siehe auch den Tweet von Kerem Schamberger am 15.8.2022 externer Link: „Endlich! Die Kinder, Frauen und Männer, die über Wochen zwischen der Türkei und Griechenland am Grenzfluss Evros hin und her gepusht wurden, sind heute Abend von der griechischen Polizei auf griechischem Boden aufgegriffen worden. Sie können jetzt einen Asylantrag stellen.“
    • Diese Flüchtlingspolitik tötet
      Menschen sterben jeden Tag wegen der europäischen Flüchtlingspolitik. Die griechisch-europäische Flüchtlingspolitik führt zu immer größerer Barbarei. Das zeigt gerade das Schicksal einer Gruppe von syrischen Flüchtenden und der Tod der fünfjährigen Maria. Seit einem Monat verfolgt Giorgos Christides u.a. für den Spiegel externer Link das Schicksal von 40 syrischen Geflüchteten an der Grenze zwischen der Türkei und Hellas. In dieser Zeit harrte die Gruppe auf verschieden kleinen Inseln im Grenzfluss Evros aus – ohne Trinkwasser und ohne Nahrung. Die griechischen Behörden und auch der Migrationsminister Mitarakis persönlich haben bis vor wenigen Stunden behauptet, nichts von ihnen zu wissen, bzw. zuletzt, dass die Insel, auf die sie sich aufhielten, zur Türkei gehören würde. Zwischenzeitlich war die Gruppe auf griechischem Territorium mehrfach mit physischer Gewalt (u.a. mit durch Fotos dokumentierten Stockschlägen, siehe das Video unten) zurück auf türkisches Land verfrachtet worden…“ Beitrag von Georg Brzoska vom 15. August 2022 bei griechenlandsolidarität externer Link
    • Kindermörder EU
      Man ist ja vieles von der EU gewöhnt, aber das kann ich immer noch nicht fassen: Die EU lässt ein fünfjähriges Mädchen auf einer Sandbank im Evros-Fluss zwischen der Türkei und Griechenland sterben.
      Die Grenze am Fluss Evros ist ein häufig benutzter Grenzübergang für Menschen, die in Europa Asyl beantragen wollen. Maria und ihre Familie gehören zu einer Gruppe von 39 Asylbewerber*innen, von denen einige bereits zum zweiten Mal, wie auch Maria und ihre Familie, auf einer namenlosen Sandbank festsitzen, nachdem es wiederholt zu Rückstößen zwischen der Türkei und Griechenland gekommen ist. In ihren WhatsApp-Botschaften beschreiben die Mitglieder der Gruppe, was einem geopolitischen Ping-Pong-Spiel gleichkommt: Sie werden seit Wochen von den griechischen und türkischen Behörden über die Landgrenze hin- und hergeschoben, und das in einer hochmilitarisierten Grenzzone, in die weder Rechtsanwält*innen noch Menschenrechtsorganisationen oder Journalist*innen legal einreisen dürfen. Jetzt ist Maria tot. Sie wurde auf der Sandbank von einem Skorpion gestochen und konnte nicht behandelt werden, weil sie nicht nach Griechenland in ein Krankenhaus gelassen worden ist. (…) Ein weiteres 9-jähriges Mädchen befindet sich in akuter Lebensgefahr, weil es ebenfalls von einem Skorpion gestochen wurde. Sie hat bereits Schaum vor dem Mund. Die griechischen Behörden wissen genau wo die Gruppe ist, tun aber nichts. Sie haben sogar die Geodaten und bestätigt, dass sie den Ort kennen, behaupten aber, dass es eine Sandbank auf türkischem Gebiet wäre. Das ist eine platte Lüge, die von Giorgos Christides widerlegt worden ist. Was es noch krasser macht: internationale Medien berichten dank Giorgos, Franziska Grillmeier externer Link, Katy Fallon und anderen. Eine Öffentlichkeit ist hergestellt. Doch es juckt einfach niemanden. Nicht im Internet, nicht in den Behörden, nicht in der Politik. Es geschieht unter aller Augen…“ Beitrag von Kerem Schamberger am 13. August 2022 bei kommunisten.de externer Link
    • Man ist ja vieles von der EU gewöhnt, aber das kann ich immer noch nicht realisieren: seit Tagen sitzt auf einer Sandbank im Evros auf der griechischen Seite eine Gruppe von ca. 40 Geflüchteten fest. Ein 5-jähriges Mädchen ist bereits an einem Skorpionstich gestorben(!)...“Thread von Kerem Schamberger vom 13.8.22 externer Link
    • Verbrecherische europ. #Pushback-Politik zwingt Menschen sich zu verstecken: Seit 2 Tagen harren 9 #RefugeesGR aus dem #Yemen auf #Chios im Wald aus. Ohne Nahrung. Ohne Wasser. Sie müssen dringend gerettet werden, u. ihr Recht auf Asyl muss respektiert werden. Einige der Menschen, die sich auf #Chios verstecken, sind ohnmächtig geworden und andere müssen sich übergeben. „Bitte helfen Sie uns, sonst werden wir nicht überleben“, rufen sie…“ Thread von Seebrücke Frankfurt vom 13. Aug. 2022 externer Link
  • »Das bewahrt auch einen Teil unserer Würde«. Über die Hilfe für Geflüchtete in Griechenland, die Asylpolitik der Regierung Mitsotakis und die Grenzen des Rechts
    Ein Gespräch mit Panagiotis Psyllakis von Hansgeorg Hermann, Chania, in der jungen Welt vom 13.08.2022 externer Link
  • Griechenland: Geflüchtete und Migrant*innen auf Samos berichten von gewaltsamen Abfangaktionen 
    „Geflüchtete und Migrant*innen, die von Ärzte ohne Grenzen auf der griechischen Insel Samos behandelt werden, berichten immer häufiger von gewaltsamen Abfangaktionen und Zwangsrückführungen während ihrer Flucht. Dabei geht es um körperliche und psychische Gewalt, sowohl an Land als auch auf See. Innerhalb der letzten zwölf Monate haben Teams von Ärzte ohne Grenzen über 570 Mal medizinische und psychologische Ersthilfe auf der Insel nahe der türkischen Küste geleistet. Unter den Patient*innen waren auch 24 schwangere Frauen. Die Schutzsuchenden landen in der Regel an der abgelegenen und gebirgigen Küste von Samos. Aus Angst, von den Behörden aufgegriffen und zurückgeschickt zu werden, verstecken sich die meisten, sobald sie das Land erreichen. „Einige Menschen können vor Angst weder sprechen noch gehen“, sagt Nicholas Papachrysostomou, Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen in Griechenland. Manche Menschen hätten sich mehrere Tage lang ohne Nahrung und Wasser versteckt, um nicht von den Behörden entdeckt zu werden. (…) Die meisten Ankommenden erzählen, dass sie auf ihren Reisen von Sicherheits- und Grenzbehörden abgefangen wurden und Gewalt ausgesetzt waren. Sie berichten von Schlägen, Leibesvisitationen, erzwungenen Genitaluntersuchungen, Diebstahl von Hab und Gut und das Treibenlassen in motorlosen Schlauchbooten auf dem Meer. Auch wenn die Teams von Ärzte ohne Grenzen nicht direkt Zeuge von gewaltsamen Abfangaktionen und Zwangsrückführungen geworden sind, deuten Berichte von Patient*innen darauf hin, dass diese immer häufiger und gewaltvoller werden. „Gewaltsame Abfangaktionen und Zwangsrückführungen sind nicht nur illegal, sondern gefährden auch das Recht der Menschen, Asyl zu beantragen“, sagt Sonia Balleron, Projektkoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen. „Diese Praktiken setzen die Menschen einem weiteren Trauma und dem Risiko langfristiger körperlicher und psychischer Gesundheitsprobleme aus. Es liegt in der Verantwortung der griechischen und europäischen Behörden, dafür zu sorgen, dass die Gesetze eingehalten und die Verfahren zur Aufnahme, Identifizierung und zum internationalen Schutz wirksam angewandt werden.“ Bericht vom 9. August 2022 von und bei Ärzte ohne Grenzen externer Link
  • Interview mit Phevos Simeonidis: „Pushbacks haben an den EU-Außengrenzen System“ 
    Wissenschaftler Simeonidis ist sich sicher: An EU-Grenzen finden Pushbacks statt – und zwar systematisch und täglich -, und Frontex ist daran beteiligt. Im Gespräch erklärt er, warum Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen möglich sind und wie Corona zum Vorwand wurde.
    Immer wieder gibt es Vorwürfe gegen die griechische Küstenwache, dass sie Flüchtlinge bei sogenannten Pushbacks illegal zurückdrängt. Der Journalist und Wissenschaftler Phevos Simeonidis recherchiert unter anderem für die Forensic-Architecture-Agentur der Londoner Goldsmiths Universität zu Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen. Im Gespräch erklärt der 28-Jährige, wie Griechenland seine Asylpolitik während der Corona-Pandemie verschärft hat. (…) Im Vergleich zum Zeitraum bis März 2016 gibt es einen wesentlichen Unterschied: Die Grenzen sind inzwischen geschlossen. Bis dahin unterstützte Griechenland Menschen zumindest in gewisser Weise bei der Weiterreise durch das Land. Heute besteht eine systematische Strategie darin, die Flüchtlinge durch Pushbacks, also illegale Rückführungen, zurück in die Türkei zu bringen. Anhand unserer Recherchen externer Link können wir sagen, dass Pushbacks an den EU-Außengrenzen System haben. Meine Kollegen und ich haben in einer Online-Datenbank mehr als 1.000 Pushbacks entlang der griechischen Inseln zusammengetragen – und das ist nur die Zahl für die Zeit seit 2020 und nur in der Ägäis. Verantwortlich dafür ist die Küstenwache. Oft wird sie dabei direkt oder indirekt von der europäischen Grenzschutzagentur Frontex unterstützt externer Link. Die aktuelle griechische Regierung hat das Thema der Migration und vermeintlichen Grenzsicherung ganz oben auf ihre Agenda gesetzt. Die Nea-Dimokratia-Partei und Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis machen schon seit Jahren Stimmung gegen die Zuwanderung. Unterstützung dafür erhalten sie gleichermaßen von Konservativen und Rechtspopulisten. Was das bedeutet, ließ sich insbesondere während der Corona-Lockdowns im Land sehen. Damals wurden die Flüchtlingsunterkünfte regelrecht zu Gefängnissen für die Menschen…“ Interview von Paul-Philipp Braun am 24.07.2022 im Migazin externer Link – siehe auch unser Dossier: Pushbacks in der Ägäis: Deutsche Marine drückt Auge zu – Frontex macht mit
  • Beweise für Verbrechen griechischer Beamter an 27.464 Geflüchteten veröffentlicht
    Heute veröffentlichte @ForensicArchi die Ergebnisse einer monatelangen Recherche zu sogenannten „#driftbacks“ in der Ägäis. Über 1000 dieser „drift-backs“ konnten archiviert, verifiziert und gemappt werden.“ Thread von Seebrücke vom 15. Juli 2022 externer Link, siehe https://aegean.forensic-architecture.org/ externer Link, siehe auch:

    • Ausgesetzt und weggeschaut. Recherche: Fast 27 500 Geflüchtete wurden seit 2020 Opfer eines Driftbacks in der Ägäis
      „»Etwa zehn Asylbewerber auf einem Schlauchboot wurden von der griechischen Küstenwache abgefangen und sind nach wie vor verschwunden. Am selben Tag wurden zwei Asylbewerber von der türkischen Küstenwache in der Nähe von Çeşme aus dem Meer gezogen, einer davon war bewusstlos und starb im Krankenhaus. Die Leichen von zwei weiteren Personen wurden später aus dem Meer geborgen, und zwei weitere Personen wurden auf der Insel Boğaz gestrandet gefunden. Eine siebte, vermisste Person wurde zwei Tage später lebend gefunden. Den Aussagen der Überlebenden zufolge wurden sie von griechischen Beamten mit gefesselten Händen ins Meer geworfen.« Dieser Vorfall ereignete sich am 19. März vergangenen Jahres vor der griechischen Insel Chios. Dokumentiert wurde er im Rahmen des Projekts »Driftbacks im Ägäischen Meer« von der britischen Rechercheagentur Forensic Architecture und der deutschen Schwesterorganisation Forensis in Zusammenarbeit mit Menschenrechtsorganisationen wie Alarmphone und HIAS Greece. Ein Driftback meint die Praxis des Aussetzens von Schutzsuchenden auf dem Meer, eine Variation des Pushbacks. Der erste Fall dieser Art wurde laut Forensic Architecture am 28. Februar 2020 gemeldet und dokumentiert. Seitdem seien Beweise für 1018 Driftbacks in der Ägäis gesammelt worden, von denen 27 464 Geflüchtete betroffen waren…“ Artikel von Ulrike Wagener vom 18.07.2022 im ND online externer Link
  • Schmerzen, Scham und Hunger: Die Kartonsammler von Athen
    Anerkannte Flüchtlinge kämpfen in Griechenland ums nackte Überleben, denn sie bekommen keine Unterstützung vom Staat. In ihrer Not sammeln viele Müll, verdienen kaum etwas mit der harten Arbeit und werden von der Polizei dranglasiert. Einige haben ihre Geschichten Refugee Support Aegean, der griechischen Partnerorganisation von PRO ASYL, erzählt.
    Auf den belebten Straßen von Athen kann man sie jeden Tag sehen, die Kartonsammler, wie sie Karren, Einkaufs- oder Kinderwagen vor sich her schieben, die mit Pappkarton-Stapeln beladen sind. Die Arbeit ist schmutzig und nicht legal. Die Stadtpolizei von Athen geht gegen sie vor, regelmäßig beschlagnahmen Stadtpolizist*innen die Karren, auch Geldstrafen werden verhängt. Doch um ihr Überleben zu sichern, haben viele anerkannte Flüchtlinge in Griechenland gar keine andere Wahl, als im Müll nach verwertbaren Materialien zu suchen. In Mülltonnen, vor Supermärkten und Geschäften genauso wie auf Wochenmärkten sammeln sie vor allem Pappkartons, um sie an Recyclingunternehmen zu verkaufen. So verdienen sie sich ein paar Euro am Tag. »Jetzt bin ich ein »Cartonjamkar« geworden, ein Kartonsammler in Europa. Was kann ich tun? Wenn ich arbeite, bringe ich nur so viel Geld nach Hause, dass ich an diesem Tag etwas essen kann. Am nächsten Tag muss ich wieder raus. Gestern wurde unser Wagen gestohlen. Jetzt wissen wir nicht, wie wir unsere Familien ernähren sollen«, berichtete zum Beispiel Majjid den Mitarbeiter*innen von Refugee Support Aegean (RSA), der griechischen Partnerorganisation von PRO ASYL, die mit einigen Kartonsammler*innen in Athen gesprochen haben. Einen positiven Asylbescheid zu erhalten, sollte für Schutzsuchende eigentlich eine gute Nachricht sein. Nach den Strapazen der Flucht und dem oft jahrelangen bangen Warten signalisiert der positive Bescheid ihnen: »Du bist schutzberechtigt und wir als schutzgewährender Staat sind dafür verantwortlich, dich und deine Rechte zu schützen.«  Für Schutzsuchende wie Majjid aber, die in Griechenland eine Anerkennung erhalten, klingt das wie blanker Hohn. Für sie hat ein positiver Bescheid ganz andere Konsequenzen. Der griechische Staat signalisiert ihnen: »Ab jetzt bist du komplett auf dich allein gestellt, von uns als Staat kannst du keinerlei Unterstützung erwarten.«…“ Beitrag vom 14.07.2022 bei Pro Asyl externer Link
  • Folgenlose Brutalität. Erpressung, Entrechtung, Pushbacks: Wie griechische Behörden mit Flüchtenden umgehen, verstößt gegen das Völkerrecht und EU-Werte. Aber Konsequenzen hat das nicht. 
    „… Vor wenigen Tagen fanden Urlauber die Leichen zweier Männer am Strand von Lesbos. Die Wellen hatten sie angespült, nachdem sie vermeintlich versucht hatten, von der Türkei nach Griechenland zu fliehen. Ihre Nationalität ist nicht geklärt, ihr Fund nur eine Randnotiz in den lokalen Medien. Die griechische Küstenwache, die den Tod der beiden Männer bestätigte, verkündete erst am Wochenende zuvor, bis zu 1.000 Menschen an der Überfahrt von der Türkei nach Griechenland „gestoppt“ zu haben. Was heißt „gestoppt“? Oft stecken hinter dieser Art des Grenzschutzes sogenannte Pushbacks. (…) Ein Verstoß gegen geltendes Völkerrecht, das es eigentlich jedem Menschen ermöglicht, um Asyl anzusuchen, und dem sich die Europäische Union mit der Einführung der Genfer Fluchtkonvention vor 71 Jahren verpflichtet hat. Eine sechsmonatige Recherche von dem Spiegel, der Medienorganisation Lighthouse Reports, dem ARD-Magazin Report München und den Zeitungen Le Monde und Guardian hat nun offengelegt, dass für diese Pushbacks auch Geflüchtete selbst eingesetzt werden. Menschen berichten, wie sie nach ihrer Ankunft in Griechenland vor die Wahl gestellt wurden: Entweder helfen sie der griechischen Polizei bei den Pushbacks und bekommen dafür unter anderem eine Aufenthaltsgenehmigung in Griechenland für 30 Tage – oder sie würden wegen Menschenschmuggels vor Gericht landen. Zu solchen Verfahren, in denen Menschen zu bis zu 152 Jahren Haft verurteilt werden können, kommt es in den Gerichtssälen auf den Ägäischen Inseln immer wieder. In Griechenland sitzen aktuell 2.400 Menschen in Abschiebeeinrichtungen fest, ohne zu wissen, was mit ihnen geschehen soll. Journalistinnen und Journalisten ist der Zugang zu diesen Personen verwehrt. (…) [Für] Journalisten und Journalistinnen wird es in Griechenland immer schwieriger, zu berichten. Die Region um den Evros befindet sich in einem Militärsperrgebiet. Die griechische Regierung stellt kaum Genehmigungen aus, die es erlauben würden, entlang der Grenzmauer des Evros zu recherchieren. Auch der Reporterin von ZEIT ONLINE wurde bei einem Rechercheaufenthalt im März von der griechischen Polizei ein Berichterstattungsverbot für die gesamte Region ausgesprochen, nachdem sie einen Besuch an der Grenzmauer angefragt hatte. Immer wieder werden Journalistinnen auf den Ägäischen Inseln und am 185 Kilometer langen Grenzfluss an der Landesgrenze aufgegriffen, verhört und im schlimmsten Fall der Spionage angeklagt. Im Index der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen ist Griechenland in diesem Jahr auf Platz 108 gerutscht. (…) Wie sehr zudem Seenotretter unter Druck geraten, berichtete in einer Rede vor dem EU-Parlament am 10. Mai Iasonas Apostolopoulos. Der 38-Jährige erzählte von Menschen, die nach ihrer Ankunft in Griechenland nicht von den Behörden registriert, sondern an einem geheimen Ort festgehalten würden, davon, dass sie ihre Handys abgenommen bekommen und auf Rettungsinseln ohne Wasser und Essen aufs Meer gebracht würden. Wo sie ohne Telefone nicht einmal mehr um Hilfe rufen könnten. Apostolopoulos sprach über die Verantwortung der Europäischen Union, die diese Verbrechen hinnehme und durch die Zusammenarbeit mit Griechenland, Italien und Libyen unterstütze. Und über die Geflüchteten, die im November 2021 vor der Ägäischen Insel Samos von Bord eines Schiffes der Küstenwache geworfen worden sein sollen. Griechenland sei das einzige Land der Welt, das Flüchtende zurück ins Meer werfe, anstatt sie zu retten, sagt er vor den Abgeordneten. In seiner Heimat nannte ihn Regierungssprecher Giannis Economouals daraufhin „Verräter Griechenlands“. Daraufhin erhielt Apostolopoulos unzählige Morddrohungen, erhält sie auch heute noch.(…) Aber Appelle und Kritik dieser Art ändern bisher nahezu nichts an der Praxis der Pushbacks. Die griechische Regierung weist Berichte darüber – wie auch die aktuellen Recherchen – als „Fake News“ zurück. Die Europäische Kommission kritisierte lange Zeit nur zögerlich. Ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland wurde bisher nicht eingeleitet…“ Artikel von Franziska Grillmeier vom 4. Juli 2022 in der Zeit online externer Link
  • Gegenleistung: Aufenthaltstitel. Griechenland setzt bei Pushbacks Flüchtlinge als Handlanger ein 
    Um eigene Beamte vor Gefahren zu schützen, setzt die griechische Polizei einer Recherche zufolge Flüchtlinge ein, um illegale Pushbacks durchzuführen. Einem Team aus Reporterinnen und Reportern sei es nach monatelangen Recherchen erstmals gelungen, mit sechs Männern zu sprechen, die an den sogenannten Pushbacks beteiligt gewesen seien. Sie hätten unabhängig voneinander angegeben, zu gewaltsamen Zurückweisungen in die Türkei gedrängt worden zu sein. Im Gegenzug seien ihnen Aufenthaltspapiere versprochen worden. Auch drei griechische Polizeibeamte hätten den Journalisten den Einsatz von Flüchtlingen bestätigt. Die Aktionen würden von der Polizei als so gefährlich eingeschätzt, dass diese dafür vermehrt Geflüchtete einspanne, um die eigenen Beamten zu schützen.…“ Meldung vom 28.06.2022 beim Migazin externer Link, siehe weitere Beiträge dazu:

    • Migranten als Pushback-Helfer: „Sie haben mich zum Sklaven gemacht“
      Seit Jahren benutzt die griechische Polizei Flüchtlinge als Helfer für illegale Pushbacks. Das haben BR-Recherchen ergeben. Die Beamten sollen sie mit Drohungen und der Aussicht auf Aufenthaltspapiere unter Druck setzen. (…) Die griechischen Sicherheitsbehörden hätten ihn dazu gezwungen, Frauen, Männer und Kinder in Schlauchboote zu pferchen und sie illegal über den griechisch-türkischen Grenzfluss Evros in die Türkei zurückzubringen. Bis zu 150 Flüchtlinge soll er pro Nacht am türkischen Ufer abgesetzt haben, verhüllt mit Maske und teils unter Einsatz von Gewalt. Erstmals schilderten Flüchtlinge einem internationalen Journalistenteam, wie die griechische Polizei sie dazu gezwungen habe, andere Flüchtlinge aus der Europäischen Union zu befördern. Bassel M. und fünf weitere Männer berichteten, die Beamten hätten ihnen mit langen Haftstrafen oder der direkten Abschiebung in die Türkei gedroht, falls sie die Zusammenarbeit verweigerten. Gleichzeitig habe die Polizei den Männern als Belohnung für eine rund dreimonatige Zusammenarbeit Papiere in Aussicht gestellt, die einen befristeten Aufenthalt in Griechenland ermöglichen. Auf diese Weise wurden sie nach eigenen Angaben dazu gedrängt, sogenannte Pushbacks durchzuführen…“ Reportage von Philipp Grüll und Fabian Mader, BR, am 28.06.2022 bei tagesschau.de externer Link zur internationalen gemeinsamen Recherche, siehe dazu auch

      • den engl. Thread von Jack Sapoch vom 28. Juni 2022 externer Link zur Recherche von Lighthouse Reports: „Seit Jahren wird in Zeugenaussagen von Drittstaatsangehörigen berichtet, die Pushbacks in der griechischen Region Evros durchführen. Unsere gemeinsame @LHreports Untersuchung hat Zeugenaussagen dieser Teilnehmer erhalten und ihre Bilder in griechischen Grenzschutzstationen überprüft…“
    • Griechenland: Pushbacks in die Türkei führen „bewaffnete Kriminelle“ durch
      „… Immer wieder werden Geflüchtete in Griechenland illegal in die Türkei abgeschoben .Die Folgen besonders für türkische Staatsbürger sind dabei verheerend. Auf türkischem Boden angekommen werden diese Menschen festgenommen und ins Gefängnis gesteckt. Für die Betroffenen bedeutet das Verhaftung, willkürliche Gerichtsprozesse und jahrelange Haft. Jetzt hat die von Exilanten aus der Türkei gegründete Menschenrechtsorganisation „Human Rights Defenders“ mit Opfern dieser Pushbacks gesprochen und verschiedene Fälle zusammengefasst. Die Autoren des Berichts haben bei ihren Interviews mit ehemaligen Betroffenen massive Rechtsverstöße dokumentiert. Angekommen auf griechischer Seite werden die Schutzsuchenden entweder von der Polizei, Grenzsoldaten oder Männern mit Skimasken entgegengenommen. (…) In vielen Fällen werden die Opfer zuerst in Gebäuden gebracht, anschließend in Boote gesetzt und auf die türkische Seite gebracht. In manchen Fällen berichten die Opfer, dass sie auf griechischer Seite von Männern verhört wurden, die akzentfreies Türkisch sprachen. Daher vermuten die Opfer, dass die griechischen Behörden mit den türkischen Beamten zusammenarbeiten. In manchen Fällen sollen griechische Sicherheitskräften ihre Opfer bei solchen Verhören geschlagen haben. (…) In anderen Fällen sollen die Pushbacks aus Griechenland in die Türkei durch kriminelle Gruppen durchgeführt worden sein. Die Opfer berichten von Männer mit Skimasken, die bewaffnet und mit großer Brutalität den Schutzsuchenden ihre Wertgegenstände abnehmen und diese anschließend in Booten wieder in die Türkei brachten. (…) Wir haben Experten mit den Vorwürfen konfrontiert. „Ich kann es mit gut vorstellen“, sagt Martin Lesenthin, Menschenrechtsexperte und Vorstandssprecher der „Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte“ (IGFM). „Es ist erschreckend, wenn diese Pushbacks jetzt auch noch an bewaffnete ausländische kriminelle Gruppen ausgelagert werden“, so Lesenthin. (…) Die EU schaut diesem Treiben tatenlos zu, anstatt entsprechende Vertragsverletzungsverfahren gegen Staaten wie Griechenland einzuleiten,“ erzählt uns Wiebke Judith, Rechtsexpertin bei Pro Asyl…“ Artikel von Erkan Pehlivan vom 27. Juni 2022 in der Frankfurter Rundschau online externer Link
    • Illegale Pushbacks in Griechenland: EU und Bundesregierung drängen auf Aufklärung
      In Griechenland sollen Flüchtlinge dazu gezwungen worden sein, andere Migranten an der Grenze zurückzudrängen. Nun fordern Politiker eine Untersuchung der Berichte über die illegalen Pushbacks – und bringen Sanktionen ins Gespräch…“ Meldung vom 28.06.2022 bei tagesschau.de externer Link
    • Pushbacks in Griechenland: Jetzt muss sich Athen erklären (Update)
      Flüchtlinge wurden zu Gewalt gegen andere Flüchtlinge gezwungen. Probleme der griechischen Migrationspolitik sind nicht neu: Schon 2021 wurden Kinder und Säuglinge in klirrender Kälte sich selbst überlassen
      Die Europäische Kommission und die Bundesregierung haben von Griechenland umfassende Aufklärung über illegale Pushbacks gefordert. Zuvor hatten Recherchen einer internationalen Journalistengruppe belegt, dass in Griechenland Flüchtlinge selbst gezwungen worden sind, andere Asylsuchende gewaltsam abzuwehren. Die Sprecherin der Europäischen Kommission, Anitta Hipper, verlangte eine Untersuchung der Vorwürfe über Menschenrechtsverletzungen an der griechischen Grenze. Allerdings vermied sie es, von Rechtsverstößen zu sprechen und kündigte auch keine weiteren Konsequenzen an…“ Beitrag von Wassilis Aswestopoulos und Harald Neuber vom 29. Juni 2022 bei Telepolis externer Link
    • Griechenland missbraucht Flüchtlinge als Handlanger bei illegalen Pushbacks
      PRO ASYL zeigt sich schockiert über heute veröffentlichte Medienrecherchen, die belegen, dass die griechische Polizei Flüchtlinge systematisch zur Durchführung illegaler Zurückweisungen missbraucht. Angesichts des Totalausfalls des griechischen Rechtsstaats fordert PRO ASYL unmittelbare Sanktionen und eine unabhängige internationale Untersuchung, um die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen…“ Pressemitteilung vom 28.6.2022 externer Link
  • Prozesse gegen Flüchtlinge im Mittelmeer: Bis zu 187 Jahre Haft
    Die griechische Justiz geht gegen Geflüchtete vor. Der Vorwuf: Schlepperei. Zudem sollen sie schuld daran sein, dass Passagiere ertrunken sind.
    Einmal Freispruch, einmal 1,5 Jahre auf Bewährung: Mit einem vergleichsweise milden Urteil endete am Mittwoch auf der griechischen Insel Samos ein Verfahren gegen die afghanischen Flüchtlinge N., 25, und Hasan, 23. (…) Der Prozess war einer von mehreren ähnlich gelagerten Fällen in Griechenland in diesen Wochen. Der Vorwurf lautet in allen Fällen gleich: Die Beschuldigten sollen – als Passagiere, ohne Bezahlung – Boote gesteuert haben, in denen sie selbst und andere nach Griechenland gefahren sind, um Asyl zu beantragen. Ihnen wird Schlepperei vorgeworfen, teils wird ihnen auch die Schuld dafür gegeben, dass andere Flüchtlinge ertranken, als die Boote in Seenot gerieten. Dabei drohen enorme Strafen. Am Donnerstag beginnt in Kalamata, südwestlich von Athen, außerdem der Prozess gegen zwei Männer, die am 3. Mai 2021 ein Boot mit 180 Flüchtlingen durch griechische Hoheitsgewässer gesteuert haben sollen. Die Gruppe war eigentlich auf dem Weg nach Italien, weil ein Teil der Insassen bereits in der Woche zuvor von der griechischen Polizei auf See aufgegriffen und dabei nach eigenen Angaben ins Wasser geworfen worden war. Bei dem erneuten Fluchtversuch fiel jedoch der Motor aus. Das Boot wurde von der griechischen Küstenwache nach Kalamata geschleppt, mehrere Personen wurden verhaftet. Zwei davon wurden nun angeklagt. Einer der Angeklagten, ein Syrer namens Ibrahim, streitet nach Angaben der NGO Alarm Phone ab, das Boot gesteuert zu haben. Die NGO kritisiert die griechische Justiz: „Die Urteile werden in kurzer Zeit gefällt, die Strafen sind drakonisch“, heißt es in einer Erklärung. „Ohne ausreichende Beweise werden die Menschen in der Regel bei ihrer Ankunft verhaftet und monatelang in Untersuchungshaft gehalten.“ Wenn ihr Fall schließlich vor Gericht kommt, dauert die Verhandlung im Durchschnitt nur 38 Minuten und führe zu einer durchschnittlichen Strafe von 44 Jahren und Geldstrafen von über 370.000 Euro, das errechnete Borderline Europe, die diese Prozesse dokumentieren. Bei einem ähnlichen Prozess gegen die Afghanen Kheiraldin A., Abdallah J. und Mohamad B. am 5. Mai auf der Insel Syros fielen die Strafen extrem hoch aus. Die drei hatten an Heiligabend 2021 ein Schiff mit 80 Menschen in der Ägäis gesteuert. Nach einem Motorschaden kenterte es, 18 Menschen ertranken. Wegen „Beihilfe zur unerlaubten Einreise“ wurde der vermeintliche „Kapitän“ Kheiraldin A. zu 187 Jahren und die beiden Helfer zu je 126 Jahren Gefängnis verurteilt. Laut der deutschen NGO Borderline Europe ist es mittlerweile die Regel, dass die griechische Polizei ein bis zwei Flüchtlinge pro Boot als angebliche Schlepper verhaftet…“ Artikel von Christian Jakob vom 18.5.2022 in der taz online externer Link
  • Skandalöse Gerichtsprozesse an Europas Grenzen gegen Schutzsuchende und ihre Unterstützer*innen
    An den EU-Außengrenzen werden Schutzsuchende und ihre Unterstützer*innen systematisch kriminalisiert. Griechenland: Ein Vater verliert bei einem Bootsunglück seinen kleinen Sohn und wird mit 10 Jahren Haft bedroht. Italien: Freiwillige, die dem Sterben im Mittelmeer nicht tatenlos zusehen wollen, müssen sich ab Samstag vor Gericht verantworten…“ Beitrag vom 19.5.2022 von Pro Asyl externer Link

    • Samos2: Wegen Tod seines Sohnes angeklagter Flüchtling freigesprochen
      Weil sein Sohn auf der Flucht nach Europa ertrunken ist, musste sich ein 25-jähriger Afghane in Griechenland vor Gericht verantworten. Nun wurde er freigesprochen…“ Meldung vom 18.05.2022 beim Migazin externer Link, siehe zuvor:
    • Systematische Abschreckung: Flüchtling wegen Ertrinkens seines Sohnes in Samos vor Gericht
      Ein Mann steht auf der griechischen Insel Samos vor Gericht. Dem Afghanen wird vorgeworfen, bei der Flucht das Leben seines sechsjährigen Sohnes gefährdet zu haben. Menschenrechtler sprechen von systematischer Abschreckung und Schuldumkehr. Wegen des Ertrinkungstods seines Sohnes auf der Flucht steht ein Afghane seit Mittwoch auf der griechischen Insel Samos vor Gericht. Dem Mann wird vorgeworfen, das Leben des Kindes gefährdet zu haben, indem er den Sechsjährigen in ein Boot nach Europa setzte. Menschenrechtler sprechen von einem „beunruhigenden Präzedenzfall für die Kriminalisierung von Migranten“. Dem Mann drohen nach Angaben der Organisation borderline-europe bis zu zehn Jahre Gefängnis. (…)In einer Online-Petition haben Dutzende Organisationen aus ganz Europa gefordert, die Vorwürfe gegen die beiden Männer, die „Samos2“, fallenzulassen. „Der Schiffbruch vom 7. November 2020 und der Tod von N.s Sohn waren weder die Schuld von N. und Hasan, noch war es eine unglückliche Tragödie“, heißt es in der Petition. „Sie sind das unmittelbare Ergebnis der zunehmenden Abschottungspolitik der EU, die den Menschen keine andere Wahl lässt, als ihr Leben und das ihrer Familien auf immer lebensgefährlicheren Reisen zu riskieren.““ Meldung vom 18.05.2022 beim Migazin externer Link
    • Wir erinnern an die Petition: Das wahre Verbrechen ist das Grenzregime: Freiheit für Die #Samos2 externer Link und die Meldungen weiter unten
  • [Berlin am 10. Mai 2022] Festung Europa – Abschottung und brutale Pushbacks in Griechenland 
    Menschenverachtende Pushbacks, Internierung, Übergriffe und Misshandlungen: Die Situation für Geflüchtete an den Außengrenzen Griechenlands wird immer schrecklicher. Und Europa schaut zu bzw. weg. Unsere Gäste werden über die aktuelle Situation informieren und die Politik Griechenlands und der EU gegenüber den geflüchteten Menschen bewerten. Parvin A. ist eine iranische Frau, die berichtet, wie  sie versuchte nach Griechenland zu flüchten und sechsmal durch das Grenzregime illegal vor Erreichen der griechischen Grenze zurückgestoßen wurde. Ihr war es gelungen, ihre Erlebnisse und das Verhalten der Grenzsoldaten zu dokumentieren. Mutig und entschlossen hat sie alle Vorgänge mit ihrem Handy festgehalten. Sie wurde misshandelt und gedemütigt. Nachdem es ihr glücklicherweise gelungen war nach Deutschland zu flüchten, beschloss sie alle Erfahrungen öffentlich zu machen. Sie hat sich in einem Video und mit Unterstützung von forensic architecture an die Medien gewandt und klagt nun vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Achim Rollhäuser ist Rechtsanwalt aus Athen. Er wird über die Repression gegen Geflüchtete, deren strafrechtlicher Verfolgung und über ihre gegenwärtigen Lebensbedingungen in Griechenland berichten, ebenso über die Situation von Migrant*innen in anderen Mittelmeerländern. Harald Glöde von borderline europe wird diese Informationen durch seine Kenntnisse der Situation auf den Inseln Griechenlands ergänzen. Moderation: Ingrid Stipper, aktiv im Bündnis Griechenlandsolidarität Berlin. Der Eintritt ist frei – eine kleine Spende wird erbeten.“  Einladung des GRIECHISCHEn SALONs bei der Gewerkschaftslinken Berlin externer Link zur Veranstaltung am Donnerstag, 10. Mai 2022 um 19.30 Uhr in Regenbogenkino/Regenbogenfabrik, Kreuzberg, Lausitzer Str. Organisator ist die gewerkschaftliche Solidaritätsgruppe »Gegen Spardiktate und Nationalismus« – siehe unsere Rubrik Solidaritätsreisen nach Griechenland
  • Sechs Jahre nach dem »March of Hope« in Idomeni: Keine Gerechtigkeit für die Geflüchteten – Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte duldet Massen-Pushbacks
    • Sechs Jahre nach dem »March of Hope« in Idomeni: Keine Gerechtigkeit für die Geflüchteten
      „Im März 2016 zogen rund 1500 Menschen vom überfüllten Flüchtlingslager Idomeni in Nordgriechenland weiter nach Nordmazedonien. Von dort wurden sie teils brachial zurückgewiesen. Acht Frauen und Männer haben mit Unterstützung von ECCHR und PRO ASYL gegen diese Behandlung geklagt. Heute ist das beunruhigende Urteil des EGMR ergangen. (…) Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied, dass die Massenabschiebungen nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen. Es ist eine Entscheidung, die  vollkommen unverständlich bleibt. Denn eine der Begründungen lautet, die Schutzsuchenden hätten an einem der regulären Grenzübergänge ihr Asylgesuch stellen können (vgl. Rn. 121). Das lässt die realen Gegebenheiten vor Ort vollkommen außer Acht. Zu dieser Zeit waren die Grenzen dicht, Geflüchtete hatten gar keine Chance, an einem solchen Grenzübergang um Schutz zu bitten! Am 8. März 2016 wurde der sogenannte humanitäre Korridor auf dem Balkan geschlossen – für Schutzsuchende war kein Durchkommen mehr. Dieses Datum markierte zugleich den Beginn für die systematische Ausweitung von Push-Back-Praktiken in ganz Europa. Nordmazedonien nahm eigenen Angaben zufolge zwischen dem 8. März und dem 21. September 2016 keine Asylanträge von Schutzsuchenden mehr an – weder im Landesinneren, noch an den Grenzübergängen. Es ist alarmierend, dass die Richter in Straßburg die Realitäten vor Ort derart ignorieren. Die Schlussfolgerung des Gerichts, dass eine derartige Massenausweisung menschenrechtskonform ist, höhlt den Menschenrechtsschutz an den Grenzen weiter aus. Das ist ein beunruhigendes Signal in einer Zeit, in der nicht nur in Griechenland, sondern auch in Polen, Kroatien, Ungarn, Serbien und in weiteren Ländern Menschen in illegalen Push-Back-Aktionen zurückgeschickt werden. Noch immer sitzen an der polnisch-belarussischen Grenze einige hundert Schutzsuchende fest, die von Polen – anders als ukrainische Geflüchtete – nicht reingelassen werden. Berichte darüber, dass polnische und belarussische Grenzbeamte die Menschen wechselseitig auf die andere Seite des Zauns prügeln, sind vielfach zu finden. (…) Für Menschen wie Dayana aus Aleppo ist es eine große Enttäuschung, keine Rückendeckung des Menschenrechtsgerichtshofs zu erhalten. Für die acht Kläger*innen und die über 1500 namenlosen Opfer der illegalen und gewaltsamen Zurückschiebungen gibt es keine Gerechtigkeit. Die Gewalt, die Entwürdigung, die Verweigerung von individuellen Rechten bleiben ungesühnt. Es ist ein bitterer Tag für Schutzsuchende und den Menschenrechtsschutz in Europa. Die acht Beschwerdeführer*innen in dem Fall »A.A. und andere gegen Nordmazedonien« prüfen nun, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. PRO ASYL und das ECCHR werden sie auch künftig darin unterstützen und sich weiterhin einsetzen für Gerechtigkeit und die Geltung der Menschenrechte.“ Stellungnahme von Pro Asyl vom 5. April 2022 externer Link und dazu auch:
    • Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte duldet Massen-Pushbacks nach Griechenland – Sammelabschiebung nach Idomeni in Griechenland 2016 war laut EGMR legal
      „Nach der Abriegelung der europäischen Grenzen im Jahr 2016 strandeten tausende Geflüchtete in informellen Flüchtlingslagern in Griechenland. Im März brach eine Gruppe von mehr als 1.500 Geflüchteten von Idomeni nach Nordmazedonien auf, um Sicherheit zu finden. Wenige Kilometer hinter der Grenze wurden sie abgefangen, eingekesselt, auf Lieferwagen verladen, zum Grenzzaun gefahren und von bewaffneten Beamten durch Löcher im Zaun nach Griechenland zurückgezwungen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat heute entschieden: Dieser Massen-Pushback verstößt nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK). Die acht Beschwerdeführer*innen in dem Fall „A.A. und andere gegen Nordmazedonien“, unterstützt vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und PRO ASYL, prüfen nun Rechtsmittel einzulegen. „Der Gerichtshof ignoriert die damaligen tatsächlichen Verhältnisse an der Grenze ebenso wie die Tatsache, dass es monatelang gänzlich unmöglich war, irgendwo in Nordmazedonien Asyl zu beantragen“, kommentiert Hanaa Hakiki, Senior Legal Advisor beim ECCHR. „Die Schlussfolgerung, dass eine derartige Massenausweisung menschenrechtskonform ist, höhlt den Menschenrechtsschutz an der Grenze weiter aus.“ Die Beschwerdeführer*innen, eine Gruppe von syrischen, irakischen und afghanischen Geflüchteten, unter ihnen eine vierköpfige Familie und ein Rollstuhlfahrer, machten geltend, dass die mazedonischen Beamten und Soldaten vor Ort die menschenverachtenden Umstände, vor denen sie aus Griechenland geflohen waren, ignorierten hatten. Ihnen war auch keine Möglichkeit eingeräumt worden, die Zurückschiebung rechtlich überprüfen zu lassen. Sie mussten in das informelle Flüchtlingslager von Idomeni zurückkehren, obwohl dort zur damaligen Zeit weit über 10.000 Menschen ohne staatliche Unterstützung unter erbärmlichen humanitären Bedingungen ausharrten. Die EMRK verbietet Kollektivausweisungen von Individuen ohne die Bewertung der Umstände jedes Einzelfalls (Art. 4 4. Zusatzprotokoll). „Für die acht Kläger*innen und die weiteren 1.500 namenlosen Opfer der illegalen und gewaltsamen Zurückschiebungen gibt es keine Gerechtigkeit. Die Gewalt, die Entwürdigung, die Verweigerung von individuellen Rechten bleiben ungesühnt. (…) Für das Jahr 2021 hat die Macedonian Young Lawyers Association (MYLA) allein für die nordmazedonisch-griechische Grenze über 16.000 irreguläre Zurückschiebungen dokumentiert…“ Pressemitteilung von Pro Asyl vom 5. April 2022 externer Link mit Links zur englischen Zusammenfassung und zum vollständigem Urteil
  • Protest der ArbeitnehmerInnen im Aufnahme- und Identifizierungszentrum auf Samos gegen neue Kontrollmaßnahmen: Magnet- und Röntgenschleuse 
    „… Die Mitarbeiter des neuen ‚Aufnahme- und Identifizierungszentrums‘ auf Samos reagieren heftig auf die neuen erdrückenden Zugangskontrollmaßnahmen, die gestern vom Ministerium für Einwanderung und Asyl plötzlich eingeführt wurden. Etwa 30 Beschäftigte weigerten sich, sich dem neuen Verfahren zu unterziehen, und beriefen sich auf eine erniedrigende Behandlung, die sie wie Verdächtige behandelte, und wurden in die Einrichtung eingelassen, was als ungerechtfertigtes Fernbleiben von der Arbeit betrachtet wird. Sie argumentieren ihrerseits, dass das Ministerium sie am Zugang gehindert habe, und fordern eine Erklärung über die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen, die möglichen gesundheitlichen Auswirkungen der Kontrollsysteme und den Schutz ihrer sensiblen persönlichen Daten. (…) Laut Handbuch ist der Zutritt durch eine Magnetschleuse und eine Röntgenschleuse vorgeschrieben, an denen eine körperliche und persönliche Durchsuchung vorgenommen wird. Im Falle einer Verweigerung der Kontrolle wird der Zugang untersagt und die Polizei informiert. Alternativ können die Teilnehmer ‚verlangen, dass die Kontrolle von Hand oder mit anderen nichtmechanischen Mitteln durchgeführt wird, die ihre Gesundheit nicht beeinträchtigen‘. Anschließend müssen die Besucher rotierende Schranken, die so genannten Drehkreuze, passieren, wobei sie ihre persönliche Ein- und Ausgangskarte in einen speziellen Schlitz stecken und zusätzlich ihren Finger in einen Fingerabdruckleser stecken müssen. Wenn die Fingerabdrücke nicht registriert werden, müssen sie alternativ das Einreise-/Ausreisebuch unterschreiben. Für jede Teilnehmerkategorie sind spezielle Teilnahmekarten vorgesehen. Blau für Mitarbeiter des Ministeriums, internationaler Organisationen, europäischer Einrichtungen, europäischer Agenturen, Sicherheitskräfte sowie Dolmetscher und Personal in den Bereichen Sicherheit, Reinigung und Wartung. Gelb für Arbeitnehmer und Mitglieder von Organisationen, die sie am Eingang der Einrichtung nach der Registrierung ihrer Daten erhalten. Grau für Journalisten, die sie am Eingang abholen, nachdem sie vom Zentralbüro des Ministeriums identifiziert und genehmigt wurden. Es gibt Vordrucke für Besucher, die sie am Eingang erhalten und mit denen sie sich ausweisen können, nachdem ihr Besuchsantrag vom Zentralen Empfangs- und Ausweisdienst genehmigt wurde, in dem sie ihre persönlichen Daten, den Grund ihres Besuchs sowie die Ankunfts- und Abfahrtszeit angeben müssen. Eine violette Karte ist auch für Rechtsanwälte vorgesehen, die den Lagerleiter im Voraus über ihren Besuch informieren müssen. Es liegt im Ermessen des Lagerleiters, einen am selben Tag eingereichten Antrag abzulehnen. Für Flüchtlinge dient die Asylbewerberkarte als Einreise- und Ausreisekarte. Wird der Antrag in der ersten Instanz abgelehnt, wird die Karte gesperrt und vorübergehend eine Blankokarte ausgestellt, die die Ein- und Ausreise ermöglicht, bis ein Rechtsbehelf in der zweiten Asylinstanz eingelegt wird, in der dann eine neue Karte ausgestellt wird. Im Falle einer endgültigen Ablehnung des Asylantrags wird der Ausweis eingezogen, die Polizei informiert und die Flüchtlinge in eine Abschiebehaftanstalt gebracht, um abgeschoben zu werden. Die Bewohner sind verpflichtet, bei den regelmäßigen Zählungen anwesend zu sein und den reibungslosen Betrieb der Zentren nicht durch gewalttätiges Verhalten zu stören, da sie sonst Gefahr laufen, aus der Einrichtung verwiesen zu werden und ihre Verpflegung, Betreuung und finanzielle Unterstützung zu verlieren.“ Artikel von Dimitris Angelidis vom 31. März 2022 in efsyn übersetzt und veröffentlicht auf Griechenlandsoli externer Link („Protest der Arbeitnehmer gegen Dystopie: Magnetschleuse und Röntgenschleuse im Lager“
  • Wut auf Regierung: Bewohner der griechischen Ägäisinseln protestieren gegen Flüchtlingspolitik Athens. Kritik an Lagerunterbringung 
    „Den Bewohnern der Ägäisinseln Lesbos, Samos und Chios reicht es. Tausende haben am Mittwoch erneut gegen die Migrations- und Asylpolitik der rechten Regierung des Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis protestiert. Sie zogen vor die Rathäuser und ließen auf ihren mitgeführten Transparenten wissen: »Weder unter freiem Himmel noch sonst irgendwo – unsere Inseln sind keine Konzentrationslager.« Der Zorn gegen die eigene Regierung, aber auch gegen die von der Europäischen Union mit immer mehr Gewalt an den Grenzen durchgesetzte Abschottung gegen Kriegsflüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten, ist in den vergangenen Monaten noch einmal gewachsen. Die Inselgriechen beobachten zunehmend entsetzt, wie Brüssel und Athen ihre Territorien immer mehr als Verfügungsräume für den Bau neuer, gefängnisähnlicher Camps beanspruchen. Auf Chios zogen die Demonstranten vor das Parteibüro des griechischen Ministers für Migration und Asyl, Panagiotis Mitarakis. Der rechtskonservative Politiker, Parlamentsabgeordneter der Regierungspartei Nea Dimokratia (ND), spielt in der Flüchtlingspolitik der Regierung den Mann fürs Grobe. Warnrufe internationaler und lokaler Hilfsorganisationen, die seit Jahren die zunehmende militärische und polizeiliche Gewalt an den griechisch-türkischen Grenzen beklagen und dokumentieren, blieben bis heute weitgehend unerhört. Vielmehr lässt Mitarakis gegenwärtig auf seiner Internetseite wissen, dass die Regierung »ihre strenge, aber gerechte Migrationspolitik fortsetzen« werde. Diese »gerechte« Politik schließt offenbar die ständige Missachtung des Völkerrechts und der Genfer Flüchtlingskonvention ein – eine Tatsache, der sich die Inselbewohner während ihrer Proteste am Mittwoch und in den Wochen zuvor nicht verschlossen haben. Auf Lesbos und Chios, wo am selben Tag ab Mittag die Arbeit niedergelegt wurde und die Behörden für den Publikumsverkehr geschlossen blieben, verlangten sie – auch auf Vorschlag der Gewerkschaften – die Einrichtung eines einzigen Durchgangslagers, in dem Flüchtlinge lediglich identifiziert würden und wo über deren Asylanträge schnell und effektiv entschieden werden könnte. Absolut unerwünscht für die Menschen auf den Inseln, deren Wirtschaftsleben zum Großteil vom Tourismus abhängig ist, ist der fast abgeschlossene Bau riesiger Lager mit zu erwartendem Langzeitaufenthalt der Insassen…“ Artikel von Hansgeorg Hermann in der jungen Welt vom 25. Februar 2022 externer Link
  • Griechische Grenzschützer sollen Flüchtlinge über Bord geworfen haben – werden sie gerettet, werden sie kriminalisiert und mit extrem hohen Strafen belegt
    • Griechische Grenzer warfen Geflüchtete ins Meer – sie ertranken
      „„Tod in der Ägäis – EU-Grenzschützer sollen Flüchtlinge ins Meer geworfen haben. Das Verbrechen von Samos: Zwei Geflüchtete sind tot, ein Überlebender erhebt einen ungeheuerlichen Vorwurf. SPIEGEL-Recherchen weisen auf eine neue brutale Taktik der griechischen Küstenwache hin. (…) Die Recherchen legen nahe, dass griechische Grenzschützer Keita und Kouamou aufs Meer schleppten und über Bord warfen. Endgültige Beweise dafür gibt es nicht – aber glaubwürdige Indizien…“ Artikel von Şebnem Arsu, Giorgos Christides, Steffen Lüdke, Maximilian Popp, Bernhard Riedmann, Jack Sapoch und Florian Schmitz aus Spiegel.de (paywall) vom 17.02.2022 bei griechenlandsolidarität externer Link
    • Griechische Grenzschützer sollen Flüchtlinge über Bord geworfen haben
      „Nach Recherchen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ und weiterer Medien sollen griechische Grenzschützer im September 2021 drei Flüchtlinge ins Meer geworfen haben. Zwei der Flüchtlinge seien dabei ertrunken. Die Männer wurden demnach auf der Insel Samos von der Küstenwache aufgegriffen, auf die Ägäis hinausgefahren und dort ins Wasser gezwungen. Endgültige Beweise gebe es nicht, aber glaubwürdige Indizien. Hauptzeuge ist der dritte der Männer, der in der Türkei interviewt wurde. Der „Spiegel“ rekonstruierte das Geschehen zusammen mit den Partnermedien „Lighthouse Reports“, „Guardian“ und „Mediapart“. Sie stützten sich den Angaben zufolge auf Augenzeugen, Informanten in griechischen Behörden, medizinische Berichte, Fotos, Videos und Satellitenbilder. Die griechische Polizei weise die Vorwürfe pauschal zurück, heißt es im Bericht.“ Meldung beim Deutschlandfunk vom 17. Februar 2022 externer Link 
    • „Es ist eine Gräueltat gegen die Menschheit“: Griechischer Pushback wird für doppeltes Ertrinken verantwortlich gemacht
      Laut einer Untersuchung wurden zwei Männer, die internationalen Schutz suchten, vor der Küste von Samos von einem Boot gestoßen…“ engl. Artikel von Katy Fallon vom 17.2.22 in the Guardian externer Link
    • Tote an der EU-Außengrenze zu Griechenland. PRO ASYL fordert eine internationale Untersuchung, umfassende Aufklärung und Opferschutz
      19 tote Flüchtlinge im griechisch-türkischen Grenzgebiet Anfang Februar 2022 – und nun ein erschütternder Medienbericht darüber, dass die griechische Küstenwache Schutzsuchende über Bord ins offene Meer wirft. Zwei Männer starben, berichtet der Rechercheverbund aus Spiegel, Guardian und anderen. PRO ASYL fordert sowohl internationale Untersuchungen und umfassende Aufklärung als auch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland, das die EU-Kommission einleiten muss…“ Pressemitteilung vom 18.2.2022 externer Link
    • Auf gefährliche Routen gezwungen: In Griechenland werden nach Bootsunglücken Flüchtlinge kriminalisiert und mit extrem hohen Strafen belegt
      „Nach Italien sollte es gehen. Von der türkischen Küste aus, in der Gegend von Izmir-Çeşme, startete eines von vielen solcher Boote. Mehr als 80 Flüchtlinge waren an Bord. Am Heiligen Abend kenterte es vor der Insel Paros. Im neuen Jahr wurden mehrere Leichen an die Strände des kykladischen Tourismusmagnets gespült. Drei Verdächtige, die für das Unglück verantwortlich gemacht werden, befinden sich derzeit in Untersuchungshaft auf der griechischen Insel Chios. Die Anklage lautet auf Menschenschmuggel, Verschuldung des Todes von 18 Personen und Gefährdung des Lebens der weiteren Passagiere durch Schiffbruch sowie die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung. Zeugenaussagen zufolge hatten die drei Personen an Bord die Rolle des Kapitäns, des Mechanikers und seines Assistenten – allerdings vermutlich unfreiwillig und ohne Schifffahrtskenntnisse zu besitzen. (…) Es ist kein Novum, dass in so gelagerten Fällen besonders die Schiffsführer mit hohen Strafen zu rechnen haben. Gegen den Steuermann Mohamad H. wurde im Mai 2021 eine Haftstrafe von 142 Jahren verhängt. Zwei Frauen waren ums Leben gekommen, als er im vorangegangenen Dezember mit 31 weiteren Personen an Bord mit seinem Boot auf See gekentert war. Im Mai 2022 beginnt das Verfahren gegen einen Mann, der ebenfalls mutmaßlich gezwungenermaßen ein Boot gesteuert hatte, welches im November 2020 vor Samos verunglückte. Seine Haftstrafe könnte sich auf mehr als 200 Jahre belaufen. Auch der Vater eines sechsjährigen Jungen, der bei dem Unglück zu Tode kam, steht unter Anklage. Wegen Kindeswohlgefährdung drohen ihm 10 Jahre Gefängnis. (…) Julia Winkler von Borderline Europe sieht in solchen Anklagen gegen auf den griechischen Inseln ankommende Menschen »eine systematische Kriminalisierung«. Sie seien ein direkter Angriff auf das Asylrecht. Außerdem werde alles getan, damit Menschen ihr Recht, einen Asylantrag zu stellen, in der Praxis nicht wahrnehmen könnten. Die vielfach dokumentierte Taktik der Pushbacks, dem Zurückdrängen von Geflüchteten in türkisches Hoheitsgebiet, bevor sie einen Fuß auf griechischen Boden setzen können, führt dazu, dass Boote stattdessen das ferner gelegene Italien ansteuern. Die Verschiebung der Routen erhöht die Risiken für die Flüchtenden. »Wenn es die Möglichkeit gegeben hätte, auf legalem Wege und ohne Gefahr eines Pushbacks nach Griechenland zu kommen, dann hätten sie diese wahrgenommen«, sagt Anwalt Choulis zum Paros-Fall. »Welchen Grund hätten sie sonst gehabt, an so vielen Inseln vorbeizufahren?«“ Artikel von Elisabeth Heinze vom 15. Februar 2022 in neues Deutschland online externer Link
  • Zwölf Flüchtlinge offenbar an griechischer Grenze erfroren – Türkei wirft Griechenland sogenannte Pushbacks vor [ausgerechnet] 
    „Auf der türkischen Seite der EU-Grenze mit Griechenland sind offenbar die Leichen von zwölf erfrorenen Menschen gefunden worden. Der türkische Innenminister Süleyman Soylu schreibt auf Twitter, die Personen hätten zu einer Gruppe von 22 Migranten gehört, die von griechischen Grenzschützern wieder zurück über die Grenze gedrängt worden seien. Soylu veröffentlichte verschwommene Fotos von leblosen Körpern. Ob die Bilder authentisch sind, ist noch nicht klar. In der betreffenden Provinz fallen die Temperaturen derzeit nachts oft unter null Grad. Soylu schreibt, die Flüchtlinge seien in der Nähe des Dorfs Paşaköy, nahe dem Grenzübergang İpsala zwischen der Türkei und Griechenland gefunden worden. Er wirft den griechischen Grenzern vor, die Menschen zuvor entkleidet und zurück in die Türkei gedrängt zu haben. (…) Auch das Gouverneursamt der westtürkischen Provinz Edirne berichtete von zwölf getöteten Flüchtlingen. Zwei von ihnen seien jedoch erst später im Krankenhaus gestorben. Die Vorwürfe, Griechenland sei an der Tragödie schuld, wies der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis zurück und bezeichnete die Aussagen Soylus als falsch und reine Propaganda. „Diese Migranten haben es nie bis zur Grenze geschafft“, sagte Mitarakis laut einer Pressemitteilung. „Die Aussage, dass sie es schafften und sogar zurückgedrängt wurden, ist völliger Unsinn.“ Die Türkei solle keine haltlosen Behauptungen aufstellen, sondern daran arbeiten, die gefährlichen Reisen zu unterbinden. „Anstatt andere zu beschuldigen, muss die Türkei Verantwortung übernehmen, wenn wir solche Tragödien künftig vermeiden wollen.“ (…) Die Türkei wirft Griechenland immer wieder sogenannte Pushbacks vor. Damit gemeint sind illegale Zurückweisungen von Flüchtlingen an den Grenzen. Griechenland bestreitet dies. Mehreren Medienberichten zufolge haben griechische Grenzschützer in der Vergangenheit jedoch mehrfach Boote mit Migranten zurück in Richtung Türkei getrieben. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex soll dies, so lauten die Vorwürfe, zumindest nicht verhindert haben. Die Untersuchung in der Sache dauert noch an…“ Meldung vom 2. Februar 2022 in der Zeit online externer Link
  • „Keine Konzentrationslager in Chios und in Lesbos“: Schiffsarbeiter und Bevölkerung verhindern Entladung von Baumaschinen für Lagerbau – Baubeginn durch Besetzung verzögert 
    Theofania ist für die griechisch-orthodoxe Bevölkerung ein heiliger Tag, der Tag der Taufe von Jesus im Jordan. In jeder Stadt in Griechenland gehört es zur Tradition, dass ein Bischof ein Kreuz in den Fluss, den See oder ins Meer wirft. Jugendliche springen ins Wasser und kämpfen darum, wer als erster das Kreuz erwischt.
    Wegen Covid finden diese traditionellen Wettkämpfe seit zwei Jahren ohne große Menschenmengen statt. Nicht so jedoch in Chios und in Lesbos. Tausende Insulaner versammelten sich im Hafen von Terna Chios und Mytilene Lesbos. Sie versammelten sich nicht, um die Tradition von Theofania zu feiern, sondern um die Abladung des Schiffes Pelagitis zu verhindern. In dem Schiff befanden sich Baumaschinen für das neue Lager, ein Gefängnis für die Flüchtlinge. Die Hauptparole der Demonstranten war „Keine Konzentrationslager in Chios und in Lesbos.“
    Bereits am Mittwochabend und am Donnerstagmorgen verhinderten die Anwohner von Chios die Ausschiffung von Erdbewegungsmaschinen der GEK Terna vom Schiff „Pelagitis“, die mit dem Bau eines geschlossenen Gefängnisses in der Gegend von Tholos beginnen sollen. Sie versuchten es zwei Mal – und scheiterten am Widerstand der Bevölkerung. Der Kapitän des Schiffes wollte schon beim ersten Versuch umdrehen nach Thessaloniki. Es heißt, dass der Ministerpräsident Mitsotakis eingegriffen hat und sie aufforderte, einen zweiten Versuch zu starten. Er sagte, dass am Donnerstag Theofania ist und die Insulaner zuhause bleiben.
    Man muss dazu noch wissen, dass seit dem 2. Januar die Inselbewohner von Chios das Gelände, wo das Gefängnis gebaut werden soll, besetzt haben, um den Baubeginn zu verhindern. Das Schiff musste die Insel Chios verlassen, ohne abladen zu können. Es steuerte dann die Insel Lesbos an. Dort, in Mytilene wurde das Schiff von hunderten Demonstranten empfangen. Sie empfingen das Schiff mit der Parole „Mitsotakis, wir schlafen nicht!“ Inzwischen hat sich die Schiffsarbeiter-Gewerkschaft PENEN mit einem Aufruf an die Beschäftigte von Pelagitis gewandt und forderte sie zur Solidarität mit dem Kampf der Bewohner von Chios und Lesbos auf…“ Bericht von Iordanis Georgiou und Michalis Aivaliotis vom 10.01.2022 in den Rote-Fahne-News externer Link
  • Minister für Einwanderung und Asyl, Notis Mitarakis, bestätigt das Verschwinden-Lassen von 25.000 Geflüchteten im Jahre 2021 in der Ägäis 
    Der Minister für Einwanderung und Asyl, Notis Mitarakis, bestätigte in seiner Silvesterbotschaft zum Abschied vom Jahr 2021 die große Diskrepanz zwischen den von der Küstenwache in der Ägäis im vergangenen Jahr und im Vorjahr geretteten Personen und den in Griechenland registrierten Ankünften. Nach Angaben des Ministers kamen im vergangenen Jahr bis zum 21. Dezember 8.616 Flüchtlinge und Migranten in Griechenland an. Doch letzte Woche, nach den wiederholten Schiffbrüchen in Folegandros, Paros und Antikythera, erklärte Schifffahrtsminister Yannis Plakiotakis, dass die Küstenwache im Jahr 2021 mehr als 29.000 Flüchtlinge und Migranten gerettet habe. Dies bedeutet, dass es eine Diskrepanz von mindestens 20.384 Personen gibt, die von der Küstenwache gerettet wurden, aber die griechischen Inseln nicht erreichten, nicht an die zuständige Erstaufnahmestelle übergeben wurden und nicht in den Ankunftslisten erfasst sind. In Wirklichkeit ist die Zahl der geretteten Personen, die durch die Hände der Küstenwache verschwunden sind, höher. Von den von Herrn Mitarakis angeführten Ankünften wird etwa die Hälfte an der Landgrenze von Evros registriert. Die Zahl der Ankünfte auf den Inseln, auf denen die Küstenwache laut Protokoll die 29.000 geretteten Personen abliefern soll, beträgt nur die Hälfte. Nach etwas aktualisierten Zahlen, die UNHCR veröffentlicht hat, kamen bis zum 28. Dezember insgesamt 4 058 Personen auf den Inseln an. Das bedeutet, dass von den 29.000 von der Küstenwache geretteten Personen etwa 25.000 im vergangenen Jahr verschwunden sind…“ Übersetzung des Artikels von Dimitris Angelides vom 1.1.2022 in efsyn in griechenlandsolidarität externer Link
  • Angriffe auf Asylorganisationen in Griechenland 
    In Griechenland wird das Klima gegenüber zivilgesellschaftlichen Organisationen immer feindseliger. Die Regierung nimmt bei ihren Kriminalisierungsversuchen zunehmend auch Organisationen ins Visier, die Schutzsuchende beraten und vor Gericht vertreten. Ein jüngstes Opfer ist unsere Partnerorganisation Refugee Support Aegean (RSA).
    Im September 2021 wurde ein Gesetz zur Änderung von Abschiebe- und Rückführungsverfahren im griechischen Parlament verabschiedet. Artikel 40 führt massive Einschränkungen für Nichtregierungsorganisationen ein, die in den Zuständigkeitsbereichen der griechischen Küstenwache tätig sind. Es drohen schwere Sanktionen und Geldstrafen. Damit würden die »lebensrettende Arbeit der NGOs auf See und ihre Kapazitäten zur Überwachung der Menschenrechte in der Ägäis ernsthaft behindert«, so die Menschenrechtskommissarin des Europarates Dunja Mijatović. (…) RSA kritisierte die Ablehnung und kommentierte in einer Erklärung am 26. November: »Die Regierung erklärt, dass die Unterstützung von Personen, die abgeschoben werden sollen, unrechtmäßig ist. Dies steht im Widerspruch zu internationalem, EU- und nationalem Recht«. Zudem kündigte RSA an, diese Entscheidung anzufechten, da es sich um einen alarmierenden Schritt handele, der die Zivilgesellschaft davon ausschließe, Flüchtlinge und Migrant*innen bei der Wahrnehmung ihrer Rechte zu unterstützen. (…) Trotz der Weigerung der Regierung, RSA zu registrieren, geht die Arbeit von RSA und anderer betroffener Organisationen weiter. Finanziell ist RSA nicht auf die Behörden angewiesen, da die Organisation keine staatliche Finanzierung bezieht. Aber nicht-registrierten NGOs wird der der Zugang zu den Flüchtlingslagern und den Hotspots verweigert. Aber gerade für die Anwältinnen ist der Zugang zu ihren Mandant*innen wichtig, er darf ihnen nicht verweigert werden. Doch genau darum geht es Asyl- und Migrationsminister Mitarakis mit seiner NGO-Zwangsjacke: Er will die Arbeit von Menschenrechtsorganisationen, die gegen rechtswidrige Asylgesetze vor dem griechischen Staatsrat oder für die Rechte von Schutzsuchenden vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen, behindern und verhindern. Er will verhindern, dass die Menschenrechtsverletzungen auf See und in den Lagern dokumentiert werden können…“ Meldung vom 03.12.2021 bei Pro Asyl externer Link
  • Video zeigt exzessive Gewalt gegen Migranten durch griechische Streitkräfte
    „… Griechische Streitkräfte gehen weiter gewaltsam gegen Migrant:innen, auch Frauen und Kinder, vor. Das Verteidigungsministerium der Türkei hat ein Video geteilt, in dem die griechische Küstenwache mit Waffen auf Geflüchtete zielt, sie schlägt und sie in türkische Hoheitsgewässer drängt. Zu unterschiedlichen Zeiten aufgenommene Aufnahmen zeigen, dass die griechischen Streitkräfte Migrant:innen brutal zurückdrängten. Auf dem Filmmaterial ist deutlich die Küstenwache zu sehen, die Boote von Migrant:innen in türkische Hoheitsgewässer schleppt. (…) Die griechischen Streitkräfte setzten gefährliche Manöver ein und versuchten, das Boot der Flüchtenden zu versenken, um es trotz der Ankündigungen und Warnungen der türkischen Seite über Funk an der Durchfahrt zu hindern. Das Filmmaterial enthält auch Szenen, in denen griechische Streitkräfte das Feuer in die Luft und um das Boot herum eröffneten. (…) Es habe in letzter Zeit „mehrere Beweise“ für Zurückweisungen von Asylsuchenden aus Griechenland in die Türkei gegeben, sagte ein Sprecher des Menschenrechtsbüros der Vereinten Nationen Anfang letzten Monats. Die Behörden der Europäischen Union äußerten sich auch besorgt über Pushbacks von Schutzsuchenden und sagten, dass solche Vorfälle dem Ruf des Bündnisses schaden. (…) Griechenland betreibt „provokative, eskalierende und aggressive Rhetorik und Aktionen“, sagte der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar am Montag laut Hürriyet Daily und beschuldigte die griechischen Behörden, Migrant:innen in der Ägäis „zurückzudrängen“. (…) Er fügte hinzu: „Es ist von Menschenrechten die Rede, aber es ist ein großes Verbrechen gegen die Menschlichkeit, dass die griechische Küstenwache versucht, die Boote zu durchbohren und auf sie zu schießen.“ Es ginge schließlich um „wehrlosen Menschen mitten im Meer.“ Artikel von Sonja Thomaser vom 23. November 2021 in der Frankfurter Rundschau online externer Link
  • Störung im Betrieb.  Festung Europa: Griechenland kriminalisiert Fluchthelfer und verurteilt sie zu hohen Gefängnisstrafen
    „Griechische Gerichte schicken Flüchtlinge für Jahrzehnte hinter Gitter, Polen legalisiert »Pushbacks«, Deutschland will seine Asylgesetze »der Situation anpassen«. Die EU, deren Regierungen und Parlamente bei passender Gelegenheit insbesondere gegenüber Russland und China die Einhaltung nicht näher definierter Menschenrechte reklamieren, schert sich an ihren Außengrenzen wenig um die von ihr von anderen geforderten Standards. Der ultrarechte griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis lässt von seiner Regierung als solche bezeichnete »illegale Migranten« kriminalisieren. Gerichte des Landes haben begonnen, Familienväter ebenso wie junge Menschen, die in Europa Zuflucht vor Krieg und bitterer Armut suchen, für lange Zeit im Gefängnis wegzuschließen. Ein prominentes Opfer der griechisch-europäischen Abschreckungspolitik ist die junge Syrerin Sarah Mardini. Vor einer Woche, am 17. November, sollte sie eigentlich in Mytilini, der Hauptstadt der Insel Lesbos, als Angeklagte vor einem dreiköpfigen Amtsgericht stehen, mit ihr 23 andere Helfer internationaler und einheimischer Hilfsorganisationen, die sich seit dem Krieg in Syrien um hilfesuchende Menschen aus dem Nahen und Mittleren Osten kümmern. Mardini, die 2015 weltweit als »Heldin« gefeiert wurde, weil sie und ihre jüngere Schwester Yusra ein mit mehreren Familien überladenes, bereits sinkendes Schlauchboot schwimmend an die rettende griechische Küste gezogen hatten, war für die Regierung in Athen allerdings nie mehr als eine der vielen hundert lästigen Ehrenamtlichen, die den ordnungspolitischen Betrieb in der Ägäis – Misshandlung, Inhaftierung und Pushback von Flüchtlingen – stören. (…) Kein Einzelfall: Zu 52 Jahren Gefängnis verurteilte ein Gericht auf Lesbos einen syrischen Familienvater, der in den Akten nur mit den Anfangsbuchstaben seines Namens, »K. S.«, genannt wird. »Er wird für nichts im Knast sitzen, nur für die Flucht (2020) aus Syrien und der Türkei«, erboste sich im vergangenen April der britische Independent. Absurde 142 Jahre Haft verhängten griechische Richter im Mai gegen den 28 Jahre alten Somalier Hanad Abdi Mohammad, weil er – selbst ein Flüchtling – das Steuer und damit die Verantwortung über ein Schlauchboot und seine verzweifelten Passagiere übernommen hatte.“ Artikel von Hansgeorg Hermann in der jungen Welt vom 25. November 2021 externer Link, siehe Hintergründe hier unten:
  • [#DropTheCharges] Kriminalisierung von Helfern von Geflüchteten. Der Schauprozess gegen Sarah Mardini und 23 weitere Angeklagte beginnt – und an ein Berufungsgericht verwiesen 
    Am kommenden Donnerstag, dem 18.11.2021 beginnt auf Lesbos ein großer Schauprozess gegen 24 Helfer*innen von Geflüchteten. Den Angeklagten drohen bis zu 35 Jahre Gefängnis. Das Schicksal von einer der Angeklagten, der seit Jahren in Berlin lebenden, aus Syrien geflüchteten Sarah Mardini, wirft ein grelles Licht auf die europäische Verlogenheit. Es fängt damit an, dass die damals 20jährige Sarah Mardini 2015 zusammen mit ihrer Schwester Yusra das Leben von 18 anderen Geflüchteten rettete. Der Motor des Bootes, auf dem sie und ihre Schwester auf dem Weg nach Lesbos waren, fiel aus. Die beiden Schwestern hatten waren vor ihrer Flucht Mitglieder des syrischen Nationalen Schwimmteams. Sie zogen das fahrunfähige Boot dreieinhalb Stunden schwimmend ans Land, die Insel Lesbos. Zwei Männer, die zunächst halfen, gaben auf. Danach schafften die Mardini-Schwestern es, auf der Balkanroute weiter nach Berlin zu flüchten. Für ihre Rettungstat wurden sie gefeiert und ausgezeichnet. 2016 erhielten sie „Stille Helden Bambis“. „Bambis“ sind in Deutschland sicherlich keine unbedeutenden Preise. Schon ein halbes Jahr nach ihrer Ankunft in Deutschland kehrte Sarah Mardini zum ersten Mal nach Lesbos zurück – um Geflüchtete aus Seenot zu retten. Sie studierte in Berlin, kam aber immer wieder für längere Zeit nach Lesbos, um zu helfen und zu retten. Im August 2018 wurde sie, als sie schon viele Monate wieder auf Lesbos war, aus heiterem Himmel verhaftet. Sie wurde wegen Menschenhandel, Geldwäsche, Betrug und Spionage angeklagt. Diese Vorwürfe wurden den Mitarbeitern der griechischen NGO ERCI (Emergency Response Centre International) gemacht, zu denen Mardini gehörte. Dreieinhalb Monate verbrachte sie in Athen in Untersuchungshaft, bevor sie auf Kaution freigelassen wurde. Human Rights Watch hat ausführlich begründet externer Link, dass die Vorwürfe haltlos sind und es offensichtlich um die Kriminalisierung von Helfer*innen geht. „Die Anschuldigungen sind außergewöhnlich schwerwiegend, aber keineswegs ungewöhnlich, da die Behörden in ganz Europa weiterhin Menschen und Organisationen kriminalisieren, die Geflüchteten helfen und sie unterstützen und Leben retten (auf See und an Land). Im Jahr 2019 wurden 171 Personen in 13 europäischen Staaten kriminalisiert und zwischen 2020 und 2021 wurden mindestens 44 Personen in Griechenland mit ähnlichen Anschuldigungen konfrontiert wie Sarah Mardini, Seán und Nassos. Die Kriminalisierung fällt mit der Sicherung der Grenzen und besorgniserregenden Fällen von Pushbacks und kollektiver Abschiebung zusammen, insbesondere auf See.“ (Aus der Solidaritätserklärung von 49 NGOs für die Angeklagten vom 11.11.2021 externer Link)
    Drei Jahre brauchte die griechische Justiz, um den Fall vor Gericht zu bringen. Am kommenden Donnerstag, dem 18.11.2021 beginnt er in Mytilini auf der Insel Lesbos. Sarah Mardini darf nicht zum Prozess gegen sie selbst nach Griechenland reisen, obwohl sie darum gebeten hat. Ihr wurde 2018 verboten, in den nächsten sieben Jahre nach Griechenland zu reisen. Da sie keine EU-Bürgerin ist, gilt sie als besonders gefährlich.
    ..“ Beitrag vom 14. November 2021 bei Griechenlandsolidarität externer Link, siehe auch:

    • Nach der Hilfe droht das Gefängnis. In Griechenland begann ein Prozess gegen Seenotretter. Urteilen muss ein anderes Gericht
      Im Prozess gegen zivile Seenotretter*innen in Mytilini auf der griechischen Insel Lesbos haben die Richter*innen den Fall am Donnerstag an ein Berufungsgericht verwiesen. »Wir werden noch Monate auf Gerechtigkeit warten müssen«, kommentierte Seán Binder, einer der Angeklagten, die Entscheidung am Donnerstag auf Twitter externer Link. (…) Doch offenbar sei das Gericht gar nicht zuständig gewesen, da sich ein Anwalt unter den Angeklagten befunden habe, heißt es von Beobachter*innen vor Ort. Binder sieht darin einen weiteren Beweis dafür, dass die griechische Staatsanwaltschaft sich »rechtlich, faktisch und nun auch verfahrenstechnisch geirrt« habe. Neben dem deutsch-irischen Rettungsschwimmer gehören die in Berlin lebende Syrerin Sarah Mardini und der Grieche Nassos Karakitsos zu den Angeklagten. Die griechischen Behörenden werfen ihnen Spionage, Weitergabe von Staatsgeheimnissen, Menschenschmuggel, Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung und Geldwäsche vor. Würden sie in allen Anklagepunkten verurteilt, könnte ihnen bis zu 25 Jahre Haft drohen. Am Donnerstag sollten nur einzelne Anklagepunkten verhandelt werden. (…) »Die heutige Vertagung bedeutet, dass sich diese Tortur für Sarah und Seán weiter in die Länge ziehen wird und sie in der Schwebe hält. Wir fordern die griechischen Behörden auf, ihre Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten und die Anklagen gegen Sarah und Seán fallen zu lassen«, sagte Giorgos Kosmopoulos von Amnesty International. Neunundvierzig Organisationen, darunter der Griechische Flüchtlingsrat, Oxfam, der Niederländische Flüchtlingsrat und das Rechtszentrum Lesbos, hatten bereits im Vorfeld Griechenland in einem Brief aufgefordert, das Verfahren einzustellen…“ Artikel von Ulrike Wagener vom 18.11.2021 im ND online externer Link
    • Zeitgleich mit dem tatsächlichen Prozess auf Lesbos wird am 18.11.2021 von 8 Uhr bis 12 Uhr vor dem Brandenburger Tor in Berlin ein virtueller Gerichtssaal aufgebaut sein. (Siehe https://griechenlandsoli.com/2018/10/13/berlin-soli-aktion-mit-den-angeklagten-helfern-auf-lesbos-am-18-november-2021/ externer Link)
    • Auch in vielen anderen Städten gibt es Solidaritätsaktionen: https://www.freehumanitarians.org/events externer Link
    • Die Humanität der EU: Hilfe für Flüchtlinge wird in der EU mit harten Strafen bedroht. Wer hingegen Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen bei illegalen Pushbacks auf unbewohnten Inseln aussetzt, geht straflos aus
      „Lebensrettende Hilfe für Flüchtlinge wird in der EU mit einem Vierteljahrhundert Haft bedroht. Am heutigen Donnerstag beginnt auf der griechischen Insel Lesbos ein Prozess gegen zwei Flüchtlingshelfer, denen wegen ihrer Hilfstätigkeit unter anderem „Menschenschmuggel“ und „Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung“ vorgeworfen wird. Das Strafmaß: bis zu 25 Jahre Haft. Dabei handelt es sich keineswegs um einen Einzelfall: Amnesty International hat bereits im vergangenen Jahr dokumentiert, dass in zahlreichen Ländern Europas vermutlich Hunderte verfolgt werden, weil sie Flüchtlinge unterstützen. In Deutschland wurde kürzlich ein Pfarrer zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er einem von Abschiebung bedrohten Iraner Kirchenasyl gewährt hatte. Gleichzeitig gehen Grenzbeamte, die an den Außengrenzen der EU völkerrechtswidrige Pushbacks durchführen – nicht nur in Polen und Litauen, auch in Griechenland sowie in diversen anderen Ländern -, straflos aus. Bei Pushbacks etwa aus Griechenland werden immer wieder Flüchtlinge auf unbewohnten Inseln oder in motorlosen Schlauchbooten ausgesetzt…“ Bericht vom 18. November 2021 von und bei German-Foreign-Policy.com externer Link
    • Siehe dazu: #FreeSarahSeanNassos #HumanityOnTrial und #DropTheCharges
  • Oxfam beklagt Inhaftierung Geflüchteter in Griechenland: Immer mehr Geflüchtete landen in Griechenland in „Verwaltungshaft“ – bis zu drei Jahren 
    „… In Griechenland werden der Hilfsorganisation Oxfam zufolge immer häufiger Geflüchtete in Haft genommen. Die sogenannte Verwaltungshaft werde zur Regel, obwohl sie laut EU-Recht nur eingesetzt werden solle, wenn alle anderen Mittel erschöpft seien, kritisierten Oxfam und der Griechische Flüchtlingsrat (GCR) in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht. Im Juni dieses Jahres seien rund 3.000 Migranten und Migrantinnen inhaftiert gewesen, heißt es in dem Bericht. Fast die Hälfte der Inhaftierten bleibe länger als sechs Monate in Verwaltungshaft. Diese Haft werde zunehmend zum De-facto-Standard, protestierten die Organisationen. Sie sei eine Folge jüngster Änderungen der griechischen Asylgesetzgebung, wonach Asylbewerber seit 2019 auch zwecks Überprüfung ihrer Identität inhaftiert werden dürften. Gleichzeitig sei die Pflicht für Behörden abgeschafft worden, Alternativen zu prüfen. Die maximale Dauer der Inhaftierung sei auf bis zu drei Jahre verlängert worden. (…) „Die Verwaltungshaft soll Menschen davon abhalten, in Europa Schutz zu suchen. Deshalb wird sie zur Regel gemacht, statt eine Ausnahme zu bleiben“, kritisierte GCR-Rechtsexperte Vasilis Papastergiou. „Das verstößt gegen internationales, europäisches und griechisches Recht, ist moralisch untragbar und zudem teuer.“ Die griechischen Behörden dürften „die Menschen nicht dafür bestrafen, dass sie sich ein Leben in Europa aufbauen wollen“, forderte Oxfam-Migrationsexpertin Erin McKay. Alternativen zur Haft müssten geprüft und genutzt werden.“ Meldung vom 16. November 2021 beim MiGAZIN externer Link zur Oxfam-PM vom 16.11.21 externer Link
  • Geflüchtete vor Gericht in Griechenland: Die Not der Steuermänner – Ayoubi Nadir überlebte nur knapp die Flucht, nun droht ihm Haft wegen angeblicher Schlepperei 
    „… Es war um Mitternacht, vor genau einem Jahr: Am 8. November, die See ist stürmisch, stößt ein Boot mit 24 Geflüchteten an die Klippen der griechischen Insel Samos. Alle Insassen gehen über Bord. Unter ihnen sind Ayoubi Nadir, damals 25 Jahre, aus Afghanistan und sein sechsjähriger Sohn Yahya. Obwohl die griechische Küstenwache informiert wird, dauert es mehrere Stunden, bis sie eintrifft. Das Kind überlebt den Unfall nicht. Yahyas Leiche wird am nächsten Tag an der Küste angeschwemmt. Der Vater, Nadir, ist aufgewachsen im Iran, später kam er in die Türkei, sein Asylantrag wurde dort abgelehnt. Er lebte illegal und arbeitet auf dem Bau. Von Yahyas Mutter ist er geschieden, er zieht das Kind allein auf. Doch ihm droht die Abschiebung nach Afghanistan, wo er nie gelebt hatte. 2020 leiht er sich 1.500 Euro, will nach Österreich. Stattdessen sitzt er seit einem Jahr in einer Gefängniszelle auf Samos. Denn nach dem Bootsunglück werden zwei der Überlebenden festgenommen: Die Behörden werfen Ayoubi Nadir „Kindeswohlgefährdung“ vor, ihm drohen deshalb bis zu zehn Jahre Haft. Ein zweiter Bootsinsasse namens Hasan wird wegen des „unerlaubten Transport von 24 Drittstaatsangehörigen in griechisches Hoheitsgebiet“ angeklagt. Ihm droht eine lebenslange Haftstrafe für den Tod sowie weitere 10 Jahre Haft für jede transportierte Person – 230 Jahre plus lebenslanger Haft. (…) Und auch Helfer:innen geraten ins Visier der Justiz. Amnesty International versucht in diese Tagen Aufmerksamkeit für den Fall von Séan Binder zu schaffen. Binder hatte sein Studium der Internationalen Politik in London unterbrochen, um 2017 und 2018 als freiwilliger Rettungstaucher für eine NGO auf der griechischen Insel Lesbos zu arbeiten. Dort hielt er nach Booten in Seenot Ausschau, kümmerte sich um Schiffbrüchige. Im August 2018 wird er festgenommen und nach rund drei Monaten U-Haft gegen Kaution freigelassen. Die griechische Regierung wirft ihm „Spionage“, „Schlepperei“ und „Mitgliedschaft in einem kriminellen Netzwerk“ vor. Ihm drohen bis zu 25 Jahre Haft. (…) Griechenland ist nicht der einzige EU-Staat, der versucht, mit den Mitteln der Strafjustiz gegen Geflüchtete und ihre Hel­fe­r:in­nen vorzugehen. Auf Malta warten die sogenannten El Hiblu 3 schon seit 2019 auf ein Urteil in einem Terrorprozess. Es handelt sich bei ihnen um drei geflüchtete Jugendliche: Abdalla und Lamin aus Guinea, Abdul aus der Elfenbeinküste. Der türkische Frachter „El Hiblu 1“ hatte am 26. März 2019 in Absprache mit dem europäischen Marineeinsatz Eunavfor Med 108 Flüchtlinge von einem Schlauchboot in Seenot gerettet. (…) Auf dem Schiff kommt es zu Protesten, als die Geflüchteten merken, dass der Frachter auf Anordnung der europäischen Behörden Kurs auf Libyen nimmt, von wo sie geflohen waren. Die drei Jugendlichen hätten versucht, zwischen Crew und Flüchtlingen zu „dolmetschen und zu vermitteln“, schreibt Amnesty International später über die Situation. Schließlich brachte das Schiff sie nach Malta. Die damals 15-, 16- und 19-Jährigen werden festgenommen und für zunächst sieben Monate inhaftiert…“ Beitrag von Christian Jakob vom 8. November 2021 bei taz online externer Link – siehe dazu die Kampagne samt Petition: Freiheit für die Samos 2 externer Link (der Teil auf Deutsch): Freiheit für N.* & Hasan
  • »Es gibt Pushbacks an jedem einzelnen Tag in Griechenland« 
    Weil sie als Europa-Abgeordnete auf Samos war, konnte sie fünf Schutzsuchende retten, die sonst vermutlich illegal zurück in die Türkei gebracht worden wären. Cornelia Ernst (Fraktion Die Linke) nahm Anfang November an einer Reise des LIBE-Ausschusses des EU-Parlaments nach Griechenland teil – und ist entsetzt, wie Flüchtlinge dort behandelt werden (…) Es ist eine Katastrophe, was in Griechenland mit den Schutzsuchenden passiert. Die Menschen, die noch im Asylverfahren und somit in den Lagern sind, bekommen seit einigen Wochen noch weniger Geld und weniger Essen. Und die Menschen, die als Flüchtlinge anerkannt sind, bekommen weder Geld noch eine andere Unterstützung, sie müssen teilweise in Mülleimern wühlen. Die Menschen sind am Ende. Als wir in Athen in einem Lager waren, brach der Protest aus. Ich habe in meinem Leben schon viel gesehen, aber eine solche Situation habe ich nicht mal 2014 im Irak erlebt. In Griechenland wird ein humanitäres Drama geschaffen.“ Interview am 06.11.2021 bei Pro Asyl externer Link
  • Griechenland hat die Türkei für Flüchtlinge aus fünf Ländern zum »sicheren Drittstaat« erklärt: »Brandgefährlich für die Rechtsstaatlichkeit in Europa« 
    Griechenland hat die Türkei für Flüchtlinge aus fünf Ländern zum »sicheren Drittstaat« erklärt. Welche Konsequenzen das hat und warum sie gerichtlich dagegen vorgeht, erklärt die griechische Rechtsanwältin Yiota Massouridou von Refugee Support Aegean im Interview mit PRO ASYL. [Sie haben jüngst vor dem höchsten griechischen Gericht Klage eingereicht externer Link gegen eine griechische Ministerialentscheidung. Warum ist das auch für den Rest Europas von Bedeutung?] Weil mit dieser Entscheidung das Asylsystem als Ganzes in Gefahr ist. Versagt die EU beim Schutz von Geflüchteten, kann sie einpacken als Gemeinschaft, die sich dem Schutz der Menschenrechte verschrieben hat. Eigentlich müsste die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland einleiten. (…) Am 7. Juni verabschiedete die griechische Regierung den Gemeinsamen Ministerialbeschluss (42799/2021), der die Türkei zu einem sicheren Drittstaat für Asylbewerber*innen aus Syrien, Afghanistan, Somalia, Pakistan und Bangladesch erklärt. Das bedeutet, dass diese Menschen de facto keine Möglichkeit mehr haben, in Griechenland Asyl zu beantragen, weil sie gar nicht nach ihren Fluchtgründen befragt werden, sondern nur nach einem vorherigen Aufenthalt in der Türkei. Dorthin werden sie dann zurückgeschickt, ohne dass eine inhaltliche Prüfung ihres Asylbegehrens stattfindet. Das ist aus mehreren Gründen völlig unverantwortlich. Die Türkei ist der Genfer Flüchtlingskonvention mit Einschränkungen beigetreten, sie gilt dort nur für Europäer*innen. Menschen aus den oben genannten fünf Ländern müssen befürchten, von der Türkei in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt zu werden. Solche illegalen Zurückweisungen nach Afghanistan und Syrien sind bekannt. Und vergessen Sie nicht: Unter den Geflüchteten sind zum Beispiel syrische Kurd*innen, die vor dem türkischen Bombardement in ihrer Heimat geflohen sind – und die Europa nun ausgerechnet in die Türkei zurückschickt. Hinzu kommt ein Paradoxon. In den vergangenen Jahren hat sich die menschenrechtliche Lage in der Türkei bekanntermaßen extrem verschlechtert. Nicht umsonst stellen derzeit viele Türkinnen und Türken in EU-Ländern einen Asylantrag, der oft positiv beschieden wird. Das ist absurd: Auf der einen Seite nimmt die EU türkische Flüchtlinge auf, weil die Lage in deren Heimat eben alles andere als sicher ist, auf der anderen Seite schickt sie Schutzsuchende aus Syrien, Afghanistan, Somalia, Pakistan und Bangladesch in die Türkei zurück mit der Begründung, es sei dort sicher...“ Interview vom 22.10.21 bei Pro Asyl externer Link
  • Vor Ankara eingeknickt. Athen: Viel Solidarität für verurteilte politische Flüchtlinge aus Türkei 
    Mit verschiedenen Aktivitäten weist ein Solidaritätsbündnis in Griechenland auf die drakonischen Urteile hin, die im Juli dieses Jahres gegen elf politische Geflüchtete aus der Türkei gefällt wurden. Zehn von ihnen wurden zu jeweils 30 Jahren Haft verurteilt, der Hauptangeklagte Sinan Oktay Özen sogar zu 33 Jahren. Das Athener Strafgericht befand die Angeklagten wegen gemeinsamer Gründung, Verwaltung und Mitgliedschaft in der DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) sowie Delikten wie Waffenlieferungen, Tragen einer Waffe, Besitz einer Schusswaffe und Fälschung amtlicher Dokumente für schuldig. »Es gibt keine juristische Erklärung dafür, dass die Strafen so hoch sind. Ich denke, dass die Höhe der Strafen eine rein politische Entscheidung ist«, kommentierte Rechtsanwalt Günay Dag am Sonnabend den bisherigen Ausgang des Verfahrens im Gespräch mit jW. Dag ist Mitglied im Internationalen Büro der Anwaltskanzlei des Volkes und in das Verfahren involviert. Sämtliche Mandanten würden gegen die Unrechtsurteile ihr Recht auf Revision in Anspruch nehmen. Die entsprechenden Anträge seien bereits gestellt. Der Verlauf des nur zweieinhalbwöchigen Prozesses in Athen wurde unter anderem von Vertretern der »Europäischen Vereinigung von Juristinnen und Juristen für Demokratie und Menschenrechte in der Welt« begleitet, die sowohl die Prozessführung als auch die Urteile scharf kritisieren. (…) Die Solidaritätskampagne für die Verurteilten von Athen wird vor allem von der Gruppierung »Volksfront« (Halk Cephesi) geführt, die in verschiedenen europäischen Ländern aktiv ist. Aber auch andere linke Organisationen wie Syriza, KKE/ML (Kommunistische Partei Griechenlands/Marxistisch-Leninistisch) und anarchistische Gruppen beteiligen sich. Seit Ende August findet im Zentrum Athens eine Dauermahnwache statt. Dort werden Unterschriften für die Freilassung der elf Inhaftierten gesammelt. Jeden Mittwoch versammeln sich Mitglieder der Kampagne vor dem Justizministerium und halten öffentliche Pressekonferenzen ab. Den vorläufigen Höhepunkt wird am kommenden Sonnabend das »Festival zur Solidarität mit den revolutionären Gefangenen aus der Türkei« bilden, von dem sich die Organisatoren eine noch stärkere öffentliche Wahrnehmung ihres Anliegens versprechen. Noch ist nicht klar, ob eine Revision zugelassen wird und das Verfahren neu aufgerollt werden muss. Als sicher gilt jedoch, dass auch in diesem Fall das Regime in Ankara seine Finger im Spiel hat…“ Artikel von Henning von Stoltzenberg in der jungen Welt vom 14.10.2021 externer Link
  • „Die Schattenarmee, die Flüchtlinge aus der EU prügelt“ – Push-Backs: Brüssel verlangt von Griechenland Aufklärung über Vorwürfe 
    Es sind verstörende Vorwürfe, die Journalisten über die Misshandlung von Migranten an Europas Außengrenzen erheben. Die Täter sollen sogar Spezialeinheiten angehören. Nach neuen Berichten über mögliche Menschenrechtsverletzungen an den europäischen Außengrenzen fordert die EU-Kommission von Griechenland Aufklärung. Innenkommissarin Ylva Johansson sagte am Freitag in Luxemburg, sie akzeptiere nicht, dass die griechische Regierung die Vorwürfe nicht untersuche. Athen warf seinerseits Brüssel vor, zu wenig gegen irreguläre Migration zu tun. Medien aus verschiedenen Ländern hatten in neuen Berichten sogenannte Push-Backs an den Grenzen aufgedeckt. Auf „Spiegel online“ hieß es am Donnerstag, Maskierte würden Menschen schlagen und auf dem Meer aussetzen, damit sie kein Asyl beantragten. Recherchen belegten, dass griechische und kroatische Einheiten dafür verantwortlich seien. Drei ehemalige beziehungsweise aktive Offiziere der Küstenwache haben laut „Spiegel online“ berichtet, dass Eliteeinheiten an Push-Backs in der Ägäis beteiligt seien. Ein Video auf der Website der französischen Tageszeitung „Libération“ zeigt einen blau gekleideten Maskierten, der in einem Wald oder Unterholz mit einem Schlagstock in Richtung laufender Menschen schlägt. Laut Beschriftung handelt es sich um kroatische Polizei. Ein Foto zeigt einen Mann mit tiefen Narben auf dem Rücken…“ Beitrag vom 11.10.2021 beim Migazin externer Link, siehe dazu:

  • Neue Lager in Griechenland: Panopticon für Geflüchtete – mit rund 43 Millionen Euro vollständig von der EU finanziert 
    Auf Samos eröffnet ein neuer „Hotspot“ für Asylsuchende. Die Insassen bezeichnen ihn als „Guantanamo“, die EU-Kommission hält derartige Anlagen allerdings für würdevoll und finanziert sie deshalb komplett. Das Pilotprojekt wird mit Bewegungsmeldern, Verhaltenserkennung und Drohnen kameraüberwacht. Vorvergangene Woche hat die griechische Regierung auf Samos das erste von sechs neuen Lagern externer Link für Geflüchtete in Betrieb genommen. Das neue „Closed Controlled Access Center“ externer Link liegt rund acht Kilometer von der nächsten Kleinstadt entfernt im Nirgendwo. Es besteht aus hunderten Containern mit Klimaanlage, Freizeiträumen, einer Essensausgabe, Sportstätten und einem Spielplatz, der sich wie alle anderen Anlagen hinter einem doppelten, mit NATO-Klingendraht gesicherten Zaun befindet. Bis zu 3.000 Menschen können dort eingesperrt werden, derzeit sind es noch 600. Das Lager ist farblich aufgeteilt in Regionen und Sprachen; grüne Wohneinheiten sind für Arabischsprachige reserviert, blaue für Afghan:innen und rote für Menschen afrikanischer Herkunft. Ein in lila gehaltener Bereich markiert die COVID-19-Quarantänestation, auf dem Gelände befindet sich außerdem ein Abschiebegefängnis. Über ein Lautsprechersystem können Durchsagen an alle Insassen erfolgen. Wie auf den Inseln Chios, Kos, Leros und Lesbos gelten die Einrichtungen als „Hotspot“. Der Begriff bezeichnet ein Lagersystem , das die Europäische Kommission 2015 etabliert hat. Die Pflicht zum Aufenthalt in einem „Hotspot“ basiert auf einer Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei aus dem Jahr. Dort festgelegte „geografische Beschränkungen“ zwingen Asylsuchende, auf den Inseln den Ausgang ihres mitunter mehrere Jahre dauernden Verfahrens abzuwarten. (…)„Griechenland kommt seinen Verpflichtungen nach und schützt die europäischen Grenzen und unsere gemeinsamen Ideale“, zitiert die Deutsche Welle den griechischen Minister für Migration und Asyl, Notis Mitarakis, zur Eröffnung auf Samos. Mitarakis ist als Hardliner bekannt, er befürwortet Pushbacks externer Link von Geflüchteten in die Türkei und nennt eine hohe Zahl von Abschiebungen als Priorität. Die völkerrechtswidrigen Zurückweisungen werden von der EU weiter ignoriert. Sogar während der Eröffnungszeremonie sollen zwei Schlauchboote auf Samos angekommen sein, nur zwei der Geflüchteten wurden registriert, alle anderen laut der Deutschen Welle in die Türkei zurückgetrieben. Zur gleichen Zeit externer Link lobte der Vizepräsident der EU-Kommission Margaritis Schinas das Lager, da „Asylsuchenden und Migranten“ dort ein würdevoller Aufenthalt ermöglicht würde. (…) Das Lager auf Samos wird mit rund 43 Millionen Euro vollständig von der EU finanziert. Insgesamt zahlt die Kommission 276 Millionen Euro für die neuen Zentren auf den Inseln. Eine entsprechende Vereinbarung hatten die EU-Kommissarin Ylva Johansson und die griechische Regierung im vergangenen Dezember unterzeichnet, das Geld stammt aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF). Für das Camp in Fylakio zahlt die EU 18 Millionen Euro aus dem Fonds für die Innere Sicherheit (ISF)…“ Beitrag von Matthias Monroy vom 30.09.2021 bei Netzpolitik externer Link
  • Lager der Schande abgebrannt – Griechenland: Feuer in Geflüchtetencamp auf Samos. Regierung eröffnet neue Containersiedlung. NATO-Draht und Ausgangssperre
    „In der von einheimischen Zeitungen als »Hightech-Camp« bezeichneten Containersiedlung sollen rund 3.000 Menschen untergebracht werden, Menschenrechtsorganisationen beschrieben den Ort als »Gefängnis«. Am Wochenende hat die rechte Regierung des griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis auf Samos ein neues Lager für Kriegsflüchtlinge eröffnet – in der unbewohnten, bergigen Gegend im Hinterland der Insel, der Region Zervos. Die nächsten Siedlungen, die Hauptstadt Vathy und das Dorf Mytillini, sind jeweils rund 15 Kilometer entfernt. Inzwischen brannte das alte Camp bei Vathy ab, nach Informationen des lokalen Rundfunks der Insel zündeten die dort verbliebenen rund 400 Flüchtlinge das »Lager der Schande« in der Nacht zum Montag selbst an. Das Camp bei Vathy, das nun schneller geräumt werden muss als ursprünglich geplant, war einst für 700 Menschen eingerichtet worden. In den vergangenen Jahren versuchten dort zeitweise bis zu 10.000 Personen, unter schlimmsten Bedingungen zu überleben. Ohne fließendes Wasser, ohne Toiletten und Heizung vegetierten sie in Zelten oder in selbst zusammengezimmerten Karton- und Blechhütten; Krankheiten, schwere Infektionen und auch Selbstmorde bestimmten zuletzt die Tagesordnung des machtlosen Lagerpersonals. Asylbewerber, die von den Behörden zum Transport in die Lager rund um die griechische Hauptstadt Athen bestimmt wurden, mussten die 32 Kilometer lange Strecke von Vathy zum Flüchtlingshafen Karlovassi zu Fuß zurücklegen. Das jetzt geöffnete Gefängnislager hält die Menschen hinter einem meterhohen, doppelten Verhau aus messerscharfem NATO-Draht. Im Inneren sei allerdings »Menschenwürde« angesagt, wie die Athener Zeitung Efimerida ton Syntakton (Efsyn) am Wochenende die Lagerverwaltung in Zervos zitierte. Es gebe in den Containern anständige Duschen, Klimaanlagen und sogar Heizung für den bevorstehenden Winter. (…) Das rund 54 Hektar große Areal bietet nach Angaben der Regierung neben »hygienischen, sauberen Unterkünften« auch »Freizeitbeschäftigung« – beispielsweise ein Basketballfeld und einen Spielplatz für Kinder. Der griechische Migrationsminister Panagiotis Mitarakis freute sich am Wochenende über »die erste geschlossene und kontrollierte« Flüchtlingssiedlung. In der Tat dürfen seine Bewohner das Lager nur mit einem schriftlich bewilligten und gestempelten Ausweispapier verlassen. Rund 270 Millionen Euro lässt sich die EU den Bau von »Mehrzweckaufnahme- und Identifizierungszentren« dieser Art auf den Inseln der Ägäis kosten…“ Beitrag von Hansgeorg Hermann bei der jungen Welt vom 21. September 2021 externer Link
  • EU: Gefängnis für Traumatisierte – „Ein Gefängnis für Unschuldige zur „Beruhigung von Samos“
    „„Samos kommt heute zur Ruhe und lässt die beschämenden Szenen in Vathi hinter sich“. Mit diesen Worten stellte Einwanderungsminister Notis Mitarakis am Samstag, dem 18.9.2021 das neue Auffanglager für Geflüchtete in einem abgelegenen Teil der Insel vor, eine „Modellstruktur“, wie er es nannte. Doch hinter den schönen Worten und den neuen Containern ist das neue Zentrum in Wirklichkeit ein gut bewachtes und teures Gefängnis. „Die Menschen, die wir sehen, sind alles andere als ruhig“, betont Ärzte ohne Grenzen gegenüber TPP, „es ist eine beschämende Entwicklung, der Höhepunkt von Gefangenschaft und Abschreckung. Alle Ausgaben wurden getätigt, um eine perfekte geschlossene Struktur zu schaffen. Der erste Kommentar von George Karagiannis, Leiter der Mission von Ärzte ohne Grenzen auf Samos, ist eindeutig. „Die Menschen, die wir sehen, sind überhaupt nicht ruhig. Sie können nachts nicht schlafen, weil sie darauf warten, in dieses Zentrum zu gehen. Weil sie sich zu viele Gedanken über das Offensichtliche machen: Denn nachdem sie monatelang oder sogar jahrelang in dem früheren Zentrum gelitten haben – manche waren zwei Jahre lang dort – werden sie nun in ein Gefängnis gebracht.“ Der Begriff Gefängnis ist keine Übertreibung…“ Übersetzung eines griechischenen Berichts am 20. September 2021 bei Griechenlandsoli externer Link
  • Stacheldrahtzäune, Zugangskontrollen, Ausgangssperre: Umstrittenes Flüchtlingslager auf Samos eröffnet 
    Stacheldrahtzäune, Zugangskontrollen, Ausgangssperre: Auf der griechischen Insel Samos hat die Regierung ein neues Flüchtlingslager eröffnet. Menschenrechtler kritisieren die Anlage und nennen sie „entmenschlichend“. Die griechische Regierung hat auf der Insel Samos ein sogenanntes „geschlossenes Zentrum mit kontrolliertem Zugang“ für die Unterbringung von 3000 Migranten eröffnet. Das Flüchtlingslager ist mit Stacheldraht umzäunt und mit Überwachungskameras, Röntgenscannern und Magnettüren ausgestattet. Es verfügt zudem über ein Gefangenenlager und ist nur per elektronischem Chip zugänglich. Griechischen Medien zufolge dürfen die Menschen das Lager täglich zwischen 8 und 20 Uhr verlassen – bis auf jene, deren Asylgesuch abgelehnt wurde und die im Rahmen des Flüchtlingspakts der EU mit der Türkei zurück in die Türkei gebracht werden sollen. Über Nacht bleiben die Tore für alle geschlossen. Das Lager liegt rund fünf Kilometer vom einstigen provisorischen Lager nahe des Ortes Vathy entfernt und ist eines von fünf geplanten derartigen Camps auf den ägäischen Inseln Leros, Lesbos, Kos, Chios und Samos. Die EU hat für die Anlage 276 Millionen Euro bereitgestellt. Das Lager auf Samos soll als Pilotprojekt für die Flüchtlingslager auf den anderen Inseln dienen. Menschenrechtsgruppen kritisieren die neuen geschlossenen Flüchtlingslager. Die Beschränkungen für die Migranten seien zu hoch. „Wir können unseren Patienten nur noch helfen, dieses Camp zu überleben“, teilte die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) im Vorfeld mit…“ Beitrag vom 18.09.2021 bei tagesschau.de externer Link mit Informationen von Verena Schälter, ARD-Studio Athen, siehe auch:

    • Samos: Ein Ort im Nichts. Auf der griechischen Insel Samos wird das erste Hotspot-Lager eröffnet. Die Situation der Geflüchteten verbessert es nicht
      „… Auf Samos soll an diesem Wochenende das erste der neuen „Multi-Purpose Reception and Identification Centre“ auf den ägäischen Inseln bezogen werden. Ende 2020 versprach die EU-Kommissarin Ylva Johansson nahtlose Asylverfahren sowie Integrationsmaßnahmen für Schutzsuchende, sprach von Unterbringungsbedingungen im Einklang mit EU-Recht. Mindestens 250 Millionen Euro investiert die EU in neue humanitäre Camps – für mehr Menschen und mit klimatisierten Wohncontainern, in denen auch selbst gekocht werden könne. Das klingt gut. Dennoch haben die Menschen im derzeitigen Camp in der Stadt Vathy aufgrund ihrer Erfahrungen begründete Zweifel. Und sie haben Angst. (…) Wenn am Wochenende Menschen in das Camp umgezogen werden, ist es das erste der geplanten Hotspot-Camps auf den ägäischen Inseln, die sich alle in einem gleichen: Durch ihre geographische Lage schneiden sie die Camp-Bewohner:innen vom Zugang zu den Städten und deren Versorgungsstrukturen und damit auch vom Alltagsleben ab: von der Unbeschwertheit der Cafés, von der Lebendigkeit der Marktplätze. Diese Orte aber sind es, die es den Menschen ermöglichen, zumindest kurzzeitig zu vergessen, dass sie Geflüchtete sind bzw. sein sollen. Trotzdem wird mit dem Zervou Camp als humanitäres Vorzeigecamp geworben. Damit steht Samos auch stellvertretend für die menschenverachtende Migrationspolitik der EU. Flankiert von humanitären und Menschenrechtsdiskursen werden Bedingungen hergestellt, die Menschen entrechten und sie krank machen. Wohncontainer hat auch das alte Camp in Vathy – klimatisiert waren sie so lange, bis die Klimaanlage kaputt ging oder der Strom abgeschaltet wurde. (…) Vor der kleinen Klinik, die das Team der medico-Partnerorganisation MedEquality in einem kleinen Büro eingerichtet hat, hockt ein Mensch. Man sieht, dass er noch jung sein muss, vielleicht Mitte zwanzig. Sein Körper ist schlank und muskulös, aber er biegt sich vor Schmerzen. „Das Camp macht krank“, sagt auch Stephanie*. Die ausgebildete Krankenschwester arbeitet als Freiwillige in der Klinik: „Viele Menschen kommen mit Magen-Darm-Beschwerden zu uns, die ganz klar durch das Essen im Camp verursacht werden. Obwohl Teile der Lebensmittel verpackt ankommen, sind sie oft bereits verschimmelt. Im Lager gibt es nur einen einzigen Arzt. Jetzt gerade ist er nur für ein paar Hundert Menschen zuständig. 2019 waren es über siebentausend. Damals wären Menschen einfach gestorben, wenn wir nicht dagewesen wären.“ Ob das neue Camp bessere Bedingungen schaffen wird? Auch die Mitarbeiter:innen MedEquality haben große Zweifel. Dennoch sehen sie keine Perspektive mehr in ihrer Arbeit auf Samos. Angesichts der großen Entfernung des neuen Camps von der Stadt wird wohl niemand mehr in ihre provisorische Klinik kommen. „Und es kann immer noch sein, dass sie die Leute einfach überhaupt gar nicht mehr aus dem Camp lassen“, fügt Stephanie resigniert hinzu. (…) Verlässliche Informationen zum Camp-Umzug gibt es nicht für die Menschen im Lager. „Wir wissen nur, dass es irgendwo da oben auf dem Berg ist und dass niemand im Camp auf unsere Nachfragen eingeht.“ Mohammed tritt von einem Fuß auf den anderen. Das Unbehagen ist ihm anzusehen, er hat wenig Grund, den Behörden zu vertrauen. Ein Menschenrechtsaktivist, der auf Samos lebt, bestätigt: „Niemand wusste, wer das neue Camp leiten würde – nicht einmal die alte Camp-Leitung – obwohl sie selbst nun auch das neue Camp managen wird. Das ist absurd.“ Alles scheint möglich. In den letzten Monaten haben viele Menschen aus dem alten Camp die Erlaubnis bekommen, die Insel zu verlassen und auf das griechische Festland überzusetzen – was zuvor noch undenkbar war. Gleichzeitig sind nur vereinzelt Boot mit neuen Geflüchteten aus der Türkei auf Samos angekommen – warum, darüber lässt sich nur mutmaßen. (…) Wenn am Samstag, den 18. September das Zervou Camp feierlich eröffnet wird, gibt es auch Proteste gegen das neue Camp und die repressive Migrationspolitik. In Vathy wird eine gemeinsame Demonstration von Camp-Bewohner:innen, Aktivist:innen und anderen Inselbewohner:innen stattfinden, die versuchen, der Abschottungspolitik etwas entgegen zu setzen…“ Reportage von Julia Manek vom 16.9.2021 bei medico externer Link
  • Griechenland – Afghanistan: Die Welt muss hinschauen 
    „Wie reagieren die afghanischen Geflüchteten im Lager Mavrouvani auf Lesbos auf die Machtübernahme der Taliban?“ Ein Interview von Anita Starosta in der Übersetzung von Nele Eisbrenner bei medico international am 8. September 2021: „… Viele sind besorgt. Niemand hier aus Afghanistan hat die Übernahme der Macht so schnell erwartet. Nun ist die Sorge von vielen Geflüchteten groß, nach Afghanistan abgeschoben und mit der gewaltsamen Ideologie der Taliban konfrontiert zu werden. Die griechische Regierung hat sich bis zuletzt für Abschiebungen nach Afghanistan eingesetzt. Die afghanischen Geflüchteten lehnen die Taliban-Ideologie ab, so sind wir nicht. Niemand hier möchte unter dem Regime der Taliban leben. Deshalb haben die Menschen gerade viel Angst. Bevor die Republik Afghanistan gegründet wurde, gab es auch Probleme. Aber wenn damals jemand abgeschoben wurde, war die Sorge nicht so groß wie heute. Niemand weiß, wie sich die Taliban als Regierung verhalten werden. Und trotzdem drängen die griechischen Behörden auf Abschiebungen. Aber das ist nur die eine Sorge der Menschen. Wir befürchten enorme Verletzungen der Rechte von Kindern, Mädchen und Frauen in Afghanistan. Auf der ganzen Welt haben viele Frauen ihre Stimmen erhoben – auch hier im Camp. Vor zwei Wochen haben wir hier bei der Moria Academia eine Protestveranstaltung organisiert. Viele Afghan:innen kamen zusammen und konnten über die Lage in Afghanistan und ihre Ängste und Sorgen sprechen. Viele Frauen haben sich getraut, laut auszusprechen, was sie denken. Es war eine sehr emotionale Veranstaltung. Das ist zumindest etwas, was wir hier tun können, dieser Ort ist unser freies Afghanistan. Wir können die Taliban nicht mit Waffen bekämpfen, aber wir können mit unseren Ideen und dem Stift kämpfen und das über unsere eigenen Medienkanäle veröffentlichen. Ich weiß, wie wichtig es ist, Afghan:innen zusammen zu bringen und gemeinsam, bei jeder Gelegenheit, die Stimme zu erheben. (…) Ich als demokratischer und gebildeter Afghane möchte niemals unter dem Regime der Taliban leben. Ich sorge mich sehr um meine Angehörigen in Afghanistan und wie es für sie weitergeht. Für mich ist es so, dass mein Asylantrag und der meiner Familie zweimal abgelehnt wurde. Seit über zwei Jahren sind wir jetzt schon hier auf Lesbos, erst in Moria – dann hat es gebrannt und wir haben tagelang auf der Straße unter freien Himmel geschlafen. Und jetzt bin ich hier. Ich frage mich wirklich, ob sie mir keinen Schutz geben werden. Jetzt entscheiden sie, ob wir in die Türkei abgeschoben werden. Schon seit einiger Zeit versuchen die Taliban, eine gute Beziehung zur Türkei aufzubauen…“ Siehe zum Hintergrund unser Dossier: Abzug aus Afghanistan: Die NATO beendet ihren 20-jährigen Krieg am Hindukusch und lässt ihr Einsatzgebiet in katastrophalem Zustand zurück
  • Griechenland macht dicht! Kein Einlass für afghanische Geflüchtete
    „In deutschen Medien gibt es Diskussionen über die offensichtlich gescheiterte Rettung vieler afghanischer Ortskräfte der Bundeswehr und weiterer deutscher Ministerien. „2015 darf sich nicht wiederholen“ ist ein Satz, der nicht nur vom Kanzlerkandidaten der CDU/CSU in diesem Zusammenhang auch fällt. Tatsächlich kann sich 2015 unter den gegebenen Voraussetzungen nicht wiederholen. Griechenland, aber auch die Türkei machen dicht. Der Landweg über die Balkanroute bleibt geschlossen. Eine Information, die deutschen Politikern durchaus bekannt sein sollte, zumal viele der Maßnahmen an der griechischen Grenze mit EU-Geldern bezuschusst werden. (…) 2015 wurden Geflüchtete, die über die Seepassage oder aber die Landgrenze aus der Türkei nach Griechenland kamen, schlicht durchgelassen. Sie erhielten vom griechischen Staat vorläufige, zeitlich begrenzte Aufenthaltspapiere, sie wurden von der lokalen Bevölkerung mit Spenden versorgt und konnten danach über die Balkanroute weiter nach Nordeuropa ziehen. Heute ist alles anders. Über Alexandroupolis, einer Grenzstadt an der griechisch-türkischen Landesgrenze schwebt seit Tagen ein Zeppelin. Er überwacht die Grenze. Journalisten und Fotografen werden festgenommen, wenn sie sich in militärisches Sperrgebiet, als welches weite Bereiche der Landgrenze deklariert wurden, ohne Erlaubnis betreten. Nachdem die Taliban Mitte August die Macht in Afghanistan übernommen hatten, gehörte die Überprüfung der Grenzanlagen zu den ersten Aktionen der griechischen Regierung. Verteidigungsminister Nikos Panagiotopoulos und Bürgerschutzminister Michalis Chrysochoidis reisten an die Grenze und versicherten danach der Presse, dass sämtliche Grenzanlagen perfekt bewacht und abgesichert seien. Fragen von Journalisten wurden nicht zugelassen. Der vierzig Kilometer lange Grenzzaun wurde gerade erst verstärkt und technisch aufgerüstet. Premierminister Kyriakos Mitsotakis rief beim türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan an, und beide Regierungschefs versicherten sich in seltener Einstimmigkeit gegenseitig, alles zu tun, um Afghanische Flüchtlinge fern von ihren Ländern zu halten. Schließlich verstärkt auch die Türkei ihre Grenzschutzanlagen. Beide, Erdogan und Mitsotakis meinen, dass ihre Staaten bereits genug Geflüchtete aufgenommen hätten…“ Beitrag von Wassilis Aswestopoulos vom 28. August 2021 bei Telepolis externer Link, siehe für Hintergründe unser Dossier: Abzug aus Afghanistan: Die NATO beendet ihren 20-jährigen Krieg am Hindukusch und lässt ihr Einsatzgebiet in katastrophalem Zustand zurück
  • Zynisch: Jetzt erhalten Flüchtlinge dafür, dass sie ihr Leben retten wollen, noch eine Geldstrafe von 5000.- Euro!
    „… Die griechische Polizei dachte sich einen weiteren ungeheuerlichen Trick für eine rachsüchtige Behandlung von Geflüchteten aus: Sie verhängt eine Geldstrafe von 5.000 Euro pro Kopf für Menschen, die mit Booten griechischen Boden erreichen… aufgrund einer Corona-Verordnung. Geflüchteten, die in Griechenland ankommen, droht nun ein Bußgeld von 5.000 Euro am Tag ihrer Ankunft in Griechenland. Die Polizei hat die im März 2020 eingeführte Praxis wieder aufgenommen, neu ankommenden Geflüchteten Bußgelder zu verhängen, wobei sie sich auf die für Touristen und Besucher des Landes geltenden Rechtsvorschriften zum Coronavirus beruft. Über die Gültigkeit der Geldbußen wird ebenfalls vor Gericht entschieden werden, nachdem die Opfer dieser zutiefst reaktionären Politik, die die Maßnahmen zum Schutz vor dem Coronavirus zum Vorwand für die Umsetzung der extremen Abschreckungspolitik der Regierung benutzt, Berufung eingelegt haben. Damals wurden gegen einiger weniger Personen Bußgelder verhängt, aber es scheint, dass diese Taktik nun verallgemeinert wird, offenbar im Hinblick auf die verschärfte Abschreckungspolitik an den Grenzen gegenüber afghanischen Geflüchteten, die versuchen, den Taliban zu entkommen. Geldstrafen in Höhe von insgesamt 125.000 Euro wurden von der Polizeidirektion von Chios gegen 25 neu angekommene Geflüchtete verhängt, die vor zwanzig Tagen auf Chios gelandet waren und, nachdem sie der Abschiebung entgangen waren, in die Quarantäneeinrichtung in Lefkonia gebracht wurden, um die Verbreitung des Coronavirus zu verhindern. (…)Diese Bußgelder werden von dem Betrag abgezogen, den die EU den Asylbewerbern für die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zur Verfügung stellt.“ Übersetzung eines Beitrags von Yorgos Pagoudis bei der griechenlandsolidarität am 25. August 2021 externer Link
  • Auf der griechischen Insel Kos werden Geflüchtete systematisch illegal in Haft genommen 
    Die Insel Kos beherbergt das letzte Abschiebegefängnis auf den Ägäischen Inseln. Fast alle Personen, die auf Kos ankommen, werden dort inhaftiert. Viele für mehr als ein Jahr. Die meisten Personen werden derzeit inhaftiert, um ihre Abschiebung „vorzubereiten“. Eine Abschiebung wird jedoch nicht stattfinden – die Türkei hat 17 Monate lang niemanden zurückgenommen. Der griechische Ombudsmann hat nun in 19 Fällen bestätigt, dass diese Inhaftierung ohne jede Rechtsgrundlage und damit unrechtmäßig ist. Laut Gesetz müssen sie freigelassen werden, wenn es keine Aussicht auf Abschiebung gibt. Die griechische Regierung wird nun aufgefordert, die Haftanordnungen zu überprüfen, und die betroffenen Personen müssen freigelassen werden.Übersetzung am 11. August 2021 bei der Griechenlandsoli externer Link der Meldung von Equal Rights Beyond Borders, 3. August 2021 externer Link, siehe auch:

  • Vial 15: Alle Angeklagten vom Vorwurf der Brandstiftung im Hotspot Lager Vial auf Chios freigesprochen! 
    Heute, am 29. Juni 2021, wurden alle Angeklagten vom Vorwurf der Brandstiftung mit Gefährdung von Menschenleben im Hotspot Lager Vial auf Chios freigesprochen! Vier Personen wurden von allen Anklagepunkten freigesprochen, acht Personen wurden wegen Widerstand und den Ausschreitungen im Camp sowie eine Person wegen Zerstörung öffentlichen Eigentums verurteilt. Einer der Angeklagten wurde am ersten Tag vom Verfahren ausgeschlossen, weil er minderjährig ist. Eine weitere Person       konnte nicht aufgefunden und verhaftet werden und war daher bei der Verhandlung nicht anwesend. Die neun Personen, die verurteilt wurden, erhielten eine Bewährungsstrafe von 3,5 Jahren, gegen die die Anwälte Berufung einlegen werden. Alle 15 Personen werden nun zurück nach Athen und Chios überstellt und dann, teilweise auf Bewährung, freigelassen. Alle Angeklagten, die nun offiziell von den Brandstiftungsvorwürfen freigesprochen wurden, wurden jedoch 14 Monate in Untersuchungshaft festgehalten und neun von ihnen sind immer noch nicht von allen Vorwürfen freigesprochen. Und das, obwohl die Staatsanwaltschaft während des gesamten Verfahrens keine stichhaltigen Beweise für die Schuld der Angeklagten vorlegen konnte  und sich bei der Verurteilung auf die fragwürdige Identifizierung eines Mitarbeiters einer Sicherheitsfirma des Lagers Vial stützte. Auch der 15. Angeklagte – der von der Asylbehörde offiziell als minderjährig anerkannt wurde – blieb 14 Monate in Untersuchungshaft, obwohl die maximale Dauer der Untersuchungshaft für Minderjährige in Griechenland sechs Monate betragen darf. Er  wurde schließlich entlassen, wartet aber immer noch auf seinen Prozess vor einem Jugendgericht…“ Pressemeldung der Solidaritätskampagne #FreeTheMoria6 und You cant evict  Solidarity vom 29.6.21 dokumentiert beim Bündnis gegen Abschiebungen Mannheim externer Link
  • Die Flüchtlingskonvention unter Beschuss: Die EU verwandelt Griechenland in ein Labor der Anti-Flüchtlingspolitik
    „PRO ASYL und Refugee Support Aegean (RSA) warnen davor, dass das Recht auf Asyl und die Flüchtlingskonvention von 1951 in Griechenland – mit aktiver Unterstützung der Europäischen Union – großen Teils außer Kraft gesetzt wird. Während Europa das 70-jährige Bestehen der Genfer Flüchtlingskonvention begeht, werden Versuche unternommen, deren Grundprinzipien zu verletzen. Griechenland erklärt die Türkei zum sicheren Drittstaat für Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, Pakistan, Bangladesch und Somalia. Seit dem 7. Juni 2021 werden Asylanträge von Antragsstellern aus den genannten fünf Ländern, so sie noch keine Anhörung hatten, lediglich in Bezug auf die Türkei geprüft. (…) Im Jahr 2020 stammen zwei von drei Asylsuchenden in Griechenland aus einem der fünf aufgeführten Länder (66 Prozent). 77 Prozent aller Menschen, denen im gleichen Zeitraum in Griechenland internationaler Schutz gewährt wurde, stammen aus einem der aufgeführten Länder. (…) Zehntausende Menschen, Familien, Männer, Frauen und unbegleitete Kinder werden dem Risiko des Refoulement ausgesetzt sein. Sie sind gefangen in der Hoffnungslosigkeit auf den Inseln und dem Festland, in Haft, ohne Zugang zu Arbeit, Unterbringung und staatlicher Unterstützung. (…) Jenseits der unmittelbaren Auswirkungen auf das Leben von Geflüchteten wird die Entscheidung auch einen Vorwand für den Rückzug der Regierung aus grundlegenden Maßnahmen zum Schutz von Flüchtlingen und zur Gewährleistung ihres Zugangs zu Wohnraum, Gesundheitsversorgung, Bildung und Integration bilden. Durch den gemeinsamen Ministerialbeschluss 42799/7–6‑2021 wird Griechenland erneut zu einem institutionellen Versuchslabor flüchtlingsfeindlicher Politik. Es stellt sich politisch und institutionell auf die Seite der ungarischen Regierung, die als erste in Europa durch ähnliche Beschlüsse eine konkrete flüchtlingsfeindliche Politik vorantrieb, die von internationalen und EU-Institutionen als menschenrechtswidrig verurteilt wurde. (…) Refugee Support Aegean (RSA) und PRO ASYL fordern die griechische Regierung auf, den Gemeinsamen Ministerialbeschluss 42799/7–6‑2021 zurückzuziehen, da er gegen grundlegende Prinzipien des Völker‑, Verfassungs- und EU-Rechts verstößt…“ Pressemitteilung vom 18. Juni 2021 von und bei Pro Asyl externer Link
  • Griechenland: Die wahren Brandstifter sitzen nicht im Gerichtssaal
    Neun Monate nach dem Feuer im Flüchtlingslager Moria werden sechs junge Afghanen zu langen Haftstrafen verurteilt. Und das, obwohl kein anwesender Zeuge diese in der vermeintlichen Tatnacht gesehen hat. «Der einzige Zeuge, der die Angeklagten identifiziert hatte, stellte sich dem Gericht nicht. Seine schriftliche Zeugenaussage war voller Ungereimtheiten», sagt Verteidigerin Natasha Dailiani. Am Samstag verurteilte ein Gericht auf der griechischen Insel Chios vier Geflüchtete zu jeweils zehn Jahren Haft, obwohl drei Angeklagte minderjährig sind. Zwei der insgesamt sechs Angeklagten waren bereits im März vor dem Jugendgericht in Lesbos zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. (…) Die griechischen Behörden jedoch sahen die Sache anders: Schon eine Woche nach dem Feuer sagte der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis gegenüber CNN, dass sechs junge Afghanen das Feuer gelegt hätten und nun festgenommen worden seien. Ein eindeutiger Verstoss gegen die Unschuldsvermutung. «Die Mindeststandards für ein faires Gerichtsverfahren wurden nicht eingehalten», sagt Dailiani. Die Anwältin versucht noch immer zu verstehen, was sie im Gerichtssaal auf Chios erlebt hat. Sie geht ihre Verteidigungsrede durch. Prüft ihre Aussagen. Sie bleibt bei ihrer Einschätzung: Die Entscheidung des Gerichts schien von Anfang an gefällt: Es erklärte die vier angeklagten Afghanen für schuldig wegen Brandstiftung, Gefährdung von Menschenleben und der Zerstörung von Eigentum. Und das, obwohl die Schuld der vier Angeklagten nicht bewiesen werden konnte. (…) Noch in dieser Woche sollen die vier Geflüchteten, die damals zu den mehr als 13 000 Asylsuchenden in Moria gehörten, in die Haftanstalt Ekkna für jugendliche Straftäter ausserhalb von Athen zurückgebracht werden, wo sie schon bis zum Prozess festgehalten wurden. Dort werden sie bis zur Berufungsverhandlung bleiben müssen. «Wir werden alle Rechtsmittel ausschöpfen, um sicherzustellen, dass die Angeklagten einen fairen Prozess bekommen und ein klares Urteil, das ihre Unschuld beweist», erklärte Effie Doussi, eine weitere Verteidigerin, nach dem Gerichtsentscheid. Immer wieder betont die Anwältin, die seit 2018 auf Lesbos Geflüchtete in Rechtsfällen vertritt, dass sie weiterhin an die Rechtsstaatlichkeit Griechenlands glaubt. Die letzten Jahre auf den Ägäischen Inseln zeichnen jedoch ein anderes Bild. Die Grenzen der Entrechtung von Geflüchteten werden immer weiter ausgeweitet: durch Inhaftierungen ohne rechtlichen Beistand, willkürliche Polizeigewalt oder illegale Pushbacks sowie durch fehlende zertifizierte ÜbersetzerInnen für Asylanhörungen. Laufend wird in den Gerichtssälen geltendes EU-Recht gebrochen, zum Beispiel das Recht auf einen Asylantrag oder ein faires Gerichtsverfahren…“ Bericht von Franziska Grillmeier vom 17.06.2021 bei der WoZ online externer Link, siehe auch zum ähnliche Gerichtsverfahren gegen 15 Geflüchtete, die beschuldigt werden, das Lager Vial auf Chios in Brand gesetzt zu haben:
  • Freiheit für die Vial 15!
    Am Dienstag, den 22. Juni, findet der Prozess gegen die Vial 15 vor dem Gericht in Mytilini auf der Insel Lesbos statt. 15 Menschen aus verschiedenen Ländern werden beschuldigt, in der Nacht vom 18. auf den 19. April 2020 im EU-Hotspot-Camp Vial auf der Insel Chios randaliert und Feuer gelegt zu haben. Die Festnahmen folgten Protesten gegen die unmenschlichen Bedingungen im Lager Vial, nachdem eine Frau in einem Isolationscontainer gestorben war. Den 15 Angeklagten wird Brandstiftung mit Gefährdung von Menschenleben, Zerstörung von Privateigentum, Körperverletzung und Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Wie bereits in vielen vorausgegangenen Fällen, wie z.B. kürzlich im Prozess gegen die Moria 6, wurden auch sie ohne stichhaltige Ermittlungen und auf der Basis zweifelhafter Indizien verhaftet. Der Großteil der Angeklagten wurden erst im Verlauf der folgenden 3 Wochen nach dem Feuer verhaftet. Der einzige „Beweis“, der gegen die meisten von ihnen vorliegt, ist die Aussage eines Polizeibeamten, der sie in der Polizeidatenbank aufgrund ihres Aussehens, Größe und Frisur erkannt haben will. (…) Obwohl es keinerlei glaubwürdige Beweise für die Schuld der Angeklagten gibt, ist zu befürchten, dass sie verurteilt werden. Sie werden als Sündenböcke für die europäische und griechische Migrationspolitik kriminalisiert, die unerträgliche Lebensbedingungen in Lagern auf den griechischen Inseln schafft. Auch in den kürzlich stattgefundenen Prozessen gegen die Moria 6 mussten wir erleben, wie die Angeklagten in einem politischen Schauprozess voller Fehler und mit mangelhaften Beweisen zu fünf bzw. zehn Jahren Haft verurteilt wurden. Wir sind es leid, diese sinnlose Zerstörung von Menschenleben mit anzusehen. Die Kriminalisierung der Proteste von Migrant*innen muss aufhören. Das Verbrechen ist nicht, dass Vial und Moria in Flammen standen, das Verbrechen ist die Existenz dieser Camps! Freiheit für die Vial 15!Soli-Aufruf vom 18.6.21 in mehreren Sprachen bei You can’t evict a Movement – You can’t evict Solidarity! externer Link
  • Prozess um Brand im Lager Moria: Geht es nur um Sündenböcke? 
    „… Auf der griechischen Insel Chios stehen seit Freitagmorgen vier der sechs mutmaßlichen Verantwortlichen für den verheerenden Brand im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, das Lager in der Nacht vom 8. auf den 9. September 2020 durch Brandstiftung vorsätzlich zerstört zu haben. Zum Zeitpunkt des Brandes waren fünf der sechs Angeklagten noch nicht volljährig. Sie gehörten zu den unbegleiteten Minderjährigen, die zum Zeitpunkt der Katastrophe schon hätten ausgeflogen sein sollen. Die beiden Hauptverdächtigen wurden am 9. März nach einem zweitägigen Prozess vom Jugendgericht in Mytilini auf Lesbos trotz sehr dünner Beweislage zu fünf Jahren Freiheitsentzug in der Jugendhaftanstalt Avlonas nahe Athen verurteilt. Gegen dieses Urteil legte die Verteidigung Berufung ein. Die übrigen vier Angeklagten müssen sich nun vor dem Schwurgericht auf Chios verantworten. Sie wurden nach dem Erwachsenenstrafrecht angeklagt, obwohl sie zum Zeitpunkt der Tat minderjährig waren. Einen Antrag auf ein Verfahren vor einem Jugendgericht lehnten die Richter ab. Nur einer der vier jungen Männer war zur Tatzeit 18 Jahre alt. Die übrigen vier konnten ihr Alter mit Originalausweisen aus ihren Heimatländern belegen. Allerdings waren sie von den griechischen Asylbehörden als Erwachsene in die Registrierungsformulare eingetragen worden. (…) Das ist nicht die einzige Ungereimtheit rund um das Verfahren. Derartige Prozesse sind in Griechenland aufgrund entsprechender Verfassungsartikel und der Strafprozessordnung öffentlich. Das heißt, die Öffentlichkeit muss entweder direkt oder indirekt über Pressevertreter präsent sein. Vor allem im vorliegenden Fall ist das öffentliche Interesse nicht zu bestreiten: Mehrere Vertreter der Regierung von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hatten die tatverdächtigen wiederholt öffentlich vorverurteilt und damit die von der Verfassung garantierte Unschuldsvermutung verletzt. Kritiker aus Menschenrechtsorganisationen und Oppositionsparteien vermuten, dass Regierungsverantwortliche mit dem Prozess versuchen, Sündenböcke für ihr eigenes Versagen zu finden. Der Vorsitzende Richter auf Chios aber dies das anders und wies die Kritik am Ausschluss der Öffentlichkeit zurück. Er berief sich auf die geltenden Pandemie-Regeln, welche nur insgesamt fünfzehn Personen in einem Gerichtssaal zulassen. Da allein sechs der im Saal anwesenden Personen Polizisten waren, blieb für Pressevertreter kein Platz. Versucht hatten es zwei internationale und zwei lokale Journalisten. Ebenfalls des Saales verwiesen wurden zwei internationale Beobachter, darunter ein Vertreter des UN-Kinderhilfswerks UNHCR. Die Verteidiger hatten in ihren ersten Anträgen selbst um Präsenz internationaler Beobachter gebeten. Auch dies wurde abgelehnt. (…) Unabhängig vom Urteil deuten die zahlreichen Verfahrensfehler und die Beschneidung der Rechte der Angeklagten auf einen langen juristischen Kampf hin. Ein fairer Prozess wurde den Angeklagten mit den erwähnten Einschränkungen nicht gewährt.“ Beitrag von Wassilis Aswestopoulos vom 12. Juni 2021 bei Telepolis externer Link, siehe zum Prozess auch den Thread von Seebrücke vom 12.6.21 externer Link und den ersten Prozeß weiter unten und auch den Pressespiegel der Kampagnen „Free the Moria 6“  externer Link
  • Griechische Flüchtlingspolitik: Plötzlich ist die Türkei “sicher” 
    „Es klingt wie eine gute Nachricht: Griechenland hat die Türkei zu einem “sicheren Drittland” erklärt. Das klingt nach Frieden und Völkerverständigung. Dahinter steckt aber ein flüchtlingspolitisches Kalkül. Die Regierung in Athen erklärte, dass Menschen aus Somalia, Pakistan, Afghanistan, Syrien und Bangladesch künftig keinen Asylantrag mehr stellen können, wenn sie aus der Türkei übersetzen. “Dies ist ein wichtiger Schritt für die Bekämpfung der illegalen Migration und der verbrecherischen Aktivitäten der Schleuser”, sagte der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis. Bei der griechischen Küstenwache hieß es, mit dieser Entscheidung werde deutlich gemacht, dass Menschen aus den betroffenen Ländern keine Chance mehr haben, in der EU zu bleiben. Umso mehr drängt Athen nun die anderen EU-Länder, anerkannte Flüchtlinge aus Griechenland zu übernehmen. Dagegen verwahrte sich Österreichs Innenminister Karl Nehammer gegen eine Umverteilung von Flüchtlingen. Es habe sich gezeigt, “dass das Verteilen innerhalb der Europäischen Union nicht funktioniert und nicht funktionieren kann”, erklärte Nehammer vor einem Treffen mit seinen EU-Kollegen. Nicht funktionieren kann es aber auch, ein Land für “sicher” zu erklären, das selbst militärisch in Syrien interveniert und die Menschenrechte mit Füssen tritt…“ Meldung vom 8. Juni 2021 von Eric Bonse in Lost in Europe externer Link
  • Griechenland: EU rüstet Grenzüberwachung auf – und kritisiert sie zugleich 
    Die griechische Grenzpolizei setzt eine Schallkanone und Drohnen an einem neuen Grenzzaun ein, die EU-Kommission drückt dazu ihre „Besorgnis“ aus. Jedoch finanziert sie selbst mehrere ähnliche Forschungsprojekte, darunter eine teilautonome Drohne mit Tarneigenschaften zur „Überwachung von Grenzen und Migrationsströmen“. (…) Jahnz zufolge hat die Kommission die Installation der Technik „mit Besorgnis zur Kenntnis genommen“ und fordert Informationen über deren Einsatz. In EU-Mitgliedstaaten genutzte Methoden müssten den europäischen Grundrechten entsprechen, einschließlich des „Rechts auf Würde“. Auch das Asylrecht und das Prinzip der Nichtzurückweisung in Staaten, in denen Geflüchteten Verfolgung droht, müssten respektiert werden. Die Empörung der Kommission ist alles andere als glaubwürdig. Nachdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan im März 2020 Geflüchtete zum Sturm auf die türkisch-griechische Grenze benutzt hatte, reiste die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor dem Start einer Frontex-Mission an den Grenzfluss Evros und erklärte dort ihre Solidarität. Wörtlich sagte die ehemalige deutsche Verteidigungsministerin: „Ich möchte Griechenland dafür danken, dass es unser europäischer Schutzschild ist.“..“ Artikel von Matthias Monroy vom 04.06.2021 bei Netzpolitik externer Link, siehe dazu:

  • Menschenrechtsorganisationen erheben schwere Vorwürfe gegen griechische Behörden 
    „… Hope Barker ist Teil des „Border Violence Monitoring Network“ (BVMN), einer unabhängigen Nichtregierungsorganisation, die auf dem ganzen Balkan die Lage von Migrierenden beobachtet und Menschenrechtsverletzungen registriert. Während sich die Weltöffentlichkeit auf die Insel Lesbos und das dortige neue Camp Mavrovouni konzentriert, das in vielen Medien „Kara Tepe“ genannt wird, agiert die griechische Polizei im Norden des EU-Landes außerhalb der medialen Aufmerksamkeit. Dabei berichten Migrierende von Entführungen durch die Behörden auf offener Straße oder aus dem nahegelegenen Camp Diavata. Und nicht nur das: Menschenrechtsorganisationen wie das BVMN erheben weitere, schwere Vorwürfe gegen die griechischen Behörden. In den sechs Abschiebegefängnissen auf dem Festland berichten ehemalige Insassen von struktureller Gewalt und anderen Menschenrechtsverstößen. (…) Ein ehemaliger Insasse im nordgriechischen Abschiebegefängnis Paranesti berichtet dem BVMN: „Die Inhaftierten bekommen sehr wenig zu essen. Sie erhalten auch keine Kleidung und werden andauernd beleidigt oder geschlagen.“ Wenn sie sich bei den Wachen über diese Missstände beschwerten, würden vermummte Polizisten die Inhaftierten verprügeln. Er selbst sei viele Male misshandelt worden: mit der Faust, mit Schlagstöcken oder durch Tritte. Hope Barker unterstreicht, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt. Die Methoden der griechischen Behörden seien brutal – sowohl in den Asylunterkünften als auch in den Abschiebegefängnissen und bei der Durchführung illegaler Rückführungen. Selbst vor Elektroschockern, Wasserfolter oder Zwangsentkleidungen mache man keinen Halt. Migrierende hätten dem BVMN berichtet, dass sie oft stundenlang misshandelt wurden: „Menschen wurde der Kopf rasiert. Das sind nicht einfach Pushbacks, das ist auch extrem gewalttätig.“ (…) Um weitere Rechtsbrüche zu verhindern, fordert Flüchtlingshelferin Hope Barker die Schaffung eines unabhängigen Kontrollmechanismus aus Organisationen, die mit der Situation von Migrantinnen und Migranten gut vertraut sind: „Das muss von der EU-Kommission unabhängig finanziert werden. Außerdem müssen unangekündigte Kontrollen stattfinden, auch an den Grenzen.“ Angekündigte Besuche in den Unterkünften, so wie sie jetzt etwa durch das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) stattfinden, reichten nicht aus, um sicherzustellen, dass sich Beamte im EU-Mitgliedsstaat Griechenland an national und international geltendes Recht hielten.“ Beitrag von Florian Schmitz und Fanny Facsar vom 27. Mai 2021 bei der Deutschen Welle externer Link
  • Geflüchtete von griechischer Küstenwache angezündet 
    Schwere Vorwürfe von der Türkei: Die griechische Küstenwache soll auf diesem Videoausschnitt Flüchtlinge zurückdrängen.“ Video am 19.04.21 bei t-online externer Link – bislang nicht mehr dazu gefunden…
  • UN: Griechische Küstenwache stoppt Flüchtlingsboote illegal auf See – UN-Angaben zufolge hat die griechische Küstenwache seit 2020 in mehreren Hundert Fällen illegale Pushbacks durchgeführt 
    „… Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR erhöht laut einem Medienbericht wegen der Rechtsverletzungen im östlichen Mittelmeer den Druck auf die griechische Regierung. Seit Beginn des vergangenen Jahres habe man „mehrere Hundert Fälle“ von mutmaßlichen Pushbacks registriert, sagte die UNHCR-Repräsentantin in Griechenland, Mireille Girard, dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“. Unter Pushback wird die rechtswidrige Abwehr von Flüchtlingen oder Flüchtlingsbooten verstanden. Das UNHCR habe den Behörden die entsprechenden Hinweise übergeben. In allen Fällen lägen der Organisation eigene Informationen vor, die auf illegale Pushbacks an Land oder auf See hindeuten. „Wir erwarten, dass die griechischen Behörden diese Vorfälle untersuchen“, sagte Girard. „Das Recht auf Asyl wird in Europa angegriffen.“ (…) Der „Spiegel“ hatte seit Juni 2020 in Recherchen mit „Report Mainz“ und der Rechercheorganisation Lighthouse Reports gezeigt, dass die griechische Küstenwache Flüchtlingsboote in der Ägäis stoppt, den Motor der Schlauchboote kaputt macht und die Menschen in türkischen Gewässern zurücklässt. Diese sogenannten Pushbacks verstoßen gegen europäisches und internationales Recht. Am griechisch-türkischen Grenzfluss Evros kommt es zu ähnlichen Aktionen. Das UNHCR hat den Angaben zufolge ebenfalls einen solchen Fall registriert. Am 17. Februar 2021 seien 13 Asylsuchende auf Lesbos angelandet und später von vermummten Männern aufs Meer zurückgeschleppt worden.“ Meldung vom 29. März 2021 von und bei MiGAZIN externer Link
  • [Lesbos] Untragbares Gerichtsurteil – Willkürliche Verurteilung zweier Geflüchteter für den Brand im Moria-Lager 
    Am 9. März 2021 wurden A.A. und M.H. auf der Insel Lesbos wegen Brandstiftung mit Gefährdung von Menschenleben schuldig gesprochen und auf zu 5 Jahren Haft verurteilt. Zweieinhalb Jahre der Haftstrafe werden sie im Gefängnis von Avlona auf dem griechischen Festland absitzen müssen. Die beiden jungen Männer waren als Asylsuchende aus Afghanistan nach Lesvos gekommen und zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung vergangenen Jahres gerade 17 Jahre alt. Sie wurden festgenommen, nachdem das Lager Moria am 8. September 2020 vollständig niedergebrannt war, und sechs Monate lang in Untersuchungshaft festgehalten. Der gestrige Gerichtsprozess war von Unregelmäßigkeiten durchzogen und hat zentrale rechtsstaatliche Prinzipien der Fairness und Unschuldsvermutung verletzt. Bereits vor Beginn des Verfahrens war klar, dass die beiden Angeklagten schuldig gesprochen werden würden. Sie wurden in ein politisiertes Spiel geworfen, in dem sie als Sündenbock für den Brand des Lagers herhalten solltenen. Durch ihre Verurteilung wird von der Verantwortung der EU und des griechischen Staats für die katastrophalen Zuständen in den europäischen Hotspot Lagern abgelenkt, die durch den Brand erneut mediale Sichtbarkeit bekamen. Während des Prozesses wurden solidarische Unterstützer*innen und Freund*innen der Angklagten vor dem Gerichtsgebäude von der Polizei weggeschickt, angezeigt und mit weiteren Repression bedroht. (…) Obwohl viele Freund*innene und Verwandte der Angeklagten gekommen waren, um zu bezeugen, dass diese den Brand nicht gelegt hatten,  durften lediglich zwei Zeug*innen der Verteidigung an der Verhandlung teilnehmen. Auf der Seite der Kläger sagten 17 Zeug*innen gegen die Angeklagten aus, konnten jedoch keine stichhaltigen Beweise gegen diese vorlegen. Der Hauptzeuge – der Sprecher der afghanischen Community – dessen Aussage zur Verhaftung der zwei Angeklagten geführt hatte, erschien nicht zum Prozess und konnte von den Behörden  nicht ausfindig gemacht werden. Dennoch wurde seine schriftliche Aussage als glaubwürdig erachtet. Die meisten anderen Zeug*innen sagten nur über persönliche Verluste durch den Brand aus, die nicht direkt mit den Angeklagten in Verbindung standen. Lediglich zwei Polizeibeamte behaupteten, die Angeklagten anhand eines Videos identifiziert zu haben, das zwei Personen mit ähnlicher Kleidung von hinten zeigt. Sie widersprachen sich jedoch in ihren Aussagen und beschrieben einen der Angeklagten als “winzig und klein”, während sich im Gericht zeigte, dass dieser tatsächlich wesentlich größer als der aussagende Polizist selbst ist. Am Ende wurden die Angeklagten zumindest vom Vorwurf der “Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung” freigesprochen – die gemeinsam mit dem Brandstiftungs-Vorwurf eine Strafe von 15 Jahren hätte bedeuten können. Ihre Anwält*innen des Legal Centre Lesvos werden zudem gegen das Urteil Berufung einlegen. Nichtsdestotrotz ist die Verurteilung der beiden ein weiteres empörendes Beispiel, wie Menschen auf der Flucht kriminalisiert werden, um von den Verantwortlichkeiten derer abzulenken, die die Existenz eines Lagers wie “Moria“ und des neuen Camps “Kara Tepe” überhaupt erst möglich machen...“ Bericht vom 10.3.21 externer Link der Kampagne für grenzenlose Solidarität mit migrantischen Kämpfen in Griechenland, auf der Balkanroute und überall

  • Am Fluss Evros: Griechenland geht gegen Geflüchtete vor – 27 Kilometer Stahl an der Grenze 
    Ein Grenzzaun am Fluss Evros soll Geflüchtete und Migrierende abhalten. Griechenland sieht den Recep Tayyip Erdogan als Gegner, der Geflüchtete als Druckmittel gebrauche. (…) Seichte, sumpfige Stellen im Fluss locken Schlepper mit Geflüchteten. Sie wollen von der Türkei nach Griechenland, in die EU. Deutschland ist für viele das Zielland. Das ist kein leichtes Unterfangen. Aber hier in Feres ist der Zutritt in die EU leichter als anderswo am Evros. Und ohnehin leichter als in der Ost-Ägäis. Hier baut Griechenland einen neuen Grenzzaun. Sein Zweck: Flüchtende und Migrierende abhalten. Die neue Mauer wird 27 Kilometer lang sein, fünf Meter hoch, aus Stahlelementen bestehen, an drei Abschnitten verlaufen. Kosten: 63 Millionen Euro. Um die Grenze vor Ort aus der Luft im Auge zu behalten, werden acht Wachtürme errichtet. Ein erster, bereits Ende 2012 fertiggestellter zwölf Kilometer langer Grenzzaun bei der Ortschaft Kastanies, 104 Kilometer nördlich von Feres, wird verstärkt und von heute 3,50 auf 4,30 Meter erhöht. Der Evros verläuft dort ausschließlich in der Türkei und markiert nicht die Grenze. Die gesamte neue Mauer soll bis April fertig sein. Und die Griechen sind im Zeitplan. Premierminister Kyriakos Mitsotakis von der konservativen Nea Dimokratia (ND) ist fest dazu entschlossen, das Projekt zu verwirklichen. Seine Regierung unterschrieb am 31. August einen entsprechenden Vertrag mit vier großen griechischen Baufirmen. „Das ist das Mindeste, was wir tun können, damit sich die Bürger sicher fühlen können“, sagt Premier Mitsotakis…“ Artikel von Ferry Batzoglou vom 09.03.2021 in der FR online externer Link
  • Trotz Kältewelle: Griechenland verweigert anerkannten Geflüchteten Schutz – Auch Kinder und Säuglinge waren klirrender Kälte in Lagern zunächst ohne Hilfe ausgesetzt
    „… Anerkannte Asylsuchende aus Griechenland versuchen angesichts der katastrophalen Situation in den Flüchtlingslagern das Land zu verlassen. Wegen der tödlichen Bedingungen ziehen immer mehr Menschen in den Lagern – wie jüngst die niederländische Tageszeitung Volkskrant berichtet – ein illegales Leben in einem anderen EU-Mitgliedsstaat dem weiteren legalen Verbleib in Griechenland vor. (…) Bis Dienstagabend verstarben vier Menschen wegen des Schneefalls und der Kälte. Schnee, das bedeutet in Griechenland, dass Nadelbäume unter Schneemassen zusammenbrechen und im Fall Stromleitungen mitreißen. (…) Das Land ist im Ausnahmezustand. Allerdings war der „Jahrhundertschnee“ von den Meteorologen mehrere Tage im Voraus angekündigt worden. Die Regierung hätte knapp eine Woche Zeit gehabt, Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. (…) Auch für diejenigen, die den legalen Aufenthaltsstatus durch erfolgreichen Abschluss ihres Asylverfahrens erlangt haben, hielt das von Mitarachis geleitete Immigrationsministerium kurz vor dem Einsetzen des Unwetters eine böse Überraschung bereit. So wurden allein im Ort Iliochari bei Agioi Theodoroi in der Nähe von Korinth elf Familien auf die Straße gesetzt. Dies geschah fünf Tage vor Ankunft des Tiefdruckgebiets Medea, als bereits eine Katastrophenwarnung herausgegeben worden war. Die Flüchtlinge, die wegen der erst kürzlich erlassenen Verschärfungen des Lockdowns keine Möglichkeit hatten, sich zu einem anderen Ort zu bewegen, blieb nur die Möglichkeit, in der Kälte am Straßenrand zu campieren. Die Regierung von Premierminister Kyriakos Mitsotakis hat ein Gesetz erlassen, dass anerkannten Asylanten jegliches Recht auf Sozialhilfe und Unterkunft zunächst entzieht. Zunächst, weil mit dem Asylbescheid die Unterstützung für Schutzsuchende, so wie sie in internationalen Verträgen und Regeln festgeschrieben wird, komplett eingestellt wird. Danach stehen die Menschen zunächst vollkommen mittellos da. Unter Umständen kann eine durchaus überschaubare Zahl von den anerkannten Flüchtlingen über andere Programme später erneut Hilfe beantragen. Sozialhilfe im Sinn von Hartz IV kennt Griechenland nicht.“ Beitrag von Wassilis Aswestopoulos vom 18. Januar 2021 bei Telepolis externer Link
  • Sieben Telefone gleichzeitig. Griechenland verunmöglicht den Zugang zu fairen Asylverfahren – und weitet illegale Pushbacks auf das Inland aus
    „… Die Millionenstadt Thessaloniki ist für die meisten das nächste Reiseziel – auch für Menschen, die von den Inseln kommen. Dort angekommen, versuchten früher viele absichtlich von der Polizei aufgegriffen zu werden. Denn diese sollte eigentlich, laut griechischem Asylgesetz, im Inland angetroffene Migrant*innen registrieren und ihnen eine Aufenthaltsbescheinigung über 30 Tage ausstellen. In dieser Zeit soll dann ein Asylantrag gestellt werden. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie ist das nur via Skype-Anruf beim griechischen »Asylum Service« möglich. Die Polizei in Thessaloniki vergibt nur noch selten und willkürlich Bescheinigungen. Die 30-Tage-Frist ist zudem viel zu kurz: Die Leitungen zum Asylum Service sind ständig belegt. »Ich versuche, schon seit April durchzukommen. Teilweise mit der Hilfe von Freunden mit sieben Telefonen gleichzeitig«, berichtet uns Rachid, der es vor elf Monaten über die Grenze schaffte. So wie er sind tausende Personen in und um Thessaloniki ohne offiziellen Status und Papiere. Viele von ihnen hatten noch keine Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen. Seit der Asylrechtsverschärfung vom Mai 2020 hat ein solcher Antrag in den allermeisten Fällen ohnehin keine Aussicht auf Erfolg. Wer nicht selbstorganisiert eine Unterkunft in der Stadt findet, ist gezwungen, in Zelten im Camp Diavata zu leben, in dem die meisten unregistrierten Menschen Zuflucht finden. Die gesammelte Unterbringung in Camps erfüllt eine besondere Funktion: Sie vereinfacht sogenannte Pushbacks, die Migrant*innen seit etwa einem Jahr zunehmend auch aus dem Inland zu fürchten haben. Der Begriff beschreibt das gewaltsame Zurückdrängen der Menschen nach ihrem Grenzübertritt. Mit solchen de facto-Abschiebungen ohne Asylverfahren wird gegen das Verbot von Kollektivausweisungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen. Die Verantwortlichen kümmert das wenig: Als die Welt nur noch über das Corona-Virus sprach, erreichte diese Praxis eine neue Dimension. Wohl auch, weil der EU-Türkei-Deal nicht die erhofften Abschiebezahlen brachte. (…) Für uns als deutschsprachige Linke stellt sich bei alledem die Frage nach möglichen Handlungsstrategien. Direkt gegen die weit entfernten Zustände vorzugehen scheint schwierig. Vor Ort gibt es kleine NGOs wie das »Mobile Info Team« oder selbstorganisierte Gruppen wie »Stop War on Migrants« in Thessaloniki, die mit großem Einsatz und oft unterfinanziert versuchen, das Schlimmste zu verhindern. Deutschsprachige Gruppen sollten hier aktiv Kooperationen suchen, Besuche organisieren und mit Ressourcen unterstützen…“ Artikel von Lucy Nowak und Michael Schwarz aus ak 668, seit 16. Februar 2021 online externer Link
  • Griechenland setzt Geflüchtete nach Ankunft auf Lesbos auf dem Meer aus
    Griechenland und Frontex stehen wegen illegaler Pushbacks von Geflüchteten in der Kritik. Während die Verantwortlichen dementieren, greifen Grenzer zu immer brutaleren Methoden – offenbar auch gegenüber Schwangeren. (…) Die Recherchen belegen, dass die Schutzsuchenden in der Tat auf Lesbos waren. Nach Auswertung der Aussagen von Flüchtlingen und Zeugen sowie von Fotos, Videos und Positionsdaten gibt es keine Zweifel daran, dass griechische Beamte sie aufs Meer zurückgeschleppt haben. Griechische Behörden führen diese sogenannten Pushbacks inzwischen regelmäßig durch und verstoßen damit systematisch gegen internationales und europäisches Recht. Seit März sind nach offiziellen Angaben nur 4344 Migranten auf den fünf griechischen Inseln in der östlichen Ägäis angekommen – 92 Prozent weniger als im Vorjahr. Seit Juni hat der SPIEGEL in gemeinsamen Recherchen mit der Medienorganisation Lighthouse Reports und dem ARD-Magazin »Report Mainz« dokumentiert externer Link, wie diese illegalen Pushbacks ablaufen: Die griechische Küstenwache fängt die Geflüchteten meist noch auf dem Wasser ab und zerstört den Außenbordmotor der Schlauchboote, um diese manövrierunfähig zu machen. Dann werden die Migranten mit gefährlichen Manövern Richtung Türkei zurückgedrängt. Teils werden die Boote oder Rettungsflöße mit Seilen weiter aufs Meer gezogen, die Geflüchteten mit Waffen bedroht, nicht selten fallen Schüsse. (…) Die griechischen Behörden gingen auf einen Fragenkatalog des SPIEGEL nicht im Detail ein. Die Polizei teilte mit, dass sie in all ihren Operationen die Menschenrechte achte, die ergäben sich aus internationalem, europäischem und nationalem Recht. Das für die Küstenwache zuständige Ministerium teilte mit, dass es 30 Ausländer an Land aufgegriffen und in Quarantäne gebracht habe. Außerdem halte man sich stets an die gültigen Gesetze. Auf den vom SPIEGEL geschilderten Pushback von 18 Schutzsuchenden ging das Ministerium nicht ein.“ Artikel von Giorgos Christides, Emmanuel Freudenthal und Steffen Lüdke vom 08.12.2020 beim Spiegel online externer Link – zur darin angesprochenen Rolle von Frontex siehe unser Dossier: Pushbacks in der Ägäis: Deutsche Marine drückt Auge zu – Frontex macht mit
  • Gewalt, leugnen und kriminalisieren = Festung Europa
    „Immer mehr illegale gewalttätige Übergriffe griechischer Grenzer kommen ans Licht der Öffentlichkeit – und auch dass Frontex dabei Mittäter ist. Gerade gestern berichtete der Spiegel, dass „Grenzer zu immer brutaleren Methoden greifen“. Es ist nicht klar, wie viele Menschen schon ertranken, weil griechische Grenzer sie in voller Absicht lebensgefährlichen Situationen auf See ausgesetzt haben. Eine ganze Reihe von europäischen Politiker*innen fordern deshalb den Rücktritt des Chefs von Frontex, Farbice Leggeri und den Rückzug der Bundespolizei aus der Ägäis. Wie reagiert die griechische Regierung auf die Kritik? Durch Leugnung, durch unhaltbare Schuldzuweisung gegenüber NGOs und dadurch, dass sie die Kritiker zum Schweigen bringen will. Der Journalist Manos Mochopoulos wiederlegt die Pseudobeweise für die Anschuldigungen gegen NGOs. Mochopoulos machte ebenfalls öffentlich, dass aufgrund einer neuen Verordnung alle NGO-Mitarbeiter, die in Lagern mit Geflüchteten tätig sind, unterschreiben müssen, dass sie nichts von dem, was sie in den Lagern erfahren, öffentlich machen dürfen. Der Gipfel des Zynismusses ist die neue Methode der Abschottung; Ein Vater, dessen Sohn beim Versuch, sich nach Griechenland zu retten, ertrank, wurde angeklagt, seinen Sohn unnötigen Gefahren ausgesetzt zu haben. Nach griechischem Recht drohen ihm mindestens sechs Jahre Haft…“ Mitteilung von Georg Brzoska vom 9. Dezember 2020 bei der Griechenlandsolidarität externer Link
  • Athen will Grenze zur Türkei am Fluss Evros weiter verstärken 
    „… Griechenland baut seine Grenzzäune entlang des Flusses Evros (türkisch: Meric) an der Grenze zur Türkei aus. Der Bau sei notwendig, »damit die griechischen Bürger sich sicher fühlen«, erklärte Regierungschef Kyriakos Mitsotakis im Staatsfernsehen (ERT) nach einer Inspektion des Werdegangs des Projektes. Ankara droht immer wieder damit, erneut Tausenden Migranten zu erlauben, aus der Türkei nach Griechenland und damit auch in die EU zu kommen. Im Norden des Grenzflusses beim Übergang Kastanies/Kapikule gibt es bereits einen etwa elf Kilometer langen Zaun. Zur Zeit baut Athen an drei Abschnitten des südlichen Verlaufs des Flusses auf einer Länge von etwa 27 Kilometern drei neue Zäune. Sie werden bei der Ortschaft Ferres gebaut, wo es zahlreiche seichte Stellen gibt, und sollen bis April 2021 fertig sein, wie Mitsotakis mitteilte. An dem Fluss hatte sich im Februar eine Krise zwischen der EU und Türkei entzündet. Ankara hatte damals erklärt, die Grenze zur Europäischen Union sei offen. Daraufhin machten sich Tausende Migranten innerhalb der Türkei auf den Weg. Die EU hielt entgegen, die Türkei nutze die Not von Migranten aus, und schickte zusätzliche Beamte der Europäischen Grenzschutzagentur Frontex. Griechische Sicherheitskräfte verhinderten damals die meisten Übertritte. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bedankte sich bei den Griechen dafür, der »europäische Schild« zu sein.“ Meldung vom 18.10.2020 in neues Deutschland online externer Link
  • [Petition] »Alternativen zu den grausamen Camps werden ausradiert«. Das Flüchtlingslager Pikpa auf Lesbos für besonders schutzbedürftige Menschen soll geschlossen werden 
    Die angekündigte Schließung des kleinen Flüchtlingslagers Pikpa auf Lesbos ist laut Mitarbeitenden ein gezielter Angriff auf den würdevollen Umgang mit Geflohenen. »Das Leben der Schutzsuchenden soll unmöglich gemacht, die Menschen dehumanisiert werden in entsetzlichen Camps«, sagte Carmen Dupont von der Initiative Lesbos Solidarity, die Pikpa betreibt, dem Evangelischen Pressedienst (epd). »Weil wir gezeigt haben, dass es eine Alternative zu den grausamen Zuständen in überfüllten Camps geben kann, sollen wir ausradiert werden. Das ist politisch gewollt.« Die Behörden haben angekündigt, das Camp bis Donnerstag zu schließen. In Pikpa leben Dupont zufolge derzeit knapp 100 besonders schutzbedürftige Menschen, darunter 17 unbegleitete Minderjährige, chronisch Kranke, Opfer von Folter. Auch Homo- und Transsexuelle seien in das kleine Lager gebracht worden, weil es für sie im überfüllten und riesigen Camp Moria zu gefährlich war. Die Bewohner von Pikpa würden vermutlich in das neue Camp gebracht, in dem auch die Mehrheit der Menschen aus dem niedergebrannten Lager Moria sind. »Dort sollte niemand leben«, sagte die Helferin mit Blick auf die Lebensbedingungen. Viele Bewohner in Pikpa könnten deshalb aus Angst nicht mehr schlafen. »Vor allem Eltern sind erschüttert, weil sie nicht wissen, wie sie ihren Kindern sagen sollen, dass sie bald nicht mehr zur Schule gehen können oder in den Kindergarten, dass sie bald kein Bett mehr haben werden, keine Toilette, kein fließend Wasser und kaum noch etwas zu essen.«…“ Meldung vom 13.10.2020 beim ND online externer Link , siehe dazu und unterschreibe den Aufruf von Amnesty Deutschland:

    • Pikpa droht Schließung
      Die griechischen Behörden beabsichtigen, die offene, selbstorganisierte Flüchtlingsunterkunft PIKPA am 15. Oktober zu schließen. Seit der Gründung 2012 beherbergten und unterstützten die Mitarbeiter_innen von PIKPA Tausende besonders gefährdete Flüchtlinge und Asylsuchende. Die griechischen Behörden müssen die Entscheidung, PIKPA zu schließen, umgehend rückgängig machen und die Trägerorganisation Lesvos Solidarity ungehindert weiterarbeiten lassen. Sie müssen die rund 100 Bewohner_innen schützen sowie offene und sichere Orte für Flüchtlinge und Asylsuchende in Griechenland sicherstellen und fördern. Setzt euch für die Erhaltung des Flüchtlingslagers PIKPA ein!Aufruf von Amnesty Deutschland externer Link
    • About Pikpa camp – Informationen bei Lesvos Solidarity externer Link
  • In trüben Gewässern: Griechische Regierung kriminalisiert Hilfsorganisationen für Flüchtlinge. BRD schaut zu 
    Hilfsorganisationen, die in der Ägäis Flüchtlinge aus dem Wasser ziehen, sind in griechischen Gewässern und Häfen schon lange nicht mehr willkommen. Die Regierung des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis, die seit 14 Monaten in Athen an der Macht ist, hat inzwischen nicht nur der ehemals traditionellen Gastfreundschaft des Landes abgeschworen – sie hat unter dem Beifall ihrer Parlamentsmehrheit und eines großen Teils der Opposition beschlossen, die freiwilligen Helfer zu terrorisieren und zu kriminalisieren. Weil illegale, mit Gewalt erzwungene »Rückführungen« von Flüchtlingen in die Türkei – sogenannte Pushbacks – an der Tagesordnung sind, sollen die Seenotretter als lästige Zeugen ausgeschaltet werden. Unterdessen schauen Besatzungen deutscher Kriegsschiffe zu, wie Familien aus Kriegsgebieten von ihren NATO-Partnern auf offener See drangsaliert und im Stich gelassen werden. »Athen führt Krieg in trüben Gewässern«, klagten in den vergangenen zwei Wochen nicht nur unabhängige Athener Medien wie die linke Tageszeitung Efimerida ton Syntakton (Efsyn), sondern auch die Griechenland-Korrespondentin der Pariser Tageszeitung Libération, Maria Malagardis. Auf zwei Seiten berichtete die für ihre sorgsame Recherchearbeit bekannte Journalistin in der vergangenen Woche, wie die Helfer internationaler NGOs nicht mehr nur »belästigt«, sondern von den aus Athen geschickten Polizisten und Geheimdienstlern ausgeforscht, verhaftet und vor Schnellgerichte gezerrt werden. (…) Als am vergangenen Mittwoch das höchste griechische Gericht, der Areopag in Athen, die faschistische Partei Chrysi Avgi zur »kriminellen Organisation« erklärte, klatschten sich die »demokratischen Kräfte« des Landes, wie der Regierungschef es ausdrückte, spontan selbst Beifall für ihre »rechtsstaatliche Politik«. Dabei hatten Mitsotakis’ nach Lesbos, Chios und Samos ausgesendete »Ordnungskräfte« seit Jahresbeginn meist tatenlos zugesehen, wie die Schläger eben dieser »kriminellen Organisation« nicht nur Flüchtlinge und Journalisten verprügelten, sondern offenbar eine in Athen durchaus gewollte Atmosphäre der Angst und Verzweiflung in den völlig überfüllten Lagern schufen. »Kriminell« ist in diesem Krieg gegen Kriegsflüchtlinge allenfalls das Handeln und Zuschauen der vor Ort kreuzenden Schiffe der NATO-Partner Griechenland, BRD und Türkei zu nennen…“ Artikel von Hansgeorg Hermann, Chania, in der jungen Welt vom 12.10.2020 externer Link (im Abo)
  • Schließung von PIKPA: Griechenland will Elendscamps alternativlos machen / Griechische Polizei wirft vier NGOs auf Lesbos Schleuserei und Spionage vor 
    • Schließung von PIKPA: Griechenland will Elendscamps alternativlos machen
      Derzeit gibt es auch auf Lesbos noch humanitäre Gegenentwürfe zu den katastrophalen Bedingungen in Massenlagern wie Moria 2.0: Das selbstorganisierte Camp »PIKPA«, aber auch die reguläre Einrichtung »Kara Tepe«. Die griechische Regierung hat nun angekündigt, diese zu schließen – ein Vorgeschmack auf die Neuausrichtung der europäischen Asylpolitik. Am 23.09 hat der griechische Minister für Migration angekündigt, das Camp »PIKPA« auf Lesbos bis zum 31.10 zu schließen. Auch die reguläre Unterbringungseinrichtung »Kara Tepe« soll bis zum Ende des Jahres ihren Betrieb einstellen. In beiden Camps finden derzeit besonders schutzbedürftige Menschen eine Unterbringung in Würde und unter Wahrung ihrer Grundrechte. PRO ASYL und RSA rufen dazu auf, die letzten humanen Unterbringungen für vulnerable Schutzsuchende auf Lesbos zu verteidigen! Die Ankündigung zur Schließung erging am Tag der Vorstellung des »New Pact on Migration and Asylum« durch EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen. Trotz der Erfahrungen der vergangenen fünf Jahre verschärft die Kommission in diesem Pakt die Pläne für geschlossene Lager an den EU-Außengrenzen. Das abgebrannte Lager Moria wird zur Blaupause dieser Politik. Im gleichen Atemzug wurden die Pläne konkretisiert, das neue Zeltlager »Kara Tepe« (Moria 2.0) als ein europäisches Pilotprojekt unter die Leitung einer Taskforce aus EU-Kommission und griechischer Regierung zu stellen. Die drohenden Schließungen zeigen: Moria 2.0 soll alternativlos sein – auch für die Schutzbedürftigsten…“ Pro Asyl-Meldung vom 29.09.2020 externer Link
    • Griechische Polizei wirft vier Hilfsorganisationen Spionage vor, über 700 anerkannte Flüchtlinge dürfen Lesbos verlassen – die neusten Entwicklungen nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos
      „… Die griechische Polizei hat 35 Mitgliedern von vier Nichtregierungsorganisationen (NGO) vorgeworfen, als Schleuser und Spione agiert zu haben. Eine entsprechende Anzeige sei an die Justiz geleitet worden, teilte die Polizei am Montag in Athen mit. Die Betreffenden sollen in mindestens 32 Fällen Informationen über die Positionen der griechischen Küstenwache und Koordinaten möglicher Landungsabschnitte vor der Insel Lesbos an Schleuser in der Türkei geleitet haben. Die betreffenden Organisationen wurden zunächst nicht namentlich genannt. Unter ihren Mitgliedern sollen Deutsche, Österreicher, Norweger, Schweizer und Bulgaren sein. Die Rolle von Nichtregierungsorganisationen, die sich auf den griechischen Inseln in der Ostägäis für Flüchtlinge einsetzen, ist in Griechenland schon seit Jahren umstritten. Einerseits wird anerkannt, dass viele Helfer dort wichtige Unterstützung leisten. Andererseits werden auch immer wieder Vorwürfe erhoben, manche NGOs wollten vor Ort ihre eigene Vorstellung von Flüchtlingspolitik durchsetzen. Sie würden Migranten deshalb zu illegalen Aktionen aufrufen oder sie dabei unterstützen…“ Artikel von Elena Panagiotidis und Volker Pabst vom 28.09.2020 in der NZZ online externer Link
  • Erfolg vor dem EGMR: Griechenland muss Schutz von Leib & Leben gewährleisten – Angriff auf Alternativen zu Moria 2.0 
    Gestern ordnete der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) an, zwei besonders schutzbedürftige Personen aus dem Elend von Moria 2.0 zu befreien. Der Fall wird von Anwält*innen von PRO ASYL/ RSA vertreten. Dennoch verfolgt die griechische Regierung das Ziel, Moria 2.0 alternativlos zu machen. (…) Der Fall S.A. und O.A. gegen Griechenland wird von den Anwält*innen unserer Partnerorganisation Refugee Support Aegean (RSA) vertreten. Bereits am 17.Juli 2020 wurden beide als besonders schutzbedürftige Personen identifiziert und hätten die Insel verlassen dürfen. Trotz der vorherigen Entscheidung der griechischen Behörden, befinden sich die Antragsteller nach den Bränden in Moria Anfang September noch immer unter menschenunwürdigen Bedingungen auf der Insel. Unmittelbar nach dem Brand hat die griechische Regierung ein allgemeines Ausreiseverbot für Lesbos verhängt. Der EGMR gewährte nun eine vorläufige Maßnahmen –sogenannte »Rule 39« – und ordnete die griechische Regierung an , »alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Leib und Leben der Antragsteller gemäß Artikel 2 und 3 der Konvention zu schützen und Rücksicht auf die besonderen Umstände und der Verwundbarkeit der Antragsteller zu nehmen, die in der Entscheidung vom 17. Juli 2020 festgestellt wurden«. (…) Derweil kündigte der griechische Migrationsministers, Notis Mitarakis, an, alternative Aufnahmestrukturen auf Lesbos zu schließen. Das kommunale Camp »Kara Tepe« muss zum Ende des Jahres seine Arbeit einstellen. Das selbstorganisierte Camp »PIKPA« muss Ende Oktober schließen…“ Meldung vom 25.09.2020 bei Pro Asyl externer Link mit entsprechendem Protest – siehe zum Hintergrund die aktuellen Meldungen zu Moria auf Lesbos in unserem Dossier: Humanitäre Krise in Griechenland droht zu eskalieren
  • WeMove Europe und Oxfam: Europäische Kommission muss Verstöße gegen EU-Asylrecht in Griechenland untersuchen 
    Menschenrechtsorganisationen reichen Beschwerde bei EU-Kommission ein: Selbst gut dokumentierte Rechtsverletzungen werden nicht untersucht. Die Europäische Kommission sollte ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Griechenland wegen seines systematischen Verstoßes gegen EU-Recht im Umgang mit Asylsuchenden einleiten. Das fordern Oxfam und WeMove Europe in einer heute bei der Kommission eingereichten Rechtsbeschwerde. Morgen will die EU-Kommission ihren neuen Asyl- und Migrationspakt veröffentlichen. Die Organisationen argumentieren, die griechische Regierung habe es versäumt, gut dokumentierte Vorwürfe von Rechtsverletzungen zu untersuchen und darauf zu reagieren, zum Beispiel bezüglich gewaltsamer Zurückweisungen von Asylsuchenden in Richtung Türkei. Die Beschwerde wird von der internationalen Anwaltskanzlei DeBrauw Blackstone Westbroek eingereicht, die pro bono im Auftrag von WeMove Europe und Oxfam arbeitet. Die Organisationen warnen die EU davor, die Versäumnisse ihrer gegenwärtigen Migrationspolitik im neuen Asyl- und Migrationspakt zu wiederholen. Stattdessen muss es mehr Solidarität und eine verstärkte Teilung von Verantwortung zwischen den europäischen Ländern geben, insbesondere nach dem Brand im Flüchtlingslager Moria…“ Pressemitteilung vom 22. September 2020 bei Oxfam externer Link
  • Im Mittelmeer ausgesetzt: Griechische Küstenwache drängt laut Berichten Flüchtlinge in Schlauchboote und schickt sie Richtung Türkei 
    Die konservative griechische Regierung hat in den vergangenen Monaten offenbar Hunderte Flüchtlinge im Mittelmeer ausgesetzt. Laut Recherchen der »New York Times« haben staatliche Behörden im Rahmen von 31 verschiedenen Aktionen mindestens 1072 Schutzsuchende an den Grenzen der nationalen Gewässer zurückgelassen. Die Geflüchteten hätten in teilweise überfüllten Schlauchbooten verharren müssen, bis türkische Hilfe gekommen sei. Die US-amerikanische Zeitung beruft sich in ihren Recherchen auf Informationen von drei unabhängigen Nichtsregierungsorganisationen, zwei Forschern, die türkische Küstenwache, Bild- und Videomaterial sowie die Aussagen von mehreren Überlebenden. Syrische Geflüchtete berichteten demnach der Zeitung, dass maskierte griechische Beamte sie nachts aus einer Sammelunterkunft auf der Insel Rhodos abgeholt und dann auf ein Schlauchboot ohne Motor und Ruder gebracht hätten. Erst die türkische Küstenwache habe sie später im Meer gefunden und aufgenommen. Auch Kinder sollen von der Maßnahme betroffen gewesen sein. (…) Derzeit beklagen die Aktivisten eine Verschärfung der Lage. »Nicht nur die Zahl der Pushbacks hat seit März enorm zugenommen, auch die Gewalt, die die Beamten der Küstenwache gegen Asylsuchende einsetzen, hat ein schockierendes Level erreicht«, erklärte Lisa Gross, eine Sprecherin der Hilfsorganisation, gegenüber »nd«. »Die Küstenwache schießt auf Flüchtlingsboote und bringt Boote durch gefährliche Manöver zum Kentern, dazu werden Menschen in seeuntauglichen Rettungsinseln auf See sich selbst überlassen«, führte sie aus. Mare Liberum hat mindestens 150 Pushbacks seit März registriert, von denen etwa 5000 Menschen betroffen gewesen sein sollen. (…) Mare Liberum hat mehrere Methoden von Pushbacks in der Ägäis registriert, darunter das eingangs beschriebene Aussetzen auf grenznahen Rettungsinseln, die in türkische Gewässer treiben sollen. Die Organisation zählt sieben bekannte Fälle in diesem Jahr, in denen Flüchtende die griechischen Inseln Samos, Symi oder Chios bereits erreicht hatten, von dort aber wieder zurück aufs Meer gebracht worden sein sollen…“ Artikel von Sebastian Bähr vom 19.8.2020 im ND online externer Link, siehe dazu auch: Pushbacks in der Ägäis: Deutsche Marine drückt Auge zu
  • Dubioser 992.000-Euro-Vertrag mit der EU: Flüchtlingspolitik nach McKinsey-Methode 
    „Als die Umsetzung des Flüchtlingspakts mit der Türkei stockte, engagierte die EU die Unternehmensberatung McKinsey. Interne Berichte zeigen, wie die Consultants arbeiteten. (…) Auch mehr als ein halbes Jahr nachdem die EU im März 2016 einen Flüchtlingsdeal mit der Türkei geschlossen hatte, steckten noch immer Tausende Migrantinnen und Migranten auf den Inseln Lesbos, Samos, Chios, Leros und Kos fest – in sogenannten EU-Hotspots. Amnesty International prangerte die hygienischen Bedingungen ebenso an wie die „schlechte Ernährung und unzureichende medizinische Versorgung“. Die griechische Asylbehörde war von der Vielzahl der Asylfälle überwältigt. (…) Vor diesem Hintergrund trat im Januar 2017 ein Vertrag in Kraft, den die EU mit McKinsey geschlossen hatte. Die US-Firma, eine der größten Unternehmensberatungen der Welt, sollte bei der Beseitigung des „Rückstaus“ an Asylgesuchen helfen…“ Beitrag von Maximilian Popp, Alexander Sarovic und Luděk Stavinoha vom 22. Juli 2020 bei Spiegel online externer Link (leider mit Zahlschranke), siehe dazu:

    • „#McKinsey, der US-Unternehmensberater-Gigant, der gerne Firmen dabei berät, wie diese ihr Personal entlassen können, wurde 2017 von der #EU (ohne Ausschreibung) für eine knappe Million € beauftragt, beim Management der #Asylgesuche in #Griechenland zu helfen. Damals hielten sich insgesamt weniger als 6000 Asylsuchende auf den griechischen Inseln auf (2020 bis 40.000). Genug Geld für deren humanitäre Unterbringung wäre damals da gewesen. „Wo floss das Geld hin?“, fragt ein Migrationsexperte, ohne von der EU Antworten zu bekommen. Nicht die #Ressourcen waren das Problem, sondern fehlender politischer Wille. #McKinsey habe den wichtigsten Grund für die katastrophalen Bedingungen in den Lagern schlicht ignoriert: “Die Gleichgültigkeit #Athen|s und #Brüssel|s gegenüber dem Schicksal der #Geflüchtete|n.“ Thread von MISSION LIFELINE am 22.7.20 bei Twitter externer Link
  • Griechenland: Regierung treibt Tausende Flüchtlinge gezielt in die Obdachlosigkeit 
    In Griechenland droht einer wachsenden Zahl von Geflüchteten mit schwerwiegenden gesundheitlichen oder psychischen Problemen die Vertreibung aus ihren Unterkünften. Die internationale Nothilfeorganisation Ärzte ohne Grenzen kritisiert, dass die Betroffenen ohne Schutz und angemessene medizinische Versorgung gezielt in die Obdachlosigkeit gedrängt werden und zudem von finanzieller Unterstützung abgeschnitten werden. Die griechische Regierung strebt danach, überfüllte Geflüchtetenlager etwa auf den Inseln Moria und Samos rasch zu entlasten. Zu diesem Zweck haben die Behörden damit begonnen, mehr als 11.000 Geflüchtete aus ihren Unterkünften auszuweisen, sowohl auf dem griechischen Festland als auch auf den griechischen Inseln. Viele dieser Menschen sind äußerst schutzbedürftig. Zu ihnen zählen Opfer von sexueller Gewalt, Folter und Misshandlung, ältere Menschen sowie chronisch kranke Menschen. Ärzte ohne Grenzen fordert die griechische Regierung dazu auf, die Räumungsmaßnahmen auszusetzen und bestehende Kapazitäten zur Unterbringung von Geflüchteten auszuweiten. (…) Ärzte ohne Grenzen fordert die griechische Regierung, die EU sowie alle am Bereitstellen von Unterkünften beteiligten Organisationen dringend auf, sofort Lösungen für die Unterbringung jener Flüchtlinge zu schaffen, die derzeit auf dem Viktoria-Platz in Athen kampieren müssen. Bis alle administrativen Hindernisse für die Integration und den Zugang zur medizinischen Versorgung beseitigt sind, muss die Vertreibung von Flüchtlingen aus bestehenden Lagern grundsätzlich gestoppt werden.“ Pressemitteilung vom 14. Juli 2020 externer Link, siehe dazu:

    • Ärzte ohne Grenzen hat eine Hilfseinrichtung neben dem EU(!)-Flüchtlingslager Moria aufgebaut, um vor Ort gegen Corona gewappnet zu sein – und soll dafür nun von der örtlichen Stadtverwaltung eine Strafe von 35.000 € bekommen habenTweet vom 13.7.2020 externer Link
  • Griechenland errichtet schwimmende Barrieren vor Lesbos / Die Griechische Rechtsregierung mobilisiert den Polizeistaat: Großangriff auf Flüchtlinge in Athen 
    • Griechenland errichtet schwimmende Barrieren vor Lesbos 
      „… Schwimmende Barrieren sollen demnächst verhindern, dass Migrantinnen und Migranten von der Türkei auf die griechische Insel Lesbos übersetzen. Dies berichten das Nachrichtenportal Real sowie die Nachrichtenagentur AFP, letztere unter Berufung auf Kreise des griechischen Verteidigungsministeriums. Tatsächlich hatte das Ministerium im Januar eine Ausschreibung für die Installation von „schwimmenden Schutzsystemen“ in der Ägäis veröffentlicht. Sie sollen Boote daran hindern, sie zu überqueren. Die geschätzten Gesamtkosten für das Projekt belaufen sich auf eine halbe Million Euro. Seit dem vergangenen Jahr erweiterte die Regierung in Athen ihre Überwachungsmaßnahmen entlang der Grenze zur Türkei – sowohl an der Landgrenze in Thrakien als auch an der Seegrenze in der Ägäis. (…) EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) hatte sich bei der griechischen Regierung dafür bedankt, der „europäische Schild“ zu sein. Migrationsminister Notis Mitarakis sagt immer wieder, die Regierung sei von der Verfassung dazu verpflichtet, die Grenzen des Landes und der EU auch im Meer zu schützen: „Wir können kein offenes Feld ohne Grenzen sein.“ Die schwimmende Barriere soll nun nordöstlich der Insel Lesbos errichtet werden. Menschenrechtsorganisationen sehen dies kritisch…“ Agenturmeldung vom 30. Juni 2020 in der Zeit online externer Link, siehe dazu auch: Frontex deckt Verbrechen der Grenzpolizei in Griechenland
    • Die Griechische Rechtsregierung mobilisiert den Polizeistaat: Großangriff auf Flüchtlinge in Athen
      Massive Polizeigewalt gegen RefugeesGR & solidarische Menschen heute Nacht in Athen beim Versuch den Victoriaplatz zu räumen. Hier leben viele Geflüchtete, die nicht wissen wohin, seit sie zum 1.7. aus ihren Unterkünften vertrieben wurden“ – so der Tweet (mit Videobericht) am 05. Juli 2020 im Twitter-Kanal der Seebrücke Frankfurt externer Link über das Polizei-Großaufgebot zur Flüchtlingsjagd in Athen. Im weiteren Verlauf des Threads wird noch berichtet: „Menschen wurden in alle Richtungen geprügelt. Es gab 22 Festnahmen von RefugeesGR, darunter ein Mann, dem die Schulter ausgekugelt wurde und eine Mutter, die von ihren Kindern getrennt wurde“ und „Letzte Nacht auf dem Victoria Square schockierender Angriff der Polizei auf obdachlose RefugeesGR schockierend. Am Nachmittag waren die meisten dort Frauen und Kleinkinder“. So sieht polizeistaatliche EU-Konsequenz aus: Erst die Menschen auf die Straße werfen, dann sie von der Straße prügeln…
  • Brutales Vorgehen gegen Flüchtlinge: Wie die griechische Küstenwache Menschen in Seenot bringt [und ob Frontex an den Push-Backs beteiligt ist] 
    „Rettungsinseln sind zum Retten da, möchte man meinen. Doch die griechische Küstenwache nutzt sie offenbar, um darauf Flüchtlinge auf dem Meer auszusetzen. Amjad Naim hat viel hinter sich, als er die Reise nach Europa antreten will. Er steht an der türkischen Küste, der Blick nach Westen gerichtet, er sieht die Küstenlinie von Samos. Dann besteigt er das voll bepackte Schlauchboot in Richtung Griechenland, in Richtung EU. Was dann passiert, schildert er so: Ein Hubschrauber entdeckt sie auf dem Meer, bald darauf kommt die griechische Küstenwache. Sie werden gezwungen, vom Schlauchboot auf Rettungsinseln umzusteigen – und dann zurück in Richtung Türkei geschleppt. Über Stunden driften sie auf den aufblasbaren Inseln auf dem Meer. Wir zeigen die Rekonstruktion eines Pushback…“ Bericht von Heiner Hoffmann bei Report Mainz am 16. Juni 2020 externer Link (Videolänge: 6:42 Min.) – siehe dazu noch:

    • Recherche von Spiegel, Report Mainz und Lighthouse: Griechische Küstenwache setzt Flüchtlinge auf dem Mittelmeer aus […] Könnten auch deutsche Grenzschützer beteiligt sein?
      „… Mehreren Augenzeugenberichten und Videos zufolge sollen mehrere Fälle dokumentiert sein, in denen die griechische Küstenwache zunächst eine Rettungsinsel mit Geflüchteten durch die Ägäis zieht, aber nach einiger Zeit das Tau löst und die Menschen auf dem Meer zurücklässt. Laut „Spiegel“ seien diese Vorkommnisse keine Einzelfälle, sondern Teil eines Systems. Dazu wurden dutzende Videos forensisch analysiert, mit Geodaten abgeglichen und mit Aussagen von Augenzeugen gegengeprüft. Neben dem Einsatz von Schusswaffen wurden auch wiederholt die Motoren der Schlauchboote zerstört, um die Schiffe manövrierunfähig zu machen. (…) Ob die Bundeswehr, die als Teil der Frontex-Mission „Poseidon“ gemeinsam mit 600 weiteren europäischen Grenzschützern zur Unterstützung der griechischen Kollegen vor Ort ist, die illegalen „Push-Backs“ toleriert oder sogar unterstützt, ist nicht bekannt. Laut Spiegel soll sich eine dänische Crew kürzlich einem solchen Einsatz verweigert haben. In der Vergangenheit kam es immer wieder zu ähnlichen Vorfällen auf dem Mittelmeer. (…) Über die Frage, inwieweit Frontex über die Pushbacks informiert sagt der SPD-Europaabgeordnete Dietmar Köster auf Tagesspiegel Anfrage, Frontex habe in einer internen Sitzung die Vorkommnisse bestätigt. Die Grenzschutzagentur sei daraufhin zurückgerudert und habe von einem „Missverständnis“ gesprochen. „Frontex ist nicht bereit, die Vorkommnisse offensiv aufzuklären“, sagte er. Aktuell habe sich in der Ägäis ein neuer möglicher Pushback ereignet, der von einem deutschen NATO-Schiff beobachtet worden war. Dass dort das Völkerrecht gebrochen wurde, sei „offensichtlich“. (…) „Wir hatten gerade eine Plenarsitzung im Europäischen Parlament zu Black Lives Matter, in der sich Kommissionspräsidentin von der Leyen gegen Rassismus ausgesprochen hat“, sagte der 63-Jährige. „Diese Pushbacks sind allerdings extrem rassistisch. Europäer in Seenot würden wir sofort retten – Nicht-Europäer scheinbar nicht.“…“ Beitrag von Paul Gäbler vom 17. Juni 2020 beim Tagesspiegel online externer Link
  • Schlechte Zeiten für Asylbewerber in Griechenland / Geflüchtete »verschwinden« – Griechische Regierung befördert rechte Hetze und illegale Push-Backs. Athen kann während Pandemie ungestraft handeln 
    • Schlechte Zeiten für Asylbewerber in Griechenland
      „… Die Regierung Mitsotakis geht mit harten Maßnahmen gegen Asylbewerber vor. Sie bereitet sich zum Ende der ersten Welle der CoVid19-Pandemie auch auf einen erwarteten neuen Versuch der türkischen Regierung vor, Asylbewerber über die Grenzen nach Griechenland zu schicken. Derweil wird auf EU-Ebene den Vorwürfen gegen Griechenland wegen der illegalen Push-Back-Aktionen nachgegangen. Außer um Menschenrechte geht es offenbar auch um Geld. Viel Geld, das im Namen der Flüchtlinge und Migranten ausgegeben wird, und in der Regel allen anderen außer den Betroffenen zu Gute kommt. (…) Die Verstärkung des Grenzschutzes an der Landgrenze am Evros-Fluss beinhaltet neben einer Aufstockung des für den Grenzschutz abgestellten Personals die bauliche Erweiterung des Grenzzauns. Zu diesem Zweck reiste Bürgerschutzminister Michalis Chrysochoidis am Mittwoch an die Grenze (). Chrysochoidis stellte für den Grenzschutz 400 neue Beamte ein. Insgesamt werden damit 1100 Polizisten die Grenze bewachen. (…) Die EU glaubte offenbar weniger an die Organisationsmöglichkeiten des griechischen Staats und mehr an die Effektivität der NGOs. Sie förderte in der Folge des anfänglichen Chaos die Flüchtlingsbetreuung durch NGOs. Die wiederum diente Gegnern der Flüchtlingspolitik als Argument für den Sozialneid. Immer wieder werden reale oder irreale Angaben über die Löhne und Gehälter von Mitarbeitern der NGOs durch die griechische Presse verbreitet. Meist fehlt der Hinweis, dass die aus dem Ausland nach Griechenland entsandten Mitarbeiter nach den im Heimatland gültigen Tarifen entlohnt werden. Bereits zu Oppositionszeiten zählte die heute regierende Nea Dimokratia zu den Hauptkritikern der NGOs. (…) 320 NGOs operieren in Griechenland im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise. Die Regierung setzt nun 40 Fahnder der Steuerfahndung, der Kriminalpolizei und der Transparenzbehörde auf sie an. Gleichzeitig jedoch wurde im neuen Asylrecht ein Passus eingebaut, welcher dem Immigrationsministerium einen geheimen Etat zubilligt. (…) Ab dem 31. Mai könnten sich in Griechenland Zustände wie 2015 wiederholen. Die Regierung setzt nämlich rund 11.000 Asylanten auf buchstäblich auf die Straße. Sie sollen dann Wege finden, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, meint das zuständige Ministerium. Wie das bei immer noch geltenden Kontaktbeschränkungen wegen der Corona-Panemie und mitten in der Corona-bedingten Wirtschaftskrise geschehen soll, erklärt das Ministerium nicht. Zudem können viele der anerkannten Asylanten kein Griechisch. Es dürfte damit vorprogrammiert sein, dass sie sich auf den Weg in den europäischen Norden machen werden…“ Beitrag von Wassilis Aswestopoulos vom 29. Mai 2020 bei Telepolis externer Link
    • Geflüchtete »verschwinden« – Griechische Regierung befördert rechte Hetze und illegale Push-Backs. Athen kann während Pandemie ungestraft handeln
      „Die rechte Regierung Griechenlands benutzt offenbar die Coronapandemie, um Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten des Nahen und Mittleren Ostens heimlich und systematisch aus dem Land schaffen zu lassen. Internationale Hilfsorganisationen wie der norwegische Aegean Boat Report (ABR) wiesen jüngst darauf hin, dass die Zahl der vor allem aus der Türkei ankommenden Menschen seit dem Ausbruch der Seuche fast auf null zurückgegangen sei. Linke Aktivisten auf der griechischen Insel Samos erklärten diese Entwicklung am Donnerstag gegenüber jW mit der illegalen, mutmaßlich gewaltsamen Rückführung – im internationalen Jargon »Push-Backs« genannt – von Flüchtlingen, die in den vergangenen Wochen in Schlauchbooten auf den Inseln der nördlichen Ägäis angekommen waren. Das Border Violence Monitoring Network (BVMN), eine internationale Allianz unabhängiger NGO, listet in seinem jüngsten Monatsbericht mehr als »200 geheime Ausweisungen« seit März. Das BVMN, das sich auf Berichte über Polizeigewalt an den Grenzen der EU spezialisiert hat, beruft sich nach eigenen Angaben auf Zeugenaussagen von Flüchtlingen, aber auch von Einheimischen und Journalisten. Wie jW von Aktivisten (Namen der Redaktion bekannt) in Karlovasi auf Samos erfuhr, »verschwinden« immer häufiger ankommende Flüchtlinge, die bereits EU-Boden betreten hatten und im Besitz gültiger Papiere waren. Auch die französisch-griechische Journalistin Maria Malagardis berichtete jW jüngst von mindestens 40 Menschen, die am 28. April in einem armseligen Boot auf Samos gestrandet waren. Von ihnen fehle inzwischen jede Spur. »Offiziell gab es keine Ankunft an diesem Tag, die Verantwortlichen der Insel behaupten, dass es keine Schiffbrüchigen gab«, schrieb Malagardis danach in einem Artikel für die Pariser Tageszeitung Libération. Mit hoher Wahrscheinlichkeit seien die Familien mit Kindern von Einsatzkräften zurück aufs offene Meer geschleppt worden…“ Artikel von Hansgeorg Hermann in der jungen Welt vom 29. Mai 2020 externer Link
  • Mitsotakis macht dicht: Das griechische Parlament hat in der Pandemie eine Verschärfung des Asylrechts beschlossen. Nichtregierungsorganisationen befürchten die unzulässige Inhaftierung von Asylsuchenden 
    „… Am 9. Mai ließ Regierung unter Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, der auch Parteivorsitzender der konservativen Nea Dimokratia ist, eine Änderung des Asylrechts beschließen. Es ist die zweite Asylrechtsverschärfung seit Mitsotakis’ Amtsantritt im Juli 2019. (…) Unter den neuen Bestimmungen für Asylsuchende ist es die Regel, ankommende Asylsuchende in geschlossenen Lagern unterzubringen, die Haftanstalten ähneln. Am 14. Mai beurteilte der Europäische Gerichtshof den mehr als einjährigen Aufenthalt von vier Personen in denn sogenannten Transitzonen in Ungarn, nahe der Grenze zu Serbien, als unzulässige Inhaftierung, da die Asylsuchenden die Transitzone »rechtmäßig in keine Richtung verlassen« könnten. Die griechischen Transitzonen haben einen anderen Namen als ihr ungarisches Vorbild, sie werden auf den Inseln nahe der Grenze zur Türkei errichtet. Der Europarat und das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen äußerten Bedenken gegen die Lager. (…) Die Einzelfallprüfung wird durch eine Pauschalregel ersetzt. Künftig können Anträge allein wegen der Staatsangehörigkeit des Antragstellers abgelehnt werden. Für die Ablehnung reicht es aus, wenn im Herkunftsland kein offizieller Kriegszustand herrscht. Antragsteller, die im Herkunftsland als Angehörige einer unterdrückten religiösen Minderheit oder wegen ihrer politischen Überzeugung oder sexuellen Orientierung verfolgt werden, bleiben so außen vor. (…) Ein abgelehnter Asylantrag gilt als zugestellt, wenn 48 Stunden seit der Versendung der Ablehnung per E-Mail vergangen sind. Ob dem Empfänger im Flüchtlingslager ein ständiger Internetzugang zur Verfügung steht, ist unerheblich. Eine postalische Zustellung der Ablehnung ist nicht vorgeschrieben. (…) Der Parlamentsabgeordnete und ehemalige Journalist Konstantinos Bogdanos von der Nea Dimokratia brüstete sich kürzlich damit, dass die Regierung Asylsuchende illegal zurück in die Türkei bringe: Bei sogenannten Push-Backs werden an der Grenze aufgegriffene Asylsuchende sofort wieder zurückgeschickt, ohne die Chance zu erhalten, einen Asylantrag zu stellen…“ Beitrag von Wassilis Aswestopoulos in der jungle world 2020/21 vom 20. Mai 2020 externer Link
  • Beweise für weiteren Mord durch griechische Grenzer / Europaparlamentarier fordern EU-Untersuchung der Schüsse auf Migranten 
    • Europaparlamentarier fordern EU-Untersuchung der Schüsse auf Migranten
      Recherchen des SPIEGEL legen nahe, dass griechische Soldaten im März an der türkischen Grenze einen Migranten erschossen haben. Nun fordern Politikerinnen und Menschenrechtler Konsequenzen. Mehr als 100 Abgeordnete des Europäischen Parlaments fordern in einem Brief an die EU-Kommission eine Untersuchung der tödlichen Schüsse an der türkisch-griechischen Grenze externer Link. „Wir erwarten, dass die Kommission ihrer Verantwortung gerecht wird und eine gründliche Untersuchung einleitet“, heißt es in dem Schreiben, das dem SPIEGEL vorliegt. Würden die griechische Regierung und die Kommission auf den Bericht nicht reagieren, bedeutete dies eine „Straflosigkeit, die in einer Union, die sich auf die Achtung der Rechtsstaatlichkeit gründet, nicht toleriert werden kann.“ Der SPIEGEL hatte in einer gemeinsamen Recherche mit den Teams von Forensic Architecture, Bellingcat und Lighthouse Reports den Tod des pakistanischen Migranten Muhammad Gulzar rekonstruiert externer Link. Die Rechercheurinnen und Rechercheure konnten Gulzars Autopsiebericht einsehen, sprachen mit Augenzeugen und analysierten rund acht Stunden Videomaterial. Die Rekonstruktion des 4. März weist detailliert nach, dass mit scharfer Munition geschossen wurde, höchstwahrscheinlich von griechischen Grenzern. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde Gulzar von der Kugel eines griechischen Soldaten getroffen. Sechs weitere Migranten wurden an dem Tag am Grenzzaun innerhalb von 37 Minuten verwundet…“ Artikel von Giorgos Christides, Steffen Lüdke und Maximilian Popp vom 12.05.2020 beim Spiegel online externer Link
    • Siehe auch den Kommentar von Maximilian Popp am 11.05.2020 beim Spiegel online externer Link: Der verrohte Kontinent.Griechische Grenzschützer haben aller Wahrscheinlichkeit nach einen Migranten erschossen. Die Europäer haben sich ihre Empathie mit Geflüchteten so sehr abtrainiert, dass sich daran kaum jemand stört…“
    • Beweise für weiteren Mord durch griechische Grenzer
      „Verschiedene Quellen haben bewiesen, dass Anfang März mehrere Menschen an der Grenze zur Türkei von griechischen Grenzern erschossen wurden (wir berichteten darüber). Der Spiegel veröffentlichte am 8.5.2020 einen Artikelexterner Link über den Mord an dem Pakistani Muhammed Gulzar. Der Artikel beruht auf den Recherchen von Forensic Architecture.“
      Meldung vom 8. Mai 2020 bei der Griechenlandsolidarität externer Link mit Links zu den Recherchen von Amnesty International am 4. April und von Forensic Architecture vom 5. Mai 2020 (beides in Englisch).
    • Siehe dazu auch die Meldung „Amnesty International: Zwei Männer sicher und eine Frau sehr wahrscheinlich Anfang März von griechischen Grenzern erschossen“ vom 4. April 2020 der Griechenlandsolidarität externer Link
  • Aussetzung des Asylrechts durch Griechenland war illegal / Amnesty International: Zwei Männer sicher und eine Frau sehr wahrscheinlich Anfang März von griechischen Grenzern erschossen …
    • Gutachten von Völkerrechtlern: Aussetzung des Asylrechts durch Griechenland war illegal
      Im März 2020 setzte die griechische Regierung das Asylrecht außer Kraft. In einem Gutachten kritisieren deutsche Juristen Athen nun scharf: Es gebe keine rechtliche Grundlage für das Vorgehen…“ Artikel von Steffen Lüdke vom 05.04.2020 beim Spiegel online externer Link
    • Griechenlands Kampf gegen Corona – Änderungen in der Flüchtlingspolitik
      „… Die Covid-19-Krise hat hinsichtlich der Flüchtlings- und Immigrationspolitik zu einigen Änderungen geführt. Immigrationsminister Notis Mitarakis setzte die Auszahlung der vom UNHCR an Asylbewerber gezahlten Hilfsgelder bis auf weiteres aus. Sie sollen erst dann wieder gezahlt werden, wenn die Banken in den Lagern Geldautomaten aufstellen. Auf der anderen Seite verkündete das Ministerium über Facebook, dass sämtliche im Land befindlichen Asylbewerber nun wieder Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem bekommen. Die Abschaffung dieses Zugangs gehörte zu den ersten Gesetzen, welche die Regierung von Kyriakos Mitsotakis erließ. Darüber hinaus ist im Gespräch, dass die ab dem 1. März geltende Aussetzung des Asylrechts wahrscheinlich wieder zurückgenommen wird.“ Artikel von Wassilis Aswestopoulos vom 04. April 2020 bei telepolis externer Link
    • Amnesty International: Zwei Männer sicher und eine Frau sehr wahrscheinlich Anfang März von griechischen Grenzern erschossen
      In einem am Freitag veröffentlichten Bericht von Amnesty International hat die Menschenrechtsorganisation den Tod von mindestens zwei Migranten an der griechisch-türkischen Grenze Anfang März bestätigt. Zudem dokumentierte die Organisation weitere schwere Menschenrechtsverletzungen, forderte sofortiges Handeln der EU und warnte in Anbetracht der Corona-Krise vor einer weiteren Zuspitzung der Lage. Der Bericht dokumentiert die Ereignisse an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei zwischen dem 27. Februar und dem 27. März sowie die Situation auf den griechischen Inseln zwischen dem 27. Februar und dem 23. März. Amnesty International sprach mit 21 Männern und 13 Frauen sowie mit Menschenrechtsverteidigern, humanitären Organisationen und Einheimischen…“ Agenturmeldung  vom 03. April 2020 bei den Salzburger Nachrichten online externer Link
    • Kriegsschiff voller Flüchtlinge: Von Lesbos nach Malakasa – und jetzt nach Straßburg!
      Mit einem Militärschiff wurden Mitte März in Griechenland Schutzsuchende abtransportiert. Diesen Menschen wird seit einem Monat das Recht auf Asyl, die Menschenwürde und die Freiheit vorenthalten. PRO ASYL/RSA klagt mit 20 Betroffenen durch alle Instanzen. Der Fall zweier Minderjähriger ist nun beim Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg anhängig…“ Pro Asyl-Meldung vom 02.04.2020 externer Link
  • „Menschenrechtlicher Dammbruch“ – Griechenland und Malta weisen Flüchtlinge ohne Asylverfahren zurück / Steinmeier hat Verständnis für Maßnahmen an griechischer Grenze
    • Steinmeier hat Verständnis für Maßnahmen an griechischer Grenze
      Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Verständnis für die Zurückweisung von Migranten an der griechisch-türkischen Grenze geäußert. Die Lage dort wie in den griechischen Flüchtlingsunterkünften sei „dramatisch“, sagte Steinmeier dem Nachrichtenportal „t-onlineexterner Link. Man könne aber „nicht auf den Schutz der EU-Außengrenzen, auch den Schutz vor unkontrollierten Grenzübertritten, verzichten“, erklärte Steinmeier im Hinblick auf den Einsatz von Stacheldraht und Tränengas an der Grenze…“ Migazin-Meldung vom 17.03.2020 externer Link (im Abo)
    • „Menschenrechtlicher Dammbruch“ – Griechenland und Malta weisen Flüchtlinge ohne Asylverfahren zurück
      „… Die griechischen Behörden wollen auf Lesbos festgehaltene Migranten zurück in die Türkei abschieben. Wie die „Welt am Sonntag“ berichtet, geht dies aus einem der Zeitung vorliegenden Dokument hervor, das den Menschen im Hafen von Mytilini ausgehändigt wurde. Darin wird ihnen von der Polizeidirektion Lesbos mitgeteilt, dass sie auf einer Liste von „unerwünschten Migranten“ stünden und daher abgeschoben werden würden. „Pro Asyl“ wirft Griechenland vor, im Umgang mit Flüchtlingen den Rechtsstaat außer Kraft zu setzen. Dem Schreiben zufolge haben die Personen sechs Monate Zeit, bei der Identitätsfeststellung mitzuwirken; solange sollen sie inhaftiert bleiben. Sofern sie nicht kooperieren, würden sie ein weiteres halbes Jahr in Haft bleiben. Auf Anfrage der „Welt am Sonntag“ bestätigte Manos Logothetis, Sekretär für die Ernstaufnahme von Migranten im griechischen Innenministerium, die Echtheit des Schreibens. Die Frage, ob die Türkei die Menschen wieder zurücknehme, beantwortete er nicht. Seinen Angaben zufolge würden zunächst die etwa 500 im Hafen von Mytilini festgehaltenen Migranten in ein geschlossenes Lager auf dem Festland gebracht. Auch die rund 1.000 Menschen, die auf anderen Inseln in der Ostägäis festsitzen, sollen dorthin verlegt werden. (…) Die Flüchtlingshilfeorgansiation „Pro Asyl“ kritisierte am Samstag das „skandalöse Schweigen der EU-Innenminister zum Rechtsbruch in Griechenland“. Auf der Insel Lesbos würden seit Tagen 500 Flüchtlinge auf einem Kriegsschiff unter unmenschlichen und erniedrigenden Bedingungen festgehalten, denen der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt werde. Unter ihnen seien viele Familien mit kleinen Kindern. Ihnen drohe nun die Zurückschiebung in die Türkei. Das Schweigen der EU sei ein „menschenrechtlicher Dammbruch“, sagte „Pro Asyl“-Geschäftsführer Günter Burkhardt…“ Meldung vom 16. März 2020 bei MiGAZIN externer Link
  • Griechische Polizisten protestieren gegen unmenschliche Behandlung von Schutzsuchenden auf den griechischen Grenzinseln / Griechenland setzt Ventilatoren gegen Flüchtende ein
    • Griechische Polizisten protestieren gegen unmenschliche Behandlung von Schutzsuchenden auf den griechischen Grenzinseln
      Mitglieder der griechischen Gewerkschaft der Polizei von den Inseln Lesbos, Chios, Samos,  des Nord- und Süddodekanes protestieren auch aus Gründen der öffentlichen Gesundheitsgefährdung in aller Eindringlichkeit gegen die unmenschlichen Behandlung von Schutzsuchenden. Seit dem 1. März 2020 gilt, dass Flüchtlinge keine Asylanträge mehr stellen dürfen, sondern umgehend zurückgebracht werden sollen. Deshalb kommen Neuankömmlinge auf den Inseln seit dem 1. März nicht in die – bereits vielfach überfüllten – lokalen Hotspots sondern  in geschlossene Bereiche im Hafenbereich. (Lesbos, Militärschiff) Am 13. März protestiert sogar die griechische Gewerkschaft der Polizei in einem offenen Brief gegen die inakzeptable Lage, die dadurch auf den Inseln der Nordägäis entsteht. Ausgerechnet Polizisten von Lesbos, Chios, Samos beschweren sich bei ihren Vorgesetzten über „die für die Menschenrechte und die öffentliche Gesundheit inakzeptable Situation auf unseren Inseln.“ Erstmals wird dadurch der zahlenmäßige Umfang der menschenrechtswidrigen Behandlung öffentlich…“ Pressemitteilung vom 14.03.2020 von und bei Pro Asyl externer Link samt der Übersetzung des Protestschreiben
    • Griechenland setzt Ventilatoren gegen Flüchtende ein
      „… Die griechische Grenzpolizei hat an der Grenze zur Türkei in Kastanies erstmals große Ventilatoren eingesetzt. Es war erneut zu Zusammenstößen gekommen. Beim Versuch, den Grenzzaun zu überwinden, zündeten einige Flüchtende Brandsätze und warfen mit Steinen. Die griechische Polizei blies mit den Ventilatoren Tränengas und die Rauchschwaden der Feuer auf die türkische Seite in Richtung der Flüchtenden. Nach Angaben aus Militärkreisen handelt es sich um Hochdruckgeräte, die üblicherweise in Windkanälen für Fallschirmspringer eingesetzt werden. Sie wurden für ihren Einsatz auf Jeeps montiert. Neben den Ventilatoren und dem Tränengas setzte die griechische Polizei auch Wasserwerfer ein. Zunächst war es zwischen Sicherheitsbeamten auf griechischer und auf türkischer Seite zum Einsatz von Tränengas gekommen. Ein Reporter der Nachrichtenagentur Reuters berichtete, am abgeriegelten Grenzübergang Kastanies seien Tränen- und Rauchgasgranaten von türkischer Seite in Richtung der griechischen Polizei geschossen worden. Diese habe zum Teil ebenfalls Tränengas eingesetzt…“ Meldung vom 13. März 2020 bei Zeit online externer Link (mit kurzem Video)
    • EU-Außengrenze: Missachtet Griechenland Migranten-Rechte?
      „Vier Jahre Haft wegen illegaler Einreise – in Griechenland werden Flüchtlinge in Schnellverfahren ohne Verteidiger abgeurteilt, wie Recherchen des Magazins Monitor vor Ort ergaben. Das UNHCR kritisiert das Vorgehen deutlich. (…) Es ist in großes Areal mit vielen weißen Containern, umzäunt von Stacheldraht. Journalisten erhalten keinen Zutritt. Vor dem Tor berichtet Margaritis Petritzikis vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, dass viele Flüchtlinge in juristischen Schnellverfahren zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden: „Das ist eine neue Praxis und wir sind sehr besorgt, weil Familien getrennt werden, indem zum Beispiel ein Familienvater zu drei Jahren Haft verurteilt und in ein Gefängnis gebracht wird, während Mutter und Kinder in ein Flüchtlingslager gebracht werden“, so Petritzikis. Genaue Fallzahlen dazu habe er nicht, sagt Petrizikis. Doch er schätzt, dass mittlerweile mehr als 50 Personen in solchen Schnellverfahren verurteilt worden sind – mit Haftstrafen bis zu vier Jahren allein wegen illegaler Einreise. Das Auseinanderreißen von Familien, die hohen Haftstrafen in juristischen Schnellverfahren – für den Vertreter des UNHCR ist das eine besorgniserregende Entwicklung. „Es ist beunruhigend. Wir als UNHCR ermahnen die Mitgliedstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention, dass sie Asylsuchende und Flüchtlinge nicht wegen eines irregulären Grenzübertritts strafrechtlich verfolgen dürfen.“ (…) Aber nicht nur die hohen Strafen, auch die schnellen Prozesse selbst haben mit rechtsstaatlichen Strafverfahren nach europäischen Standards wenig gemein. In Thessaloniki berichtet Rechtsanwalt Dimitris Koros vom griechischen Flüchtlingsrat GCR, dass er erst nach den ersten Schnellverurteilungen der Flüchtlinge von diesen Vorgängen erfahren hat. Neben Haftstrafen von vier Jahren seien Geldstrafen von bis zu 10.000 Euro verhängt worden. Jetzt versuche Koros gemeinsam mit seinen Kolleginnen, einige der Flüchtlinge aus den Gefängnissen herauszuholen. Vor Gericht hätten diese Menschen keinerlei Rechtsbeistand gehabt. So etwas habe er bisher nicht erlebt: „Es wirkt, als ob das Gericht seine Rolle jetzt darin sieht, mit die Grenzen zu schützen. Den Flüchtlingen werden ihre Rechte weder erklärt noch gewährt. Keiner von ihnen hatte während des Gerichtsverfahrens einen Anwalt. Das einzige, was ihnen begegnet: Polizei, Strafverfolger, Gefängnis.“ Griechenland verstoße damit massiv gegen Menschenrechte und gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Sogar Minderjährige landeten mittlerweile vor Gericht, berichten griechische Anwälte. Ein angeklagtes, afghanisches Mädchen sei erst zwölf Jahre alt. (…) EU-Kommission und Bundesregierung befürworten dennoch den griechischen Kurs. Frontex und die Bundespolizei sollen nun verstärkt die griechische Grenzpolizei unterstützen. Doch mit den Internierungen, der Aussetzung des Asylrechts und den Schnellverfahren missachte Griechenland systematisch Menschenrechte und verstoße gegen EU-Recht, kritisiert Jürgen Bast, Professor für Europarecht an der Universität Gießen: „Die Europäische Kommission stellt sich hinter Griechenland, zeigt Solidarität und nimmt sehenden Auges in Kauf, dass das EU-Recht hier nicht beachtet wird.“ Bericht von Naima El Moussaoui und Lara Straatmann bei tagesschau.de vom 12. März 2020 externer Link. Siehe hierzu den Bericht „Brutale Gewalt: Europas Rechtsbruch an der Außengrenze“ von Naima El Moussaoui, Lara Straatmann, Baysal Marti und Ralph Hötte vom 12. März 2020 externer Link (Videolänge: ca. 10 Min.)
  • Rechtsbruch ohne Folgen: EU lehnt Untersuchung gegen Griechenland ab
    „An den EU-Grenzen in Griechenland melden Menschenrechtler massive Rechtsbrüche. Berichte von geheimen Flüchtlingslagern wiegen schwer. Die EU hat Griechenland zur Einhaltung von Menschenrechten angemahnt. Rechtsbrüche will sie aber nicht untersuchen. (…) Derzeit sei man „in engem Kontakt“ mit den griechischen Behörden, sagte ein Sprecher am Mittwoch bei einer Pressekonferenz auf wiederholte Fragen, ob Brüssel angesichts der Lage der Migranten an der Grenze nicht stärker durchgreifen müsse. Vorwürfe wegen Rechtsverletzungen müssten die nationalen Behörden in individuellen Fällen selbst klären, machte der Sprecher deutlich. Ein anderer Sprecher ergänzte, dass wenn die aktuellen Kontakte zu nichts führten, „später andere Schritte gemacht werden können“. Die EU-Kommission hat, um das europäische Recht durchzusetzen, eine Reihe von Möglichkeiten bis hin zur Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. (…) Am Dienstag berichtete die „New York Times“ von einem geheimen griechischen Lager nahe der Grenze, wo Menschen ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten und von wo sie ohne Verfahren in die Türkei abgeschoben würden. Die Vorwürfe wiegen hart. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen zeigte sich bei einem Besuch an der Grenze vergangene Woche mit den Griechen solidarisch. Am Donnerstag werden sie und Innenkommissarin Ylva Johansson zu einem weiteren Besuch in Griechenland erwartet…“ Meldung vom 12. März 2020 bei MiGAZIN externer Link
  • 500 Geflüchtete harren auf Kriegsschiff aus – ohne Hoffnung auf Asyl / Ab Mitte März: Griechenland will Flüchtlingen finanzielle Unterstützung streichen
    • Griechenland: 500 Geflüchtete harren auf Kriegsschiff aus – ohne Hoffnung auf Asyl
      Seit Tagen hält die griechische Polizei mehr als 500 Geflüchtete auf einem Schiff fest, wie Aufnahmen zeigen. Sie befürchten, in die Krisenregionen zurückgeschickt zu werden, aus denen sie geflohen sind.“ Video-Reportage von Lesbos von Giorgos Christides, Katrin Kuntz und Martin Jäschke vom 10.03.2020 beim Spiegel online externer Link, siehe auch:
    • Ab Mitte März: Griechenland will Flüchtlingen finanzielle Unterstützung streichen
      „… In Griechenland soll ab Mitte März die finanzielle Unterstützung für Flüchtlinge gekappt werden. „Unser Ziel ist es, Berechtigten innerhalb von zwei bis drei Monaten Asyl zu gewähren und anschließend die Leistungen und die Unterbringung zu streichen, weil all diese Maßnahmen dazu beigetragen haben, dass die Menschen ins Land kommen und diese Leistungen ausnutzen“, sagte der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis am Samstag dem griechischen Fernsehsender Skai. Griechenland werde diese Vorteile beschneiden. „Wer Asyl erhält, ist anschließend selbst für sich verantwortlich“, sagte Mitarakis. Es gebe Integrations- und Unterstützungsprogramme, aber darüber hinaus könne man nichts finanzieren. Bisher dauerte es wegen Personalmangels allerdings rund sieben Monate, bis ein Asylverfahren in erster Instanz abgeschlossen wurde – mitunter auch ein Jahr und länger. Weiter schloss Mitarakis den Bau geschlossener Lager auf unbewohnten griechischen Inseln nicht aus, schränkte aber ein, dass eine solche Lösung nicht leicht umzusetzen wäre. Nach seinen Worten sollen zunächst zwei geschlossene Zentren auf dem Festland errichtet werden, eines in Attika, der Region rund um Athen, und eines in der nordgriechischen Region Serres. Die 2000 Plätze, die dadurch entstünden, sollen die Krise auf den Inseln lindern. Pläne der griechischen Regierung, geschlossene Lager auf Flüchtlingsinseln wie Lesbos und Chios zu errichten, waren auf erbitterten Widerstand der Inselbewohner gestoßen. Auch auf dem Festland wehren sich Anwohner, in deren Nähe solche Zentren entstehen sollen…“ Meldung vom 7. März 2020 beim Spiegel online externer Link
  • Warum die Regierung in Athen voll auf eine rechtsextreme, nationalistische und flüchtlingsfeindliche Politik setzt 
    „„Die gegenwärtige Situation stellt eine aktive, ernste, außergewöhnliche und asymmetrische Bedrohung für die nationale Sicherheit des Landes dar“, sagte der griechische Regierungssprecher Stelios Petsas am 1. März, im Anschluss an die Sitzung des Nationalen Rates für Auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung vom 1. März. Vom griechischen Entwicklungsminister Adonis Georgiadis stammt der Satz „Sie sind keine Flüchtlinge, sondern Invasoren.“ (…) Auf das Vorgehen Ankaras reagiert Athen mit einer rechtsextrem, nationalistisch und flüchtlingsfeindlich konnotierten Politik. Die seit Juli 2019 amtierende konservative Regierung von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hat eine Atmosphäre der nationalen Krise, ja der moralischen Panik geschaffen. Sie behandelt Geflüchtete und Einwanderer als „asymmetrische Bedrohung“, als „Eindringlinge“. Mitsotakis sprach von der „illegalen Invasion Tausender Menschen“, von deren „Flutschen in unser Staatsgebiet“. Der Ministerpräsident verkündete: „Es ist meine Pflicht, die Integrität und Souveränität meines Landes zu schützen, und das werde ich tun.“ Tausende von Polizisten wurden an die Grenze verlegt. Die Regierung mobilisierte auch die Nationalgarde sowie Anwohner mit Jagdwaffen. Der Befehl lautet, in die Luft zu schießen – die Türkei spricht von Flüchtlingsmorden. Die Annahme von Asylanträgen wurde für einen Monat ausgesetzt. „Push backs“, also das Zurückdrängen von Flüchtlingen und Einwanderern in die Türkei, ohne sie sich registrieren oder Asylanträge stellen zu lassen, ist offizielle Parole. Zudem demonstriert die Regierung eine provokante Toleranz für Angriffe faschistischer Banden auf NGO-Mitglieder, Immigranten und Journalisten auf den Inseln und am Evros. Die Politik der Regierung ruht auf zwei Säulen: Der Viktor-Orbán-Agenda in der Einwanderungspolitik und der traditionell nationalistischen Rhetorik gegenüber der Türkei. (…) Vorerst ist die Regierung in diesem Spiel in der Vorhand. Eine gesellschaftliche Mehrheit scheint ihre Politik zu unterstützen. Schlimmer noch, Rassismus und Faschismus treten bei vielen offen zutage. (…) Progressive Bürger, die dieser Regierungspolitik entgegentreten, kämpfen für das Selbstverständliche: Unbewaffnete Geflüchtete und Einwanderer sind keine Bedrohung für die nationale Sicherheit. Ein unveräußerliches Menschenrecht wie das auf Asyl kann nicht abgeschafft werden. Es darf nicht sein, dass gegen diejenigen, die die Grenze überqueren, militärische Gewalt angewendet wird oder dass sie zu vier Jahren Gefängnis ohne Bewährung verurteilt werden. Vor allem aber ist dieser Kampf gegen die Entrechtung von Flüchtlingen und Migranten gerichtet. Das Schrecklichste, was derzeit in Griechenland geschieht, ist, dass ein bedeutender Teil der Gesellschaft aufgehört hat, sie als Menschen zu betrachten, die Rechte haben und Respekt verdienen…“ Artikel von Yannis Almpanis vom 05.03.2020 bei Freitag online externer Link (Yannis Almpanis ist ein Reporter für CNN Griechenland. In der ersten, 2015 gewählten Regierung Tsipras war er Kommunikationsberater des Premierministers). Siehe zum Hintergrund:

    • Die griechische Rechtsregierung betreibt ihren menschenfeindlichen Kurs gegen Flüchtlinge mit faschistischem Mob und EU-Unterstützung – und stößt auf Widerstand der griechischen Bevölkerung
      „… Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, im Juli 2019 als liberaler Politiker zur Wahl angetreten, hat sich in nur sieben Monaten Amtszeit zu einem Parteigänger Viktor Orbáns und Matteo Salvinis gewandelt. Gegen den Populismus und für eine sach­orientierte Politik wollte er einstehen und einen funktionierenden, schlanken Beamtenstaat errichten. Zehntausende gutbezahlte Arbeitsplätze würden geschaffen, so versprach er – und scheiterte auf ganzer Linie. Zudem wollte er die bereits bei seinem Amtsantritt überfüllten Flüchtlingslager auf Lesbos, Samos und Chios entlasten – und versagte auch hier. Bislang entlud sich die Frustration der Regierung in Polizeiaktionen im Athener Viertel Exarchia und Polizeigewalt gegen Studenten und oftmals auch Passanten. Öffentliche Empörung über die Polizeigewalt blieb weitgehend aus, die Mehrheit sah in Mitsotakis’ »hartem Durchgreifen« die »Rückkehr zur Normalität«. Die meisten Medien applaudierten der Regierung. Mitsotakis reformierte die Sozialversicherung, er führte Renten »nur für Griechen« ein. Er strich Asylbewerbern die Gesundheitsversorgung, so dass Krebskranke unbehandelt bleiben und ein Säugling mit Wasserkopf nicht operiert werden kann. Erneut gab es keinen großen Protest. So in seinem Kurs bestätigt, bewegt sich Mitsotakis immer weiter nach rechts und gleicht sich den bekannten Vorbildern der neuen und extremen Rechten an…“ aus dem Artikel „Die Orbánisierung des Kyriakos M.“ von Wassilis Aswestopoulos am 05. März 2020 in der jungle world externer Link (Ausgabe 10/2020). Siehe dazu drei weitere Beiträge zur reaktionären Front gegen Flüchtlinge (nicht nur) in Griechenland sowie fünf Beiträge, die Aspekte des Widerstandes gegen diesen Kurs (ebenfalls nicht nur) in Griechenland deutlich machen
  • Die Herrschaft des Rechts an der EU-Außengrenze? 
    „… Diejenigen Menschen, die die Grenze trotz der vehementen Abschottung passieren, werden von den griechischen Behörden inhaftiert. Am vergangenen Sonntag schließlich setzte die griechische Regierung das Asylrecht aus und will keine Asylanträge mehr annehmen. Die Regierungen der anderen europäischen Länder unterstützen die griechische Regierung in ihrem Vorgehen, die europäische Grenzschutzagentur Frontex hat zusätzliches Personal in die Region entsandt, um die Behörden vor Ort bei der Grenzsicherung zu unterstützen. Herrscht an der griechisch-türkischen Grenze ein rechtlicher Ausnahmezustand, der Menschenrechte und rechtsstaatliche Gewährleistungen außer Kraft setzen kann? Die Antwort ist klar: Nein. Die Zustände an der griechisch-türkische Grenze und auf den Inseln in der nordöstlichen Ägäis sind keine humanitäre Katastrophe, die vom Himmel gefallen ist. Gewalt, pushbacks, Internierungen und elende Zustände in völlig überfüllten Lagern sind menschen- und staatsgemachte Verletzungen fundamentaler Rechte, die durch nichts gerechtfertigt sind. Die Aussetzung des Asylrechts durch die griechische Regierung bedeutet konkret, dass eingereiste Personen von der Grenze aus ohne eine Registrierung direkt in die Türkei abgeschoben werden sollen. Laut der Begründung im griechischen Gesetzesblatt wird diese zunächst für einen Monat befristete Maßnahme mit „besonderen und unvorhergesehenen Ereignissen“ gerechtfertigt, die die Sicherheit des Landes gefährdeten. Das ist schon rein zahlenmäßig eine Dramatisierung, als dass sich nachSchätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerks derzeit gerade einmal 13.000 Menschen im Grenzgebiet befinden. Vor allem ist eine Aussetzung rechtlich nicht zulässig: Sowohl die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) in Art. 33 als auch die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) in Art. 3 formulieren nach einhelliger und unumstrittener Lesart ein Zurückweisungsverbot, soweit eine politische Verfolgung oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen. (…) Auch kann die Aussetzung des Asylverfahrens auch nicht unter Verweis auf die Türkei als sicherem Drittstaat erfolgen: Die Türkei ist, wie es die Art. 38 und 39 der Asylverfahrensrichtlinie vorsehen, zum einen weder im nationalen Recht noch auf europäischer Ebene als sicherer Drittstaat kategorisiert. Dies wäre zum anderen auch rechtlich nicht möglich, da die GFK in der Türkei für Flüchtlinge aus außereuropäischen Staat rein rechtlich nicht gilt, und außerdem tatsächlich Schutzsuchende in der Türkei kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht und keine Rechte haben, die den Vorgaben der GFK entsprechen, sowie nachweislich Kettenabschiebungen unter anderem nach Syrien und Afghanistan stattfinden…“ Artikel von Matthias Lehnert vom 4.3.2020 beim Verfassungsblog externer Link
  • Griechenland setzt vorläufig [und rechtswidrig] Asylrecht aus / [Petition] Humanitäre Krise in Griechenland: Deutschland & Europa müssen Flüchtlingen Schutz bieten
    An der türkisch-griechischen Grenze trägt sich eine humanitäre Katastrophe zu: Nachdem der türkische Präsident Erdoğan die Grenze zu Griechenland geöffnet hat, haben sich tausende Flüchtlinge auf den Weg gemacht, um in der EU einen Antrag auf Asyl zu stellen. In Griechenland wendet die Polizei Gewalt an, damit die Menschen nicht ins Land kommen. Die griechische Regierung deklariert die Abschreckung zur Verteidigung der EU-Außengrenze. Gleichzeitig hat Griechenland angekündigt, das Asylrecht auszusetzen. Seit Monaten harren mehr als 40.000 Menschen in völlig überfüllten Lagern auf den griechischen Inseln aus. Diese Situation auf den Inseln ist nicht länger tragbar. Journalisten und Hilfsorganisationen werden von rechten Gruppen bedroht und die Behörden schützen sie nicht. Nur durch eine schnelle Antwort von EU-Staaten kann eine weitere Eskalation verhindert werden. Auch die Bundesregierung muss rasch handeln. Jetzt ist umso notwendiger, was schon lange hätte passieren müssen: Die Europäische Union steht in der Pflicht, Griechenland bei der Bewältigung der Lage mit allen Mitteln zu unterstützen. Humanität und Ordnung müssen nun die Leitprinzipien der EU sein. Das ist eine europäische Notlage, keine griechische. Wenn wir Griechenland jetzt alleine lassen, tragen wir zu weiterem Leid, Unsicherheit und Instabilität bei. Wir fordern daher vier Sofortmaßnahmen: 1. Die Bundesregierung sollte ein Kontingent von Geflüchteten aus Griechenland und den ägäischen Inseln aufnehmen (…) 2. Das Bundesamt für Flüchtlinge (BAMF) und die Bundesregierung dürfen nicht länger die Familienzusammenführung von Schutzsuchenden in Griechenland mit ihren Verwandten in Deutschland blockieren (…) 3. Das Asylrecht ist ein Menschenrecht. Menschen, die Schutz innerhalb der EU suchen, dürfen nicht ohne eine individuelle Prüfung ihres Asylgesuchs abgeschoben werden. (…) 4. Die Polizeigewalt gegen Flüchtlinge muss aufhören. Tränengas und Wasserwerfer verschlimmern nur die Not und lösen nichts. So darf Europa nicht mit Schutzsuchenden umgehen. Journalist*innen, Anwält*innen und NGOs müssen geschützt werden und ungehindert ihre wichtige Arbeit leisten können. Die Bundesregierung muss zusammen mit der EU darauf hinwirken, dass Grundrechte auf allen Ebenen gewahrt bleiben. Die Behörden vor Ort müssen Recht und Gesetz durchsetzen, statt die gewalttätigen Mobs auf den griechischen Inseln zu dulden…“ Petition von Sven Giegold MdEP, Erik Marquardt MdEP, Clara Anne Bünger und Ansgar Gilster bei change.org externer Link – siehe zum Hintergrund:

  • Griechenland setzt vorläufig [und rechtswidrig] Asylrecht aus
    „… Jeder, der innerhalb der Periode der Aufhebung des Asylrechts ohne gültige Reisepapiere nach Griechenland einreist, soll direkt und ohne Registrierung oder Möglichkeit zur Stellung eines Asylantrags zurück ins Heimatland abgeschoben werden. Darüber hinaus werden illegale Grenzübertritte mit von Schnellgerichten zu verhängenden Haftstrafen belegt. An der Landgrenze finden ab dieser Woche Militärmanöver mit scharfer Munition statt, was die Flüchtlinge und Immigranten, aber auch die türkische Seite abschrecken soll. Momentan sind im Niemandsland an der griechisch-türkischen Landgrenze Tausende gefangen. Sie können weder nach Griechenland einreisen, noch in die Türkei zurückkehren. Gleichzeitig fahren auf Seiten der Türkei immer mehr Sonderbusse und Züge die Ausreisewilligen an die Grenze. Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Verifizierung der Nachrichtenlage, da von Seiten beider Länder keine Journalisten mehr ins Niemandsland gelassen werden. Griechische Medien stimmen derweil die Bevölkerung auf einen Konflikt ein. Die Berichte von der Grenze titeln mit eindeutiger Wortwahl „Schlacht an der Grenze“ oder „Widerstand gegen die Invasion der Flüchtlinge“. Immer mehr Politiker der Regierungspartei Nea Dimokratia bezeichnen die Asylsuchenden und Migranten pauschal als „illegale Einwanderer“, „Invasionsarmee“, „Invasoren“ oder gar als „fünfte Kolonne Erdogans“. Es ist ein sehr polarisiertes Klima, welches auch in der Bevölkerung ein Echo findet. (…) Griechenland stehen schwere und unruhige Zeiten bevor.“ Bericht von Wassilis Aswestopoulos vom 2. März 2020 bei Telepolis externer Link, siehe dazu:

    • Griechenland hebt Asylrecht auf, „für einen Monat“ – Bewohner von Lesbos lassen Geflüchtete nicht an Land
      „Der Nationale Sicherheitsrat (Government Council for Foreign Affairs and Defense (KYSEA) entschied am 1.3.2020, Menschen, die um Asyl bitten, einen Monat lang sofort wieder abzuschieben (…) Erik Marquardt (Grüne), Mitglied im Europaparlament berichtet am 1.3.2020 auf Twitter: „Auf Lesbos blockieren Einwohner Bevölkerung jetzt Schlauchboote. NGOs und Journalisten werden bedroht. Die Küstenwache schaut zu. Ich wurde auch bedroht. Die Polizei hat meine Personalien aufgenommen, statt die der Angreifer.“ (…) Verschiedene Journalisten berichten davon, das sie bei dieser Aktion angegriffen oder verletzt wurden…“ Bericht von Georg Brzoska vom 1. März 2020 bei der Griechenlandsolidarität externer Link
    • Anm.: Illegal ist bereits die Aufhebung des Asylrechts nach Rücksprache mit Frau Merkel externer Link. Einen „Staatsnotstand“ aufgrund zu viel Asylsuchender kennt das Völkerrecht nicht nur nicht. Er ließe sich auch rechtskonform vermeiden, wenn die Betroffenen umgehend auf die Mitgliedsländer verteilt werden würden. Allein wegen der Bindung an das Völkerrecht (Art. 25 GG) kann die Bundesregierung solche Solidarität mit Griechenland auch gar nicht verweigern. Das Dublin-Abkommen steht rechtlich nicht höher als das Grundrecht auf Asyl und im Sinne von Art.16a GG ist Griechenland nun wahrlich kein sicherer Staat mehr. Ein Scheitern der bisherigen Asylpolitik war nicht zwangsläufig und die Flüchtlinge zum Objekt kriegerischer Auseinandersetzung zu machen widerspricht auch noch dem IV. Genfer Abkommen zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten. Was hier aktuell abläuft, ist nichts anderes, als ein (verbotener) Krieg gegen die Opfer eines Krieges.
  • Minderjährige Flüchtlinge in Griechenland: Warum Frontex und die Polizei aus Kindern Erwachsene machen 
    Mehr als 7.500 Flüchtlinge hausen derzeit auf Samos unter katastrophalen Bedingungen – unter ihnen zahlreiche Minderjährige. Doch viele mutmaßlich Minderjährige berichten, dass sie bei ihrer Ankunft einfach als Erwachsene registriert wurden. Es gibt nicht viel Schutz für Minderjährige auf Samos – viele schlafen in einfachen Zelten unter unmenschlichen Bedingungen. Doch immerhin haben sie in der Regel bessere Chancen, die Insel zu verlassen, zum Beispiel über Familienzusammenführung mit Verwandten im Ausland. Auf dem Papier haben sie Anspruch auf einen sicheren Schlafplatz und einen Betreuer. Doch all das entfällt, wenn sie als Erwachsene registriert sind. Und genau das berichten uns mehrere Betroffene und Nichtregierungsorganisationen. Die griechische Polizei und die EU-Grenzschutzbehörde Frontex hätten bei Ankunft einfach ein falsches Alter eingetragen und sie damit als volljährig erscheinen lassen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch spricht von einem „Muster, einem System„…“ Beitrag aus der der Sendung Report Mainz vom 25.2.2. beim SWR externer Link und die Meldung dazu ebd.: Schwere Vorwürfe gegen Frontex und griechische Polizei externer Link
  • [Pushbacks aus Griechenland in die Türkei] Illegale Abschiebungen am Evros / Bürgerwehren auf Lesbos, NGOs gelten als Sündenböcke

    • Bürgerwehren auf Lesbos, NGOs gelten als Sündenböcke. Die griechische Regierung setzt auf Abschreckung von Flüchtlingen, Konflikte auf den griechischen Grenzinseln
      Auf der Insel Lesbos wurden in der Nacht von Donnerstag auf Freitag Mitglieder einer selbst ernannten Bürgerwehr verhaftet. Den Jugendlichen und Männern im Alter von 17 bis 24 Jahren wird vom Staatsanwalt die Bildung einer kriminellen Gruppe vorgeworfen. Sie wurden mir Schlaggerät bewaffnet, Gesichtsmasken und Helmen am Ortseingang des Dorfes Moria festgenommen. Auch andere Gruppen wie diese kontrollieren auf der Insel Lesbos Passanten, Wohnungen und Geschäfte. Sie sind auf der Suche nach Flüchtlingen, Migranten und Mitarbeitern von Nichtregierungsorganisationen (NGO). Letztere gelten für zahlreiche griechische Medien, aber auch gemäß dem Narrativ der griechischen Regierung als Schleuser und Aufwiegler. Ein frisch erlassenes Gesetz der vergangenen Woche verschärft die Pflicht der Mitarbeiter von NGOs sich in einem staatlichen Register einzutragen. Regierungspolitiker jubeln, dass damit niemand der Flüchtlingshelfer mehr anonym bleiben würde. Wer nicht registriert ist und bei der Flüchtlingshilfe erwischt wird, kann, so wird angedeutet, künftig als Schleuser strafrechtlich verfolgt werden. In Medien war von einem „Big Brother“ für die NGOs die Rede, wobei dies ausdrücklich begrüßt wurde. (…) Dass zum Beispiel deutsche und niederländische Mitarbeiter einer NGO als EU-Bürger durchaus ins Land reisen, und dort für ihre Arbeitgeber tätig werden können, wird verschwiegen. Dies ist auch insofern interessant, als dass die neoliberale Politik der regierenden Nea Dimokratia freiwillige Helfer und vom Staat unabhängige Organisationen als förderlich für die Wirtschaft preist. Das Narrativ von der „Gesellschaft der Bürger“ und dem „schlanken Staat“ gilt offenbar nicht in der Flüchtlingshilfe. Dies, obwohl der griechische Staat, auch unter den vorherigen Regierungen, die Unfähigkeit, die Menschen zu erfassen und zu versorgen, mehrfach unter Beweis stellte. (…) Schließlich verkündete der frisch ernannte Minister für Migration, Notis Mitarakis, dass Mitarbeiter von NGOs hinter den jüngsten Demonstrationen der Flüchtlinge und Migranten im Lager Moria stecken würden. Weder der Minister noch die Medien können, in den meisten Fällen, konkrete Namen von für die von ihnen angeprangerten Missstände nennen. Damit werden die NGOs pauschal als Sündenbock für das Chaos der griechischen und europäischen Flüchtlings- und Migrationspolitik gebrandmarkt. (…) Gemäß der Argumentationskette der Regierung sind sämtliche Maßnahmen, die Bootsflüchtlinge retten oder deren Leben in den Lagern verbessern können, Anreize für immer wieder neue Flüchtlinge und Migranten, die aus der Türkei über das Meer anreisen. Demnach lautet die Parole nun: „maximale Abschreckung“. Tatsächlich ist die Situation auf den Inseln auch ohne Übertreibung der griechischen Medien schlimm genug…“ Artikel von Wassilis Aswestopoulos vom 09. Februar 2020 bei telepolis externer Link
    • [Pushbacks aus Griechenland in die Türkei] Illegale Abschiebungen am Evros 
      Ayse Erdogan wurde in der Türkei als Gülen-Anhängerin verfolgt. Die Lehrerin floh nach Griechenland und wollte einen Asylantrag stellen. Doch dann gelangte sie in die Hände griechischer Polizisten. (…) Im Dezember hatten der SPIEGEL und Forensic Architecture Videos externer Link ausgewertet, die zeigen, wie die illegalen Pushbacks am Evros mutmaßlich ablaufen: Maskierte Männer mit griechischem Akzent bringen Geflüchtete in motorbetriebenen Schlauchbooten auf die türkische Seite des Evros. Oft werden die Flüchtlinge vorher nach eigener Aussage misshandelt, ihre Handys unbrauchbar gemacht. Alles deutet darauf hin, dass griechische Behörden die Pushbacks systematisch durchführen. Türkische Dokumente, über die der SPIEGEL berichtete, legen nahe, dass Griechenland Zehntausende Migranten und Flüchtlinge illegal abschiebt externer Link. Die EU-Kommission forderte nach der Enthüllung eine Untersuchung der Anschuldigungen. Passiert ist bisher nichts. Nur der Ombudsmann, der unabhängig die griechischen Behörden kontrolliert, geht den Pushback-Vorwürfen nach. Die Behörde hat bereits im Juni 2017 eine Untersuchung eingeleitet. Inzwischen untersucht sie mehr als ein halbes Dutzend Fälle, darunter nun auch die vom SPIEGEL veröffentlichten Videos. Die griechischen Behörden jedoch interessieren sich nicht für die Videos. Ein Sprecher der Polizei sagte dem SPIEGEL im Januar: „Es wird keine Untersuchung geben, weil es keine Pushbacks am Evros gibt.“ Ayse Erdogans Fall zeigt, dass das mit sehr großer Wahrscheinlichkeit falsch ist. Er illustriert, wie griechische Grenzer mutmaßlich selbst türkische Asylbewerber ohne Asylverfahren abschieben, obwohl diese in ihrer Heimat aus politischen Gründen verfolgt werden…“ Artikel von Giorgos Christides, Steffen Lüdke und Maximilian Popp vom 08.02.2020 beim Spiegel online externer Link
  • Flüchtlinge: „Griechen verwehren schwer kranken Kindern Versorgung“ – Athen hat 55.000 Geflüchteten Zugang zu medizinischer Hilfe gestrichen – darunter sind todkranke Kleinkinder 
    „Wer in Griechenland keinen Asylbescheid hat, muss auf den Inseln in der Ägäis ausharren. Und wer keine Papiere hat – was auf viele Gestrandete auf den Inseln zutrifft – bekommt keine medizinische Versorgung: Im Sommer hat die griechische Regierung insgesamt 55.000 Menschen die medizinische Versorgung gestrichen. Das ist ein Teufelskreis – vor allem für viele kleine Kinder: „Wir sehen viele Kinder, darunter Babys, die an Krankheiten wie Diabetes, Asthma und Herzkrankheiten leiden“, sagt Hilde Vochten, medizinische Koordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Griechenland. Wegen der heillos überfüllten Lager leben sie oft in Zelten, und das „unter katastrophalen unhygienischen Bedingungen, ohne Zugang zu der medizinischen Versorgung und den Medikamenten, die sie brauchen.“ (…) Zahlen verdeutlichen die Situation: In Moria, einem der größten Elendslager auf der Insel Lesbos, leben knapp 19.000 Geflüchtete, so das UNHCR – und gut 40 Prozent davon sind Kinder, hat die deutsche NGO Pro Asyl eruiert. Hunderte davon seien teils schwer erkrankt, bräuchten Spezialtherapien, so Ärzte ohne Grenzen. Aufs Festland überstellt werden sie aber nicht. „Die Weigerung der Regierung, eine schnelle, organisierte Lösung für diese Kinder zu finden, ist empörend“, sagt Vochten – das könne „lebenslange Folgen und sogar den Tod nach sich ziehen.“ Allein in Moria sind binnen der vergangenen Monate drei Kinder gestorben, zuletzt ein neun Monate altes Baby aus dem Kongo…“ Bericht von Evelyn Peternel vom 1. Februar 2020 beim Kurier.at externer Link
  • 2700 Meter lang: Griechenland will schwimmende Barriere gegen Migranten errichten / Geflüchtete eingesperrt: Griechenland startet umstrittenes neues Asylverfahren 
    • 2700 Meter lang: Griechenland will schwimmende Barriere gegen Migranten errichten
      „… Die Regierung in Griechenland will mit einer schwimmenden Barriere im Mittelmeer Flüchtlinge und Migranten daran hindern, von der Türkei aus auf griechische Inseln überzusetzen. Das Verteidigungsministerium hat nach SPIEGEL-Informationen vier griechische Unternehmen gebeten, bis zu diesem Mittwoch ein Angebot für eine entsprechende öffentliche Ausschreibung abzugeben. Das Unternehmen, das den Auftrag erhält, soll demnach innerhalb von drei Monaten nach Vertragsunterzeichnung liefern. In der Ausschreibung wird das Errichten der Barriere als „äußerst dringend“ bezeichnet. Es bestehe die „dringende Notwendigkeit, die zunehmenden Flüchtlingsströme einzudämmen“. Das Hindernis soll 2,7 Kilometer lang sein. „Wir wollen sehen, ob das funktioniert und wo und ob es eingesetzt werden kann“, sagte Verteidigungsminister Nikos Panagiotopoulos im Nachrichtensender Skai. (…) Für 500.000 Euro soll die Barriere errichtet und ihre Wartung für vier Jahre aufrechterhalten werden. Auch die Schulungen des notwendigen Personals sind in der Summe inbegriffen…“ Beitrag vom 30. Januar 2020 von und bei Spiegel online externer Link
    • Geflüchtete eingesperrt: Griechenland startet umstrittenes neues Asylverfahren
      „… Als Kyriakos Mitsotakis sich zum Ministerpräsidenten wählen ließ, versprach er den Griechen Ordnung und Härte; so wollte er die Flüchtlingskrise in den Griff bekommen. Asylbewerber sollten endlich schneller abgeschoben werden. (…) Nun will Mitsotakis die Wende schaffen: Zum ersten Mal sollen seine Beamten ein neues Asylgesetz anwenden. Es ist so hart wie umstritten. 55 Asylbewerber sind am Wochenende in zwei Booten auf der Insel Kos angekommen. Es handelt sich nach SPIEGEL-Informationen größtenteils um syrische, irakische, somalische und palästinensische Familien. An ihnen testen die griechischen Behörden nun das neue Gesetz. Der Testlauf zeigt, wie Griechenland und Europa die Migranten und Flüchtlinge künftig behandeln werden, die über die Ägäis aus der Türkei kommen. Der Auftrag des griechischen Migrationsministers an seine Mitarbeiter: Den Asylantrag der Geflüchteten innerhalb von 25 Tagen entscheiden, so lange werden sie im Abschiebeflügel des sogenannten Hotspots auf Kos eingesperrt. Bislang durften Asylbewerber zwar die Agäis-Inseln nicht ohne Weiteres verlassen, sich aber auf der Insel frei bewegen. Werden die Anträge nun abgelehnt, sollen die Migranten alsbald abgeschoben werden. Werden sie angenommen, dürfen sie schnell aufs Festland. (…) Das Gesetz sieht knappe Fristen und schnelle Entscheidungen vor. Auf den Inseln Kos, Lesbos, Samos, Chios und Leros baut die Regierung zudem große geschlossene Haftlager für die Flüchtlinge. Sobald sie fertig sind, werden dort Asylbewerber interniert. Möglichst schnell sollen dann ihre Anträge entschieden werden. Ganz so, wie es nun auf Kos getestet wird. (…) Bisher saßen in dem Gremium, das über die Einsprüche entschied, auch Sachverständige, die das Uno-Flüchtlingshilswerk UNHCR ernannt hatte. Sie verhinderten viele Abschiebungen – zum Beispiel, weil die Geflüchteten in der Türkei ihrer Meinung nach nicht sicher wären. Die griechische Regierung hofft augenscheinlich, dass die griechischen Richter strenger vorgehen. Aktivisten und auch Juristen kritisieren das neue griechische Gesetz. Die pauschale Inhaftierung der Asylbewerber könnte ihrer Meinung nach unrechtmäßig sein. Nach EU-Recht muss stets im Einzelfall geprüft werden, ob ein Haftgrund vorliege. Außerdem sieht das Gesetz zahlreiche Möglichkeiten zur Verlängerung der Haft vor. Hilfsorganisationen fürchten zudem, dass künftig einige Flüchtlinge Probleme haben könnten, rechtzeitig einen Anwalt zu finden, der Widerspruch gegen den abgelehnten Asylantrag einlegen kann.“ Artikel von Giorgos Christides und Steffen Lüdke vom 27. Januar 2020 beim Spiegel online externer Link
  • Griechische Politiker zu den Tragödien mit Flüchtlingsbooten: „Wir sind Opfer eines kollektiven Versuchs, das Land zu verderben“
    Anders als in den vergangenen Jahren, versuchen in diesjährigen Winter Flüchtlinge und Immigranten auch bei schlechten, winterlichen Verhältnissen mit einem Boot nach Griechenland zu kommen, oder dieses in Richtung der übrigen Europäischen Union per Boot zu verlassen. Dies fordert zunehmend Todesopfer. 2019 kamen 74.348 Menschen als Flüchtlinge oder Migranten ins Land, davon 59.457 über den Seeweg. 2018 waren es insgesamt 32.494. Ziel der Regierung in Athen sind bis zum Jahresende 10.000 Abschiebungen in die Türkei externer Link. Am Samstagmorgen kam es dreizehn Seemeilen südwestlich der Inselgruppe Paxi im Ionischen Meer zu einem Unglück. Ein Boot kenterte. Insgesamt 21 Personen, zwanzig Männer und eine Frau, konnten gerettet werden. Rettungsteams fanden bislang zehn ertrunkene Männer und zwei ertrunkene Frauen. Die Zahl der Insassen des Bootes wird gemäß den Angaben der Geretteten mit bis zu 50 angegeben. (…) Wirtschaftsminister Georgiadis schürt Angst vor Überfremdung: In einer ersten Reaktion, noch während der Rettung der ersten Überlebenden und der Auffindung der ersten Opfer, äußerte sich der griechische Wirtschaftsminister Adonis Georgiadis abfällig über die Schiffbrüchigen. Er betonte in einer Live-Fernsehsendung des Privatsenders ANT1: „Stellen Sie sich vor, wie gut vorbereitet die waren, sie wussten, als sie in Gefahr waren, dass sie die 112 anrufen müssen(Notfallnummer, die kürzlich eingerichtet wurde). Wir sind Opfer eines kollektiven Versuchs, das Land zu verderben. Aber die Regierung wird sich dagegenstellen.“ Die anwesende frühere Ministerin und Abgeordnete von SYRIZA, Olga Gerovasili, war ebenfalls in der Sendung. Sie reagierte sofort, „Gütige Gnade! Menschen sind in Gefahr und ertrinken. Das Mittelmeer wird zum Grab. Wovon wird das Land verdorben, von Menschen?“ Georgiadis bestand darauf: „Ganz sicher. Es wird offensichtlich verdorben.“ „Die gruselige Aussage des Wirtschaftsministers Adonis Georgiadis über einen [postulierten] Versuch, die Bevölkerung zu verderben, ist rassistisch, ohne Geschichtsbewusstsein, aber auch äußerst gefährlich, vor allem während gleichzeitig in der Ägäis eine Flüchtlingsrettung durchgeführt wird. Georgiadis enthüllt seine tiefgreifende Verachtung des menschlichen Lebens „, kommentierte der SYRIZA-Sprecher Alexis Charitsis. Charitsis fügte hinzu, „Aber ist es Herr Mitsotakis, der endlich Stellung beziehen muss: Ist er mit der konkreten Aussage seines Ministers und des Vizepräsidenten der Neuen Demokratia einverstanden? Wann werden wir den heimischen Orban in die Schranken verwiesen sehen? Und vor allem: Sollen Flüchtlinge in der Ägäis gerettet werden oder ist es die Politik seiner Regierung, sie ertrinken zu lassen?“ (…) Am Sonntagmorgen lieferte sich Georgiadis, dessen Medienpräsenz rund um die Uhr eines seiner Erkennungszeichen ist, im Sender Skai TV ein Rededuell mit dem früheren SYRIZA Vize-Minister für Verteidigung Panos Rigas. Zunächst verteidigte Georgiadis seine Einschätzung, dass der griechischen Bevölkerung seiner Ansicht nach eine Überfremdung drohe. Er bestand darauf, dass es ein erstrebenswertes und patriotisches Ziel seiner Partei sei, dass Griechenland auch in einem Jahrhundert noch ein mehrheitlich zur Orthodoxen Kirche gehörendes Land sei. Dementsprechend, so argumentierte Geogiadis, würden die überwiegend moslemischen Einwanderer und Flüchtlinge eine Gefahr darstellen. Dies sei als Sorge über die Zukunft des Landes und die Erhaltung der Traditionen zu sehen, und keineswegs als rassistisch motivierte Herabwürdigung anderer Kulturen. Darüber hinaus gab Georgiadis den Flüchlingsschleusern die Schuld an den Todesfällen…“ Artikel von Wassilis Aswestopoulos vom 13. Januar 2020 bei telepolis externer Link
  • Griechenland: Vorbei die Zeiten der Solidarität. Die Stimmung ist komplett gekippt: Kein Willkommen mehr für Flüchtlinge 
    Die Situation für Flüchtlinge und Migranten in Griechenland hat sich in den letzten Monaten dramatisch geändert. Am 18. Dezember 2019, dem internationalen Tag der Migranten, befanden sich 41.363 Asylbewerber auf den griechischen Inseln. Ende April 2019 waren es nach offiziellen Angaben weniger als 15.000. Eine in der vergangenen Woche erfolgte Meinungsumfrage zeigte, dass 55 Prozent der Griechen nicht mit der Asylpolitik der Regierung einverstanden sind. Die Umfrage stellt nicht klar, in welche Richtung die Politik gehen sollte. Allerdings zeigen zahlreiche Indizien auf, dass die Stimmung im Land komplett gekippt ist. Vorbei die Zeiten, als sich eine Mehrzahl der Griechen solidarisch zeigte. (…) Niemand möchte ein Flüchtlingslager in seinem Bezirk haben. Ähnlich wie Premierminister Kyriakos Mitsotakis innerhalb der Europäischen Union vergeblich um die Solidarität seiner Amtskollegen und die Aufnahme von großen Kontingenten von Asylbewerbern bettelt, reagieren auch seine eigenen Parlamentarier, wenn es um ihren Wahlbezirk geht. (…) Nach internationalem Recht illegale Push-Back Aktionen, wie sie Anfang Dezember vom Spiegel mit einem geleakten Video belegt wurden externer Link , sind für die Anhänger der Regierungspartei kein Makel, sie wünschen sich vielmehr, dass diese Aktionen in größerem Maß und systematischer durchgeführt würden. Bei den Push-Back-Aktionen, über die es bereits während der Regierungszeit von Alexis Tsipras vereinzelte Berichte in griechischen Medien externer Link gab, werden in Griechenland aus der Türkei ankommende potentielle Asylbewerber zunächst durch Beschlagnahme ihrer Habe mittellos gemacht und dann wieder in die Türkei gebracht. Die ankommenden Menschen haben während der gesamten, oft mit Gewalt verbundenen Aktion, keine Gelegenheit, einen Asylantrag zu stellen. Diese Aktionen finden in Gebieten statt, in denen neben der griechischen Polizei, der griechischen Wasserschutzpolizei und dem griechischen Militär auch Frontex tätig ist. Noch 2015 hätte das Bekanntwerden solcher Aktionen einen öffentlichen Aufschrei hervorgerufen. Damals war das vorherrschende Narrativ der Schutz der Menschen und die Bewältigung einer von Tsipras oft zitierten „humanitären Krise“. (…) Die Regierung möchte nun zumindest die Landgrenze zur Türkei möglichst dicht machen. Zu diesem Zweck wird ein neuer Zaun mit Stacheldraht entlang der Grenze, aber auf griechischem Gebiet installiert. Sinn ist es offenbar, diejenigen, die es über den vor allem im Winter gefährlichen Grenzfluss Evros nach Griechenland schaffen, im Niemandsland vor dem Zaun gefangen zu halten, so dass außer einer freiwilligen Rückkehr in die Türkei, keine weitere Option bleibt. In der unwirtlichen Gegend kommen durch die Witterungsbedingungen immer wieder Asylbewerber ums Leben. Zuletzt wurden am 7. Dezember zwei junge erfrorene Frauen gefunden. Die Bewohner der Grenzdörfer wehren sich dagegen, dass sie außer dem Zaun zusätzlich noch einen neuen, geschlossenen Hotspot für Asylbewerber bekommen sollen…“ Artikel von Wassilis Aswestopoulos vom 22. Dezember 2019 bei telepolis externer Link
  • Europas Gefängnisinsel Samos: Griechenland baut Haftlager für Flüchtlinge – Helfer sind entsetzt 
    Auf der griechischen Insel Samos harren Tausende Asylbewerber in nassen und kalten Zelten aus. Schon bald sollen viele von ihnen in ein geschlossenes Lager hinter hohe Mauern und Stacheldraht umziehen. (…) Die Insel Samos dürfen sie nicht verlassen, so wie alle Flüchtlinge, über deren Asylantrag noch nicht entschieden ist. Regnet es, dringt das Wasser ins Zelt, nachts frieren alle drei. Mit dem ersten Regen kam auch Raghads Husten. Im Lager gibt es nur einen Arzt, für mehr als 7000 Menschen. Nachts schlafen die Flüchtlinge vor seiner Praxis, werden häufig trotzdem nicht untersucht. Krankheiten breiten sich im Camp aus, ein Großteil der Flüchtlinge ist traumatisiert, immer wieder brechen Proteste aus; Hunderte Ratten rascheln durch den Müll. Die Gesichter vieler Kinder sind von Insektenbissen übersät. Immer wieder brechen im Camp Brände aus, weil Bewohner Feuer entfachen, um Zelte zu heizen oder Tee zu kochen. Das wilde Zeltlager von Samos, am Rande Europas, diese Schande für den ganzen Kontinent, wächst immer weiter, denn seit dem Frühsommer kommen wieder mehr Flüchtlinge in Griechenland an. Mehr als 40.000 sitzen derzeit auf den fünf Hotspot-Inseln Leros, Chios, Kos, Lesbos und Samos fest, so viele wie noch nie. Was die griechische Regierung für die Lösung hält, konstruieren Bauarbeiter fünf Kilometer entfernt, hinter einem Berg auf der anderen Seite der Bucht. Hier gibt es keine Häuser, keine Läden, soweit das Auge reicht. Kräne wuchten riesige Metallteile in die Luft, Bagger heben den Boden aus und errichten eine drei Meter hohe Mauer aus Beton. Obendrauf Stacheldraht. „Im Nato-Style“, ruft einer der Arbeiter. Die Mauer wird ein Haftlager schützen, das neue Flüchtlingsgefängnis Europas. Bereits im Januar könnte es fertig werden. Alle Asylbewerber, die in Samos ankommen, sollen zunächst für bis zu 25 Tage hier untergebracht werden. Später sollen wohl Flüchtlinge mit guten Asylchancen das Lager tagsüber verlassen dürfen. In Ausnahmefällen kann die Haft jedoch um weitere 100 Tage verlängert werden, für Flüchtlinge, die abgeschoben werden sollen, sogar um 18 Monate. (…) Juristen haben auch rechtliche Bedenken. „Die geplante Inhaftierung der Asylbewerber ist weder mit EU-Recht noch mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar“, sagt Catharina Ziebritzki, Research Fellow am Max-Planck-Institut in Heidelberg. Nach EU-Recht müsse im Einzelfall geprüft werden, ob ein Haftgrund vorliege. Die Haft dürfe zudem nur als letztes Mittel angewandt werden und müsse verhältnismäßig sein. Ziebritzkis Fazit: „All diese rechtlichen Standards wären im Fall der Einführung systematischer Inhaftierung in den EU-Hotspots verletzt.“ Die griechische Regierung sieht das anders…“ Reportage von Giorgos Christides, Steffen Lüdke und Gianmarco Maraviglia (Fotos) vom 21.12.2019 beim Spiegel online externer Link
  • Nach SPIEGEL-Bericht über mutmaßliche Pushbacks: EU-Kommission setzt griechische Behörden unter Druck 
    Die EU-Kommission fordert die griechischen Behörden auf, die Pushback-Vorwürfe gegen sie zu untersuchen. „Wir erwarten von den griechischen Behörden, dass sie die Berichte prüfen und die Europäische Kommission auf dem Laufenden halten“, sagte ein Sprecher der Kommission dem SPIEGEL. (…) Pushbacks sind illegale Abschiebungen von schutzsuchenden Migranten. Sie verstoßen gegen das Völkerrecht und verletzten sowohl die EU-Grundrechtecharta als auch die Genfer Konvention – unter anderem weil den Migranten kein Zugang zu einem Asylverfahren gewährt wird. Der Sprecher der griechischen Polizei hatte angegeben, von den mutmaßlichen illegalen Abschiebungen keine Kenntnis zu haben, es gebe keinen Grund, die Vorwürfe weiter zu verfolgen. Laut dem Sprecher der Kommission stehe diese mit den griechischen Behörden in enger Verbindung, um sicherzustellen, dass die griechischen Behörden sich bei der Ausübung ihres Grenzmanagements an geltendes EU-Recht hielten. Der Grenzschutz müsse so ausgeübt werden, dass die Menschenwürde uneingeschränkt gewahrt bleibe, heißt es. Der Zugang zu Asylverfahren müsse zudem im Einklang mit EU-Recht ebenfalls gewährleistet sein. Auch zahlreiche deutsche und griechische Politiker sowie Menschenrechtsorganisationen drängen auf eine Untersuchung und verurteilten die mutmaßliche griechischen Abschiebungen. (…) Am Samstag verkündete der griechische Migrationsminister Giorgos Koumoutsakos stattdessen, dass seine Regierung die Kontrollmaßnahmen am Evros substanziell ausbauen werde. Am Fluss sollen Wärmebildkameras und Stacheldraht an zahlreichen Stellen installiert werden, dazu sollen die Luftüberwachung gestärkt und die Patrouillen zu Land und zu Wasser ausgeweitet werden…“ Beitrag von Giorgos Christides, Steffen Lüdke und Maximilian Popp vom 14. Dezember 2019 beim Spiegel online externer Link

    • Pushbacks an EU-Grenze: Videos zeigen mutmaßlich illegale Abschiebung von Migranten
      „Schaffen maskierte Einsatzkräfte im Auftrag Griechenlands heimlich Migranten zurück in die Türkei? (…) Immer wieder hat die griechische Regierung bestritten, an der Landgrenze zur Türkei illegale Pushbacks durchzuführen. Man schaffe keine Schutzsuchenden am Grenzfluss Evros zurück in die Türkei, ohne ihnen ein faires Asylverfahren gewährt zu haben, hieß es – auch wenn zahlreiche Flüchtlinge genau das über Jahre hinweg behaupteten. Jetzt zeigen Videos, die dem SPIEGEL zugespielt wurden und die das Recherchekollektiv Forensic Architecture ausgewertet hat, zum ersten Mal einen solchen mutmaßlichen Pushback am Evros. Sechs aktive und ehemalige Polizisten und Soldaten schilderten dem SPIEGEL zudem übereinstimmend, dass Pushbacks am Evros systematisch durchgeführt würden. (…) Pushbacks sind ein Verstoß gegen das Völkerrecht, sie verletzten sowohl die EU-Grundrechtecharta als auch die Genfer Konvention – vor allem aus zwei Gründen: Schutzsuchende haben das Recht auf ein ordentliches Verfahren, in dem festgestellt wird, ob sie internationalen Schutz benötigen. Sie dürfen nicht gegen ihren Willen in ein Land zurückgeführt werden, in dem ihre Sicherheit nicht garantiert ist. Dieses sogenannte Refoulement-Verbot oder Prinzip der Nichtzurückweisung ist ein Grundsatz des internationalen Völkerrechts zum Schutz von Flüchtlingen. Auch eine kollektive Ausweisung ohne eine Einzelfallprüfung des Asylanspruches ist illegal. (…) Das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und der Europarat nannten diese Berichte glaubwürdig und konsistent. Auf der griechischen Insel Samos sprach der SPIEGEL mit einem 28-jährigen palästinensischen Asylbewerber, der nach eigenen Angaben von griechischen Beamten oder deren Helfern in die Türkei deportiert worden ist. Es seien maskierte Männer gewesen, die ihn zurückgebracht hätten, sagte der Palästinenser. Zuvor seien ihm nach der Festnahme die Schnürsenkel und sein Handy abgenommen worden. In der dritten Nacht seiner Gefangenschaft habe die griechische Polizei sie in einen Truck geladen und zum Ufer des Evros gefahren. Zwei maskierte Männer hätten ein Schlauchboot gelenkt und ihn und die anderen Migranten auf die türkische Seite gebracht…“ Beitrag von Giorgos Christides, Steffen Lüdke und Maximilian Popp vom 12. Dezember 2019 beim Spiegel online externer Link
  • Eine (nicht ganz so heimliche) Offensive gegen Fluchthilfe in Griechenland trifft auf Widerstand – Petition für die Freilassung Salam Aldeens
    Gestern wurde Salam Aldeen, Gründer der dänischen Hilfsorganisation Team Humanity, auf Lesvos festgenommen. Er hatte in den vergangenen Wochen im überfüllten Lager Moria geholfen. Fordere jetzt mit uns seine Freilassung!“ – so ein Tweet von iuventa 10 am 12. Dezember 2019 auf ihrem Kanal externer Link über den jüngsten Angriff der griechischen Rechtsregierung auf die UnterstützerInnen jener Flüchtlinge, die sie am liebsten alle einsperren möchte. In dem Thread zu diesem jüngsten Angriff werden auch weitere solche Aktionen, vor allem eben aus Griechenland (aber nicht nur) angeführt, die alle Menschen betreffen, die helfen wollen – und es auch tun. Was ja in allen EU-Staaten faktisch unter Strafe gestellt wird. Siehe dazu auch einen weiteren Bericht über das Vorgehen der griechischen Regierung und den Link zu der Petition für die Freilassung Salam Aldeens:

    • „Ask the Greek Government to RELEASE refugees‘ activist Salam Aldeen NOW and NOT DEPORT HIM“ externer Link seit dem 11. Dezember 2019 bei Change.org ist die Petition für die Freilassung Aldeens, die in den 2 Tagen knapp 2.500 Menschen unterzeichnet haben.
    • „Videos zeigen mutmaßlich illegale Abschiebung von Migranten“ von Giorgos Christides, Steffen Lüdke und Maximilian Popp am 12. Dezember 2019 bei Spiegel online externer Link berichtet unter anderem: „… Das Material besteht aus insgesamt elf Videos. Auf Bildern einer Überwachungskamera, die auf der türkischen Seite des Evros angebracht ist, sind maskierte Männer in teilweise militärisch anmutender Kleidung ohne Hoheitszeichen zu sehen. Sie transportieren Gruppen von Menschen von der griechischen Seite des Grenzflusses auf die türkische Seite. Gruppe für Gruppe werden die Menschen in einem kleinen motorbetriebenen Schlauchboot auf der türkischen Seite der Grenze abgesetzt. Auf den Bildern ist allerdings nicht zu sehen, wie die maskierten Männer die Mitte des Flusses, also die Grenze zwischen den beiden Staaten, überqueren. Die Menschen sprechen verschiedene Sprachen, darunter offenbar unter anderem Paschtunisch, eine Sprache, die in Afghanistan und Pakistan gesprochen wird. Mit einiger Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei ihnen um Migranten, die den Evros heimlich überquert haben, um in Europa Asyl zu beantragen. So machen es viele Flüchtende, die in den vergangenen Jahren über die östlichen Migrationsrouten nach Griechenland gelangt sind. (…) Die maskierten Männer im Video können nicht identifiziert werden. Mehrere Indizien sprechen allerdings dafür, dass sie zu griechischen Behörden gehören oder in deren Auftrag handeln…“
  • Migranten hinter Gittern: Griechenland plant geschlossene Lager 
    Die neue Regierung stellt ihren Masterplan Migration vor. Überfüllte Flüchtlingslager auf Lesbos sollen durch Internierungslager ersetzt werden. Wie im Wahlkampf versprochen, will Kyriakos Mitsotaki, Chef der griechischen Konservativen das Asylrecht verschärfen. Migranten „sollen einsehen, dass sie ihr Geld nur verlieren, wenn sie es Menschenschmugglern anvertrauen“, mahnte Regierungssprecher Stelios Petsas am Mittwoch in Athen. (…) Unter anderem sieht der Masterplan der Regierung Mitsotakis folgendes vor: Das hoffnungsvoll überfüllte Flüchtlingslager von Moria auf der Insel Lesbos soll geschlossen werden. Abgeschafft wird auch das Camp von Samos nahe der Inselhauptstadt Vathy, das seit Jahren aus allen Nähten platzt und mittlerweile als „zweites Moria“ bezeichnet wird – wegen der unmenschlichen Bedingungen, die dort herrschen. Die 5.000 Menschen, die derzeit in den Camps verharren, werden vorerst in Hotels untergebracht. Künftig sollen auf den Inseln der Ost-Ägäis aber neue, geschlossene Flüchtlingszentren entstehen, vermutlich so etwas wie Internierungslager. (…) Anscheinend will die neue Athener Regierung Migranten wieder einsperren lassen und dadurch Teile der Bevölkerung beschwichtigen, die gegen die jetzige Situation protestieren. Denn vor allem auf den Inseln Lesbos und Samos klagen Anwohner über die Dauerpräsenz der Geflüchteten vor der eigenen Haustür. Experten warnen allerdings vor neuen Missständen. Bei allen Problemen, die heute auf den griechischen Inseln herrschen, bekommen Migranten immerhin die Gelegenheit, zumindest für ein paar Stunden dem Chaos in den Camps zu entkommen und etwa einen Spaziergang in eine nahe gelegene Stadt oder ans Meer zu unternehmen. Würde das Verlassen der Flüchtlingslager verboten, könnten Frustration und Gewaltbereitschaft in geschlossenen Camps deutlich zunehmen. Schon heute kommt es gelegentlich vor, dass verschiedene Nationalitäten, etwa Syrer und Afghanen, in Moria oder in anderen Camps aneinander geraten…“ Artikel von Jannis Papadimitriou vom 20. 11. 2019 bei der taz online externer Link, siehe dazu auch: 

    • Die neue Regierung stellt ihren Masterplan Migration vor. Überfüllte Flüchtlingslager auf Lesbos sollen durch Internierungslager ersetzt werden.
      Die griechische Regierung will drei überfüllte Flüchtlingslager auf den ostägäischen Inseln schließen – und durch neue, geschlossene Zentren ersetzen. Die neue Regelung soll auch Signalwirkung haben. Griechenland will die drei größten Flüchtlingslager auf den griechischen Inseln der Ostägäis schrittweise schließen. Die deutlich überfüllten Lager auf Lesbos, Chios und Samos sollten durch neue Einrichtungen mit Aufnahmekapazitäten von je mindestens 5000 Menschen ersetzt werden, teilte die Regierung in Athen mit. Regierungssprecher Stelios Petas sprach von „Identifikations- und Abreisezentren“. Geplant seien Containerhäuser mit fließendem Wasser, sanitären Anlagen und Strom. In ihnen werden den Plänen zufolge jene Migranten untergebracht, die keine Aussicht auf Asyl haben und zurück in die Türkei oder ihre Herkunftsländer gebracht werden sollen. Entstehen sollen geschlossene Lager, die die Migranten nicht verlassen dürfen…“ Beitrag vom 20.11.2019 bei tagesschau.de externer Link
  • Push-Backs in die Türkei: Griechenland soll 60.000 Migranten illegal abgeschoben haben 
    „Menschenrechtler und die Türkei beschuldigen Griechenland, Migranten und Flüchtlinge illegal abzuschieben. (…) Seit Jahren beschuldigen Menschenrechtsorganisationen und Anwälte griechische Behörden, Migranten am Grenzfluss Evros illegal in die Türkei abzuschieben. Der SPIEGEL hat nun türkische Dokumente erhalten, darunter auch die Aufzeichnungen der Polizisten über den Vorfall am 3. November. Diese legen nahe, dass Griechenland im großen Stil illegale Push-Backs an der Grenze zur Türkei durchführt. (…) Das türkische Material umfasst Fallberichte und Interviewprotokolle. Zudem Fotos, die angeblich Migranten zeigen sollen, die von griechischen Behörden misshandelt wurden. Dazu enthält es bisher unveröffentlichte Daten, die vom türkischen Innenministerium zusammengestellt wurden. Diesen Daten zufolge hat Griechenland in den zwölf Monaten vor dem 1. November 2019 insgesamt 58.283 Migranten zurückgeschafft. (…) Die griechischen Behörden weisen die türkischen Vorwürfe zurück. Es gebe keine Push-Backs, teilte ein Sprecher des griechischen Ministeriums für Bürgerschutz auf Anfrage mit. Bisher haben griechische Behörden nur wenige der Beschwerden überprüft – und fanden demnach keine Beweise für Fehlverhalten. Nicht nur türkische Behörden sprechen allerdings von systematischen illegalen Abschiebungen: Menschenrechtler werfen Griechenland und anderen europäischen Staaten an der Außengrenze schon seit Jahren Push-Backs vor und dokumentieren diese. Auch in der griechischen und internationalen Presse wird immer wieder über einzelne Vorfälle berichtet (…). Der Europarat spricht von „glaubwürdigen Anschuldigungen“, und auch das Flüchtlingshilfswerk der Uno zeigte sich bereits besorgt…“ Beitrag von Giorgos Christides und Steffen Lüdke vom 13. November 2019 beim Spiegel online externer Link
  • „Empören und Wegschauen“: verschärftes Asylgesetz 
    Am frühen Morgen des 1. November 2019 beschloss das griechische Parlament ein neues Asylgesetz. Viele Menschenrechts- und Geflüchtetenschutzorganisationen kritisieren dieses Gesetz scharf. So schrieb die UN-Organisation für Geflüchtete UNHCR u.a. folgendes: Die UNHCR sei wegen des Gesetzes besorgt, weil es den Schutz der Geflüchteten schwäche. Es belaste Asylsuchende exzessiv und fokussiere auf Strafmaßnahmen. Wenn ein Asylsuchender z.B. bestimmte Formalitäten des Asylverfahrens nicht einhalte, werde sein Asylgesuch abgelehnt. Das Gesetz beschränke das Recht zur Familienzusammenführung. Z.B. werde die Definition eines „Familienmitglieds eingeschränkt: Nur wer vor der Flucht aus dem Heimatland schon Familienglied war, gelte als solches. D.h. z.B. dass ein nach der Flucht geborenes Kind nicht als Familienmitglied zähle. Nach dem Gesetz dürfen Geflüchtete in Zukunft 18 Monate (statt wie bisher 3 Monate) inhaftiert werden. (Hier die Stellungnahme des UNHCR externer Link ) (…) Dass mehr Flüchtlinge und Migranten kommen, sei aber noch lange kein Grund, sie im Schnellverfahren abzufertigen, kommentiert Karin Senz. Der einzelne Mensch gehe so verloren. Bei der Flüchtlingskrise zeigt sich eines ziemlich deutlich: Es ist möglich, ein Thema im Fokus zu haben und trotzdem wegzuschauen.““ Beitrag von Georg Brzoska vom 1. November 2019 bei Griechenlandsoli externer Link
  • Verschärfte Migrationspolitik – Griechenland will Flüchtlinge in die Türkei zurückschicken / griechische Regierung plant die Abschiebung von Migranten in Drittstaaten 
    „Die griechische Regierung reagiert mit einer Verschärfung ihrer Migrationspolitik auf den tödlichen Brand in einem Flüchtlingslager auf Lesbos. Sie kündigte nach einer Krisensitzung die Rückführung von 10’000 Geflüchteten in die Türkei bis Ende 2020 an. Zudem sollen geschlossene Lager für illegale oder abgelehnte Migranten errichtet werden. Bei dem Brand im Flüchtlingslager Moria vom Sonntag war mindestens eine Frau ums Leben gekommen. (…) Die Vereinten Nationen drängten derweil die Regierung in Athen, die Lage in Moria in den Griff zu bekommen. Die Überführung von Geflüchteten auf das griechische Festland müsse «beschleunigt», die Lebensbedingungen müssten «verbessert» werden, sagte der Sprecher des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR. Moria ist für 3000 Menschen ausgelegt, allerdings leben rund 13’000 Geflüchtete in dem Lager. Das Lager hat sich über die Jahre zu einer Art Kleinstadt entwickelt. Die Zelte, in denen die Migranten wohnen, ziehen sich bis in die umliegenden Olivenhaine hinein. Ein Teil der Bewohner lebt in Containern. (…) Wer tausende Menschen in einer «ausweglosen Lage» festsetze, sei «mitverantwortlich», wenn die Lage eskaliere, erklärte die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl. Den Schutzsuchenden werde zum Teil über Jahre hinweg der Zugang zu einem fairen Asylverfahren verweigert.“ Meldung vom 30. September 2019 beim SRF externer Link, siehe dazu:

    • Abschiebungen: Griechenland will sichere Drittstaaten für Flüchtlinge festlegen
      Die griechische Regierung plant die Abschiebung von Migranten in Drittstaaten. Das Vorbild sei der Vorstoß von Horst Seehofer für Bootsflüchtlinge aus Italien. (…) Eine entsprechende „umfassende Liste“ werde in Kürze vorgelegt, sagte der Vize-Minister für Migration, Giorgos Koumoutsakos, der Süddeutschen Zeitung. Koumoutsakos kritisierte die linke Vorgängerregierung von Ex-Ministerpräsident Alexis Tsipras als zu nachgiebig. „Wir werden strenger sein“, sagte er. Asylbehörden sollen laut Koumoutsakos verstärkt werden, die Regierung in Athen erwarte aber auch mehr Hilfe von der EU…“ Agenturmeldung vom 2. Oktober 2019 bei der Zeit online externer Link
  • Regierungsrat beschließt Maßnahmen für die Flüchtlingskrise – Mitsotakis‘ Entscheidungen enttäuschen Anhänger und Gegner 
    In Athen wurde am Samstag der ministerielle Rat für auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung einberufen. Unter Premier Kyriakos Mitsotakis diskutierten Minister und führende Beamte darüber, wie die Regierung mit den Flüchtlingen auf den griechischen Ägäis-Inseln umgehen soll. Die Flüchtlingszahlen auf den griechischen Inseln steigen wieder. Offenbar hat die türkische Regierung ihre Drohung wahr gemacht und ist hinsichtlich der Kontrolle der Strände, von denen aus Flüchtlinge und Migranten von der Türkei nach Griechenland übersetzen, nachlässiger geworden. (…) Sehr zum Ärger der eigenen Wähler kann die Nea Dimokratia ihr Versprechen, die Grenzen zur Türkei hermetisch zu schließen, nicht halten. Die Regierung musste eingestehen, dass es ihr auch mit der Unterstützung der Frontex nicht möglich ist, die Gewässer vor den griechischen Inseln abzuriegeln. Das Ergebnis ist, dass die Flüchtlingslager auf den Inseln erneut hoffnungslos überfüllt sind. Der Regierungsrat beschloss daher einige Sofortmaßnahmen. • Anders als in der Vereinbarung zwischen der Europäischen Union und der Türkei eigentlich vereinbart, sollen Asylbewerber von den Inseln aufs Festland, in dortige Lager, gebracht werden. In der Nähe der nordgriechischen Stadt Kilkis wird bereits ein Lager für die neu Ankommenden vorbereitet. Die Regierung von Alexis Tsipras hatte sich immer darauf berufen, dass so etwas erst nach Abschluss des Asylverfahrens möglich sei. (…) Die Grenzüberwachung soll verstärkt werden. Die Regierung plant eine Investition von 50 Millionen Euro in neue Technologien, wie thermische Kamerasysteme und Drohnen. Die Regierung möchte die Einspruchsmöglichkeit für Bewerber beim Asylverfahren abschaffen. Wenn die erste Instanz des Asylverfahrens über den Antrag einer Person ablehnend entschieden hat, soll diese umgehend ins Heimatland abgeschoben werden. In diesem Zusammenhang sieht die Regierung auch bei der Türkei Versäumnisse. Im gesamten Land sollen die Polizeikontrollen verstärkt werden. Die Regierung weist darauf hin, dass die Vorgängerregierung unter Tsipras zu wenige Kontrollen durchgeführt habe. (…) Die von der Flüchtlingskrise betroffenen Inseln, wie Lesbos, sollen mehr medizinisches Personal zugeteilt bekommen. Auf die Entscheidung, Asylbewerbern die Widerspruchsmöglichkeiten gegen eine ablehnende Entscheidung in erster Instanz zu verweigern, reagierte Amnesty International mit „erster Sorge“…“ Artikel von Wassilis Aswestopoulos vom 01. September 2019 bei telepolis externer Link
  • Grundrechte sind keine Ehrenauszeichnung: Drei Migranten retten Griechen das Leben und erhalten dafür die Staatsbürgerschaft / Wer Geflüchtete rettet, wird kriminalisiert 
    „Staatsbürgerschaft bedeutet Zugang zu Grundrechten. Sie ist »das Recht, Rechte zu haben«, wie es die politische Theoretikerin Hannah Arendt ausdrückt. Staatsbürgerschaft ist keine Ehrenauszeichnung, die einem nur aufgrund besonderer Leistung zugedacht werden sollte. Genauso aber hat die griechische Regierung sie verwendet, als Präsident Prokopis Pavlopoulos drei migrantischen Fischern am 2. Januar die griechische Staatsbürgerschaft verlieh. Der Grund: Sie hatten vergangenen Juli Griechen aus dem Meer gerettet, die von schweren Waldbränden eingeschlossen und ins Wasser geflüchtet waren. Einen ähnlichen Fall hatte es im September in Frankreich gegeben. Der malische Migrant Mamoudou Gassama erhielt die französische Staatsbürgerschaft nachdem er mit bloßen Händen vier Stockwerke eines Wohnblocks hochgeklettert war, um ein Kind zu retten, das von einem Balkongeländer hing. Zum Vergleich: Die Schwestern Sarah und Yusra Mardini, letztere Olympiaschwimmerin, retteten 2015 auf ihrer Flucht aus Syrien 18 anderen Flüchtende vor dem Ertrinken. Stundenlang zogen sie ein schiffbrüchiges Schlauchboot schwimmend hinter sich her bis an die griechische Küste. Sarah Mardini, die in Berlin lebt, sich aber auf der griechischen Insel Lesbos stark in der Geflüchtetenhilfe engagiert, war monatelang in Griechenland unter fragwürdigen Vorwürfen in Haft und kam erst vergangenen Dezember auf Kaution frei. Der Unterschied: Die Menschen, welche die Schwestern Mardini retteten, und für die sich Sarah Mardini weiterhin einsetzt, waren keine Europäer*innen, sondern Geflüchtete…“ Beitrag von Lou Zucker bei neues Deutschland vom 3. Januar 2019 externer Link
  • Flüchtlingshelferin in Griechenland: Sarah Mardini kommt gegen Kaution frei 
    „… Die syrische Flüchtlingshelferin und ehemalige Leistungsschwimmerin Sarah Mardini kommt nach mehr als drei Monaten in griechischer Untersuchungshaft gegen Kaution in Höhe von 5000 Euro frei. Das bestätigte ihr ehemaliger Trainer Sven Spannekrebs am Dienstag dem Tagesspiegel. „Ich habe heute mit Sarah telefonieren können“, sagte Spannekrebs. „Sie ist natürlich sehr glücklich.“ Mardini war am 21. August auf der Insel Lesbos festgenommen worden, die griechische Justiz wirft der 23 Jahre alten Syrerin Menschenschmuggel, individuelle Bereicherung durch Spenden, Geldwäsche, Spionage und die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor. Ihr droht eine mehrjährige Haftstrafe. (…) Mardini soll in den nächsten ein bis zwei Tagen frei gelassen werden, sie darf Griechenland verlassen. „Das Nahziel ist natürlich, Sarah so schnell wie möglich nach Berlin zu holen“, sagte Spannekrebs. Demnach stellt das Bard College Berlin, an dem Sarah Mardini studiert, die Kaution zur Verfügung. Auch zwei weitere inhaftierte Flüchtlingshelfer kommen auf Kaution frei. Wann und ob es zu einem Prozess gegen die drei kommt, ist weiter unklar…“ Meldung von Lars Spannagel vom 4. Dezember 2018 beim Tagesspiegel online externer Link
  • Merkel macht Tsipras zum Horst 
    „In Berlin mag die deutsche Bundeskanzlerin unter Druck stehen. In Griechenland ist sie immer noch in der Lage, die komplette Regierungsmannschaft bloßzustellen. Im Rahmen der bilateralen Vereinbarungen Deutschlands mit EU-Mitgliedsstaaten über die Rücknahme von im Mitgliedsstaat registrierten Asylbewerbern hatte der griechische Premierminister Alexis Tsipras für Griechenland die entsprechende Zusicherung gegeben. Daheim in Athen verkündete der Premier stolz, dass im Gegenzug die Mehrwertsteuererhöhung auf den von der Flüchtlingskrise betroffenen Inseln vom Tisch sei. Dies gelte für die Dauer der Flüchtlingskrise, ließ Tsipras wissen. Aufmerksamen Beobachtern in Griechenland entging nicht, dass die avisierte großzügige Befreiung von der Steuererhöhung im entsprechenden Ministerlass eine ganz andere Begrenzung aufwies. Der am Tag nach Tsipras vollmundiger Ankündigung im Staatsanzeiger veröffentlichte Erlass hat eine Gültigkeit bis zum 31.12.2018. Umgehend erfolgte eine Stellungnahme aus dem Megaro Maximou, wie der Amtssitz des griechischen Premiers nach seinem Spender heißt. Die Begrenzung sei schlicht technischer Natur, der Rabatt werde von der Regierung alle sechs Monate verlängert, hieß es aus dem offiziellen Mund des Regierungssprechers. Die SYRIZA-Politiker schwärmten aus, um in den zahlreichen Talkshows im griechischen Fernsehen die neue Situation zu erklären und den Deal als großen Erfolg zu verkaufen. Denn eigentlich ist die – nach Angaben der Berliner Regierung – innerhalb von 48 Stunden zu erfolgende Rücksendung von nach Deutschland gelangten und vorher in Griechenland registrierten Asylbewerbern nicht das, was Tsipras seit Jahren als sein Ziel propagiert. Zusammen mit einer als Anerkennung für die mit hoffnungslos überbelegten Hotspots belasteten Inseln gedachten finanziellen Entlastung wollte Tsipras sein Nachgeben gegenüber Merkel in einen kleinen Erfolg ummünzen. Viele Griechen empfanden dies als schlechten Deal. Für die der Migration kritisch gegenüberstehenden Griechen war die Kompensation zu wenig, für die Anhänger der Willkommenskultur dagegen ein inhumanes Geschachere über das Schicksal von Menschen…“ Beitrag von Wassilis Aswestopoulos vom 5. Juli 2018 bei Telepolis externer Link
  • Die griechische Justiz mit Willkürakt pur: Auch nach dem Urteil werden die Angeklagten aus dem Lager Moria im Gefängnis festgehalten – darunter auch ein Freigesprochener 
    Ende April war der Prozess gegen die „Moria 35“ zu Ende gegangen – die seit 9 Monaten im Gefängnis gehalten wurden, wegen ihrer Proteste aus dem Sommer 2017, mit den „üblichen Vorwürfen“ wie Widerstand gegen die Staatsgewalt, Beleidigung von Polizeibeamten und anderes mehr. Und obwohl 32 der 35 Angeklagten nur wegen Beleidigung verurteilt werden konnten und drei ganz freigesprochen wurden, werden 26 von ihnen, darunter eben einer der freigesprochenen in verschiedenen Gefängnissen – einige auch in Athen – weiterhin fest gehalten – und sieben von ihnen sollen nun in die Türkei abgeschoben werden – und von dort aus zurück in die Länder, aus denen sie geflohen sind. In dem Bericht „Moria35 Update – 26 of the 35 remain detained – 7 face imminent deportation“ am 08. Mai 2018 bei Enough is Enough externer Link werden auch Polizei- und Gefängnisadressen für Proteste gegen diese Vorgehensweise angegeben. Siehe dazu auch einen Beitrag zum eigentlichen Urteil im Moria 35 Prozess:

    • „Moria 35 Trial Ends in Conviction of 32 – But After 9 Months of Unjust Detention, the 35 will Finally be Free!“ am 28. April 2018 beim Lesbos Legal Centre externer Link war ein Artikel unmittelbar nachdem das Urteil bekannt gegeben wurde – in dem, wie die Überschrift zeigt, noch von einer normalen Prozedur ausgegangen wurde, also, dass die Angeklagten zu mindestens frei  kommen würden, womit die Anti-Migranten Justiz wieder einmal in ihrer Willkür unterschätzt wurde. In dem Artikel wird auch deutlich gemacht, dass der Prozessverlauf auch zum Ergebnis hatte, dass Ermittlungen gegen die bei der Niederschlagung der Proteste im Lager beteiligten Polizeikräfte aufgenommen werden mussten – und zwar sowohl wegen deren Vorgehen jenseits legaler Bestimmungen, als auch wegen ihrer offensichtlich fragwürdigen Aussagen bei den Ermittlungen gegen die 35.
  • Prozess in Griechenland: Freispruch für spanische Flüchtlingshelfer 
    Drei spanische Feuerwehrleute waren als Flüchtlingshelfer vor der Insel Lesbos im Einsatz. Dafür drohten ihnen zehn Jahre Haft. Doch ein griechisches Gericht entschied anders. Die Feuerwehrleute aus Südspanien müssen weder ins Gefängnis – ihnen drohten zehn Jahre Haft – noch eine Geldstrafe zahlen. Nach Ansicht des Gerichts auf Lesbos haben die Feuerwehrmänner aus Nächstenliebe gehandelt und wollten keine Menschen nach Europa schmuggeln – so wie es ihnen die griechische Staatsanwaltschaft vorgeworfen hatte. Auch zwei dänische Flüchtlingshelfer sprach das Gericht frei…“  Bericht von Oliver Neuroth vom 07.05.201 bei tagesschau.de externer Link
  • Lesbos: Tausende Griechen protestieren gegen Flüchtlingspolitik 
    Tausende Menschen haben auf der griechischen Insel Lesbos für Lösungen in Migrationsfragen protestiert. Zwischen den rund 2500 Demonstranten kam es laut Augenzeugen zu Rangeleien, die Polizei setzte Tränengas ein. Mehrere Protestteilnehmer hatten zuvor versucht, einen Polizeibus umzuwerfen. Die Aktionen richteten sich direkt gegen die Migrationspolitik der EU – auf Lesbos befinden sich derzeit 8849 Migranten, die Flüchtlingslager der Insel sind überfüllt. Anlass der Proteste war ein Besuch von Regierungschef Alexis Tsipras am Donnerstagabend. In seiner Rede betonte er, es sei nicht leicht mit dem Flüchtlingszustrom fertig zu werden...“ Bericht vom 03.05.2018 beim Spiegel online externer Link
  • Prozess gegen Flüchtlingshelfer: Er rettete tausende Menschen aus dem Mittelmeer – jetzt drohen ihm zehn Jahre Knast 
    „Auf der griechischen Insel Lesbos gilt Salam Aldeen als Legende: Mehrere tausend Menschen soll der irakischstämmige Däne aus dem Mittelmeer gerettet haben. Doch die griechische Justiz will ihn nun ins Gefängnis stecken – wegen angeblichen Menschenhandels. Am 7. Mai beginnt der Prozess. (…) Monatelang engagierte sich Aldeen auf Lesbos, doch in einer Nacht im Januar 2016 änderte sich alles. In jener Nacht sei ein Notruf via Whatsapp eingegangen, so erzählt Aldeen es heute, er und seine Crew hätten sich mit dem Rettungsboot sofort ins Wasser aufgemacht. Zwei überfüllte Boote seien liegengeblieben und vom Kentern bedroht, so habe es in der Whatsapp-Nachricht eines Flüchtlings geheißen. Allein: Aldeen und seine Helfer fanden die Boote nicht. Die Ortsmarke aus der WhatsApp-Nachricht war nur ungenau. Immer weiter fuhr das Rettungsschiff auf die See hinaus – bis es plötzlich von einem Boot der griechischen Küstenwache angehalten wurde. Aldeen und seine Crew wurden verhaftet. Der Vorwurf: Menschenschmuggel. Sie sollen versucht haben, Flüchtlinge aus der Türkei nach Griechenland zu bringen. Zwar haben die Helfer keine Flüchtlinge an Bord genommen und sind auch nicht in türkische Hoheitsgewässer eingefahren. Doch nach griechischem Recht ist schon der Versuch des Menschenschmuggels strafbar – und was als „Versuch“ gilt, entscheiden im Zweifelsfall die Behörden. Zwar existiert eine UN-Vorgabe, dass Helfer nicht wegen Menschenschmuggels belangt werden dürfen, wenn sie Leben retten. Verbindlich für die Mitgliedsstaaten ist diese Vorgabe aber nicht. (…) Am 7. Mai beginnt der Prozess gegen ihn, laut „Team Humanity“ drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft. Aldeen könnte sich irgendwo in der EU verstecken, aber er will zur Gerichtsverhandlung nach Griechenland reisen. Denn wenn es ein Verbrechen sei, Leben zu retten, sagte Aldeen bei der Heinrich-Böll-Stiftung, „dann bin ich ein Verbrecher.“ .“ Beitrag von Florian Reiter vom 1. Mai 2018 bei Focus online externer Link
  • Polizei marschiert auf: Gegen Flüchtlingsproteste in griechischen Lagern
    Am Samstag, 09. September 2017 führten 350 Polizisten eine Razzia im Lager Moria auf Lesbos durch – das nach den Protesten dort zu einer Art besonderem „hot spot‘“ geworden ist: Für Polizeirepression. Am Montag, also zwei Tage später dann eine Polizeirazzia im Lager Souda auf Chios. Während auf Samos neue Proteste im Lager organisiert wurden. Der Bericht „#RefugeesGR: Cops Raided #Souda Camp on #Chios – Protests on #Samos“ am 11. September 2017 bei Enough is Enough externer Link macht deutlich, worin – neben arroganter und rassistischer Polizeipraxis – ein wesentlicher Grund dafür besteht, dass diese Proteste trotz allen ‚Polizeieinsatzes nicht aufhören: Das Lager auf Samos, für 700 Menschen geplant, hält jetzt über 2.500 Menschen fest.
  • Neue Proteste auf Lesbos: Demonstration aus dem Lager 
    Am 28. August 2017 demonstrierten über 100 Insassen des Lagers Moria vom Camp nach Mytilene, wo sie in der Stadtmitte eine Protestkundgebung abhielten und über Nacht ein eigenes Protestcamp organisierten. Unter ihnen waren auch Teilnehmer des kürzlich organisierten Hungerstreiks im Lager (siehe die Berichterstattung im Dossier). Bei den im Lager Gefangenen handelt es sich um Menschen, die oft schon weit über ein Jahr dort festgehalten werden, was einer der Gründe dafür ist, dass sich hier ein regelrechtes Zentrum von Flüchtlingsprotesten entwickelt hat. In dem Bericht „RefugeesGR in Moria: Enough is Enough!“ am 29. August 2017 bei Enough is Enough externer Link (mit Bildern und Videos) wird unterstrichen, die örtliche Polizei habe den Platzbesetzern – meist Flüchtlinge aus Afghanistan – die gewaltsame Räumung angedroht. Siehe dazu auch einen Bericht über einen weiteren Protest in Griechenland:
  • „Refugee Women in Greece Struggle to Access Contraception“ von Zoe Holman am 27. August 2017 bei Truthout externer Link ist ein Bericht über eine geflüchtete Frau aus Syrien, die während ihres beinahe jahrelangen Aufenthalts in einem Lager in der Nähe von Athen ungewollt schwanger wurde. Sie hat damit begonnen, für die Forderung zu mobilisieren, dass geflüchtete Frauen Zugang zu Verhütungsmitteln bekommen – was eigentlich eine der kleinsten Selbstverständlichkeiten sein müsste, ist eben in der Festung EU stattdessen zu einem weiteren Abschreckungs- und Repressionsmittel geworden.
  • Hungerstreik im griechischen Lager Moria nach 35 Tagen beendet 
    Bahrooz Arash und Kozhin Hussein, die beiden Hungerstreikenden innerhalb des Lagers auf Lesbos haben ihre Aktion nach 35 Tagen beendet, während der dritte Beteiligte, Arash Hampay, seinen Hungerstreik in der Ortsmitte fortsetzte. In einer Erklärung unterstützte Hampay das Ende der Aktion der beiden im Lager, weil eine Fortsetzung nur die Todesgefahr erhöht hätte – ein möglicher Tod, so Hampay, der jene, die sie verfolgten, nicht im Mindesten gerührt hätte. Sie alle seien keine Flüchtlinge, sondern Gefangene, unterstreicht er in seiner Erklärung vom 03. August 2017, die in dem Beitrag  „#MoriaHungerStrike Ended: Outside Arash Hampay Continues!“ externer Link am selben Tag bei Enough is Enough dokumentiert ist. Sowohl die griechischen Behörden, als auch die internationalen Organisationen hätten sich des Verstoßes gegen alle diesbezüglichen Erklärungen ebenso schuldig gemacht, wie sie sich als Unterdrücker der Flüchtlinge betätigt hätten. Siehe dazu auch einen Beitrag über die Fortsetzung des Kampfes nach Beendigung des Hungerstreiks im Lager Moria:

    • „After #MoriaHungerStrike: The Struggle Continues!“ am 04. August 2017 bei Enough is Enough externer Link ist ein Beitrag über die Fortsetzung des Kampfes nach Ende des Hungerstreiks, der mit einem Aufruf zu einer Protestdemonstration vor dem Lager Moria am 5. August beginnt. Das Ziel aller Aktivitäten, so wird in dem Beitrag unterstrichen, sei es, die Freiheit der Menschen zu erringen, die illegal als Gefangene gehalten würden, denen alles genommen werde, sogar das Recht auf Protest…
  • Der Hungerstreik im Lager Moria auf Lesbos geht weiter – die Solidaritätskampagne mit den Inhaftierten des 18. Juli wird stärker
    Polizeiüberfall auf die Proteste im Lager Moria auf Lesbos am 18. Juli 2017: #FreeTheMoria35 Eine Solidaritätskampagne mit den 35 Menschen, die seit dem Polizeiüberfall auf die Proteste im Lager Moria am 18. Juli 2017 immer noch festgehalten werden, wird in ganz Griechenland organisiert, während die Zahl der Anzeigen gegen den Polizeiterror ebenfalls wächst. In dem Beitrag „#FreeTheMoria35 #Moria : Many #RefugeesGR Still Imprisoned After Clashes on July 18“ am 28. Juli 2017 bei Enough is Enough externer Link wird auf die unterschiedlichen Ergebnisse der Vernehmungen verwiesen – einige konnten mangels Übersetzung noch nicht einmal durchgeführt werden. Unterdessen wird der Hungerstreik der drei Aktivisten innerhalb und außerhalb des Lagers Moria auch an den Tagen 32 beziehungsweise 31 fortgeführt, ohne dass bisher die Behörden oder sonstige Verantwortliche auf die Forderungen in irgendeiner Weise eingegangen wären. Siehe dazu auch einen Beitrag, der sich mit der systematischen Gewalt der Europäischen Union  gegen Flüchtlinge auseinandersetzt sowie die Vorstellung des Solidaritäts-Plakats, das nun im ganzen Land verbreitet wird:

  • Der Hungerstreik auf Lesbos geht weiter: Die alltägliche Polizeirepression, der Abschiebungsterror ebenfalls
    Eine Erklärung von Arash Hampay, der sich seit 28 Tagen auf dem Mytilini-Platz in Moria auf Lesbos im Hungerstreik befindet – zusammen mit Kozhin Hussein und Bahrooz Arash, die seit 29 Tagen innerhalb des Lagers ihren Hungerstreik durchführen – ist in dem Beitrag „#RefugeesGR: Hunger Strike at #Moria Continues“ am 27. Juli 2017 bei Enough is Enough externer Link dokumentiert. Darin zieht er ein bitteres Ergebnis seiner eigenen Aktivitäten: Seine Fotosammlung – unter anderem über den Überfall von 200 Polizisten auf das Lager und die Deportationen nach Protesten – die er in sozialen Medien veröffentlicht, haben 20.000 Follower – von denen auf diese Dokumente gerade einmal 100 reagiert hätten. Er wisse, so schreibt er in dem Statement, dass er sich wiederhole – und gerade das sei das Problem, weil sich eben auch die Erfahrung der Unterdrückung und Demütigung jeden Tag wiederhole – und weil es genau das gewesen sei, was sie alle eigentlich in Europa nicht erwartet hätten… Siehe dazu auch eine Solidaritätserklärung gegen den Polizeiüberfall auf das Lager:

  • Nach dem Massenprotest in griechischem Lager: Protest vor der Botschaft der BRD
    In der kurzen Meldung „Botschaftsprotest“ am 20. Juli 2017 in der jungen Welt externer Link heißt es unter anderem: „Flüchtlinge und Migranten haben am Mittwoch vor der deutschen Botschaft in Athen die Einschränkung des Familiennachzugs durch die BRD verurteilt. Etwa hundert Menschen beteiligten sich laut Medienberichten an der Aktion. Wie bereits im Mai bekanntgeworden war, hat die Bundesregierung den Nachzug von Angehörigen in Deutschland lebender Flüchtlinge aus Griechenland seit April deutlich eingeschränkt
  • Protest und Hungerstreik in griechischem Flüchtlingslager: Polizei greift an 
    Die Forderungen der Proteste im Flüchtlingslager Moria uf der Insel Lesvos sind bescheiden: Wer 6 Monate im Lager festgehalten wurde, soll in die EU einreisen dürfen. Nachdem drei Insassen vor Wochen einen Hungerstreik begannen, fanden  am vergangenen Wochenende Demonstrationen im und vor dem Lager statt – und die Behördenvertretung im Lager wurde blockiert. Ein aggressiver Polizeieinsatz gegen diese Blockade rief dann noch breitere Proteste hervor, wird in dem Bericht „Cops Attacked #RefugeesGR in #Moria Camp at #Lesvos, #Greece“ am 18. Juli 2017 bei Enough is enough externer Link informiert. Darin auch Fotos und Videos zum Protest, sowie Auszüge von Interviews mit Flüchtlingen über die Gründe ihres Protestes, zu denen unter anderem absolutes Besuchsverbot gehört. Siehe dazu auch einen weiteren aktuellen Beitrag zum Hungerstreik und ein Video des Polizeieinsatzes:

    • „Hunger Strike of #RefugeesGR Continues“ am 17. Juli 2017 bei Enough is enough externer Link ist ein Beitrag über den Hungerstreik von drei Flüchtlingen im Lager Moria, der auf den Aufzeichnungen des Bruders eines der drei basiert, der seinerseits in der Stadt Mytilini ebenfalls im Hungerstreik sich befindet. Dabei wird insbesondere auf die repressive Haltung der griechischen wie internationalen Behörden konkret eingegangen.
    • „Police throwing rocks at protestors inside #Moria camp #Lesvos #Refugeesgr“ am 18. Juli 2017 bei dem Twitterkanal von United Rescue Aid externer Link ist ein kurzes Video über den Polizeiangriff auf den Protest im Lager – mit Bildern von Steine werfenden Polizisten
    • Aufruhr im Lager auf Lesbos
      Mehr als zwei Jahre nach dem offenen Ausbruch der Flüchtlingskrise hat sich europaweit die frühere Willkommenskultur ins Gegenteil verwandelt
      In Griechenland werden Flüchtlinge und Immigranten immer noch dem gleichen Procedere unterzogen. Gemäß dem Flüchtlingsdeal der EU mit der Türkei müssen sämtliche Neuankömmlinge auf den griechischen Inseln bleiben, auf denen sie angekommen sind. Erst nach abgeschlossener Überprüfung des Asylantrags ist eine Weiterreise auf das griechische Festland oder aber, nach Abschluss eines möglichen Widerspruchs gegen eine Ablehnung, eine Ausweisung in die Türkei möglich. Die gesamte Zeit über müssen die Flüchtlinge und Immigranten in den in vieler Hinsicht unzureichenden Lagern verbleiben. Dies wiederum strapaziert die wirtschaftlichen Interessen der mit dem Tourismus befassten Insulaner, welche ihrerseits in der Furcht über ihre eigene Existenz zu xenophoben Überreaktionen neigen. Ein Ergebnis dieses explosiven Klimas sind Konflikte auch in den Lagern…“ Artikel von Wassilis Aswestopoulos vom 19. Juli 2017 bei telepolis externer Link
  • Flüchtlinge: EU-Gerichtshof verurteilt Griechenland
    „… Die griechische Regierung, die sich gern für ihre Flüchtlingspolitik lobt und in der vergangenen Woche den vierten Jahrestag der Existenz einer griechischen Asylbehörde feierte, wurde erneut wegen der Lebensbedingungen von Asylbewerbern verurteilt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte befand im Fall eines Iraners, dessen Asylantrag abgelehnt wurde, dass der griechische Staat nicht ausreichend für dessen Versorgung gesorgt habe. Der Mann wurde bis zu seiner Abschiebung schlicht auf die Straße geschickt, wo er ohne Zugang zu Wasser, Nahrung und Obdach über die Runden kommen musste. (…) Weitere Urteile, zum Beispiel hinsichtlich der untragbaren Zustände unter denen Flüchtlinge, auch Minderjährige, in Polizeistationen in Arrest gehalten werden, stehen an. Das Urteil und die noch ausstehenden Entscheidungen lassen die von Deutschland beabsichtigte Rückführung von Flüchtlingen gemäß der Dubliner Abkommen utopisch erscheinen. Griechenland ist aufgrund der angespannten finanziellen Situation weiterhin nicht in der Lage, in angemessener Weise für die Flüchtlinge und Immigranten zu sorgen…“ Beitrag von Wassilis Aswestopoulos vom 27. Juni 2017 bei Telepolis externer Link
  • Schutz für anerkannte Flüchtlinge gibt es in Griechenland nur auf dem Papier
    Seit Jahren unterstützen unsere Anwältinnen und Menschenrechtler*innen im Auftrag von PRO ASYL Schutzsuchende in Griechenland. Eine umfassende juristische Stellungnahme von PRO ASYL und unserem Projektpartner Refugee Support Aegean (RSA) zeigt, unter welchen erschreckenden Lebensbedingungen anerkannte Flüchtlinge in Griechenland leben müssen…“ Pro Asyl-Pressemitteilung vom 26.06.2017 externer Link samt Link zur Stellungnahme (engl.)
  • Flüchtlinge in Griechenland: „Jetzt sitzen wir hier in der Falle“
    Mehr als 60 000 Flüchtlinge und Migranten sitzen in Griechenland fest. Wegen der unmenschlichen Bedingungen machen sich viele auf eigene Faust Richtung Norden auf. (…) Auch die versprochene Umverteilung der Flüchtlinge kommt kaum voran. Im Januar haben andere EU-Staaten aus Griechenland und Italien nur 1682 Menschen übernommen statt der vorgesehenen 3000. Einige Länder wie Ungarn, Österreich und Polen haben bisher überhaupt keine Flüchtlinge aus Griechenland angenommen. Die EU-Kommission könnte Vertragsverletzungsverfahren gegen die widerspenstigen Länder einleiten, warnte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans diese Woche. (…) Jeden Tag greifen die griechische Polizei und Grenzschützer an der mazedonischen Grenze etwa zehn bis 15 Migranten auf. Wie viele es schaffen, mit Hilfe von Schleusern oder auf eigene Faust die Grenze unentdeckt zu überqueren und sich nach Norden durchzuschlagen, weiß niemand. Deshalb wollen die Staaten entlang der Strecke jetzt die Sicherung der Grenzen verstärken. Seit vergangenem Freitag sind bereits Polizisten der europäischen Grenzschutzagentur Frontex an der griechisch-mazedonischen Grenze im Einsatz, darunter zwölf Deutsche…Artikel von Gerd Höhler vom 09. Februar 2017 bei der Frankfurter Rundschau online externer Link
  • Weil sie Menschen gerettet haben: Spanische Feuerwehrleute in Griechenland vor Gericht
    Die drei spanischen Feuerwehrmänner, in Griechenland als Menschenschmuggler angeklat (August 2016) - weil sie sie nicht ertrinken liessenManuel Blanco, Enrique Rodríguez und Julio Latorre sind spanische Feuerwehrmänner. Im Dezember fuhren sie nach Griechenland, um auf der Insel Lesbos als ehrenamtliche Mitarbeiter der NGO PROEM AID (Professional Emergency Aid) Flüchtlingen zu helfen: damit Menschen, die vor Krieg und Armut geflohen sind, nicht ertrinken müssen. Jetzt drohen ihnen zehn Jahre Gefängnis. Die drei Männer haben ihr Leben riskiert, um tausende Kinder und Erwachsene zu retten. Doch die griechischen Behörden sehen darin Menschenschmuggel. Die EU-Richtlinie, auf die sich Griechenland dabei beruft, wird derzeit von der Europäischen Kommission überarbeitet, doch ohne Druck von uns Bürger/innen wird sich da nichts zum Guten wenden. Das ist die Gelegenheit für einen starken Appell! Wir fordern, dass freiwillige Helfer/innen wie Manuel, Enrique und Julio für ihre humanitäre Arbeit nicht kriminalisiert werden“ aus der aktuellen Petition „Nothilfe ist kein Schmuggel“ bei WeMove externer Link worin auch noch informiert wird: „Die drei Feuerwehrmänner wurden am 14. Januar 2016 verhaftet, nachdem sie eines Nachts auf den Notruf eines sinkenden Schiffes reagiert hatten. 68 Stunden lang hielten die Behörden sie fest. Nach dem derzeitigen Recht kann jede/r, die/der ein ertrinkendes Kind rettet, das keine Papiere hat, angeklagt werden: wegen Menschenschmuggel. Genauso ist es Manuel, Enrique und Julio ergangen. Ihnen droht eine Gefängnisstrafe von zehn Jahren – nur weil sie Leben retteten“. Siehe dazu das Video: „Nothilfe ist kein Schmuggel“ am 17. August 2016 bei You Tube externer Link eingestellt, ist das Begleitvideo (mit deutschen Untertiteln) zur oben verlinkten Solidaritätspetition von WeMove, in dem die drei Angeklagten selbst zu Wort kommen
  • Streit über die Flüchtlinge in Griechenland: Wo immer sie sichtbar sind, wehren sich Lokalpolitiker gegen ihre Präsenz. Risse in der Gesellschaft werden deutlicher
    „3.034 Flüchtlinge und Immigranten sind in den ersten sieben Monaten des Jahres im Mittelmeer ertrunken. Das sind 1.064 mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Darüber hinaus sind zwischen dem 23. Juli und dem 2. August 1.011 Flüchtlinge und Immigranten aus der Türkei nach Griechenland gelangt. Auch ohne das – von der Türkei im Fall der Verweigerung der Visafreiheit angedrohte – Aufkündigen der Vereinbarung mit der EU zur Lösung der Flüchtlingsproblematik dokumentieren die Zahlen bereits ein Scheitern auf ganzer Linie. (…) In Griechenland hat sich das Klima in der Flüchtlingsproblematik gewendet. (…) Die Flüchtlinge werden in geschlossene Lager verfrachtet und sollen so möglichst von der Mehrzahl der Griechen unbemerkt unter teilweise katastrophalen Bedingungen vegetieren. Wo immer sie sichtbar sind, wehren sich Lokalpolitiker gegen ihre Präsenz…“ Bericht von Wassilis Aswestopoulos vom 3. August 2016 bei Telepolis externer Link – siehe auch unser Dossier: EU-Türkei-Deal in der Flüchtlingsfrage
  • Griechenland: Keine Verbesserung in Sicht – Die Flüchtlinge haben weiter Probleme
    „Gar nicht heimlich still und leise, aber noch von der internationalen Presse unbeachtet, setzt sich die Flüchtlingskrise in Griechenland fort. Allerdings nimmt das Thema immer groteskere Züge an. Das Leid der Betroffenen ist in diesem Zusammenhang für viele Verantwortliche offenbar zweitrangig. Seit dem gescheiterten Putsch von Teilen der Militärs gegen den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gibt es zudem nach Meinung der griechischen Presse einen signifikanten Anstieg der Flüchtlingszahlen. (…) In Griechenland selbst gilt es für die Regierung, die in besetzten Häusern von Autonomen beherbergten Flüchtlinge und Immigranten in staatliche Heime zu bringen. Noch im letzten Jahr hatte das Immigrationsministerium die Autonomen mangels eigener Kapazitäten in die staatliche Flüchtlingshilfe einbinden wollen. Am Mittwoch wurden drei Besetzungen in Thessaloniki geräumt, 74 solidarische Helfer wurden festgenommen und angeklagt. Bei der ministeriell angeordneten Räumung ging die Polizei nicht zimperlich vor. (…) Im Hafen von Piräus, wo am Dienstag immer noch 850 Menschen in den Straßen der Docks hausten, verlief die Räumung dagegen weniger dramatisch. Am Mittwochvormittag wurde der Hafen, in dem am Montag noch über 1.000 Personen Obdach fanden, komplett geräumt. Demgegenüber sah sich Athens Bürgermeister, Giorgos Kaminis, bemüßigt, am Mittwoch auch für Athen ähnliche Aktionen wie in Thessaloniki und die sofortige Räumung sämtlicher als Flüchtlingsheime dienenden Hausbesetzungen zu fordern. Für Kaminis sind nur die staatlichen Hotspots als Unterkunft für die Flüchtlinge und Immigranten geeignet. Das wiederum zweifelt ausgerechnet die staatliche Seuchenkontrolle KEELPNO an…“ Bericht von Wassilis Aswestopoulos vom 28. Juli 2016 bei Telepolis externer Link. Siehe zur Räumung umfangreiche Berichterstattung im gesonderten Dossier: Mindestens 70 Verhaftungen bei Räumung von drei für und mit Geflüchteten besetzten Häusern in Thessaloniki
  • Griechische Küstenwache: Die illegalen Push-Backs sind zurück
    Mit dem Amtsantritt der 1. Syriza-Regierung Anfang letzten Jahres schienen sie abgeschafft: Die illegalen Push-Backs, für die die griechische Küstenwache berüchtigt war: Regelmäßig waren bis dahin Flüchtlingsboote gewaltsam aus griechischem (=europäischem) Hoheitsgebiet in den Zuständigkeitsbereich der Türkei zurückgedrängt worden. Nun aber hat das Watch The Med Alarmphone erstmals wieder einen solchen Vorfall gemeldet. Weil es auch eine ausführliche Foto-Dokumentation dazu gibt, ist klar: Zwei Frontex-Schiffe waren während der Aktion anwesend. Siehe dazu den Bericht „WatchTheMed Alarm Phone denounces illegal push-back operation with Frontex present!“ vom 15. Juni 2016 beim WatchTheMed Alarm Phone externer Link
  • Griechenland schiebt 800 MigrantInnen in die Türkei ab
    Laut der Europäischen Kommission hat Griechenland am Dienstag und am gestrigen Mittwoch (1./2.3.16) über 300 MigrantInnen in die Türkei abgeschoben, die sich ohne Aufenthaltstitel in Griechenland aufhielten. Dabei handelte es sich hauptsächlich um Menschen aus Marokko, Algerien und Tunesien. (…) Am heutigen Donnerstag (3.3.16) sollen nach Informationen des Tagesspiegels weitere 500 MigrantInnen von Griechenland in die Türkei zurückgeführt werden.Meldung beim Radio Dreyeckland vom 3. März 2016 externer Link – besonders brisant, weil: Kettenabschiebung reloaded: Türkei will Flüchtlinge in Herkunftsländer zurückschicken
  • Wenn das die Regierung wüsste
    „… Auf der Insel Lesbos haben die Bewohner gelernt, sich selbst zu helfen, indem sie den Flüchtlingen helfen…Beitrag von Bartholomäus von Laffert im Freitag, Ausgabe 0516, online am 8. Februar 2016 externer Link. Aus dem Text: „… So wie Marius haben andere Griechen erlebt, dass ihnen der Boden unter den Füßen entglitten ist. Vielleicht kann gerade deshalb kaum jemand sonst in Europa besser verstehen, wie sich die Menschen aus den Booten fühlen, die alles hinter sich ließen. „Wir haben durch unseren Einsatz etwas zurückgewonnen, woran niemand mehr geglaubt hat“, sagt Fotis, „Solidarität.“ Stefania nickt. Sie sieht das ähnlich. Eigentlich arbeitet sie als Fotojournalistin: „Über unser Schicksal können wir nicht mehr selbst entscheiden, die Krise in Griechenland ist zu groß. Aber das hier – den Flüchtlingen helfen –, das können wir schaffen.“ (…) Im letzten halben Jahr hat sich auf der Insel viel geändert. Bewohner, deren Dörfer so gut wie eingeschlafen waren, haben gelernt, mit der Krise umzugehen – zum Wohl der Ankommenden, zum eigenen Vorteil. Journalisten und Volunteers bewohnen im Winter die Unterkünfte, in denen die Touristen im Sommer nicht mehr wohnen wollten. Tausende von Euro, die von den vielen Freiwilligen über Crowdfunding-Plattformen eingesammelt werden, fließen in die lokale Wirtschaft…
  • Und wer rettet die Retter? Auf Lesbos landen Rettungsschwimmer im Gefängnis
    Eigentlich kam Salam nach Lesbos, um als freiwilliger Rettungsschwimmer Menschenleben zu retten. Nun braucht er selbst Hilfe. Weil er Flüchtlinge vor dem Ertrinken bewahrte, drohen ihm zehn Jahre Haft. „Eigentlich“ ist ein Wort, das man oft hört an der Nordküste von Lesbos: Eigentlich sollten die Flüchtlinge doch mit der Fähre kommen dürfen. Eigentlich könnte man sie doch einfach über Land einreisen lassen. Eigentlich sollten sich Behörden von EU und Griechenland und nicht ein paar Dutzend Freiwillige um sie kümmern. Eigentlich müsste die Küstenwache die Menschen vor dem Ertrinken bewahren. Die Geschichte von Salam Aldeen ist auch so eine, die es „eigentlich“ nicht geben dürfte. Es dauert eine Weile, bis er Zeit findet, sie zu erzählen. „Ich kann jetzt nicht, wir kommen schon wieder ein Boot herein. Kannst du später nochmal…“, sagt er und legt auf. Irgendwann am späten Abend klappt es dann doch mit dem Gespräch über jenen Tag, an dem er wie an jedem Tag hinaus fuhr aufs Meer, um Flüchtlinge zu retten und schließlich selbst aus dem Gefängnis gerettet werden musste…Beitrag von Fabian Köhler bei telepolis vom 27.01.2016 externer Link
  • Ein erneuter Aufschrei aus Idomeni: Flüchtlinge frieren im Freien, die beheizbaren Zelte im Camp Idomeni bleiben leer!
    Seit Wochen geschehen in Idomeni Dinge, die ein Verbrechen sind. Die Wartezeiten der Busse aus Athen mit Flüchtlingen an einer Tankstelle kurz vor der Grenze liegen oft über 20 Stunden. Am 30.12. war für mehrer Stunden die Grenze von der Seite der Grenzbeamten FYROMS (Mazedoniens) geschlossen worden, es gab keinen Strom. An der Tankstelle gibt es keine Versorgung durch NGOs, keine offizielle Information, keine medizinische Versorgung. Täglich kommen dort 50 bis 60 Busse an. Dies ist nicht hinzunehmen, zumal im Camp in Idomeni sowohl NGOs im Dienst sind als auch heizbare Zelte zur Verfügung stehen. Auch wenn die Flüchtlinge dann mit den Bussen zur Grenze gebracht werden, dürfen sie das Camp nicht in Anspruch nehmen, sondern werden sofort von der Polizei in Richtung Grenze beordert. Und in der Regel müssen sie auch dort stundenlang vor der Grenze im Freien und in der Kälte ausharren, bis sie an die Reihe kommen. Einfach weil irgendjemand beschlossen hat, dass die Flüchtlinge das ausgerüstete Camp nicht betreten und nicht nutzen sollen. Die beheizbaren Zelte stehen nun alle leer da. Die Freiwilligen tun, was in ihren Möglickeiten liegt, aber gegen die Kälte kommen sie auch nicht an. Täglich werden Kleider verteilt und über 1.000 Portionen gekochtes Essen verteilt unter sehr schwierigen Umständen, und die Flüchtlinge müssen sich irgendwo im Freien hinsetzen, um zu essen. Seit 2 Tagen sind die Temperaturen stark gefallen und es beginnt zu schneien. Auf den nackten Feldern Nordgriechenlands weinen kleine Kinder vor Kälte, es gibt keine Dolmetscher, keine Informationen, keinen Rechtsbeistand. Es muss zumindestens sofort dafür gesorgt werden, dass Flüchtlinge die bereits vorhandenen Einrichtungen des Camps in Anspruch nehmen können und vor Kälte und Schnee geschützt werden! Und dass die NGOs und Freiwilligen ihre Arbeit tun können.“ Bericht von Dorothee Vakalis aus Thessaloniki am 31.12.2015 (per Email)
  • Griechenland: Aufstand im Lager der abgewiesenen Flüchtlinge
    Das Lager Korinth gleicht mehr einem Gefängnis, denn einer Unterbringung. Täglich kommen noch immer 4.000 Flüchtlinge in Griechenland an. Im Zug eines Aufstands gelang es sechs Algeriern und Marokkanern aus einem gefängnisartigen Lager in Griechenland zu fliehen. Während CSU-Chef Horst Seehofer vor der Klausurtagung seiner Partei eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen fabuliert laufen die Dinge dort, wo die Flüchtlinge ankommen, aus dem Ruder…Beitrag von Wassilis Aswestopoulos bei telepolis 04.01.2016 externer Link. Aus dem Text: „… Im Lager Korinth, in dem die von der EJR Mazedonien abgewiesenen und per Kollektivbeschluss als Migranten eingestuften Flüchtlinge untergebracht sind, kam es am Samstag zu einem Aufstand. Das Lager gleicht mehr einem Gefängnis, denn einer Unterbringung für Flüchtlinge. Und tatsächlich wurden von hier bereits zwanzig Personen wieder abgeschoben. 350 Insassen in dem Lager wollten sich nicht widerstandslos mit ihrem Schicksal abfinden. (…) Sie zettelten einen Aufstand an. Während der turbulenten Kämpfe mit der Polizei, die per Video aufgezeichnet wurden, konnten sechs der Insassen entkommen. Sie werden es vermutlich nicht mehr über die EJR Mazedonien, sondern diesmal über die alternative Route über Albanien versuchen. Denn hier zeichnet sich nach der Blockade der Polizeikräfte am griechischen Grenzort Eidomeni eine Alternativroute nach Europa ab…
  • „Griechenland ist jetzt unser Gefängnis“: Polizei räumt Camp in Idomeni
    Seit der Schließung der Grenze zwischen Mazedonien und Griechenland am 19. November campierten Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Bedingungen in Idomeni. Heute hat die griechische Polizei mit der Räumung des provisorischen Lagers begonnen. Chrissi Wilkens, Mitarbeiterin des PRO ASYL-Projektes Refugee Support Program Aegean (RSPA), war in den letzten Tagen in Idomeni und Athen und dokumentierte die Situation…Beitrag bei Pro Asyl vom 9. Dezember 2015 externer Link. Dazu:

    • Aus dem Text: „… Die Menschen, die nun aus Idomeni nach Athen gebracht werden, sehen keine Zukunft in Griechenland. In der Hauptstadt werden sie in provisorischen Massenunterkünften untergebracht. (…) Die Menschen in der dunklen Taekwondo-Halle sind verzweifelt. Ein 20-jähriger Mann aus Somalia, sucht eine Möglichkeit, Athen zu verlassen. Dabei nimmt er jede Gefahr in Kauf, denn in Griechenland sieht er keine Möglichkeit zu überleben: “Die einzige Option ist der Weg aus Griechenland raus. Die Schlepper verlangen aber sehr viel Geld, das ich nicht habe. Ich werde versuchen, mich in einem LKW zu verstecken, der nach Italien fährt.” Bis jetzt hat niemand den jungen Flüchtling über die Möglichkeit eines Asylantrags informiert. Er weiß auch nicht, wie er während eines Asylverfahrens in Griechenland überleben sollte…
    • Siehe auch: Flüchtlingscamp in Idomeni geräumt – Die Ereignisse im Liveticker dokumentiert. Dort wird unter anderem von teils massiver Polizeigewalt auch gegen Familien mit kleinen Kindern berichtet, sowie von massiver Behinderung der Presseberichterstattung – inklusive Verhaftungen von Journalist*innen
  • Wie Europa auf Lesbos versagt
    Zuständig für die Flüchtlinge wären griechische und europäische Behörden, doch diese überlassen die Versorgung Hilfsorganisationen und freiwilligen Helfern. Bericht von Fabian Köhler bei telepolis vom 03.12.2015 externer Link. Aus dem Text: „… Zu wenig Essen, zu viel Gewalt, zu lange Wartezeiten: Seit Monaten klagen Flüchtlinge auf Lesbos über zu wenig Hilfe, klagen Helfer über zu wenig Unterstützung durch lokale Behörden, klagt die Kommunalverwaltung, Athen lasse sie allein, klagt die griechische Regierung über fehlende Gelder aus Brüssel, klagt Brüssel über fehlende Zusagen der EU-Mitgliedsstaaten. „Eigentlich“ ist deshalb ein Wort, das man auf Lesbos häufig hört, wenn man fragt, warum sich die Versorgung der Flüchtlinge auch nach Monaten nicht verbessert hat. Eigentlich sollten doch FRONTEX und die griechische Küstenwache die Menschen vor dem Ertrinken retten, sagen die freiwilligen Rettungsschwimmer im Norden der Insel. Eigentlich wollte Athen doch mehr Schiffe schicken, eigentlich könnte man die Flüchtlinge doch mit Fähren abholen, sagt Lesbos‘ Bürgermeister Spyros Galinos. Eigentlich sollten EU-Behörden längst 600 und nicht nur 67 Mitarbeiter auf die griechischen Inseln entsandt haben. Eigentlich sollten die EU-Mitgliedstaaten längst doppelt so viele Mitarbeiter für das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen freigestellt haben. Eigentlich wird Camp Moria von griechischen Behörden und der EU verwaltet. In der Praxis erinnern daran nur ein einsamer Wachmann, ein Wasserwerfer und die Räumschilder der Polizei hinter dem Zaun…
  • „Hot Spot Center“ in Griechenland: Verzweiflung im Elendslager Moria
    Das durch Stacheldraht umzäunte Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos wurde zum europäischen „Hotspot“ ernannt. Die Bedingungen, die Flüchtlinge dort vorfinden, sind menschenverachtend und entwürdigend. Hunderte warten etliche Stunden bis tagelang unter katastrophalen Bedingungen im Lager auf ihre Dokumente…Bericht von und bei Pro Asyl vom 29. Oktober 2015 externer Link. Aus dem Text: „… Letzte Woche hatte sich die Situation mit dem einsetzenden Regen dramatisch zugespitzt: Hunderte Flüchtlinge harren tagelang im Schlamm vor den Zäunen Morias aus. Bis auf die Haut durchnässte Kinder, Schwangere, Kranke stehen im Regen. Wer Glück hat, findet zumindest zeitweise Platz unter behelfsmäßig aufgespannten Planen, die durch den Wind immer wieder heruntergerissen werden. Freiwillige verteilen Müllsäcke, die sich Kinder und Erwachsene gegen den Regen überstülpen, es fehlt am Notwendigsten. Ein Team von Ärzte ohne Grenzen versucht einzelnen medizinisch Hilfe zu leisten, die Patienten liegen in dem notdürftig eingerichteten Zelt am Boden. Viele sind unterkühlt, krank vom Warten in der Kälte, viele Schwangere stehen im Eingangsbereich…
  • Moria / Lesbos: “Hot Spot” erinnert an Kriegsgebiet
    ++ Refugees müssen in Moria unter unmenschlichen Bedigungen ausharren ++ besonders schutzbedürftige Flüchtlingen tagelang ohne Schutz ++ 2.500 Menschen können nach Medienberichten pro Tag in Moria registriert werden, es kamen aber mehr als 10.000 in den letzten 24 Stunden. Kilometerweit geht die Schlange der Refugees innerhalb und außerhalb des Camps, das ursprünglich als Gefängnis errichtet worden war. Gleichzeitig fehlt es im Camp an jeder Form eines sinnvollen Wartesystems, ebenso an Infrastruktur und Grundversorgung. Refugees sitzen und schlafen zwischen Matsch und Müll, werden in der Menge herumgestoßen, werden von Polizisten beleidigt, geschlagen – und manchmal mit Tränengas traktiert. Die Menschen erkranken und tragen Verletzungen davon in diesen lebensbedrohlichen Zuständen in Moria… Kurzübersetzung eines Berichts aus Lesbos bei Infomobile Griechenland vom 21. Oktober 2015 externer Link
  • Transitzone Athen: Solidarität ersetzt staatliche Strukturen
    Unsere griechische Partnerorganisation, das Refugee Support Program Aegean (RSPA) berichtet über die Situation in der griechischen Hauptstadt. Täglich treffen dort mit den Fähren von den Ägäis-Inseln Tausende Flüchtlinge in Athen ein. Viele davon kaufen sich schon auf den Inseln Fahrkarten und steigen gleich im Hafen von Piräus in Busse, die sie direkt an die Grenze zu Mazedonien fahren. Von dort aus setzen sie schnellstmöglich ihre Reise Richtung Nordwesten fort. Manche bleiben jedoch länger in Athen – das Geld für die Weiterreise fehlt. Die staatlichen Strukturen sind mangelhaft, ohne ehrenamtliche Helfer wären viele Flüchtlinge hilflos…Beitrag von und bei Pro Asyl vom 20. Oktober 2015 externer Link. Aus dem Text: „… Auf Lesbos erklärt uns eine junge syrische Mutter: „Wir haben schon Bustickets gekauft und fahren von Athen direkt weiter. Das Wetter wird von Tag zu Tag schlechter und wir haben Angst, dass die Situation an der Grenze sich verschlechtern könnte. Niemand weiß, wie lange die Grenze offen bleiben wird. Wir haben drei kleine Kinder dabei. Wir müssen uns beeilen bevor der Winter kommt.“ Die Familie besteigt wenige Minuten später die Fähre. Für die schwierigen Wetterbedingungen sind sie nicht ausgerüstet, aber sie hoffen auf Unterstützung von Solidaritätsgruppen unterwegs. Dutzende Busse starten täglich in den frühen Morgenstunden von Piräus und abends zusätzlich vom Zentrum Athens aus. Ähnlich wie die Tickets für die Sonderfähren für Flüchtlinge sind auch die Busfahrkarten oft überteuert. Laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM), fahren Anfang Oktober 70 Prozent der neuankommenden Flüchtlinge direkt vom Einreiseort an den Ausreiseort weiter. Die gesamte Fahrt von Athen bis zur mazedonischen Grenze koste für eine syrische Familie mehr als 700 Euro, so die Organisation. Mittellose Flüchtlinge sind jedoch nicht in der Lage ihre Reise so zügig fortzusetzen und bleiben gezwungenermaßen ein paar Tage länger in der griechischen Hauptstadt, um auf Geldüberweisungen von Verwandten oder Bekannten zu warten. Überwiegend handelt es sich um afghanische Familien, die zunächst zum Viktoria-Platz im Zentrum Athens gehen und sich von dort mithilfe von Kontakten in der afghanischen Community weiter orientieren…
  • „Illegale Einwanderung, Verbrechen und Krisen“: EU finanziert Modernisierung innerer Sicherheit in Griechenland
    Die griechische Regierung will ihre Grenzanlagen massiv aufrüsten. Dies geht aus einem Dokument hervor, das die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch auf ihrer Webseite veröffentlicht. Demnach erhält Griechenland rund 194 Millionen Euro zur Einführung neuer Technologien für die Überwachung und Kontrolle von Land- und Seegrenzen. Die Gelder sollen für die Umsetzung einer „Strategie zum integrierten Grenzmanagement” genutzt werden, die von der früheren Nea Dimokratia-Regierung im September 2014 beschlossen wurde. Weitere 20 Millionen sollen für die Modernisierung der Polizei aufgewendet werden…Beitrag von Matthias Monroy bei netzpolitik.org vom 7. September 2015 externer Link
  • Lesbos: Station auf der Flüchtlingsroute nach Mitteleuropa
    An der Grenze zum Machbaren: Die wohlwollende Stimmung in der Bevölkerung der Insel kippt und weicht einer Resignation. Behörden und Hilfsorganisationen sind heillos überfordert. Die griechische Insel Lesbos liegt gegenüber der türkischen Küste. Die Ankunft mit der Fähre von Ayvalik (Türkei) im Hafen von Mytilini, der Hauptstadt der Ägäis-Insel Lesbos, ist die Ankunft in ein Drama. Die kleine Fähre mit einigen Touristen und Inselbewohnern, die zum Einkauf auf dem türkischen Festland waren, hält neben einer riesigen Fähre nach Athen. Auf dem hinteren Deck drängen sich ca. 400 Flüchtlinge, die sich ein Ticket ergattern konnten – nach einer tagelangen Odyssee durch die Insel – unter menschenunwürdigen Bedingungen. Einen ersten Eindruck, was uns auf der Insel erwartet, bekommen wir schon am Hafen von Mytilini: Rechts von Zoll- und Passkontrollengebäude warten hunderte Flüchtlinge am Kai hinter einem Maschendrahtzaun, rechts ein Berg zerstörter Schlauchboote… Bericht von Elke Dangeleit bei telepolis vom 30.08.2015 externer Link
  • Die Mehrklassengesellschaft des Flüchtlingslebens. Eindrücke von der Insel Kos – Schleuser, Helfer und Abzocker
    Unter den Flüchtlingen auf der Mittelmeerinsel Kos herrscht eine Mehrklassengesellschaft. Ganz oben auf der Pyramide stehen die Syrer. Sie werden von den Behörden im Eilverfahren als Asylanten anerkannt. Zudem stammen die meisten von ihnen entweder aus der Oberschicht oder aus der oberen Mittelschicht. Ingenieure, Wirtschaftswissenschaftler, Rechtsanwälte, Ärzte, Apotheker und Philologen finden sich zwar obdachlos, selten aber wirklich mittellos auf der Insel ein. (…) Der Unterschied in der Klassenzugehörigkeit der Flüchtlinge aller Länder vor ihrer Flucht macht sich an allen Ecken und Enden bemerkbar…“ Artikel von Wassilis Aswestopoulos in telepolis vom 20.08.2015 externer Link
  • Flüchtlinge auf Kos: Eine Insel fühlt sich alleingelassen
    Hunderte Flüchtlinge setzen jede Nacht mit Booten aus dem türkischen Bodrum auf die griechische Insel Kos über. Am Wochenende kam es zu Ausschreitungen unter den Flüchtlingen, jetzt hat sich die Lage beruhigt. Die Menschen in Kos-Stadt sind überwiegend hilfsbereit, verteilen Wasser und Essen. Gleichzeitig macht sich Verzweiflung breit…“ Bericht von Christoph Cadenbach, Kos, vom 17. August 2015 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link
  • Toter auf Kos – Flüchtlinge stürmen Züge durch Fenster
    Nach ihren Strapazen erwartet viele Flüchtlinge eine unwürdige Behandlung – zahlreiche Länder sind überfordert. In Griechenland ist nun ein 16-Jähriger aus Syrien an Dehydrierung gestorben.
    Die Unterbringung von syrischen Flüchtlingen auf einer Fähre auf der griechischen Ägäis-Insel Kos geht voran: Am Wochenende und bis Montagmorgen gingen knapp 500 Menschen an Bord, wie die Behörden mitteilten. Priorität haben Kinder und ihre Mütter sowie Familien. (…) An einem einsamen Strand der Insel wurde die Leiche eines 16 Jahre alten Syrers entdeckt. Seine Angehörigen, die in Schweden leben, hatten ihn vor einigen Tagen als vermisst gemeldet. Der junge Mann soll nach ersten Erkenntnissen von Ärzten auf Kos an Wassermangel (Dehydrierung) gestorben sein, berichtete das griechische Staatsradio am Montag weiter
    …“ Agenturmeldung vom 17.08.15 bei der Welt online externer Link
  • Griechische Polizei schaut zu: Flüchtlinge prügeln aufeinander ein
    Immer mehr Flüchtlinge überrennen die griechische Insel Kos. Die Behörden sind völlig überfordert. Vor einer Polizeistation entlädt sich Frust in Gewalt. Menschen prügeln aufeinander los, Steine fliegen…“ Meldung vom 15. August 2015 bei N-TV externer Link
  • Ansturm auf griechische Ferieninsel: Warum Tausende Flüchtlinge auf Kos landen
    Im Sommer hat die kleine griechische Insel Kos normalerweise nur die Masse von Urlaubern zu bewältigen. In diesem Jahr kommen noch zehntausende Flüchtlinge dazu. Sie warten in der Hitze verzweifelt auf ihre Registrierung. Doch die Behörden sind vom Ansturm der Flüchtlinge überfordert. (…) Das Flüchtlingsdrama ereilt Griechenland in einer ohnehin äußerst schwierigen Lage. Das Euro-Land steckt in seiner schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Allein in den ersten sieben Monaten dieses Jahres kamen nach Zahlen des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) etwa 124.000 per Boot in dem Land an – ein Anstieg von 750 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres. Die Polizei nahm auf Kos und den kleineren vorgelagerten Eilands seit Jahresbeginn fast 30.000 illegal Eingereiste fest. Das entspricht nahezu der gesamten Einwohnerzahl…“ Beitrag vom 12.08.2015 bei heute.de externer Link
  • Griechische Insel überfordert: Zusammenstöße zwischen Polizei und Flüchtlingen auf Kos
    Die griechische Insel Kos ist mit dem Andrang von Flüchtlingen überfordert. Die Polizei setzt Schlagstöcke und Löschschaum ein. Der Bürgermeister warnt: „Die Gefahr eines Blutvergießens ist real.“ (…) Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte vergangene Woche die EU zu Hilfe gerufen, da sein Land überfordert sei. Nach UN-Angaben trafen seit Jahresbeginn knapp 124.000 Flüchtlinge in Griechenland ein.“ Agenturmeldung vom 11.08.2015 bei der FAZ online externer Link
  • Griechenland: Situation der Flüchtlinge wird immer dramatischer: Gewalt der Polizei, Ohnmacht des Staats und Solidarität von den Bürgern
    „… Die Situation der Flüchtlinge im von der Pleite und den Vorgaben der um den ESM erweiterten Troika geplagten griechischen Staat wird immer dramatischer. Der Staat ist offensichtlich nicht mehr in der Lage, des Flüchtlingsstroms Herr zu werden. Zudem fehlt es an Mitteln und Organisationsstrukturen, um die Ankömmlinge mit dem Allernötigsten, also Trinkwasser, zu versorgen. Allein auf Kos und Rhodos sollen täglich knapp 1.000 Menschen nach einer riskanten Bootsfahrt in meist seeuntauglichen Seelenverkäufern ankommen. Im gesamten Juli waren es knapp 50.000 bis 55.000. Die Immigranten stapeln sich förmlich auf den Inseln und werden von einigen der Einheimischen sowie einer Anzahl von Touristen als störend empfunden. Auf der anderen Seite springen solidarische Bürger in Eigenregie bei, und sie gewähren zumindest rudimentär die Dienste, welche der Staat in seiner Ohnmacht nicht mehr wahrnehmen kann…“ Artikel von Wassilis Aswestopoulos in telepolis vom 10.08.2015 externer Link
  • „Die Situation treibt einige in den Wahnsinn“
    … Das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) spricht von einer humanitären Flüchtlingskrise in Griechenland. Etwa 1.000 Fliehende gelangen im Durchschnitt täglich nach Griechenland, so die Schätzungen von UNHCR. Mehr als 100.000 Flüchtlinge sind nach UN-Angaben seit Beginn des Jahres auf dem Seeweg in Griechenland angekommen. Griechenland sei das europäische Mittelmeerland, in dem 2015 bislang die meisten Bootsflüchtlinge registriert worden seien, sagte der Sprecher des Hilfswerks UNHCR, Adrian Edwards, am 24. Juli 2015 in Genf. Etwa 60 Prozent sind Kriegsflüchtlinge aus Syrien. „Dass die Menschen in verlassenen Gebäuden oder auf Müllfeldern sich selbst überlassen bleiben, wo kaum Zugang zu Wasser oder gar Toiletten besteht, ist einfach inakzeptabel und bringt die Gesundheit dieser Menschen in Gefahr“, beschreibt Elisabetta Faga, Koordinatorin des Noteinsatzes von Ärzte ohne Grenzen (MSF) auf Lesbos, die sich zuspitzende humanitäre Krise auf den griechischen Inseln. Die Appelle der humanitären Hilfsorganisationen vor Ort werden von Tag zu Tag dringlicher…Bericht bei Pro Asyl vom 31. Juli 2015 externer Link. Dort auch:

    • … neue Ära von Push Backs?
      (…) Ein lokaler Nachrichtenblog aus Lesbos veröffentlichte am 22. Juli 2015 ein Dokument, das den internen Befehl der griechischen Küstenwache an alle nationalen Küstenwachen der Nordägäis enthält, bei Lokalisierung eines Flüchtlingsbootes sofort Maßnahmen der „Vorbeugung der Einreise“ auf griechisches Territorium einzuleiten. Die türkische Küstenwache sei zu alarmieren, damit diese sich um den Vorfall kümmere. Es ist zu befürchten, dass diese Anweisung wieder zu neuen Push Backs – oft mit Brutalität ausgeführte völkerrechtsrechtswidrige Zurückweisungen von Flüchtlingen – an der griechisch-türkischen Grenze führen wird. Aktuell häufen sich wieder Gerüchte um illegale Zurückweisungen auf See durch maskierte Beamte…
  • UNHCR warnt vor Flüchtlingskrise in Griechenland
    Die Anzahl der Flüchtlinge, die auf den griechischen Inseln ankommen, steigt weiter auf einen Durschnitt von 1.000 Menschen täglich. Seit Beginn des Jahres sind 77.100 Flüchtlinge über das Meer nach Griechenland gekommen (Zahlen vom 03.07.2015). Fast 60 von ihnen sind Flüchtlinge aus Syrien. Andere kommen aus Afghanistan, Irak, Eritrea ud Somalia. Griechenland steht nun vor einer beispiellosen Flüchtlingskrise. Am Dienstag morgen verließ ein Boot die Türkei, mit bis zu 40 Flüchtlingen, und kenterte zwischen den griechischen Inseln Agathonisi und Farmakonisi. Nach Angaben der griechischen Küstenwache haben griechische und türkische Seerettungshilfen 19 Mensche gerettet. Acht wurden von der griechichen Küstenrettung und 1 von der türkischen gerettet. 5 Körper wurden gefunden und bis zu 16 Menschen fehlen noch und es wird befürchtet, dass sie ertrunken sind…Pressemeldung von UNHCR vom 10. Juli 2015, deutsche Übersetzung von presstranslations.wordpress.com dokumentiert bei Indymedia Linksunten am 12. Juli 2015 externer Link
  • Ein Ende mit der Kriminalisierung/Strafverfolgung des Transports von Migranten
    Ein Ende der Kriminalisierung der Solidarität für die Flüchtlinge setzt eine Änderung im Gesetzesentwurf zur Staatsangehörigkeit fest, die die stellvertretende Ministerin für Migrationspolitik Tasia Christodoulopoulou vorlegte, wobei über den Gesetztesentwurf am Mittwoch in der Vollversammlung des Parlaments abgestimmt wird. Die Änderung hebt die Sanktionen für den Transport von Migranten mit öffentlichen oder privaten Transportmittel auf, dies in drei Fällen: der Rettung im Meer, des Transports von Menschen, die den internationalen Schutz benötigen und die Beförderung ins Innere, damit die rechtlichen Prozeduren nach dem illegalen Eingang ins Land folgen können. Die Sanktionen sollten eigentlich das Ziel haben, die Schleuser zu treffen, in der Praxis wirkten sie aber bestrafend für die Flüchtlinge, die dutzende von Kilometer laufen mussten, und bestrafend für Bürger, die sich solidarisch zeigen wollten, die Strafverfahren auf sich zogen, da sie den erschöpften Menschen in Note zur Hilfe kommen wollten.“ Artikel in EfSyn vom 12. Juli 2015, zusammenfassende Übersetzung von und bei borderline-europe externer Link.  Hier der Originalartikel externer Link (griechisch). Siehe dazu: Noch nicht Gesetz, werden aber bereits erste Urteile in dieselbe Richtung gesprochen:

    • Mytilini: Die Freiwilligen, die Migranten transportierten, sind unschuldig
      „Das dreiköpfige Amstgericht Mytilinis sprach die Freiwillige, eine Postgraduate Studentin der Universität der Ägäis, Dora Tsogkari, frei, die vergangenes Wochenende verhaftet w0rden war, da sie zwei Familien mit drei kleinen Kindern zum Lager transportierte hatte. Am vergangen Dienstag, 7. Juli wurde aus dem selben Grund die Freiwillige Dafni Bloumidi-Troumpouni freigesprochen, die auch angeklagt wurde, die „Bewegung und die Bleibe der Migranten auf der Insel erleichtert zu haben”. “Ich wurde einstimmig freigesprochen, es gewann die Menschlichkeit gegenüber den Krümmungen des Gesetzes” betonte in einer schriflichen Stellungnahme Frau Tsogkari nach ihrem Freispruch. Artikel bei e-typos.com vom 12. Juli 2015, zusammenfassende Übersetzung von und bei borderline-europe externer Link. Hier der Originalartikel externer Link (griechisch)
  • Elend und brutale Gewalt an der mazedonisch-griechischen Grenze
    Ein Trek von Tausenden Flüchtlingen versucht verzweifelt an der mazedonisch-griechischen Grenze in die EU zu gelangen. Die Schutzsuchenden werden Opfer von brutaler Gewalt und nacktem Elend. Augenzeugen aus Griechenland, Deutschland und Österreich appellieren an deutsche Politikerinnen und Politiker, jetzt sofort an den Ort der Katastrophe zu reisen. Beitrag von und bei Pro Asyl vom 10. Juli 2015 externer Link. Siehe dazu:

    • Sie betteln um Wasser
      Presseerklärung des vdää zur Flüchtlingskatastrophe in Nord-Griechenland externer Link. Aus dem Text: „… „Es ist entsetzlich zu erleben, wie Menschen aus Gebüschen gekrochen kommen und nach Wasser und Essen betteln müssen“, so Nadja Rakowitz, Geschäftsführerin des vdää, die am 8. Juli mit dem Soli-Komitee vor Ort war. Der vdää appelliert an die politisch Verantwortlichen in der EU, diese menschenunwürdige Situation umgehend zu beenden und die Griechinnen und Griechen damit nicht alleine zu lassen. (…) An die deutsche Bevölkerung appellieren wir, praktische Solidarität zu üben…
    • Dort auch: „Ein Aufschrei aus Idomeni/Griechenland“,
      unterzeichnet von Vasilis Tsartsanis Polykastro, Dorothee Vakalis, Katherina Notopoulou Thessaloniki, Dr. Nadja Rakowitz Frankfurt/M, Gerhard Lanzerstorfer, Wien – der Text, auf den sich Pro Asyl und vdää in ihren Beiträgen beziehen. Aus dem Aufschrei: „Wo Europa Augen und Ohren schließt und Verbote erlässt, da wachsen kriegsähnliche Gefahren heran und bereichern sich mafiose Gruppen an hilflosen Flüchtlingen: Die Züge syrischer, afghanischer und afrikanischer Flüchtlinge an den Grenzen Nordgriechenlands zu FYROM (Mazedonien). (…) Während angesichts der Massen an Flüchtlingen staatliche und kommunale Organe in Ohnmacht verharren, bewegt sich jedoch die griechische Zivilgesellschaft an vielen Orten: Hausfrauen, Geschäftsleute, Lehrkräfte, Arbeitslose tun sich zusammen, kochen, verbinden Wunden, helfen und unterstützen  unermüdlich: „Wir wollen keine Gelder für Hilfsmaßnahmen, wir wollen, dass die Politik hier endlich Lösungen findet“, sagen sie uns in Polikastro. Augenzeugen berichteten auch von „deutschen Beamten“ an den Grenzen FYROMS (Mazedonien) und sowie in Ungarn. Dort sollen Hunde auf Flüchtlinge losgelassen werden, die sie auf den Boden drücken sollen. Welche/r Abgeordnete richtet eine Anfrage an den Deutschen Bundestag, damit diese Aussagen geklärt werden: „Wo  überall in Europa und welche deutschen Polizeieinheiten mit wie viel Beamten tun Dienst  zur Abwehr von Flüchtlingen?“ Wann endlich sind wir bereit, die brutalen Abschreckungsmaßnahmen umzuwandeln in eine Kultur der europäischen Solidarität und der viel beschworenen Menschenrechte? …
  • Humanitäre Katastrophe in der Ägäis: Griechenland geht in die Knie – EU versagt
    Die humanitäre Krise von Flüchtlingen in der Ägäis spitzt sich weiter zu – es fehlt am Nötigsten. Staatliche Hilfe gibt es kaum. Freiwillige versuchen, die Not der Schutzsuchenden zu lindern. Bericht von und bei Pro Asyl vom 9. Juli 2015 externer Link. Aus dem Text: „… „Den Flüchtlingen fehlt es an allem – manchen sogar an Essen und Trinken“, berichtet Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhard aus Griechenland. „Wir befürchten, dass sich die Situation weiter zuspitzt“. Eine kurzfristige, koordinierte und umfassende Intervention des griechischen Staates ist angesichts der katastrophalen finanziellen Situation und der faktischen Nicht-Existenz relevanter Strukturen nicht zu erwarten. Auch die EU bleibt tatenlos und sieht der Eskalation zu. Angesichts der Notsituation muss vor Ort dringend Katastrophenhilfe erfolgen. (…) Es sind bislang vor allem Freiwillige, Solidaritätsinitiativen und zivilgesellschaftliche Organisationen, die auf den Inseln versuchen, dem humanitären Notstand zu begegnen und den Schutzsuchenden zu helfen. Sie organisieren Lebensmittel, Medikamente, Hygienemittel, Zelte auf eigene Kosten. (…) Die Schließung der Banken verschärft jedoch die akuten Versorgungsengpässen, da Unterstützerinnen und Unterstützer nicht mehr an ihr Geld kommen, um dringend benötigte Lebensmittel und Versorgungsgüter kaufen zu können. Auch die Flüchtlinge selbst können deswegen nicht einmal auf Notüberweisungen von Familienangehörigen oder Freunden zurückgreifen. Überweisungsdienste wie Western Union haben ihre Dienste für Flüchtlinge ebenfalls ausgesetzt…
  • Sie halten nicht mehr lange durch
    Überfüllte Auffanglager, gestoppte Essenslieferungen: Die Wirtschaftskrise in Griechenland erreicht die Allerschwächsten – die Flüchtlinge. Artikel von Efthymis Angeloudis, Philip Faigle, Karsten Polke-Majewski und Zacharias Zacharakis bei Zeit online vom 9. Juli 2015 externer Link. Aus dem Text: „… Spätestens seit dieser Woche aber scheint die Situation in vielen Lagern zu eskalieren. Am Dienstag schrieben die zuständigen Regionalgouverneure einen Brandbrief nach Athen: Das zuständige Catering-Unternehmen für das Auffanglager in Samos habe seit Monaten kein Geld gesehen. Deshalb beliefere es seit Montag das Lager nicht mehr mit Nahrung. Die Behörden hätten keine andere Wahl gehabt, als die Türen der Flüchtlingslager zu öffnen. Die Flüchtlinge seien daraufhin in die Stadt gezogen, um selbst nach Essen zu suchen und irgendetwas zum Überleben zu finden. Organisationen wie das UNHCR, das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen und Human Rights Watch bestätigten die Darstellung der Gouverneure. Die Regierung in Athen hat mittlerweile mitgeteilt, dass das fällige Geld an das Unternehmen überwiesen wurde…
  • Flüchtlingskrise in der Ägäis – Europa lässt Griechenland im Stich
    PRO ASYL fordert humanitäre Hilfe vor Ort und legale Weiterreise der Schutzsuchenden. Die Situation der Flüchtlinge in Griechenland spitzt sich dramatisch zu. Europa sieht tatenlos zu, wie sich die humanitäre Krise zu einer Katastrophe entwickelt. Die Situation auf den ägäischen Inseln ist außer Kontrolle. Doch anstatt Verantwortung zu übernehmen und mit allen verfügbaren Mitteln das Leid der Schutzsuchenden zu beenden, streiten sich die EU- Innenminister bei ihrem heute in Luxemburg stattfindenden Treffen über völlig unzureichende Flüchtlingsquoten…Presseerklärung von und bei Pro Asyl vom 16. Juni 2015 externer Link. Aus dem Text:

    • „… Bereits 102.000 Bootsflüchtlinge sind in den ersten fünf Monaten des Jahres in Griechenland (48.000)und Italien (52.000) angekommen. Die Route über die Ägäis nach Griechenland entwickelt sich derzeit zum Hauptfluchtweg nach Europa. Allein auf Lesbos steigt die Zahl der Ankünfte von Januar (737) bis Mai (7.200) kontinuierlich an. Insgesamt sind auf Lesbos in diesem Jahr bereits über 20.000 Bootsflüchtlinge angekommen. (…) Das krisengeschüttelte Griechenland wird ohne schnelle und umfangreiche humanitäre Hilfe vor Ort durch die anderen EU- Staaten und ohne die Eröffnung legale Weiterreisemöglichkeiten für die gestrandeten Flüchtlinge noch mehr destabilisiert, das Leben der Schutzsuchenden wird gefährdet. Die Staaten Europas verweigern den Flüchtlingen legale Weiterreisemöglichkeit zur ihren Verwandten und Communities…
  • Syriza-Politikerin über Flüchtlinge: „Es ist katastrophal“
    Die neue griechische Regierung will Flüchtlingsgefängnisse schließen. Die EU verhindert das, sagt Tasia Christodoulopoulou. Interview von Christinia Palitzsch in der taz online vom 11. Juni 2015 externer Link.  Aus dem Text:

    • … Die linke Syriza-Regierung hatte angekündigt, alle Flüchtlingshaftanstalten zu schließen und einen Kurswechsel einzuleiten. Das ist bislang nicht geschehen. Warum?
      Amygdaleza wurde wie die anderen sechs Flüchtlingsgefängnisse 2012 unter der Vorgängerregierung gebaut. Die Gelder für den Bau der Haftzentren stammten zum Großteil aus Töpfen der EU. Einvernehmlich mit europäischem Recht haben diese Zentren eine Laufzeit von zehn Jahren. Als wir sie schließen wollten, forderte die EU, dass wir dann das Geld zurückgeben müssen, das die damalige Regierung für den Bau der Haftzentren erhalten hatte.
      Das wären zweistellige Millionenbeträge.
      Und dieses Geld hat Griechenland derzeit nicht. Als wir hörten, dass wir dann Strafe zahlen müssen, hatten wir natürlich ein Problem. Also haben wir versucht herauszufinden, was wir tun können, ohne diese hohe Summe zahlen zu müssen. Zuerst haben wir die entlassen, die illegal eingesperrt waren, also die Asylantragssteller, Kranke, schwangere Frauen, die, die man abschieben wollte, aber deren Antrag noch nicht bearbeitet wurde und vor allem die unbegleiteten Minderjährigen. Neu ist nun immerhin, dass seit diesem Jahr alle, die auf den Inseln ankommen, gleich eine sechsmonatige Aufenthaltserlaubnis erhalten.
      Wäre es möglich die Flüchtlingsgefängnisse als Aufnahme- oder Willkommenszentren umzugestalten, ohne die EU-Vorgaben zu verletzen?
      Nein. Das Geld war nur für Gefängnisse bewilligt, also nur für geschlossene Einrichtungen, in denen Menschen festgehalten werden…
  • Heike Schrader im Gespräch mit Tasia Christodoulopoulou in der jungen Welt vom 15. Mai 2015 externer Link – aus dem Text:“Was haben Sie bei Übernahme ihres Ministeramts vorgefunden?
    Im Grunde nichts, denn vor dem Wahlsieg von Syriza gab es kein Ministerium für Migrationspolitik in Griechenland. Statt dessen haben die Vorgängerregierungen versucht, dieses so wichtige politische und gesellschaftliche Problem mit Hilfe von Repression zu lösen. (…) Wir stehen vor einem doppelten Problem: Wir haben keine Strukturen und wir haben kein Geld. Denn auch wenn uns die Gemeinden Räume zur Verfügung stellen können, braucht es Geld, um diese nutzen zu können. (…) Die vorherige Regierung wäre verpflichtet gewesen, bis zum Oktober 2014 ihre Anträge auf die EU-Finanzierung von 2014 bis 2020 der Europäischen Kommission vorzulegen. Sie hat nichts eingereicht, die entsprechenden Anträge werden nun von uns gestellt. Wir sind also in ein Finanzloch gefallen…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=80460
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