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Frankreich: Vincent Bolloré, Kapitalkonzentration & Medienzensur
Artikel von Bernard Schmid vom 31.07.2015
Gefährdet die zunehmende Kapitalkonzentration im Mediensektor die Pressefreiheit in Frankreich? Diese Frage wird seit einigen Wochen in Frankreich mit zunehmender Heftigkeit diskutiert. Den Auftakt für die mit teilweise bangem Tonfall geführte Debatte setzte Anfang Juli die Nachricht, dass die satirisch-politische Puppensendung Les Guignols de l’info ab der kommenden rentrée – so bezeichnet man in Frankreich das Ende der Sommerpause ab circa 1. September – bedroht sei. Noch lange nicht zu Ende war die Debatte mit einer Nachricht vom 29. Juli, die die Befürchtungen vieler KritikerInnen bekräftigt. Die Leitung des Fernsehsenders Canal+, auf dem übrigens auch die Guignols de l’info („Die Nachrichten-Kasper“) seit 1988 ausgestrahlt werden, hat demnach im Mai dieses Jahres die bewusste Entscheidung getroffen, einen Dokumentarfilm zu zensieren.
Im Mittelpunkt stehen in beiden Fällen dieselben Akteure: Vincent Bolloré, Multimilliardär, achtgrößter französischer Vermögensbesitzer und seit 2014 Aufsichtsratsvorsitzender des Mischkonzerns Vivendi, sowie die Leitung des zu ihm gehörenden Senders Canal+. Wie Ende Juli die Internetzeitung Mediapart en détail berichtete, griff Bolloré dort im Mai dieses Jahres persönlich ein, um die Ausstrahlung eines Dokumentarfilms mit bisher unbekanntem Titel zu verhindern. Dieser könnte nun, wie durchsickerte, im kommenden Herbst beim öffentlich-rechtlichen Regionalsender France 3 doch noch ausgestrahlt werden.
„In fünfzehn Jahren (Tätigkeit) habe ich noch nie eine derart offene und brutale Zensur gesehen“, erklärt dazu Jean-Pierre Canet, der Hersteller des Dokumentarfilms, in Le Monde. Es geht in ihm um Praktiken der Schweizer Bank Pasche, eine Filiale des französischen Crédit Mutuel-LCI, welcher aktive Beihilfe zu Steuerhinterziehung und -betrug durch ausländische Kunden vorgeworfen wird. Offen benannt wurde auch der Grund für die Zensurentscheidung bei Canal+, um die keinerlei Diskussion zugelassen wurde: Bolloré steht dem Chef des Crédit Mutuel-LCI, Michel Lucas, persönlich nahe. Die Bank beriet den Konzernchef bei Übernahmegeschäften.
Bolloré begann seine Karriere durch die Übernahme der elterlichen Papierfabrik und wurde vor allem im neokolonialen Afrikageschäft reich – im französischsprachigen West- und Zentralafrika kontrolliert er heute weite Teile des Transportsektors, Infrastruktur und Häfen. ist nicht die Art von Patron, die sie nicht direkt in das Redaktionsgeschäft der von seinem Konzern kontrollierten Medien einmischt. Im Gegenteil. Der seit dreißig Jahren mit ihm bekannte Schweizer Jean-Clément Texier, der beim Ringier-Konzern tätig ist, erklärte im Magazin Society (Juli-Ausgabe) ber Bolloré, er stehe „in der großen französischen Kolonialtradition seit dem 19. Jahrhundert“, was bedeutet: „Die Anderen haben sich an ihn anzupassen, nicht er.“
Bolloré kam erst 2014 an die Spitze des 21 Milliarden Eigenkapital schweren Konzerns Vivendi – er kaufte in den letzten drei Jahren 15 Prozent der Kapitalanteile zusammen, hält aber damit den stärksten einzelnen Block, der Rest entfällt meist auf Streubesitz. Anfang Juli beschloss er, bei Canal+ aufzuräumen. Er entließ die Nummer Zwei in der Hierarchie, Rodolphe Belmer, weil dieser in den Medien zu freimütig über Gespräche hinter den Kulissen gesprochen hatte. Anfang Juli wurde bekannt, er wolle die einflussreiche Satiresendung Les Guignols de l’info einstampfen. Inzwischen wurden die Pläne modifiziert: Sie wechselt „nur“ ins Bezahlfernsehen, während sie bislang kostenlos betrachtet werden konnte. Allein am Sonntag soll sie noch gratis zu sehen sein. Zudem werden die vier bisherigen Textschreiber zu Anfang 2016 gehen, angeblich sind sie „zu teuer“. Vor allem aber verlautbart, dass Bolloré ihre Art von bisweilen beißendem Humor nicht schätze. Seine Pläne laufen darauf hinaus, aus Vivendi eine Kopie seines weltweiten Hauptkonkurrenten, des Disney- Konzerns, zu machen: Geld soll vor allem im internationalen Vertrieb von gelabelten und standardisierten Kulturprodukten verdient werden.
Eine am 25. Juli auf der Webseite touchepasauxguignols („Rühr die Kasper nicht an“) publizierte Petition gegen das Verdrängen der Guignols aus dem allgemein zugänglichen Angebot erzielte innerhalb von nur vier Tagen bereits 115.000 Unterschriften. Auch Persönlichkeiten aus Politik und Kulturleben wenden sich gegen diese Verarmung der Medienlandschaft.
Hinter diesem Problem steht jedoch die Frage nach deren zunehmender Kontrolle durch wenige große Konzerngruppen. Fünf im Mediengeschäft tätige Konzerne erzielen in Frankreich einen jährlichen Umsatz oberhalb von 500 Millionen Euro, mit 5,5 Milliarden ist Vivendi der größte davon. Soeben entsteht ein sechster, nachdem am 27. Juli bekannt wurde, der französisch-israelische Geschäftsmann Patrick Drahi werde voraussichtlich bis 2019 über Allianzen die Kontrolle über die Sender BFM TV (Fernsehen) und RMC (Radio) übernehmen. Bereits bislang ist er nicht nur im Mobiltelefongeschäft gut verankert, sondern auch Hauptaktionär der linksliberalen Tageszeitung Libération und des Wochenmagazins L’Express.
Immer mehr Medieneintopf, zeigt der Menuplan für die kommenden Jahre an. Auch wenn eine wachsende Anzahl von FranzösInnen daran wenig Geschmack findet.