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Die Goldene Morgenröte mag in Griechenland Geschichte sein – die Nazibanden sind es noch längst nicht

Goldene Morgenröte in Griechenland „… Die antifaschistischen Massenkundgebungen, die an jedem Jahrestag seit der Ermordung von Pavlos Fyssas abgehalten wurden, sowie die Arbeit zahlreicher politischer Organisationen und Journalist*innen haben entscheidend dazu beigetragen, das Bewusstsein für das wahre Wesen der Goldenen Morgenröte zu schärfen und haben zweifellos eine Rolle bei ihrem späteren Untergang gespielt, da die Organisation bei den Parlamentswahlen 2019 nicht ins Parlament einziehen konnte. Das waren jedoch nicht die einzigen Faktoren. Am wichtigsten ist, dass Umfragen gezeigt haben, dass die Wähler der Goldenen Morgenröte, weitgehend zur rechten Partei Nea Dimokratie abgewandert sind, die im Juli 2019 mit einem Erdrutschsieg von 39 Prozent gewonnen hat, nachdem sie erfolgreich eine intensiv nationalistische Bewegung gegen das Prespes-Abkommen angestoßen hatte, den Vertrag, mit dem Griechenland den Namen seines Nachbarlandes Nordmazedonien anerkannte. Was die soziale Bewegung der Goldenen Morgenröte betrifft, so ist sie nun auf die verschiedenen Anti-Flüchtlings-Proteste und Unruhen in ganz Griechenland zurückzuführen, die sowohl in ihrer Anzahl als auch in ihrer Intensität weiter zunehmen. (…) Die Goldene Morgenröte ist als Organisation praktisch tot. Aber auch wenn der Prozess zu einem Ende kam, nachdem die Goldene Morgenröte bereits den größten Teil seiner politischen Schlagkraft verloren hat, bedeutet das nicht, dass diese Geschichte zu Ende ist. Die Verbindungen der Goldenen Morgenröte sowohl zum politischen System als auch zum organisierten Verbrechen, die Übernahme ihrer Agenda durch die Regierungspartei und ihr tiefer Einfluss in der Armee und der Polizei lassen sich nicht so leicht entwurzeln. Das wird die nächste Herausforderung für die Zehntausenden von Menschen sein, die vor dem Athener Berufungsgericht unter dem Transparent “sie sind nicht unschuldig” protestierten…“ – aus dem Beitrag „Griechenlands Goldene Morgenröte wurde zerschlagen – aber ihre Agenda lebt weiter“ von Yannis-Orestis Papadimitriou am 14. Oktober 2020 bei Progressive International externer Link über Faschismus in Griechenland – ohne Morgenrot, mit Regierung… Siehe dazu auch einen Beitrag (unter anderem) über mediale Unterstützung für die Faschisten in Griechenland, sowie einen (älteren) Beitrag über die Netzwerke und Querverbindungen von Nazibanden und Rechtsregierungen:

  • „Der Führer geht in den Knast“ von Wassilis Aswestopoulos am 15. Oktober 2020 in der jungle world externer Link (Ausgabe 42/2020) zur Situation nach dem Urteil unter anderem: „… Einiges spricht dafür, dass viele griechische Polizisten, insbesondere in Athen tätige MAT-Polizisten, mit der Chrysi Avgi sympathisieren. In Griechenland ist es Polizisten erlaubt, in speziellen Wahllokalen zu wählen, die sich in der Nähe ihrer Dienststelle befinden. Bei den Parlamentswahlen im Mai und im Juli 2012 erhielt die Partei in elf solchen Wahllokalen in Athen mehr als doppelt so viele Stimmen wie im Athener Durchschnitt. 2012 zog die Partei erstmals ins griechische Parlament ein, bis 2019 war sie dort vertreten. Bei den Parlamentswahlen im Januar und im September 2015 wurde sie drittstärkste Kraft. Das Ermittlungsverfahren gegen die Chrysi Avgi wurde im September 2013 eröffnet. Der Prozess vor dem Berufungsgericht in Athen dauerte über fünf Jahre. In dieser Zeit wurden mehrfach Aufnahmen abgehörter Gespräche ausgewertet, die direkte Verbindungen zwischen Mitgliedern von Chrysi Avgi und Polizeibeamten enthüllen. Im April 2018 hörten die Richter ein abgehörtes Telefongespräch zwischen ­einem leitenden Parteimitglied und einem MAT-Beamten, in dem der Be­amte das Parteimitglied anscheinend über das Verhalten linker Demonstranten informiert. (…) Einige Politiker, insbesondere der ND, und Journalisten, insbesondere des privaten Fernsehsenders Skai, zeigten in den vergangenen Jahren Verständnis für die Neonazis. Der ehemalige Skai-Journalist Babis Papadimitriou ist inzwischen Parlamentsabgeordneter der ND. Am 12. September 2013, nur wenige Tage vor dem Mord an Fyssas, sagte er auf Skai: »Wir brauchen eine seriöse Chrysi Avgi.« Constantinos Bogdanos, ebenfalls ein ehemaliger Skai-Journalist und mittlerweile Parlamentsabgeordneter der ND, meinte, während des Prozesses im griechischen Fernsehen anmerken zu müssen, Roupakias tue ihm leid. Er sah den Mörder als Opfer des Hasses von Fyssas’ Mutter, Magda Fyssas, da diese vor Gericht eine Plastikflasche auf Roupakias geworfen und versucht hatte, ihn an­zuspucken. Der Skai-Moderator Aris Portosalte mutmaßte nach dem Mord an Fyssas, dieser sei wegen eines Streits über ein Fußballspiel ermordet worden. Am Mittwoch voriger Woche bezeichnete er die Antifaschisten, die vor dem Gerichtsgebäude in Athen demonstrierten, als Faschisten. »Du hast viele Kinder, Mutter!« Mit diesem Zitat des Dichters Giannis Ritsos (1909–1990) und einer Skizze von Magda Fyssas kommentierte der Karikaturist Panos Zacharis das Urteil. Der unermüdliche Einsatz der Familie Fyssas, die aufopfernde, größtenteils pro bono erfolgte Arbeit der Anwälte der Nebenklage und zahlreiche Solidaritätsveranstaltungen, bei denen Geld gesammelt wurde, haben zur Verurteilung der Parteimitglieder beigetragen…“
  • „Neonazis in Griechenland“ von Jiannis Papadopoulos am 14. Juni 2013 in Le Monde Diplomatique externer Link bereits damals zu Nazis in Griechenland über die „Parteigrenzen“ hinaus: „… Und doch ist nicht zu leugnen, dass die Chrysi Avgi – trotz der zahllosen Verbrechen, die von den Nazibesatzern auf griechischem Boden verübt wurden – mit ihrer mehr oder weniger verkappten neonazistischen Ideologie die griechische Gesellschaft zu durchdringen beginnt. Wie lässt sich dieses historische Paradoxon erklären? Hauptursache ist natürlich die tiefgreifende ökonomische und soziale Krise, die das Land seit 2009 durchmacht. Sie hat nicht nur zur Abnutzung der „staatstragenden“ Parteien und zur Delegitimierung der politischen Klasse geführt, sondern auch zur Auflösung der alten politischen Kategorien. Das zeigt sich zum Beispiel in der Bewegung der „Empörten“, die im Sommer 2011 international Furore machte. Auf dem Syntagma-Platz wurde damals die Stimmung in der griechischen Gesellschaft von wütenden Demonstranten wiedergegeben, die das Parlament als „Bordell“, die gewählte Regierung als „Junta“ beschimpften. Oder sogar dazu aufriefen, das Parlament niederzubrennen. Auch Politiker der Linken haben sich in ihrer Wortwahl verirrt und damit zur allgemeinen Verwirrung beigetragen. So wurden Repräsentanten der Regierungsparteien Nea Dimokratia und Pasok von Sprechern der Syriza und anderer linker Organisationen des Öfteren als „Nazis“ bezeichnet. Letztlich könnten die wahren Neonazis von dieser Wortinflation profitieren. Aber vor allem ist es die ambivalente Haltung der konservativen Kräfte, die der Chrysi Avgi nutzt. Das zeigt sich zum Beispiel in der Debatte über ein neues Antirassismusgesetz, das in der Koalitionsregierung für Sprengstoff sorgt. Regierungschef Samaras und seine ND kontern die Gesetzesvorlage von Justizminister Roupakiotis von der Dimar (Demokratische Linke), sie ist die kleinste Regierungspartei, mit einem eigenen, aufgeweichten Entwurf. Auch der dritte Koalitionspartner Pasok will eine eigene Vorlage einbringen. Dimar und Pasok werfen der ND Opportunismus vor: Sie wolle das Wählerpotenzial der Chrysi Avgi abschöpfen, da sie bei den letzten Wahlen viele Anhänger an die Rechtsextremisten verloren hat. Ein Antirassismusgesetz gibt es in Griechenland schon seit 1979. Es sieht für „rassische und religiöse Diskriminierung“ eine Gefängnisstrafe von maximal zwei Jahren vor. In der Praxis fand das Gesetz allerdings bislang keine Anwendung. Den Versuch einer Wiederbelebung machte kürzlich die Athener Oberstaatsanwältin Panagiota Fakou, als sie ein Ermittlungsverfahren gegen den XA-Parlamentarier Alexandros Plomaritis einleitete. Der hatte vor den Wahlen von 2012 in einem Dokumentarfilm des britischen Senders Channel 4 die Migranten in Griechenland als „Bazillen“ bezeichnet und in Anspielung auf die Judenvernichtung der Nazis proklamiert: „Wir sind bereit, die Verbrennungsöfen anzuwerfen.“...“
  • Siehe dazu auch unser Dossier zum Prozess gegen die Goldene Morgenröte: „Nach dem Mord an Pavlos Fyssas: Griechische Behörden gegen „Goldene Morgenröte“ (Chrysi Avgi)
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=179759
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