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Mali

Frankreich interveniert in Mali – und wirft seine eigene Ankündigungen über den Haufen

Artikel von Bernard Schmid vom 20.1.2013

Frankreich hatte Monate lang angekündigt, als frühere Kolonialmacht in der Region sei es an letzter Stelle dazu geeignet, militärisch in Mali zu intervenieren. Nun hat es seine Position binnen kurzem radikal verändert, und am 11. Januar eine militärische Offensive in dem westafrikanischen Land begonnen. Dabei geht es nicht ausschließlich um Rohstoffvorkommen – diese Erklärung ist zu simpel -, sondern durchaus auch um politische Erwägungen zu den Destabilisierungs-Risiken in der Sahel-Region. Doch die offiziellen Rechtfertigungen für das Eingreifen in der jetzigen Form lassen sich bei näherer Betrachtung nicht aufrecht erhalten. In Frankreich selbst überwog in den ersten Tagen der Intervention der Schulterschluss in fast der gesamten politischen Klasse, von links bis rechtsaußen. Nunmehr wird auch Kritik laut.

Monate hindurch hatte die offizielle französische Politik erklärt, es sei nötig, in Mali etwas zu tun, nachdem Djihadisten die Nordhälfte des Landes besetzt hatten – aber Frankreich selbst werde auf keinen Fall selbst die intervenierende Macht sein, die dabei das Heft in der Hand hält. Am 12. Juli 2012 etwa zitierte die Pariser Zeitung Le Figaro den amtierenden Außenminister Laurent Fabius mit den Worten, „früher oder später“ sei in Mali „die Anwendung von militärischer Gewalt wahrscheinlich“. Aber, so fügte er hinzu, „aus offensichtlichen Gründen kann Frankreich dabei nicht in der ersten Reihe stehen“. Als frühere Kolonialmacht in der Region, die damals noch als „französischer Sudan“ bezeichnet wurde, bis 1960 (und als Land, das später neokolonialen Einfluss nahm und weiterhin wirtschaftliche Kontrolle ausübte) sei Frankreich dazu ungeeignet. Ansonsten könne es durch sein Eingreifen scharfe Gegenreaktionen hervor rufen. (Vgl. Artikel externer Link)  Am 16. Juli wiederholte Fabius ähnliche Worte auf Staatsbesuch in Algerien, und fügte hinzu, die Lösung müsse „in den Händen der Malier“ liegen. Gleichzeitig versuchte Fabius Nachbarländer, unter ihnen Algerien, für ein Eingreifen zu gewinnen. Vgl. Artikel externer Link)

Die Vorbereitung der Intervention

Am 26. September 2012 hielt Frankreichs Präsident François Holland eine Rede zum Thema vor der 67. Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York. Dort bezeichnete er die Verabschiedung einer Resolution des UN-Sicherheitsrats, die das Entsenden einer internationalen Truppe nach Mali zwecks Vertreibung der den Norden des Landes beherrschenden djihadistischen Gruppierungen erlauben soll, als „Dringlichkeit der Stunde“.

In Frankreich wurde die Öffentlichkeit auf eine Offensive gegen diese Gruppierungen vorbereitet, u.a. als François Hollande bei der Eröffnung der neuen Louvre-Abteilung „Künste im Islam“ am 18. September 2012  in einer Rede darauf einstimmte: Darin geißelte François Hollande gegen die „Zerstörer von Kulturgütern“, in Reaktion u.a. auf die erneuteSchleifung eines zum Weltkulturerbe zählenden historischen Mausoleums – als Ort „ungläubiger Götzenverehrung“ – durch Radikalislamisten im Norden Malis am 15. September. Hollande erklärte dazu: „Überall auf der Welt, wo das Kulturerbe kaputt gemacht wird, werden wir da sein, um gegen diese Gruppen zu kämpfen.“

Die malische Regierung, vertreten durch Übergangspräsident Diocounda Traoré und Übergangspremier Cheikh Modibo Diarra, richtete eine offizielle Anfrage diesbezüglich am 24. September per Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon. Verkündet wurde dies, am Vortag der Eröffnung der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York, allerdings durch den französischen Außenminister – und früheren Premier in den Jahren 1984/86 – Laurent Fabius.

Vorbereitet worden war diese Anfrage u.a. bei einem Aufenthalts von Übergangs-Premierminister Cheikh Modibo Diarra in Paris am 19./20. September in Pari. Am zweiten Tag traf er dort mit Außenminister Laurent Fabius zusammen. Parallel dazu hielten sich weitere Regierungsmitglieder aus Mali in Paris auf und versuchten, Teile der malischen Immigrationsbevölkerung zu mobilisieren. 2.000 bis 3.000 vorwiegend malische Menschen nahmen etwa am 22. September an einer den ganzen Nachtmittag und Abend dauernden Mischung aus Riesenkonzert und Redner-Veranstaltung im Pariser Vorort Montreuil  teil. Als Dreingabe – neben wirklich guten Musikdarbietungen, wie der Autor dieser Zeilen bezeugen kann – gab es eine Rede des malischen Außenministers Tiéman Hubert Coulibaly. Dessen Rede wirkte allerdings wie ein Abklatsch mancher Ansprachen „westlicher“ bzw. nördlicher Politiker zum Kampf gegen den islamistischen Terrorismus, es wurde viel die Zivilisation im Kampf gegen Finsternis, Barbarei und Obskurantismus beschworen. Gegen die Umtriebe der tatsächlich unterdrückerischen, und bei bedeutenden Teilen der Bevölkerung wirklich verhassten, Radikalislamisten in ihrer „Besatzungs“zone in Nord-Mali dürfte eine solcherart glattpolierte Politikerrede allerdings wenig beigetragen haben.

Bei den UN wurde die Fackel dabei vor allem durch den französischen Präsidenten vorangetragen; vgl. Artikel externer LinkAm 26. September 12 kamen am Rande der UN-Vollversammlung ferner 41, zum Teil hochrangige Teilnehmer zu einer Sondersitzung zum Thema Mali zusammen. An ihr nahmen unter anderem François Hollande selbst, US-Außenministerin Hillary Clinton, EU-Präsident Herman Van Rompuy sowie die Präsidenten von Nigeria, Niger, Benin, Togo und der Afrikanischen Union teil. Die Versammlung sollte eher eine symbolische Unterstützung der französischen Position darstellen denn selbst Beschlüsse fällen, sieht man von der Zustimmung zur Ernennung eines UN-Sonderbeauftragten für Mali ab.

Anlässlich des Treffens und im Umfeld sagten Deutschland und Polen nachrichtendienstliche Unterstützung zu, Italien und Spanien ihre politische Unterstützung. Russland stellte in Aussicht, es werde eine Position des UN-Sicherheitsrats in der Frage nicht blockieren. Großbritannien zeigte sich bereit, ein Eingreifen zusammen mit den Franzosen politisch zu leiten. Allerdings hieß  es noch immer, die französische Regierung werde nicht unmittelbar „mit eigenen Bodentruppen“ – so Hollande und sein Außenminister Laurent Fabius – eingreifen, sondern vor allem durch logistische Hilfe und Truppentransport. Zudem solle nachrichtendienstliche Aufklärung geleistet werden. Le Figaro zufolge befinden sich allerdings bereits 100 Soldaten der Eliteeinheit Forces Spéciales in der Region, um Teilnehmer an einer künftigen Intervention zu schulen; die gewöhnlich in militärischen Dingen gut unterrichtete algerische Zeitung El-Khabar sprach von Ausbildungsprogrammen durch französischen Militärs für afrikanische Soldaten in Libyen.

Die offizielle Rechtfertigung für die jetzige Intervention

Als Gründe für eine vordergründige Zurückhaltung (auf der Ebene unmittelbarer militärischer Teilnahme) wurden die Kolonialvergangenheit Frankreichs in der Region – die für starke Abwehrreflexe bei einer direkten Intervention sorgen würde -, aber auch die Anwesenheit von sechs französischen Geiseln in den Händen von AQMI („Al-Qaida im Land des islamischen Maghreb“, eine der dort aktiven djihadistischen Gruppen) im Norden Malis genannt.

Und nun kam alles anders: Seit dem 11. Januar 2013 führt Frankreich im Rahmen der „Opération Serval“ – benannt nach einer Wüstenkatze, die ansonsten dafür bekannt ist, dass sie alle zwei Minuten uriniert, um ihr gigantisches Territorium zu markieren – Luftangriffe gegen die Islamisten im Zentrum Malis durch. Inzwischen hat auch eine Bodenoffensive begonnen, für die mittlerweile 2.000 französische Soldaten in Mali stehen (vgl. Artikel externer Link ). Eingeflogen wurden sie von französischen Militärbasen, Stützpunkten und Ausbildungszentren in den Staaten Tschad, Burkina-Faso und Mauretanien.

Als Rechtfertigung dafür, dass Frankreich nun doch selbst und direkt in Mali interveniert, dienen die Kämpfe, die am 09. und 10. Januar dieses Jahres ungefähr in der Mitte des Landes stattfanden. Die Djihadisten eroberten am 09. Januar 13 die kleinere Stadt Konna. Möglicherweise versuchten sie eine Art Flucht nach vorne, da sie die Intervention heranrücken sahen. Zudem wird von Beobachtern vermutet, dass Konflikte unter den sich zum Teil untereinander misstrauenden und bekämpfenden Gruppen – AQMI, die „Bewegung für die Vereinigung des Djihad in Westafrika“ (MUJAO) und die lokale Gruppe Ansar ed-Dine („Anhänger der Religion“ – ebenfalls den Anlass dazu gegeben haben könnten

Die Konsequenzen wurden in Frankreich dramatisiert dargestellt: Hätte Frankreich nicht militärisch eingegriffen, so verlautbarte im Nachhinein aus Regierungskreisen, dann hätten die Djihadisten alsbald südlich des Nigerbogens vorrücken können und wären binnen kurzem vor den Toren der Hauptstadt Bamako gestanden. Dort hätten sie 6.000 dort lebende Franzosen oder Doppelstaatsbürger (von 9.000, die sich in Mali aufhalten) als Geiseln nehmen und das ganze Land in ihre Gewalt bringen können.

Dagegen spricht allerdings nicht nur die Tatsache, dass der Süden Malis erheblich dichter besiedelt ist als der wüstenhafte Norden, und die Bevölkerung dort den Djihadisten – nach ihren Übergriffen auf die Bevölkerung im Norden mit öffentlichen Auspeitschungen und Hand-Amputationen – mit Abneigung und Hass begegnet. Die Zahl der djihadistischen Kämpfer wird auf rund 1.500 geschätzt. Hinzu kommen erwerbslose junge Männer, die in den letzten Monaten als Söldner rekrutiert wurden, jedoch (im Gegensatz zu überzeugten „Glaubenskämpfern“, die auf den Eintritts ins Paradies warten) kaum bereit sein dürften, einfach ihr Leben zu opfern. Mit einer solchen Truppe lässt sich ein großes Flächenland nicht im Handstreich erobern.

Die französische Enthüllungszeitung ,Le Canard enchaîné’ vom vergangenen Mittwoch, den 16. Januar liefert übrigens einen anderen, ja fast entgegen gesetzten Erklärungsansatz. Ihr zufolge war der französische Generalstab bis dahin ausgesprochen skeptisch gegenüber einer Intervention in Mali: Man wisse zwar, wie ein Krieg beginnen können, aber nicht, wann und wie er enden werde – ein nunmehr bald zwölfjähriger Schlamassel in Afghanistan, wo die Taliban nicht gerade schwächer wurden, dient als Mahnung. Doch die Politiker, François Hollande an ihrer Spitze, hätten den Generalstab überzeugen können, indem sie darauf verwiesen, dass die Djihadisten nunmehr leicht zu schlagen sein: Ihre auf Pick-Ups vorrückenden Verbände seien leichte Zielscheiben, im Gegensatz zu islamistischen Kampfverbänden, die sich in dicht besiedelten Städten aufhalten oder irgendwo in der Landschaft versteckt aufhalten. Demnach war es eher die momentane Verwundbarkeit der Djihadisten für militärische Angriffe denn ihre Stärke, die zum Eingreifen am jetzigen Zeitpunkt den Ausschlag gegeben hat.

Gegen eine spontane Entscheidung zum Eingreifen in die Kämpfe, die ab dem 09. Januar stattfanden, spricht ein anderes Element. Algerien hat für die militärische Intervention Frankreichs im südlichen Nachbarland seinen Luftraum geöffnet. Grünes Licht dafür hatte François Hollande aller Wahrscheinlichkeit nach bei seinem Staatsbesuch in Algier am 19. und 20. Dezember 2012 erhalten. Das algerische Gesetzt schreibt der Regierung jedoch in solchen Fällen vor, eine Frist von drei Wochen zwischen ihrer Zustimmungserklärung und der tatsächlichen Öffnung des Luftraums zu wahren; vgl. Artikel externer Link.   Zählt man 21 Tage ab dem Staatsbesuch Hollandes hinzu, so kommt man auf den tatsächlichen Beginn der Intervention. Dies spricht aber jedoch dagege, dass er relativ kurzfristig entschieden wurde.

Rohstoff- und politische Interessen

Selbstverständlich geht es Frankreich dabei auch darum, seine Rohstoffinteressen in der Region und seine Stellung als führende neokoloniale Macht in Afrika insgesamt zu behaupten. Am interessantesten für Frankreich sind dabei sicherlich die, derzeit vielzitierten, Uranminen im Nachbarland Niger. In Mali selbst sind die französischen Wirtschaftsinteressen nicht derart ausgeprägt. Uran- und Erdölverkommen in der Nordhälfe des Landes werden zwar vermutet, sind bislang jedoch nicht gesichert nachgewiesen. Gleichzeitig lebt Mali bislang eher von landwirtschaftlichen Exporten, insbesondere Baumwolle – ein Sektor, in dem Franzosen ebenso wie Nordamerikaner und Chinesen präsent sind. Französische Unternehmen kontrollieren zudem bspw. über die Hälfte des Telefonmarkts und Internetzugangs (vgl. Artikel externer Link )  und Teile des Bankensektors, wie in anderen Staaten der Region.

Die Frage eines direkten Zugangs zu Rohstoffquellen spielt jedoch keine primäre Rolle für das französische militärische Eingreifen, und entsprechende Erklärungen sind gar zu simpel. Ihm liegen tatsächlich auch politische Erwägungen zugrunde, in Gestalt der Befürchtung, die Ausbreitung der in Nordmali eingesickerten – und mit Waffen der früheren libyschen Diktatur ausgestatteten – djihadistischen Gruppen könne einen neuen Krisenherd in der Sahelzone schaffen. Einen Brennpunkt und Sammelort für vergleichbare Gruppen ähnlich dem, den Afghanistan vor Oktober 2001 bildete. Der Hinweis auf Afghanistan, wo sich die Lage der meisten Menschen (mit Ausnahme von manchen Stadtbewohnern in Kabul) nicht verbessert hat und die Taliban in den letzten Jahren eher stärker werden – indem sie sich auf ihren nunmehrigen Status als vorgebliche „Widerständler“ berufen – ist jedoch ein mahnendes Anschauungsbeispiel für den möglichen Fortgang der Ereignisse.

Werbeflüge für die französische Rüstungsindustrie

Selbstverständlich kämpft Frankreich, wenn es den Status quo in der Sahel-Zone zu bewahren versucht, gleichzeitig auch um die Erhaltung seines bisherigen, kritikwürdigen ökonomischen und politischen Einflusses. Und noch aus anderen Gründen ist die Intervention unmittelbar an Eigeninteressen der führenden Eliten des Landes ausgerichtet. François Hollande, der sich am 14. Januar 13 in Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten und dort auf der – seit fünf bestehenden -französischen Militärbasis aufhielt, sprach zu den am Golf stationierten Offizieren folgende Worte: „Es kann sein, dass wir Ihre (Kampfflugzeuge) ,Rafale’ in Mali benötigen. Zeigen Sie ihnen“, den reichen Golfarabern, „alle Vorzüge des ,Rafale’!“ Antwort eines Offiziers: „Die Emirate schätzen den ,Rafale’ sehr, Monsieur le président.“ François Hollandes Replik darauf: „Auch dies ist ein sehr wichtiger Bestandteil unserer Mission: zu zeigen, dass das französische (Anm.: Rüstungs-)Material zu den leistungsfähigsten zählt. Danke für Ihre doppelte Mission: gleichzeitig operativ und geschäftlich.“(Vgl. Artikel externer Link )

Und die malische Bevölkerung?

Es wäre sicherlich auch anders gegangen, hätte man etwa die Malier – deren Armee im Augenblick tatsächlich desorganisiert ist, (vgl. Artikel externer Link) unter anderem aufgrund interner Korruption sowie dem Land von Frankreich, dem IWF und anderen auferlegten Sparzwänge – ihr Land selbst zurückerobern lassen. Dabei hätte sich ohne jeden Zweifel ein relevanter Teil der Bevölkerung aktiv beteiligt. In den durch djihadistische Gruppen kontrollierten Zonen kam es immer wieder zu Revolten gegen ihre Herrschaft mit der Peitsche. Am gestrigen Samstag wurde ein Djihadist, der in der Stadt Gao bislang den Posten des Polizeichefs besetzte, durch die örtliche Bevölkerung gelyncht – nachdem die Djihadisten einen Journalisten ermordet hatten, den sie der „Berichterstattung für den Feind“ bezichtigten. (Vgl. Artikel1 und Artikel2 oder Artikel3) Schon zuvor kam es zu Revolten, etwa in Goundam nach der Züchtigung einer jungen Frau, die unverschleiert zum Brunnen gegangen war. (Vgl. Artikel externer Link )

Bislang herrscht durchaus eine vordergründig begeisterte Zustimmung unter vielen Maliern – in ihrem eigenen Land, wie unter in Frankreich lebenden Migraten (vgl. Artikel externer Link )  – für die Intervention. Gegenüber der djihadistischen Herrschaft mit Beil und Peitsche wird sie sehr oft als kleineres Übel betrachtet, auch wenn die Malier sehr oft hinzufügen, die neokolonialen Hintergedanken Frankreichs durchaus auch zu durchschauen und kritisch zu sehen. Wie lange diese Zustimmung anhält, wird jedoch sehr stark vom weiteren Verlauf der Ereignisse auf militärischer und politischer Ebene abhängen. Unterdessen kam es bereits wiederholt zu Berichten über Ausschreitungen der malischen Armee, die an der Offensive beteiligt ist, gegenüber Zivilisten (vgl. Artikel externer Link ). Häufen sich Meldungen über solche Vorfälle, über zivile Tote bei Bombardierungen, oder über Schikanen von Menschen durch Soldaten, so kann die Stimmung unter den Menschen auch schnell kippen. US-Soldaten wurden Ende 1992 in Somalia als humanitäre Helfer gefeiert, Anfang 1994 wurden die Leichen von US-Soldaten durch die Straßen von Mogadischu geschleift, und viele applaudierten dabei. Die USA jedenfalls – die derzeit logistische Unterstützung für Frankreich in Mali leisten – zögern sehr, was eine unmittelbarere und klarere Beteiligung an der Intervention betrifft. (Vgl. Artikel externer Link )

Unter der französischen Bevölkerung überwiegt bislang die Zustimmung, in verschiedenen Umfragen erklären jeweils rund 60 Prozent ihr Einverständnis für die Intervention. Zu Anfang stimmten fast alle politischen Kräften mit Ausnahme der radikalen Linken der begonnenen Intervention im Prinzip zu. Zum ersten Mal seit über zwanzig Jahren findet eine, vordergründig für humanitäre Interessen – die Befreiung Malis von den Djihadisten ausweislich der offiziellen Begründungen – geführte, äußere Intervention auch die offene Unterstützung der extremen Rechten des Landes. Deren wichtigste Partei, der Front National (FN), sprach ihre offizielle Unterstützung aus: Marine Le Pen erklärte die Intervention am 12. Januar für „legitim“, und der rechtsextreme Abgeordnete Gilbert Collard äußerte sich im Parlament in ähnlicher Weise. (Vgl. Artikel externer Link ) Die vor allem durch die USA geführten Kriege im Iraq (Irak) in den Jahren 1991 – damals noch unter französischer Beteiligung – und 2003 (ohne französische Teilnahme), die französische Intervention in Libyen 2011 und die Spekulationen über ein militärisches Eingreifen in Syrien lehnte der FN gleichermaßen vehement ab. In den drei Fällen verteidigte die rechtsextreme Partei jeweils (tendenziell) die betroffenen Diktaturen; und ferner erklärte sie, wertvolles eigenes Blut solle für fremde Interessen (jene der USA, oder jene der Islamisten, denen die Interventionen vorgeblich allein nutzten) oder „utopische“ Ziele (wie eine behauptete Demokratisierung dieser Länder) geopfert werden. Stattdessen müsse das Blut der eigenen Leute und das für diese Kriege erforderliche Geld für vorrangige, nationale Aufgaben bewahrt werden.

Unterdessen wächst jedoch auch die Kritik, jedenfalls an Einzelpunkten. Die bürgerliche Rechtsopposition verschärft in den letzten Tagen ihre Mäkeleien, die sicherlich nicht als Aufruf zur Bekämpfung des französischen Neokolonialismus zu verstehen, sondern als Methodenkritik gemeint sind. Ausgerechnet der frühere Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing – der in seiner Amtszeit (1974-81) mit vielen afrikanischen Diktatoren kungelte, und ihnen zur Unterstützung auch mal die Fremdenlegion schickte wie 1978 in Kolwézi in Mobutus Zaire – warnte explizit vor „dem Risiko einer neokolonialen Aktion Frankreichs“. Damit meinte er natürlich eher das Risiko einer negativen Wahrnehmung derselben. Der Chef der stärksten Oppositionspartei (UMP, Jean-François Copé, sprach in den ersten Tagen der Intervention vom „nationalen Schulterschluss“, bemängelt jedoch inzwischen den französischen „Alleingang“ . Denn die auch von Anderen, etwa dem grün-linksliberalen Europaparlamentarier Daniel Cohn-Bendit, explizit gewünschte Unterstützung von anderen europäischen Mächten fiel bislang konkret eher schwach aus. In den anderen Hauptstädten lässt man die Franzosen gerne machen und hat gegen ihr Eingreifen nichts einzuwenden – gedenkt im Falle, dass die Entwicklung anders als geplant verläuft, sie aber auch die Suppe auslöffeln zu lassen.

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