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Ringen um die Arbeitsrechts-„Reform“ unter Macron – Teil 11: Aktionstag öffentlicher Dienste am 10.10, Teilproteste, Teilerfolge und Risse
Artikel von Bernard Schmid vom 9.10.2017
Am morgigen Dienstag protestierten landesweit die öffentlich Bediensteten gegen die sie betreffende Politik der Macron-Regierung – Brückenschlag zu Privatbeschäftigten und zur Arbeitsrechts„reform“ in der Privatwirtschaft angestrebt – Emmanuel Macron gerät wegen „Saustall“-Äußerung über einen Arbeitskonflikt unter Druck – Der Arbeitskampf bei den französischen Fernfahrern ist beendet: Er endet mit einem Erfolg, und ihre Branche bleibt von der Arbeitsrechts„reform“ ausgeklammert – Am heutigen Montag tagen die Gewerkschaftsvorstände der diversen Dachverbände und Zusammenschlüsse, um einen neuen Protesttermin zum Thema Arbeitsrechts„reform“ zu finden – Die CGT favorisiert den Datumsvorschlag 19. Oktober – Positionen zur „Reform“: Risse bei FO und CFDT
Am morgigen 10. Oktober 17 beginnt eine zweite Welle von Sozialprotesten in diesem Herbst, nachdem eine erste in der vorletzten (und letzten) Septemberwoche 2017 zunächst mehr oder minder ergebnislos abzuebben schien.
An diesem Dienstag (10.10.17) steht ein gewerkschaftlicher Aktionstag auf dem Programm, zu dem in den öffentlichen Diensten alle neun dort vertretenen Gewerkschaften gemeinsam aufrufen (http://www.latribune.fr/economie/france/5-millions-de-fonctionnaires-appeles-a-descendre-dans-la-rue-le-10-octobre-753237.html ). Dass sie alle an einem Strang ziehen, hat Seltenheitswert und ist in dieser Form seit zehn Jahren nicht dagewesen.
Beobachter/innen fühlen sich vor allem an die Vorboten der Herbststreiks in den öffentlichen Diensten im Jahr 1995 erinnert, deren erster Akt in Gestalt eines Demonstrations- und Protesttags ebenfalls an einem 10. Oktober stattfand.
In diesem Jahr geht es dabei vor allem gegen die Wiedereinführung eines Karenztags, also eines unbezahlten ersten Krankheitstags (http://leparticulier.lefigaro.fr/jcms/p1_1700121/les-arrets-maladies-des-fonctionnaires-ne-seront-plus-payes-des-le-1er-jour ), die jüngst beschlossen wurde, nachdem ein Anfang 2012 unter Sarkozy eingeführter Karenztag im Jahr 2014 unter dem Sozialdemokraten François Hollande wieder abgeschafft wurde. Hinzu kommen das Einfrieren der Gehälter in den öffentlichen Diensten, der dortige Stellenabbau – Macron will mindestens 120.000 Arbeitsstellen verschwinden lassen (http://www.20minutes.fr/economie/2128703-20170907-quatre-points-chauds-programme-emmanuel-macron-fonctionnaires ) – sowie die geplante Anhebung der CSG („Allgemeine Sozialabgabe“; http://www.vie-publique.fr/decouverte-institutions/finances-publiques/protection-sociale/financement/qu-est-ce-que-csg.html ), einer Art Kopfsteuer.
Letztere soll um 1,7 Prozent steigen (http://droit-finances.commentcamarche.net/faq/61901-macron-et-csg-la-future-hausse-de-la-csg ), da die Regierung beabsichtigt, Sozialabgaben für Arbeitgeber wie Lohnabhängige zu senken und im Gegenzug diese einkommensunabhängige Kopfsteuer verstärkt zur Finanzierung der Sozialkassen heranzuziehen. Die CSG existiert seit Anfang der neunziger Jahre (eingeführt im Haushaltsgesetz für 1991 unter der Regierung des Sozialliberalen Michel Rocard), und wurde seitdem durch die aufeinanderfolgenden Regierungen sukzessive erhöht. Bezahlt wird sie nicht nur durch Bezieherinnen von Lohneinkommen und Gehältern, sondern auch etwa durch Pensionäre und einen Teil der Erwerbslosen. Gegen ihre relativ starke Anhebung protestierten (http://www.lemonde.fr/politique/article/2017/09/28/hausse-de-la-csg-trop-c-est-trop-les-retraites-ne-sont-pas-des-vaches-a-lait_5192621_823448.html ) am 28. September auch mehrere Tausend Rentnerinnen und Rentner (http://www.lemonde.fr/politique/article/2017/09/28/les-retraites-mobilises-contre-la-hausse-de-la-csg_5192843_823448.html ) in mehreren französischen Städten.
Interessant an dem Aktionstag vom 10. Oktober wird unter anderem die Frage werden, ob es gelingt, einen Brückenschlag zu anderen sozialen Gruppen zu schlagen, die ebenfalls gegen Emmanuel Macrons so genannte Reformpolitik opponieren. Unter ihr leiden Betroffene auf unterschiedlichen Ebenen, etwa auch durch die drastische Sparpolitik, mittels derer der Staat – bei der Umverteilung seiner Einnahmen an die Gebietskörperschaften – Kommunen, Départements und Regionen finanziell austrocknet. Vorige Woche schlugen bei einer Sitzung von Staatsvertretern und solcher der Regionen zum Thema die Letztgenannten die Türen hinter sich zu und zogen aus. (http://www.20minutes.fr/economie/2141075-20170928-baisse-dotations-regions-claquent-porte-conference-territoires )
Ein Zusammengehen der Proteste und Kämpfe wäre also möglich, aber auch notwendig. Zumal bspw. die linksalternative Eisenbahnergewerkschaft SUD Rail – die zweit- bis drittstärkste Beschäftigtenorganisation bei der französischen Bahn – ausdrücklich dazu aufruft, bei den Demonstrationen der Staatsbediensteten auch explizit den thematischen Bezug zum Arbeitsrecht im privaten Sektor und dessen Reform herzustellen. (https://sudrail.fr/Ordonnances-SUD-Rail-appelle-les-cheminots-a-manifester-le-10-octobre )
Kampf gegen Arbeitsrechts„reform“
Kernstück der umkämpften Reformen ist jedoch – selbstverständlich – jene des Arbeitsrechts, die das unter François Hollande – nach mehrmonatigen Auseinandersetzungen – verabschiedete „Arbeitsgesetz“ vom 08. August 2016 noch verschärfen soll. Bislang scheiterten die Versuche der Gewerkschaften, durch ihre Mobilisierungen die Regierung zu einem Rückzieher zu zwingen.
So begann am 25. September ein Fernfahrerstreik gegen die Arbeitsrechtsreform: In ihrem Sektor fordern die LKW-Fahrer vor allem einen Abbau von Lohnprämien, die bislang auf Branchenebene ausgehandelt wurden, künftig nach der „Reform“ jedoch den einzelnen Unternehmen überlassen bleiben. Am Donnerstag, den 28. September wurde er vorübergehend ausgesetzt. Das Arbeitgeberlager hatte sich jedoch für eine harte Haltung entschieden, zumal ihm durch die – mit der EU-Entsenderichtlinie in ihrer jetzigen Form begünstigte – die Konkurrenz osteuropäischer billigerer Anbieter im Nacken sitzt. Deswegen endete eine Schlichtungsrunde auch mit dem Auszug der Gewerkschaften (http://www.lefigaro.fr/social/2017/09/29/20011-20170929ARTFIG00031-les-syndicats-de-routiers-effares-apres-leur-rendez-vous-au-ministere.php ), deren Vertreter sich erniedrigt fühlten.
Daraufhin wurde erwartet, dass die Fernfahrerstreiks rund um den 10. Oktober wieder losgehen könnten (https://www.la-croix.com/Economie/France/Pourquoi-routiers-menacent-relancer-leur-mouvement-2017-09-29-1200880746 ), wenn ein Brückenschlag zu anderen Protestgruppen möglich wäre. Bei den LKW-Fahrern könnten, so zeichnete sich ab, neben den bislang zum Streik aufrufenden Branchenverbänden der Gewerkschaftsdachverbände CGT und FO nun auch die als „moderater“ bezeichneten Gewerkschaften CFDT und CFTC in den Arbeitskampf mit einsteigen.
Beendigung des Arbeitskampfs bei den Fernfahrern
Inzwischen wurde der Arbeitskampf im LKW-Transportsektor jedoch beendet, da ein Abkommen geschlossen wurde, nachdem die Regierung und das Arbeitgeberlager gegenüber den Beschäftigten nachgegeben hatten. Sowohl rechte Medien (https://www.valeursactuelles.com/societe/code-du-travail-les-routiers-font-plier-le-gouvernement-89385 ) als auch die CGT (http://www.cgt.fr/Les-conducteurs-font-plier-le-gouvernement-et-appellent-a-la-mobilisation-le-10.html ) konstatieren ein Einknicken der Regierung gegenüber den Forderungen. Die CGT im Straßentransportsektor ruft dennoch weiterhin dazu auf, die Proteste am 10. Oktober zu unterstützen. In ihrer Branche hat die Regierung nun akzeptiert, dass spezifische Regeln das Abweichen „nach unten“ – etwa bei Lohnzulagen – gegenüber dem Branchentarifvertrag in den einzelnen Unternehmen verhindern. (http://canempechepasnicolas.over-blog.com/2017/10/routiers-contre-les-ordonnances-la-lutte-de-masse-paie.html ) Dadurch wird just eines der Kernstücke der Arbeitsrechts„reform“ konterkariert und für diese Branchen faktisch außer Kraft gesetzt.
Die Gewerkschaftsdachverbände und die Perspektive eines neuen Aktions- und Protesttags gegen die Arbeitsrechts„reform“
Am heutigen Montag, den 08. Oktober 17 treffen sich ab 18 Uhr die Vorstände der wichtigsten französischen Gewerkschaftsdachverbände und –zusammenschlüsse (http://www.liberation.fr/france/2017/10/08/travail-pour-les-syndicats-une-reunion-sur-ordonnances_1601757 ), um über ihre Positionen zur Arbeitsrechts„reform“ und u.a. auch über die Perspektive eines neuen gemeinsamen Protesttermins zu beraten.
Laut dem Verf. zugänglichen Informationen favorisiert der Dachverband CGT dabei einen Demonstrations- und Aktionstag am Donnerstag kommender Woche, dem 19. Oktober 17.
Allerdings nehmen an dem Treffen auch die Vorstände der beiden Gewerkschaftsdachverbände CFDT und FO teil. (Zur Charakterisierung: Die CFDT ist an der Spitze rechtssozialdemokratisch und durch eine Akzeptanz des Neoliberalismus geprägt, weist jedoch eine breitere soziale Basis auf; und FO ist offiziell „unpolitisch“, mit Seilschaften unter anderem der Sozialdemokratie sowie der autoritär-linken Sekte der „Lambertisten“ im Inneren des Apparats. Bei FO wird offiziell „keine Politik gemacht“, hinter den Kulissen und abseits transparenter Diskussionen jedoch umso eifriger.)
Die zentralen Vorstände sowohl der CFDT als auch von FO (https://www.ouest-france.fr/economie/emploi/droit-du-travail/loi-travail/reforme-du-code-du-travail-l-intersyndicale-se-reunit-lundi-avec-fo-5293770 ) unterstützen bislang die Proteste gegen die Arbeitsrechts„reform“ nicht. Was ihre Aussagen zur Sache betrifft, wirkt die CFTD-Spitze dabei erstaunlicherweise inhaltlich eher kritischer als jene von FO (welche im vorigen Jahr noch, verbalradikal, die 2016er Proteste gegen das damalige „Arbeitsgesetz“ unter François Hollande unterstützt hat).
Die CFDT-Spitze unter ihrem Generalsekretär Laurent Berger hat unterdessen bereits erklärt, man werde nicht zu Arbeitsniederlegungen und Protesten auf den Straßen aufrufen; man gehe jedoch zu dem Treffen mit den übrigen Gewerkschaftsvorständen, um „bei den künftigen Verhandlungen (Anm.: mit der Regierung) ein Gewicht zu haben“. (http://www.francesoir.fr/actualites-france/ordonnances-la-cfdt-ira-lintersyndicale-pour-peser-sur-les-prochaines-negociations )
Intern finden dazu jedoch sowohl innerhalb der CFDT als auch bei FO heftige Auseinandersetzungen statt. So mehren sich die Anzeichen dafür, dass ein Teil der Basis bei der CFDT seine Geduld verliert – wie sich schon im September d.J. andeutete – (vgl. http://www.liberation.fr/france/2017/09/11/la-base-de-la-cfdt-a-du-mal-a-suivre-son-berger_1595644 ; und jüngeren Datums: https://www.humanite.fr/loi-travail-la-cfdt-la-base-bouscule-les-lignes-syndicales-643312 ), und dass heftige interne Debatten zum Thema Arbeitsrechts„reform“ stattfinden. Dies wurde insbesondere bei einer „Feier“ mit 10.000 Mitgliedern, bei welcher sich der Unmut kristallisierte, am 03. Oktober d.J. in Paris deutlich sichtbar. (Vgl. https://www.humanite.fr/ordonnances-la-tete-de-la-cfdt-secouee-par-sa-base-643101 und https://www.la-croix.com/Economie/Social/grogne-monte-aussi-CFDT-2017-10-03-1200881645 oder https://www.mediapart.fr/journal/economie/031017/la-fete-de-la-cfdt-la-fronde-de-la-base?onglet=full )
Auch bei FO (Force Ouvrière, ungefähr: „Arbeiterkraft“; der Name wird prinzipiell ohne Artikel benutzt) mehren sich die Anzeichen für eine Diskrepanz zwischen Teilen der Basis und der obersten Spitze unter Jean-Claude Mailly. (Vgl. http://www.liberation.fr/france/2017/10/01/loi-travail-jean-claude-mailly-et-la-base-fo-au-bord-du-clash_1600219 und http://www.leparisien.fr/economie/reforme-du-code-du-travail-les-syndicats-au-pied-du-mur-02-10-2017-7301265.php ) Und dieser Unmut geht dabei weit über die, gerne verbalradikal auftretende, autoritäre pseudo-revolutionäre Sekte der „Lambertisten“ – welche Teile des FO-Apparats kontrolliert – hinaus. Dies war auch bereits Anfang September d.J. der Fall (http://www.liberation.fr/france/2017/09/01/loi-travail-forces-contraires-chez-fo_1593673 ), doch seitdem haben sich die Dinge zugespitzt.
Im Falle dieses Dachverbands kommt jedoch hinzu, dass Generalsekretär Jean-Claude Mailly – welcher voraussichtlich im April 2018 aus seinem Amt abtritt – bei einer erweiterten Vorstandstagung am Freitag, den 29. September 17 in die Minderheit geriet. Die Quasi-Gesamheit der anwesenden Sekretäre u. Sekretärinnen von Bezirksverbänden (Kreisverbänden) sowie Branchenverbänden nahm an jenem Tag eine Resolution an, welche FO zur Teilnahme an kommenden Protesten gegen die Arbeitsrechts„reform“ auffordert. Es wurden 123 Ja-Stimmen und zwanzig Enthaltungen bei der Abstimmung über die Resolution verzeichnet, keine Gegenstimme. (Vgl. u.a. https://www.lesechos.fr/economie-france/social/030641113172-code-du-travail-le-parlement-de-fo-impose-a-mailly-une-mobilisation-2118401.php oder http://www.leparisien.fr/economie/force-ouvriere-jean-claude-mailly-au-bord-de-la-demission-29-09-2017-7296171.php oder http://www.lepoint.fr/economie/reforme-code-du-travail-des-responsables-fo-reclament-une-journee-de-mobilisation-30-09-2017-2160968_28.php sowie http://www.lopinion.fr/edition/economie/jean-claude-mailly-mis-en-minorite-sein-force-ouvriere-quelles-135059 )
Allerdings hat Mailly erklärt, er verbleibe – während der ihm verbleibenden Amtszeit – in seiner Funktion, und werde auf seinem Posten nun die Resolution umsetzen. Er „akzeptiere“ also eine Mobilisierung zu Protesten gegen die Arbeitsrechts„reform“. (Vgl. http://www.leparisien.fr/economie/force-ouvriere-mailly-reste-et-accepte-une-mobilisation-contre-la-loi-travail-02-10-2017-7303803.php )
Nun, mag vermag sich lebhaft vorzustellen, mit welchem Eifer und welcher Inbrunst Jean-Claude Mailly an der Spitze seines Dachverbands die Proteste anfeuern wird, und wie gefährlich er dabei für die Regierung sein wird. (Kichergacker) Doch jenseits von Jean-Claude Mailly und seinem Apparat gibt es auch noch eine Basis, die ihr Wörtchen mitzureden haben wird; in der Hoffnung, dass nicht die politischen Fraktionen und Seilschaften innerhalb von FO wie die „Lambertisten“-Sekte ihr dabei das Wort aus dem Mund entwenden…
Macron & der soziale „Saustall“
Emmanuel Macron geriet unterdessen jüngst, mit einem Ausspruch zu einem sozialen Konflikt, in gewisse Erklärungsnöte und dadurch seinen allgemeinen Stand verschlechtert.
Er antwortete (am Rande des Besuchs an einer Universität) auf streikende Arbeiter eines Automobilzulieferers – GM&S -, welcher in einem strukturschwachen Gebiet in Gestalt des Départements Creuse angesiedelt ist und dessen Beschäftigte gegen ihre drohende Entlassung kämpfen. Ihnen bescheinigte er: „Anstatt einen Saustall zu veranstalten (im Originalton: au lieu de foutre le bordel), sollten manche sich lieber neue Jobs suchen!“ (http://www.lci.fr/politique/video-au-lieu-de-foutre-le-bordel-la-petite-phrase-de-macron-sur-gms-cree-la-polemique-2066357.html )
Dieser als zynisch empfundene Ausspruch – Jobs gibt es indem strukturschwachen Gebiet bereits heute nur in ungenügender Zahl – schockierte die betroffenen Lohnabhängigen. (http://www.francetvinfo.fr/politique/emmanuel-macron/le-bordel-evoque-par-emmanuel-macron-choque-les-salaries-de-gms_2404488.html ) Der Staatschef und seine Umgebung versuchten seitdem zurückzurudern – und behaupten nun, seine Formulierung vom „Saustall“ habe sich nicht auf die Beschäftigten selbst bezogen, sondern auf ihre gewerkschaftlichen Sprecher, welche nicht mit der Regierung kooperierten. (http://www.huffingtonpost.fr/2017/10/06/bordel-emmanuel-macron-ne-visait-pas-les-salaries-de-gm-and-s-mais-deux-syndicalistes-assure-benjamin-griveaux_a_23234721/ )
Dies dürft es, in den Augen weiter Teile der öffentlichen Meinung, kaum besser machen. Auch die politische Opposition, links wie rechts, empörte sich (https://www.ouest-france.fr/politique/emmanuel-macron/foutre-le-bordel-reactions-outrees-apres-la-sortie-de-macron-5291574 ) und sprach von Verachtung für die sozialen so genannten Unterklassen (http://www.europe1.fr/politique/macron-et-le-bordel-des-gmands-lopposition-se-precipite-pour-denoncer-le-mepris-du-president-3455021 ).
Tatsächlich handelt es sich nicht um das erste Mal, bei dem Macron eine gewisse Arroganz gegenüber ärmeren Menschen sowie gegenüber abhängig Beschäftigten durchblicken lässt. Anfang September etwa erklärte er, es sei „nicht die Straße, die regiert“, um hinzuzufügen: „Ich werde in nichts nachgeben, weder den Faulenzern, noch den Zynikern, noch den Extremisten.“ Vor allem die Darstellung von Angehörigen der subalternen Klassen als „Faulenzer“ rief dabei böses Blut hervor. (Regierungssprecher Christophe Castaner versuchte es dann dahingehend zurecht zu biegen, dass er erklärte, Macron habe seine reformunwilligen Vorgänger mit den „Faulpelzen“ gemeint.) Zuvor hatte Macron 2014 Arbeiterinnen in der Bretagne als „Analphabetinnen“ hingestellt (http://www.lesinrocks.com/inrocks.tv/emmanuel-macron-traite-les-ouvriers-de-lusine-gad-dillettres/ oder http://www.europe1.fr/economie/macron-et-les-illettres-des-abattoirs-gad-un-vrai-sujet-2234175 ), und zu Anfang 2017 das Hauptproblem der infolge der Stahlkrise teilweise abgehängten Krisenregion Nord-Pas de Calais in „Alkoholismus und Tabaksucht“ zu entdecken gewähnt. (http://www.lexpress.fr/actualite/politique/elections/alcoolisme-illettres-pourquoi-macron-veut-etre-en-prise-avec-le-reel_1869324.html ) Und vor Unternehmern unterschied er im Frühsommer 2017 erfolgreiche Menschen von solchen, die, so wörtlich, „nichts sind“. (http://www.lefigaro.fr/politique/le-scan/2017/07/02/25001-20170702ARTFIG00098-emmanuel-macron-evoque-les-gens-qui-ne-sont-rien-et-suscite-les-critiques.php )
Weiterer Ausblick:
Zur Erinnerung: Neben den Gewerkschaften rund um die CGT, die bereits am 12. und 21. September 17 Straßendemonstrationen zur Arbeitsrechtsreform organisierten, hat auch der Ex-Präsidentschaftskandidat und Parlamentsabgeordnete Jean-Luc Mélenchon seinen eigenen Protesttag am 23. September (http://www.huffingtonpost.fr/2017/09/23/en-direct-suivez-la-manifestation-du-23-septembre-organisee-par-jean-luc-melenchon_a_23220262/ ) abgehalten. Zu ihm kamen Zehntausende. Mélenchon ist ein früherer sozialdemokratischer Berufspolitiker, welcher seine frühere Partei im Winter 2008/09 verließ und sich politisch selbständig machte. Er setzt sich gerne als Volkstribun in Szene und schlägt dabei mitunter radikal links klingende Töne an; verkündete allerdings bspw. im Juli 17 im Parlament auch, es gelte soziale Proteste im republikanischen Rahmen zu kanalisieren, um dieselben nicht auf unzivilisierte Weise ausarten zu lassen, nicht wahr?… (Vgl. https://www.youtube.com/watch?v=NyE6d5kImvs )
Im Vorfeld warf die CGT-Spitze tendenziell Mélenchon vor, das Risiko einzugehen, mit seinen Parteiinitiativen ihren Sozialprotesten das Wasser abzugraben; am 06. September fand jedoch ein Schlichtungsgespräch zwischen den beiden Seiten statt. Nunmehr hat jedoch Mélenchon – und sei es, um sich zu profilieren – bei seiner Rede am 23. September d.J. erklärt, er reihe sich künftig hinter den Gewerkschaften ein, wenn diese nur eine starke Initiative zum Thema ergriffen. Dies solle vor der letzten Runde im Ringen um die Arbeitsrechtsreform, also der am 20. November 17 beginnenden Parlamentsdebatte zur Ratifizierung der Regierungsverordnungen zum Arbeitsrecht, geschehen.
Als Ziel nannte Mélenchon am 23.09.17 „eine Million Demonstranten auf den Champs-Elysées“. Dies dürfte, wörtlich genommen, derzeit unrealistisch sein. Und dies nicht nur, weil die Regierung seit Jahrzehnten keine Genehmigungen für Protestzüge auf den Champs-Elysées erteilt – die letzte massive Demonstration auf ebendieser Avenue war jene der Gaullisten vom 30. Mai 1968… Mélenchon ist, was Zahlenangaben zu Mobilisierungen betrifft, auch durchaus als Großsprecher bekannt, welcher mitunter mit realitätsfernen Angaben um sich wirft. (Beispielsweise nannte er infolge einer von ihm aufgerufenen Demonstration im Dezember 2013, an welcher laut polizeilichen Zahlen, aber auch Ordnerdienstmitgliedern zufolge rund 7.000 Menschen teilnahmen, seinerseits „100.000“ Teilnehmer/innen. Was damals nur grotesk wirkte; vgl. auch http://www.lefigaro.fr/actualite-france/2013/12/02/01016-20131202ARTFIG00305-de-7000-a-100000-participants-l-ecart-impressionant-de-la-marche-de-dimanche.php )
Sollten jedoch soziale und gewerkschaftliche Verbände darauf einsteigen, und sei es nur, um Mélenchon nicht das Feld für reine parteipolitische Profilierung zu überlassen, könnte dies Spielräume eröffnen. Abzuwarten bleibt, ob es zu einer allseitigen Einigung auf einen solchen zentralen Protesttermin kommt.
Eine Mobilisierungsdynamik setzt jedoch wohl auch voraus, dass zuvor in einigen der beteiligten Sektoren Erfolge erzielt wurden, um die Durchsetzungsfähigkeit zu beweisen und so Hoffnung (auf eine mögliche Abwehr der drohenden Zumutungen) zu erzeugen. Vielleicht hat der erfolgreiche Arbeitskampf im LKW-Transportsektor nun eine Tür dafür geöffnet.
- Siehe zuletzt: Ringen um die Arbeitsrechts-„Reform“ unter Macron – Teil 10: Neuer Streik ab dem 10. Oktober? Artikel von Bernard Schmid vom 29.9.2017