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Zum Stand des neuen Ausländergesetzes in Frankreich: Richterspruch, Protest, Spaltungsgefahr

"Contre la loi Darmanin" - Foto der Demo in Paris am 25.1.2024 von Marche des SolidaritésDas Verfassungsgericht kassiert das verschärfte Ausländergesetz teilweise, z.T. aus formalen Gründen – 32 Artikel wegen Kompetenzüberschreitung des zuständigen Ministeriums bzw. fachfremden Gesetzesinhalten zensiert; drei aus pur inhaltlichen Gründen – Zwei Gewinner: Regierungslager (trotz gegenteiligen Anscheins) und extreme Rechte – Zuvor fanden Protestmobilisierungen auch mit gewerkschaftlicher Beteiligung statt, die jedoch bei weitem nicht auf der Höhe der Anforderungen waren und überdies schädliche Spaltungstendenzen aufwiesen. Eine Fortdauer insbesondere auch mit Streiks bei migrantischer Arbeit wäre wünschenswert…“ Artikel von Bernard Schmid vom 27.1.2024 – wir danken!

Zum Stand des neuen Ausländergesetzes in Frankreich: Richterspruch, Protest, Spaltungsgefahr

Das Verfassungsgericht kassiert das verschärfte Ausländergesetz teilweise, z.T. aus formalen Gründen – 32 Artikel wegen Kompetenzüberschreitung des zuständigen Ministeriums bzw. fachfremden Gesetzesinhalten zensiert; drei aus pur inhaltlichen Gründen – Zwei Gewinner: Regierungslager (trotz gegenteiligen Anscheins) und extreme Rechte – Zuvor fanden Protestmobilisierungen auch mit gewerkschaftlicher Beteiligung statt, die jedoch bei weitem nicht auf der Höhe der Anforderungen waren und überdies schädliche Spaltungstendenzen aufwiesen. Eine Fortdauer insbesondere auch mit Streiks bei migrantischer Arbeit wäre wünschenswert…

Hinsetzen, durchgefallen! (Durchgefallen, garstig‘ Wort…: https://www.youtube.com/watch?v=xoTd0_YdF48 externer Link ) Dies ist, jedenfalls vordergründig, die Antwort des französischen Verfassungsgerichtshofs oder Conseil constitutionnel, abgekürzt C.C. – wörtlich „Verfassungsrats“ – auf das in der Nacht vom 19. zum 20. Dezember 2023 verabschiedete französische Ausländergesetz. In seiner Entscheidung, die am späten Nachmittag des gestrigen Donnerstag, den 25. Januar 24 verkündet (https://www.conseil-constitutionnel.fr/actualites/communique/decision-n-2023-863-dc-du-25-janvier-2024-communique-de-presse externer Link) wurde, kassiert der C.C. über ein Drittel des Textes. Er beanstandet insgesamt rund vierzig Prozent des Gesetzestextes in seiner vom Parlament verabschiedeten Fassung.

Ursprünglich enthielt das Gesetz 25 bzw. mit den Sonderbestimmungen zu den französischen „Übersee“gebieten 26 Artikel, die allerdings in letzter Minute formal umgestaltet wurden: Um eine vereinfachte Lesbarkeit zu ermöglichen, wurden eine Reihe längerer, viele Absätze enthaltende Artikel aufgebrochen und in mehrere neue Artikel aufgespalten. Dergestalt wurden aus ursprünglich 25 nunmehr 85 kürzere Artikel. (Vgl. die allerletzte Textfassung: https://www.assemblee-nationale.fr/dyn/16/textes/l16t0220_texte-adopte-provisoire.pdf externer Link pdf) Von diesen wiederum wurden nun 35 zensiert.

Im Wesentlichen scheitern damit vor dem Verfassungsgericht alle oder nahezu alle Einfügungen, die durch die konservative Rechte in Gestalt der Oppositions-, doch im Senat (dem parlamentarischen Oberhaus) über eine Mehrheit verfügenden Partei Les Républicains oder LR zum ursprünglichen Regierungsentwurf hinzugefügt worden waren. Letzterer bleibt hingegen weitgehend erhalten, wie Innenminister Gérald Darmanin, Mitglied von Emmanuel Macrons Regierungspartei Renaissance, unterstrich.

Überwiegend erfolgt die Ablehnung durch die Verfassungsrichter allerdings aus formalen Gründen: Bei 32 der durchgefallenen 35 Artikel stellt der C.C. fest, es handele sich um so genannte cavaliers législatifs, also sinngemäß: trojanische Pferde, mittels derer eine Parlamentsmehrheit versucht habe, unter dem Vorwand der Verabschiedung eines Gesetzestextes fachfremde Gegenstände zu regeln – d.h. Themen, die einen anderen Fachbereich betreffen, in die Zuständigkeit eines anderen Ministeriums (als desjenigen, der den Entwurf ausgearbeitet hatte) fallen und zu ihrer wirksamen Regelung ein eigenes Gesetzeswerk benötigen würden.

Insbesondere betrifft das alle Regelungen, die in den Bereich des Sozialrechts fallen, darunter die besonders umstrittenen, unter Druck der Oppositions- bzw. im Senat die Mehrheit innehabenden Rechtspartei LR in den Gesetzentwurf aufgenommenen Bestimmungen zur Einschränkung bestimmter Sozialleistungen (Wohngeld/Mietbeilhilfe für einkommensschwächere Haushalte, Kindergeldzahlungen, häusliche Pflegehilfe) für Ausländer/innen. Partei und Parlamentsfraktion von LR hatten gefordert, ausländischen Staatsangehörigen erst nach mindestens fünfjährigem legalem Aufenthalt solche Leistungen zugute kommen zu lassen. Das bürgerlich-liberale Regierungslager wollte dabei nicht so richtig mitziehen, während die Linksopposition vor einer Logik des teilweisen Einzugs einer „Inländerbevorzugung“ (préférence nationale oder priorité nationale, wie der Kernpunkt der Programmatik des rechtsextremen Front National/jetzigen Rassemblement National seit Jahrzehnten lautet) in die Gesetzgebung warnte.

Das Regierungslager gab letztlich ein Stück weit nach, um sich im Laufe des 19.12.2023 – am Tag vor der Verabschiedung – mit LR auf folgenden Kompromiss zu einigen: Die Voraussetzung fünfjährigen legalen Aufenthalts gilt für jene Ausländer/innen, die nicht sozialversicherungspflichtig arbeiten, wovon anerkannte Asylberechtigte sowie ausländische Studierende nicht betroffen sind, für sozialversicherungspflichtig beschäftigte Ausländer/innen hingegen gelten zweieinhalb Jahre. Ausgenommen davon blieb hingegen das Wohngeld (APL), das bei sozialversicherungspflichtig Beschäftigten bereits nach drei Monaten legalem Aufenthalt, für andere ausländische Staatsbürger/innen hingegen erst nach fünf Jahren ausbezahlt werden sollte. Die Absenkung für die erstgenannte Gruppe auf drei Monate dürfte darauf zurückzuführen sein, da man ansonsten verstärkte Ghettobildung befürchtete, wenn Menschen ausländischer Staatsangehörigkeit von ganzen Wohngegenden faktisch ausgeschlossen würden.

Bei der Ausdehnung der abgeforderten legalen Aufenthaltsdauer auf fünf Jahre bei nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ausländer/inne/n wären nicht so sehr solche Personenkreise betroffen gewesen, die statt von Arbeit etwa vom Drogendealen leben – die dürften sich einen legalen Aufenthalt wohl ohnehin in die Haare schmieren dürfen! -, sondern vor allem Personengruppen wie ausländische Mütter von Kindern mit französischer Staatsbürgerschaft (d.h. mit französischen Vätern), die Alleinerziehende sind und keinen Kita-Platz erhielten, wobei derzeit nur 26 % der Kinder im Alter von unter drei Jahren in Frankreich einen Kita-Platz oder eine andere, nicht privat organisierte Betreuungsmöglichkeit aufweisen.

Solche Bestimmungen kassierte das Verfassungsgericht nun: Sie hätten in seinen Augen (statt rein ausländerrechtlicher Bestimmungen) gesetzgeberischer Eingriffe in die Sozialgesetzgebung, und deswegen die Ausarbeitung von neuen Regeln im Hause des Sozial- und Arbeitsministeriums bedurft – und nicht oder nicht nur einen Gesetzentwurf aus dem Innenministerium wie im vorliegenden Falle. Dieser gilt in den Augen der Verfassungsrichter als fachfremder Eingriff. Dies sorgt also dafür, dass diese besonders umstrittenen Bestimmungen fallen, erlaubt allerdings zumindest theoretisch durchaus, dass inhaltlich ähnliche Bestimmungen künftig ausgearbeitet werden, wenn diese formal korrekt und in den dafür zuständigen Ministeriumsstellen ausgearbeitet werden. Dafür müsste es allerdings nach der gestrigen Zensur auch erst eine politische Mehrheit geben (derzeit weist keine Fraktion in der französischen Nationalversammlung eine absolute Mehrheit auf), und die ist wohl nicht in Sicht.

Zensiert wurde ebenfalls die vorgesehene „Rückkehrkaution“, die ausländische Studierende hätten hinterlegen müssen. Dafür hätte das Hochschulministerium bei der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs mit eingeschaltet werden müssen.

Aus stärker inhaltlichen Gründen kassiert wurden ferner drei Artikel, darunter auch die zu Anfang des Gesetzestextes (in seiner am Abend des 19. Dezember 23 verabschiedeten Fassung) auftauchende Bestimmung, wonach das französische Parlament alle drei Jahre Leitlinien zur Ausländerpolitik und in diesem Rahmen auch eine dreijährige Obergrenze für die Erteilung von Aufenthaltstiteln festlegen sollte. Ausgenommen worden wären wohl wiederum anerkannte Asylberechtigte. Das Urteil des C.C. wertete dies jedoch als Eingriff in die Rechte des Parlaments und in dessen Autonomie gegenüber der Exekutive (und damit in die Gewaltenteilung), da die Regierung dem Text zufolge jeweils einen Rapport vorgelegt hätte, auf dessen Grundlage jeweils die Leitlinien und die Obergrenze debattiert worden wären. Aus inhaltlichen Gründen kassiert wurde auch die Möglichkeit, ausländische Staatsangehörige auch ohne ihre Einwilligung Fingerabdrücke zur Identifizierung in ausländerrechtlichen Verfahren abzunehmen. (Vgl. etwa https://www.francebleu.fr/infos/politique/loi-immigration-le-conseil-constitutionnel-censure-largement-le-texte-35-articles-retoques-3971701 externer Link und https://www.village-justice.com/articles/large-censure-loi-immigration-par-conseil-constitutionnel-les-questions-qui,48609.html externer Link)

Durchgekommen und im Amtsblatt veröffentlicht

Durchgewunken hat das Verfassungsgericht hingegen andere Bestimmungen in dem neuen Gesetz, das nunmehr (in der verbleibenden Rumpffassung) durch Staatspräsident Emmanuel Macron unterzeichnet werden kann, was nun „für die nächsten Stunden“ (https://www.francetvinfo.fr/societe/immigration/direct-projet-de-loi-immigration-le-conseil-constitutionnel-se-prononce-sur-le-texte-jeudi-apres-midi_6325476.html externer Link) angekündigt ist. – AKTUALISIERUNG: Um ein Uhr früh in der Nacht zum Samstag, den 27. Januar 24 vermeldete die französische Nachrichtenagentur AFP, das Kraft sei nun in Kraft gesetzt worden, durch die Unterschrift von Staatspräsident Macron und die nächtliche offizielle Veröffentlichung im Journal Officiel de la République française (JORF; d.h. Gesetzesanzeiger oder Amtsblatt). Vgl.: https://www.lefigaro.fr/politique/la-loi-sur-l-immigration-promulguee-par-emmanuel-macron-20240127 externer Link)

Unter ihnen (den nunmehr in Kraft getretenen Bestimmungen) befinden sich auch jene, die erleichterte Abschiebungen für straffällig gewordene oder „die republikanischen Werte verletzende“ Ausländer/innen ermöglichen. De facto schleift das künftige Gesetz den in solchen Fällen bislang in den Artikeln L.611-2 und L.611-3 des CESEDA (Ausländer- und Asyl-Gesetzbuchs) für bestimmte Gruppen vorgesehenen Abschiebeschutz; Letzterer griff etwa automatisch bei Personen, die sich seit mindestens zwanzig Jahren legal in Frankreich aufhielten, ausgenommen bei Terrortaten, und bedingt bei Personen mit mindestens zehnjährigem legalem Aufenthalt. Aufgenommen wurden diese Schutzbestimmungen (gegen Abschiebung) für bestimmte Personenkreise, zu ihnen zählen auch die Eltern französischer Kinder, im Jahr 2003 unter dem damaligen konservativen Innenminister Nicolas Sarkozy, gewiss kein „Weichei“ in Sachen Ausländerpolitik.

Zwei unterschiedliche politische Spektren triumphieren nun, jedenfalls in relativer Weise – und auch wenn man zunächst den gegenteiligen Eindruck haben müsste, da das Verfassungsgericht ja einen durch das Regierungslager (minus sechzig Abgeordnete, die ihre Gefolgschaft verweigerten und sich enthielten oder dagegen stimmten) zusammen mit der konservativen Opposition angenommenen Gesetzestext nunmehr zensiert hat. Dennoch triumphiert zum Einen das Regierungslager selbst, unter Berufung darauf, dass der eigene ursprüngliche Entwurf ja nun Bestätigung gefunden habe, hingegen die nachträglich durch die konservative Oppositionspartei LR eingeforderten und im Dezember 23 durchgedrückten Verschärfungen und Zusätze verworfen worden seien. Darauf berief sich etwa am heutigen Freitag der amtierende Innenminister Darmanin. (Vgl. https://www.bfmtv.com/politique/gouvernement/loi-immigration-gerald-darmanin-se-felicite-de-la-decision-du-conseil-constitutionnel_AN-202401250673.html externer Link und https://www.20minutes.fr/politique/4072734-20240125-loi-immigration-darmanin-gouvernement-satisfaction-apres-censure-large-conseil-constitutionnel externer Link sowie https://www.lesechos.fr/politique-societe/emmanuel-macron-president/loi-immigration-la-censure-du-conseil-constitutionnel-acte-la-rupture-entre-macron-et-lr-2071726 externer Link)

Triumphieren darf aber auch die extreme Rechte, die sich nun darauf beruft, es erweise sich ja einmal mehr, dass es einer umfassenderen Veränderung und nicht nur des Herumdokterns an der Gesetzgebung bedürfe, in Gestalt einer Verfassungsänderung, um dort das Prinzip des „Inländervorrangs“ zu verankern. In ähnliche Richtung ging jedoch am Donnerstag Abend auch der im Dezember 2022 neu gewählte LR-Parteivorsitzende Eric Ciotti; er steht ohnehin der extremen Rechten relativ nahe und hatte im September 2021 erklärt, im Falle einer Stichwahl um die Präsidentschaft zwischen Emmanuel Macron und dem rechtsextremen Ideologen Eric Zemmour würde er für Zemmour stimmen. Ciotti sprach nicht unmittelbar von der Einführung einer „Inländerbevorzugung“ in die Verfassung, wohl aber in einer X-Nachricht (ehemals Tweet) von der nunmehr klarer werdenden Notwendigkeit einer Verfassungsänderung. Unisono schreien beide nun herum, es handele sich um einen „Staatsstreich der Richter“, die sich anmaßten, Richtungsentscheidungen anstelle der gewählten Parlamentarier zu treffen – obwohl, wie oben aufgezeigt, ja die Beanstandungen der Verfassungsrichter sich größtenteils eher an formalen Kriterien aufhängen, und auf anderem Wege (korrekt) zustande kommende gesetzliche Regelungen jedenfalls auf bisherigem Stand gar nicht ausschließen.

Zu Protesten: Versuch einer realistischen Einschätzung, Warnung vor kursierenden Fantasiezahlen und Hinweis auf Spaltungsrisiken

Im Vorfeld hatten aber auch von links her, von Gewerkschaften sowie Solidaritätsinitiativen und Menschenrechtsgruppen unterstützt Proteste stattgefunden. Eine Koalition von Nichtregierungsorganisationen, unter ihnen die traditionsreiche Hilfsorganisation CIMADE sowie die „Ärzte/Ärztinnen ohne Grenzen“ (MDM), forderte unterdessen die Nicht-Unterzeichnung des nach dem CC-Urteil nun bekräftigten Rumpf-Textes durch Staatspräsident Macron.

Allerdings waren die bisherigen Mobilisierungen nicht vom Spaltungsvirus verschont geblieben. So hatte es im Vorfeld eine unschöne Entzweiung gegeben. Diese war eine Folgewirkung eines Treffens in den Tagen zwischen dem 19. Dezember (an dessen Abend um 23.20 Uhr die französische Nationalversammlung die künftige Ausländerrechts-Novelle annahm) und Weihnachten in den Räumlichkeiten der Nichtregierungs- und Migrantensolidaritäts-Organisation FASTI im 20. Pariser Bezirk.

Dort plädierte insbesondere die anwesende CGT dafür, einen Mobilisierungstermin nicht bereits für den Samstag, den 14. Januar 24 anzuberaumen, sondern mindestens einen Samstag später, da die Mitgliedsgewerkschaften sonst nicht in den eigenen Reihen ausreichend mobilisieren könnten. Dafür gab es tatsächlich handfeste Gründe: Die französischen Schulferien gingen (jedenfalls in Nordfrankreich um im Raum Paris) erst am Montag, den 08. Januar d.J. zu Ende, so dass keine vollständige Woche mehr bis zum ins Auge gefassten ersten Mobilisierungstermin am Samstag, den 14. Januar mehr verblieb. Und es besteht durchaus Debattenbedarf in den Reihen der Gewerkschaften, zumal viele ihrer eigenen Mitglieder längst auch durch einen allgemeinen Diskurs der Art „Aber wenn nicht genug für alle da ist, dann müssen vielleicht auch die eigenen Leute (Franzosen und/oder seit längerem hier lebende Menschen) zuerst berücksichtigt werden“ erreicht und beeinflusst werden. Hinzu kommt allgemein, dass die Zeiten definitiv vorüber sind, in denen eine Gewerkschaftsführung ihre Mitglieder zur Mobilisierung rief und diese, ohne weitere Diskussion, einfach kamen.

Ein Teil der anwesenden Solidaritätsgruppen und Kollektive – zum Teil vielleicht eher linksradikal geprägte Kollektive, zum Teil etwa Selbstorganisationen von Sans papiers (Migranten ohne Aufenthaltstitel) – wollte jedoch unbedingt den ersten möglich erscheinenden Termin beibehalten und favorisierte folglich dafür den Samstag, den 14. Januar 24.

Viele Organisationen und Verbände, unter ihnen etwa auch der weitgehend linke Gewerkschaftszusammenschluss Union syndicale Solidaires, riefen daraufhin einfach zu beiden Terminen auf, also demonstrierten sowohl am 14. als auch am 21. Januar 24 in Paris und anderen Städten.

Hingegen kam kurz vor dem zweiten Mobilisierungstermin, also dem 21. Januar 24 – zu dem dann ein Aufruf von 201 Prominenten mobilisiert hatte (vgl. https://www.humanite.fr/politique/cgt/non-a-la-loi-immigration-parcours-heures-tout-savoir-sur-les-manifestations-a-lappel-de-201-personnalites externer Link und https://www.cgt.fr/agenda/marche-pour-la-liberte-legalite-la-fraternite-appel-des-201-contre-la-loi-immigration externer Link sowie https://www.lepoint.fr/societe/jacques-toubon-julie-gayet-sophie-binet-201-personnalites-appellent-a-manifester-contre-la-loi-immigration-21-01-2024-2550303_23.php externer Link) – ein Appell von manchen Kollektiven zur Nichtteilnahme heraus und begründete dies damit, man sei legitimer Träger des Protests, weil man zu den „Hauptbetroffenen“ (premiers concernés) zähle, und man habe ja einen beträchtlichen Mobilisierungserfolg am 14. Januar hingelegt. Und man sei vor dem Erscheinen des Aufrufs der 201 Prominenten zur Teilnahme am Protest am 21. Januar d.J. nicht selbst gefragt, sondern man sei übergangen worden.

Allerdings muss man dazu einwenden: Eine Politik der Abwendung, der Nichtteilnahme war noch selten ein probates Mittel gegen Spaltung(stendenzen), und hat man an einem Appell oder an der konkreten Ausgestaltung einer Demo etwas auszusetzen, dann geht man am besten mit einem eigenen Aufruftext dort hin und trägt seine eigenen Anliegen vor. Hinzu kommt, dass es nicht darum gehen kann, die Beleidigten zu spielen; insbesondere die CGT hatte jedenfalls für einen Aufruf am 21. statt am 14. Januar d.J. (vgl. oben) tatsächliche Gründe in Form notwendiger Rücksichtnahmen im Hinblick auf ihre eigene Mitgliedschaft. Und sich auf eigenen Lorbeeren auszuruhen, nach dem Motto: „Wir sind die Helden vom 14. Januar“, hat definitiv überhaupt keinen Sinn. Denn die Demonstration am 14. Januar d.J. in Paris mit rund 10.000 Teilnehmenden war nicht geringfügig besucht; aber zu glauben, diese Mobilisierung sei ausreichend, um die Regierung unter genügenden Druck zu setzen, wäre nun wirklich eine völlig irrige Annahme. Der Verfasser dieser Zeilen hat in der Vergangenheit andere Mobilisierungen von links zum Thema „Ausländerpolitik“ erlebt – im Februar 1997 (vgl. https://www.lemonde.fr/archives/article/1997/02/19/le-succes-des-petitions-contre-le-projet-debre-rallie-la-gauche-a-la-manifestation-du-22-fevrier_3766941_1819218.html externer Link) demonstrierten allein in Paris 150.000 Menschen am Ostbahnhof, nachdem zuvor Hunderttausende binnen kurzem Petitionen gegen das damals geplante Ausländergesetz Loi Debré unterzeichnet hatten -, die die damalige Regierung wirklich zum Rückzug zwangen. Das waren aber nicht nur politisch andere Zeiten, sondern vor allem auch Zeiten, in denen eben just die Gewerkschaften an diesem Protest sehr massiv beteiligt waren.(Vgl. zu dem Aufruf zur Nicht-Teilnahme am 21. Januar dieses Jahres: https://www.revolutionpermanente.fr/Pourquoi-les-collectifs-de-sans-papiers-ne-manifesteront-pas-a-Paris-ce-21-janvier externer Link und https://twitter.com/gilets_noirs/status/1748828698885669103 externer Link)

Letztendlich fiel die Demonstration in Paris am 21. Januar d.J., mit laut Polizeizahlen „16.000“ und laut CGT „25.000“ (laut Beobachtungen des Verfassers lag die Wahrheit in diesem Falle wohl deutlich näher bei der CGT-Zahl, während sonst die quantitative Wahrheit oft eher in der Mitte liegt) rund doppelt so groß aus als jene vom Samstag zuvor. (Realistische Zahlen zugrunde gelegt)

Frankreichweit demonstrierten am Sonntag, den 21. Januar d.J. insgesamt laut Innenministerium „75.000“, laut CGT hingegen „150.000“ Menschen. Die Einhundert-Tausend-Grenze dürfte also klar überschritten worden sein.

Hingegen beruhen die angeblichen „300.000“, die laut einem jüngst bei LabourNet verlinkten Artikel der Tageszeitung Neues Deutschland angeblich am Wochenende des 20/21. Januar 24 zum Thema unterwegs gewesen seien (https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179378.frankreich-protestwelle-gegen-auslaendergesetz-in-ganz-frankreich.html externer Link), klar auf fantasievoll aufgeblähten Angaben. So viele waren es definitiv bei weitem nicht. Auch die CGT, die mit Teilnehmer/innen/zahlen gerne oft generös im Vergleich zur Wirklichkeit umgeht, hat eine solche Zahl nicht behauptet. Am Sonntag, den 21. Januar waren es ihren Angaben zufolge insgesamt „150.000“, darunter (realistische!) „25.000“ in der französischen Hauptstadt. Es gibt keine eigenen Gesamtzahlen für den vorausgehenden Samstag, den 20.01.24. Allerdings fanden an diesem Tag (vorigen Samstag) nur in Toulouse eine größere Demonstration mit zwischen 3.000 und 4.000 Menschen zum Thema statt. (https://www.ladepeche.fr/2024/01/20/loi-immigration-trois-mille-personnes-rassemblees-a-toulouse-ce-samedi-contre-la-promulgation-du-texte-11709004.php externer Link und https://www.lemonde.fr/societe/article/2024/01/20/loi-immigration-des-milliers-de-manifestants-a-toulouse-demandent-le-retrait-du-texte_6211976_3224.html externer Link) Ansonsten fanden die samstäglichen Demonstrationen am 20. Januar d.J. überwiegend in kleineren Städten wie Aubenas, Beauvais, Chartres, Dax, Dunkerque… statt und versammelten dort i.d.R. je einige Hundert Menschen. (Vgl. hier eine Liste der Austragungsorte: https://solidaires.org/sinformer-et-agir/actualites-et-mobilisations/nationales/loi-immigration-la-mobilisation-continue-pour-le-retrait-de-ce-projet-raciste-et-xenophobe/ externer Link)

Es bringt also überhaupt nichts, aber auch gar nichts, das (deutsche) Publikum mit munter herbei fantasierten Zahlen anzulügen. (FUSSNOTE 1) Die reale Mobilisierung betrug an jenem Wochenende des 20. und 21. Januar d.J. frankreichweit wohl zwischen 100. und 150.000 Menschen.

Dies ist zu begrüßen, jedoch ganz gewiss ausbaufähig bzw. wird allein noch nicht genügen, um ein gesamtgesellschaftliches Kräfteverhältnis hinreichend zu beeinflussen – auch im Eingedenk an die damals erfolgreichen Mobilisierungen auch gegen „Ausländergesetze“ (damals ging es konkret um die Loi Debré, die am 20. März 1997 in Kraft trat, nach wenigen Monaten jedoch durch die Nachfolgerregierung annulliert wurde) unter Premierminister Alain Juppé und Staatspräsident Jacques Chirac. Die damalige Größenordnung war eben eine völlig andere; dank auch und vielleicht insbesondere des damaligen Kurswechsels der CGT, die ab 1996 von der zuvor – vor allem in den 1980er und frühen neunziger Jahren – von ihr selbst wie der damals noch dominanten (und realsozialistisch geprägten) französischen KP vertretenen Position „Einwanderungsstopp, um Sozialdumping auf Kosten der Arbeiterklasse zu verhindern“ abrückte und sich der aktiven Solidarität innerhalb der Klasse auch mit den ausländischen Kolleg/inn/en, „illegale“ eingeschlossen, zuwandte. Heute, in Anbetracht des gewaltigen Aufschwungs der extremen Rechten in Frankreich und ihres realen Einflusses auch auf die Lohnabhängigenklasse, ist hier ein echter Rückschritt zu verzeichnen. (FUSSNOTE 2)

Vertreten waren übrigens migrantische Arbeiter/innen, trotz vorheriger Spaltung zwischen den jeweils am 14. und am 21. Januar d.J. protestierenden Spektren, auch beim zweiten Demo-Termin. Am 21. Januar in Paris demonstrierten etwa rund 2.000 meist westafrikanische Arbeiter/innen hinter den Transparenten der CGT, vor allem aus dem Leiharbeits/Zeitarbeits- und dem Bau-Gewerbe; der Autor dieser Zeilen hat nicht versucht, ihre Aufenthaltstitel zu kontrollieren, aber es dürften zweifellos zahlreiche sans papiers, es dürften Lohnabhängige ohne wie auch mit Aufenthaltstitel/n unter ihnen gewesen sein. Hingegen muss festgestellt werden, dass die Masse der „weißen“ Gewerkschaftsmitglieder der CGT nicht anwesend war, vergleicht man ihre Teilnahme etwa mit jener an den Demos gegen die Renten„reform“ in der ersten Jahreshälfte 2023…. (Doch doch, es waren auch nicht-migrantische Gewerkschaftsmitglieder anwesend und ganze Gewerkschaftssektionen. Etwa die des Pariser Naturkundemuseums mit ihrer lustigen Fahne, einer Regenbogenflagge mit einem aufgedruckten stilisierten Tyrannosaurus Rex-Skelett – im fraglichen Naturkundemuseum sind auch Dinosaurierskelette ausgestellt -, die auf Flugblättern auch einen aktuellen Rassismus-Skandal im Umgang mit Mitgliedern des Wachspersonals in der Einrichtung anprangerte.)

Das beste Transparent an jenem 21. Januar 24 in Paris lautete übrigens wohl, dem Humor sei dank: „Mir ist kalt. Hört auf, mich zu zwingen, gegen Eure Scheiß-Gesetze zu demonstrieren!“ Trost könnte in dieser Hinsicht spenden, dass es bei kommenden Terminen vielleicht nicht mehr so kalt sein dürfte – denn am 21. Januar dieses Jahres lag die Temperatur noch knapp unter oder knapp über dem Nullpunkt.

Neuen Protest müsste es geben, soll auf die Dauer ein Kräfteverhältnis geschaffen werden. Am besten auch unter besonderer Berücksichtigung von Streiks migrantischer Arbeitskräfte. Zur Erinnerung: Die kraftvollen Mobilisierungen von 1997/98 hatten laut damaligen Untersuchungen eine öffentliche Meinungs-Landschaft geschaffen, die polarisiert war und in welcher sich größere Blöcke gegenüberstanden; ein Rassismus-Rapport für 1997 stellte damals fest, vierzig Prozent der Befragten zählten zu einem „antirassistischen Block“, welcher in Reaktion auf den Aufstieg eines Rechtsblocks seinerseits erstarke und aktiv sei. Damals existierte ein realer gesellschaftlicher Druck in beide entgegengesetzten Richtungen. Davon sind wir heute ein gehöriges Stück weit entfernt. 75 bis 80 Prozent der befragten Französinnen und Franzosen unterstützen restriktive Maßnahmen im Ausländerrecht im Grundsatz. Der Druck geht überwiegend in eine einzige Richtung, auch wenn sich dieser (diffuse) gesellschaftliche Block nicht in aktiven Mobilisierungen für verschärfte Bestimmungen ausdrückt, sondern hinter den Tresen und Bildschirmen vorwiegend passiv bleibt.

Aufrufe zum Streik

Streikaufrufe hatte es bereits für den gestrigen Donnerstag, den 25. Januar gegeben, diese waren jedoch vor allem an einigen Schulen (und Hochschulen) wirksam, wesentlich weniger im Bereich der Lohnarbeit, wo von Arbeitsniederlegungen in diesem Zusammenhang nichts zu vernehmen war. Vgl. zu blockierten Schulen (und Universitäten) in diesem Zusammenhang:

Und in den Tagen zuvor:

Aus dem „14. Januar“- Spektrum ist nun ein neuer Protest- und Demo-Termin für den Samstag, den 03. Februar d.J. angekündigt worden.

Fortsetzung folgt. Gerne auch beim Labournet Germany…

Artikel von Bernard Schmid vom 27.1.2024 – wir danken!

Vgl. noch zu Positionen von NGOs (und Gewerkschaften) zur Fortsetzung des Protests, und zu ihrer Aufforderung zur Nichtunterzeichnung des neuen Gesetzes:

FUSSNOTEN

1) Auch sonst zeichnet sich der zitierte Artikel (https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179378.frankreich-protestwelle-gegen-auslaendergesetz-in-ganz-frankreich.html externer Link) eher durch billigen, oberflächlichen Journalismus denn durch Stringenz aus. So wird fälschlich behauptet: „So wollten die Republikaner das »Recht des Bodens« streichen, also den gesetzlichen Anspruch in Frankreich geborener Ausländer, mit 18 Jahren französische Staatsbürger zu werden. In den Augen der »Weisen«, wie die Mitglieder des Verfassungsrates oft genannt werden, dürften auch die drastischen Einschränkungen der Sozialhilfe und die faktische Aufhebung des Rechtsanspruchs auf Familienzusammenführung für bereits legal in Frankreich lebende Ausländer keine Gnade finden, weil sie unvereinbar mit den Menschenrechten sind.“

An mehreren Punkten muss man einwenden, dass das so nicht stimmt. In dem Gesetzentwurf – nach dessen Verschärfung unter Einwirkung von LR – wurde der Erwerb der französischen Staatsbürger/innen/schaft durch in Frankreich geborene Kinder unter die Bedingung einer Willenserklärung durch den oder die Heranwachsende/n im Alter zwischen 16 und 18 Uhr gestellt. Dies hat vor allem symbolpolitische Bedeutung und läuft darauf hinaus, dass es keine „Franzosen wider Willen“ geben soll. Ähnlich hatte bereits eine durch die konservative Rechte gestaltete Gesetzeslage zwischen 1993 und 1998 gelautet. Seit 1998 und bis jetzt gilt, dass ein Erwerb der französischen Staatsangehörigkeit für in Frankreich geborene Kinder ausländischer Eltern ab 13 Jahren auf Antrag der Eltern, ab 16 auf Antrag der/s Heranwachsenden und ab 18 Jahren automatisch erfolgt. Gestrichen würde also (dem durch LR verschärften, nun durch das Verfassungsgericht zensierten Entwurf für das neue Ausländergesetz zufolge) nicht der Rechtsanspruch auf die Staatsangehörigkeit für in Frankreich geborene Kinder ausländischer Eltern, wohl aber der Automatismus des Erwerbs beim Eintritt der Volljährigkeit. Überdies würde der Erwerb bei Vorliegen eines Verbrechenstatbestands untersagt. (Das „Bodenrecht“, also das Prinzip des Erwerbs der Staatsangehörigkeit durch in Frankreich geborene Kinder ausländischer familiärer Herkunft, existiert im französischen Gesetz seit 1889. In jenem Jahr wurde es aus doppeltem Grunde eingeführt: Den ideellen Grund bildete der damalige einhundertste Jahrestag der Französischen Revolution; das weniger ideelle Motiv bildete damals der Wunsch, den mangelnden Nachwuchs für die französische Armee infolge geburtenschwacher Jahrgänge aufzustocken.)

Auch sieht der Entwurf, selbst der unter LR-Einwirkung verschärfte, nicht die „faktische Aufhebung des Rechtsanspruchs auf Familienzusammenführung für bereits legal in Frankreich lebende Ausländer“ vor. Was der Entwurf in seiner verschärften, nun durch das Urteil zensierten Version vorsieht, ist eine zahlenmäßige Einschränkung des jährlich vom Recht auf Familienzusammenführung betroffenen Personenkreises. Ursprünglich waren dafür 12 Monate legalen Aufenthalts in Frankreich für das dort bereits dauerhaft ansässige Familienmitglied erforderlich (plus ausreichender Wohnraum plus ein Verdienst, der nicht unter dem gesetzlichen Mindestlohn für eine Vollzeitstelle liegen darf). Unter dem damaligen konservativen Innenminister Nicolas Sarkozy wurde diese Dauer, im Gesetz vom 24. Juli 2006, von zuvor 12 auf 18 Monate legalen Aufenthalts angehoben. (Nicht von dieser Frist betroffen sind anerkannte Asylberechtigte.) Das jetzt verabschiedete, und frisch zensierte, Gesetz sah eine weitere Anhebung von derzeit 18 auf künftig 24 Monate legalen Aufenthalts für das bereits dauerhaft in Frankreich lebende Familienmitglied vor. Dies stellte eine Verschärfung dar – die das Urteil des Verfassungsgerichts nun wieder zurückgenommen hat -, jedoch keine „faktische Aufhebung“, was unsinnig ist und auch mit höherrangigem Recht unvereinbar wäre, nämlich mit der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK, deren Artikel 8 ein Recht auf ein „normales Familienleben“ gewährleistet. Zwar nimmt der, die Einhaltung der EMRK kontrollierende, Europäische Gerichtshof für Menschenrechts (EGMR) in Strasbourg das Auflegen von Bedingungen sowie gewisse Einschränkungen beim Recht auf Familiennachzug/Familienzusammenführung hin, jedoch gewiss nicht dessen „Aufhebung“. Die extreme Rechte (u.a.) in Frankreich fordert allerdings die Aufhebung des Prinzips der Höherrrangigkeit der EMRK gegenüber nationalem Recht, was juristisch eine solche Aufhebung – würde dies grundsätzliche juristische Veränderung erfolgen, und tatsächlich dem nationalen Recht ein Vorrang eingeräumt – ermöglichen würde.

Vorsicht: Eine Wartezeit von 24 Monaten (legalen Aufenthalts) kann für viele Menschen, die sich erst fünf oder mehr Jahre ohne Aufenthaltstitel in Frankreich aufhielten und danach einen „legalen“ Status erhielten, objektiv eine insgesamt lange Wartedauer bedeuten. Als Beginn der Warteperiode wird die Ausstellung des ersten Aufenthaltstitels berücksichtigt.

2) Eine Anmerkung dazu: Am 09. Januar d.J. sollte in Nanterre, bei Paris, ein Prozess gegen Führungsmitglieder des früheren Front National und jetzigen Rassemblement National wegen Aufrufs zu illegaler Diskriminierung – in einem von der Partei an ihre Kommunalregierungen gerichteten, internen Dokument, das auf das Jahr 2013 zurückgeht – im Namen der priorité nationale („Inländerbevorzugung“) stattfinden. Neun Anwälte sollten auf Nebenklägerseite daran teilnehmen, als Verteter mehrerer Menschenrechts- und antirassistischer Nichtregierungsorganisationen. Unter ihnen auch der Autor dieser Zeilen. Insgesamt drei Treffen unter den beteiligten Nebenkläger-Anwalten fanden Ende 2023 und Anfang 2024 statt. Einer der Beteiligten äußerte dabei die Annahme, bei einer deutlichen Mehrheit der Mitglieder größerer Gewerkschaften sei „der Scheitelpunkt der Kurve (le tournant) bereits überschritten“, das bedeutet: die seien bereits abgebogen, was die Hinnahme der These betrifft, länger hier lebende Menschen seien notwendig zu privilegieren, falls nicht genug für alle da sei. Der Verf. dieser Zeilen hofft, dass der Kollege damit nicht recht behält, was die Gesamtheit der Gewerkschaftslandschaft betrifft. (Der Prozess gegen RN-Größe wurde i.Ü. durch das Gericht in Nanterre auf den 18. Juni 24 verschoben.)

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