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Frankreich zwischen Polizeigewalt und Rassismus, „Dekret der Schande“ zu Prämien im Gesundheitswesen und der Wiederkehr der „Rentenreform“

Paris am 16.06.2020 - Aufschrift: "Das Krankenhaus(wesen) brennt ab - Vorsicht vor den Flammen!" Foto von Bernard SchmidVersammlungsverbot durch höchstrichterlichen Beschluss aufgehoben – Eine nahezu zeitgleich zu dem Urteil stattfindende Demonstration (zu den Themen Polizeigewalt und Rassismus) am Samstag, den 13. Juni 20 konnte dennoch nicht stattfinden, sondern es musste bei einer „statischen“ Versammlung bleiben – Zehntausende Mitglieder des Pflegepersonals demonstrieren am Dienstag, den 16.06.20, darunter 18.000 in Paris, wo die Demo zum Abschluss jedoch durch Ausschreitungen (nicht nur!) der Polizei überschattet wird – „Dekret der Schande“ zu Prämien im Gesundheitswesen wurde veröffentlicht – Auferstehung einer Untoten: Die „Rentenreform“ wird doch wieder ausgegraben?!...“ Artikel von Bernard Schmid vom 17.6.2020 und Zusatzinformationen vom 18.06.20 zum Pariser Demogeschehen vom 16.06.20 und zur gestern erwähnten Auferstehung der untoten Renten„reform“ New

Frankreich zwischen Polizeigewalt und Rassismus, „Dekret der Schande“ zu Prämien im Gesundheitswesen
und der Wiederkehr der „Rentenreform“

Versammlungsverbot durch höchstrichterlichen Beschluss aufgehoben – Eine nahezu zeitgleich zu dem Urteil stattfindende Demonstration (zu den Themen Polizeigewalt und Rassismus) am Samstag, den 13. Juni 20 konnte dennoch nicht stattfinden, sondern es musste bei einer „statischen“ Versammlung bleiben – Zehntausende Mitglieder des Pflegepersonals demonstrieren am Dienstag, den 16.06.20, darunter 18.000 in Paris, wo die Demo zum Abschluss jedoch durch Ausschreitungen (nicht nur!) der Polizei überschattet wird – „Dekret der Schande“ zu Prämien im Gesundheitswesen wurde veröffentlicht – Auferstehung einer Untoten: Die „Rentenreform“ wird doch wieder ausgegraben?!

Am vorigen Wochenende hatte nun auch der Conseil d’Etat (Staatsrat), d.h. das höchste Verwaltungsgericht in Frankreich, die Faxen dicke. Nachdem die Métrozüge jedenfalls auf manchen Linien – insbesondere, aber nicht nur der berüchtigten Linie 13 – wieder überfüllt sind, Gaststätten wieder öffnen durften und die Lohnabhängigen wieder nahezu ohne Einschränkungen arbeiten „dürfen“ (Anm.: die sanitären Maßnahmen in Unternehmen gegen das Risiko einer Kotamination sollen i.Ü. laut Regierungsplänen gelockert werden: https://www.lefigaro.fr/societes/le-gouvernement-songe-a-alleger-les-regles-sanitaires-en-entreprise-20200616 externer Link), sollen nun auch Versammlungen unter freiem Himmel nicht länger grundsätzlich verboten bleiben. Die Regierung plante ursprünglich, unter dem Vorwand der Ausbreitung des Coronavirus Versammlungen noch bis in den November 2020 unter Verbotsvorbehalt zu stellen. (Vgl. https://www.francetvinfo.fr/sante/maladie/coronavirus/le-gouvernement-veut-maintenir-la-possibilite-dinterdire-les-manifestations-malgre-la-fin-de-letat-durgence-sanitaire_4003571.htm externer Link) Doch die obersten Verwaltungsrichter/innen entschieden anders: Ab jetzt gilt, dass Versammlungen wie bspw. Demonstrationen nach den normal anwendbaren Regeln stattfinden dürfen, sofern die Veranstalter/innen dafür Sorge tragen, dass etwa durch Maskentragen oder Abstandsregeln das sanitäre Risiko eingedämmt wird. (Vgl. https://www.conseil-etat.fr/ressources/decisions-contentieuses/dernieres-decisions-importantes/conseil-d-etat-13-juin-2020-manifestations-sur-la-voie-publique externer Link) Am Montag früh, den 15.05.20 erschienen denn auch im Journal Officiel (Amtsblatt, Gesetzesanzeiger der Französischen Republik) neue Regeln in Gestalt einer abgewandelten Regierungsverordnung, die konform zu dem Urteil ausfällt. In Deutschland hatte das Bundesverfassungsgericht bereits im April 20 im Hinblick auf eine Demonstration in Gießen anders entschieden.

Im Prinzip bleibt es bei einer neue Obergrenze bis 5.000, die bis in die erste Septemberhälfte 2020 hinein generell gilt (etwa auch bei Sport-, Kultur- und anderen privaten Veranstaltungen in geschlossenen Räumlichkeiten, die bereits bislang nicht von der seit dem 11.05.2020 geltenden Elf-Personen-Grenze betroffen waren). Ein Hindernis für Demonstrationen dürfte dies nicht darstellen, notfalls gilt eben das Prinzip „Mut zur Lücke“… zur Lücke zwischen mehreren Personengruppen von je ein paar Tausend Menschen.

Eine erste Demonstration sollte am Samstag Nachmittag, den 13. Juni 20 stattfinden, zu einem Zeitpunkt, als das Urteil des Conseil d’Etat – den unter anderem Nichtregierungsorganisationen wie die „Liga für Menschenrechte“ (LDH) und mehrere Gewerkschaftsvereinigungen (unter ihnen der Gewerkschaftsdachverband CGT und die progressive Richter/innen/gewerkschaft Syndicat de la magistrature SM) angerufen hatten – erwartet wurde, es fiel dann auch am Spätnachmittag. (Vgl. auch bspw: https://www.midilibre.fr/2020/06/13/le-conseil-detat-leve-linterdiction-de-se-rassembler-a-plus-de-dix-personnes,8931181.php externer Link)

Um 14.30 Uhr an jenem Samstag also versammelten sich auf der Pariser place de la République laut Polizeizahlen „über 15.000“, real wohl mindestens 20.000 Menschen. Ihre seit längerem angekündigte Demonstration zum Gedenken an den Tod von George Floyd, aber auch an den des Franzosen westafrikanischer Herkunft Adama Traoré (vgl. https://www.labournet.de/internationales/frankreich/lebensbedingungen-frankreich/frankreichs-george-floyd-heisst-adama-traore-massenproteste-gegen-rassismus-und-polizeiterror-im-ganzen-land/) und zur Forderung nach Aufklärung dieses Falles schien zunächst zumindest toleriert zu werden.

Toleranz? Von wegen…

Am Vorabend hatten auch bürgerliche Fernsehsender deren Route bekannt gegeben, und die Pariser Polizeipräfektur hatte Geschäfte am Weg zur vorübergehenden Schließung aufgefordert. Zuvor hatte Innenminister Christophe Castaner am vorausgehenden Dienstag, den 09. Juni 20 noch ausdrücklich erklärt (vgl. https://www.lefigaro.fr/politique/castaner-ne-sanctionnera-pas-les-manifestations-contre-le-racisme-l-emotion-depasse-les-regles-juridiques-20200609 externer Link), Demonstrationen gegen Rassismus würden derzeit ohne Sanktionen hingenommen, „weil die Emotion“ nach dem Tod von George Floyd – ein Begriff, der es ihm zugleich erlaubte, von der Rationalität der Protestierenden zu abstrahieren – den „juristischen Rahmen“ sprenge. Deswegen wurde auch für den darauffolgenden Samstag folgerichtig mit einer Duldung gerechnet.

Doch gegen 15 Uhr, zu Veranstaltungsbeginn, wurde eine Verbotsverfügung der Polizeipräfektur bekannt gegeben und ein Wasserwerfer unmittelbar vor der Spitze des sich formierenden Protestzugs aufgefahren. Tausende Menschen besetzten daraufhin für mehrere Stunden den Platz, konnten jedoch nicht vom Fleck kommen, bis es gegen 18 Uhr zu Zusammenstößen, Würfen mit Gegenständen und Tränengaseinsatz kam. Die Nervosität war in manchen Momenten mit Händen zu greifen.

Zusätzliche Spannung kam zeitweilig an einem der Ränder des Platzes auf, weil dort vom Dachgeschoss eines siebenstöckigen Hauses aus die rechtsextreme „identitäre Bewegung“ ein Transparent mit den Aufschriften „für die Opfer des anti-weißen Rassismus“ und „White Lives matter“ enthüllte. Dadurch landeten ihre jungen Aktivisten einen Aufmerksamkeitserfolg in den Medien – auch wenn sie sich vor Ort eher lächerlich machten, da Anwohner im sechsten Stock ihr Transparent mit Scheren zerschnitten, bevor Antifaschisten das Dach enterten. Zwölf „Identitäre“ wurden in einem Polizeifahrzeug abtransportiert. Medien meldeten ihre Festnahme, während kritische Journalisten wie Tahar Bouafs eher von einer „Exfiltration“ – also einem Eskortieren unter sicherem Geleit – sprachen, nachdem die Rechtsextremen Photos von sich selbst in triumphaler Pose aus dem Polizeifahrzeug über die sozialen Medien verschickt hatten.

Die am rechten Rand der Konservativen stehende Wochenzeitung Valeurs Actuelles (Anm.: 1961 gegründetes Wochenmagazin; bei einer Leser/innen/umfrage im Frühjahr 2004 gaben 66 Prozent der Leser/innen an, für die konservative Rechte zu stimmen, und weitere 25 % für den neofaschistischen Front National) publizierte ihrerseits eine kurze Videoaufnahme, die belegen sollte, dass es auch mindestens einen antijüdischen Rufer aus dem Platz gab. Demnach rief – sofern ihre Wiedergabe stimmt – unter den Protestierenden, die zornige Slogans gegen die Identitären auf dem Dach skandierten, eine Stimme auch „Schmutzige Juden“ (sales juifs). Andere Medien bestätigten dies zunächst nicht; die bürgerliche Tageszeitung Le Figaro etwa hatte vor Ort einen solchen Ruf nicht vernommen. Die sozialdemokratische Tageszeitung Libération hielt diese Version jedoch für möglich und ordnet den Ausruf einem „Mann mit schwarzer Hautfarbe und Hut“ zu. (Vgl. https://www.liberation.fr/checknews/2020/06/14/que-sait-on-des-insultes-antisemites-entendues-lors-du-rassemblement-pour-adama_1791194 externer Link)

Valeurs Actuelles selbst spricht von „zwei, vielleicht drei Rufern“. Die Stimme der Menge gibt ein solcher hässlicher Zwischenruf auf keinen Fall wieder – der Verf. dieser Zeilen befand sich mitten drin auf dem Platz -, vielmehr rief Assa Traoré (die Schwester des Getöteten, also von Adama Traoré) vom Lautsprecherwagen aus: „Wir sind alle Muslime, wir sind alle Juden, wir sind alle Christen, von allen Religionen“. Und in der Menge wurde um dieselbe Zeit mindestens eines Juden andächtig gedacht, da am selben Nachmittag der Tod des 92jährigen Maurice Rajsfus bekannt wurde – eines auch vom Autor dieser Zeilen geschätzten Mannes, der als Kritiker von Polizeigewalt in Frankreich seit Jahrzehnten einen Namen hatte, ebenso lange zum Antisemitismus arbeitete, zugleich als „pro-palästinesischer Jude“ galt und als Dreizehnjähriger selbst die Massenmordaktion in Gestalt der „Judenrazzia des Vélodrôme d’Hiver“ (rafle du Vel’d’Hiv‘) 1941 überlebte.

Die Polizeipräfektur (Pariser Polizeiführung) hinderte dies Alles nicht daran, auf Twitter zu behaupten, „die Demonstranten“, mit bestimmten Artikel und im Plural, hätten einen antisemitischen Slogan skandiert, was definitiv eine Lüge ist. Auch so funktioniert Manipulation. (Vgl. https://twitter.com/prefpolice/status/1271826457661243393 externer Link )

Am Vortrag der Demonstration für Adama Traoré protestierten in Paris und anderen Städten wie Marseille und Bordeaux wiederum insgesamt mehrere Tausend Polizisten zusammen mit Polizeigewerkschaften wie der konservativ geprägten Alliance, ketteten ihre Handschellen an den Gitterstäben öffentlicher Gebäude fest oder warfen dieselben zu Boden und verkündeten ihren Slogan: Als Gegenentwurf zu No justice, no peace (auf Französisch: pas de justice, pas de paix!) erfanden sie pas de police, pas de paix. Sie wehren sich gegen eine „Pauschalverdächtigung“ der Polizei“ und gegen die Abschaffung der Festnahmepraxis des Würgegriffs (clé d’étranglement), die Innenminister Castaner zu Anfang der Woche vom 08. Juni d.J. ankündigte, doch unter dem Druck protestierenden Polizisten an ihrem Ende wieder relativierte.

Angefeuert werden sie durch politische Kräfte, die alles Interesse haben, diese Situation weidlich auszubeuten. Zu ihnen zählt der als Law-and-Order-Hardliner hinlänglich bekannte konservative Abgeordnete Eric Ciotti, aber in erster Linie natürlich auch der neofaschistische Rassemblement national (RN), welcher den behaupteten Verrat an der Polizei lautstark anklagt.

Dessen Chefin Marine Le Pen besuchte am Freitag Vormittag, den 12. Juni 20 eine Polizeistation in Villeneuve-la-Garenne bei Paris und verließ diese im Kameragewitter. Ihr zufolge gibt es, nun ja, in Frankreich „eigentlich gar kein Problem mit Polizeigewalt“. Von ihrer Seite her verwundert das nicht. Von ihrer Seite hieß es am Montag dieser Woche ferner, dass es rassistische Diskriminierung in Frankreich „nicht gibt“.

Aus ihrer Partei heraus wurden im Übrigen die, von dieser Seite her ebenfalls zu erwartenden, just als rassistisch zu charakterisierenden en Untertöne laut: Marion Maréchal, Nichte und mitunter Rivalin der Chefin, verkündete, sie werde sich „nicht dafür entschuldigen, Weiße zu sein“, was auch niemand von ihr gefordert hatte, und redete den Franzosen Angst ein, nach britischen Sklavenhändlern in Bristol oder Kolonisatoren in Neuseeland und US-amerikanischen Südstaaten-Vertretern werde man nun auch „Napoléon und Charles de Gaulle vom Sockel stürzen“. Immerhin würde es bei Napoléon I. zum Thema passen, insofern er am 20. Mai 1802 auf den Antillen (französischen Karibikinseln) die Sklaverei restaurieren ließ, welche die Jakobiner am 06. Februar 1794 abschafften. Ein anderer früherer Spitzenpolitiker des FN, der in die Jahre gekommene Bruno Gollnisch, wollte schon vor Tagen zu Beginn der Proteste die daran Teilnehmenden „in ihre Herkunftsländer zurückkehren“ sehen. Allerdings sind diese in ihrer überwiegenden Mehrheit französische Staatsbürger.

In der innenpolitischen Polarisierung hat der, von der internationalen Ebene ausgegangene, Protest also nun sein überaus hässliches Gegenstück gefunden.

Gesundheitspersonal protestiert

Am Dienstag, den 16.06.20 protestierte nun, wie seit mehreren Wochen geplant, auch das Gesundheitspersonal. Es stand mehrere Monate lang aufgrund der Covid19-Pandemie im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit und wurde auf verbaler Ebene auch – nachdem seit März 2019 ein Jahr lang immer wieder gegen schreiende Mängel im Krankenhauswesen gestreikt worden war – nun plötzlich auch durch das Regierungslager (dem Anschein nach) verhätschelt. Allerdings nur eine Zeit lang. Zwar hatte Emmanuel Macron in einer seiner Ansprachen verkündet, nunmehr werde das öffentliche Gesundheitswesen gefördert und umsorgt, „koste es, was es will“. Allein, es gilt die Maxime, die dereinst der berüchtigte konservative Innenminister Charles Pasqua wie folgt auf den Punkt brachte: „Versprechungen verpflichten nur diejenigen zu etwas, die sie an glaubten.“

Zur, angeblichen, Umsetzung der Ankündigungen läuft nun seit Ende Mai die Konzertierungsrunde in Gestalt des Ségur de la santé (Runde am boulevard Ségur, Sitz des Gesundheitsministeriums, zur Gesundheitspolitik). Diese läuft unter Vorsitz der früheren rechtssozialdemokratischen Vorsitzenden des Gewerkschaftsdachverbands CFDT zwischen 1992 und 2002, Nicole Notat, wie wie berichteten. Viel heraus kam dabei bislang nicht. Der Notarzt Patrick Pelloux – in den Medien seit Jahren einer der scharfen Kritiker der Einsparungspolitik im Gesundheitswesen, zugleich Autor bei der linksliberalen Wochenzeitung Charlie Hebdo; bei einer ihm gewidmeten Sondersendung am gestrigen Abend beim bürgerlichen Sender BFM TV erwies er sich allerdings auch als Verteidiger der Polizei (gegen ihm zufolge oft ungerechtfertigte Kritik), da er bei Noteinsätzen seit dreißig Jahren mit ihr zusammenarbeite – sprach bei derselben Sendung von gestern Abend und bei vorausgehenden medialen Auftritten diesbezüglich von einer „Verarschung“ und „Enttäuschung“.

Überdies erschien am 08. Juni nun „endlich“ das seit längerem angekündigte Regierungsdekret zu den Sonderprämien für Beschäftigte im Gesundheitswesen. Die (steuerbefreiten) Lohn- und Gehaltsprämien sollen nun ab Ende Juni d.J. ausgeschüttet werden, zu früh ist es wohl nicht. Allerdings betragen sie, wie bereits zuvor im Raum stand, zwar 1.500 Euro für die Gesundheitsbediensteten in vierzig (von insgesamt 101) französischen Verwaltungsbezirken – da diese besonders von der Pandemie betroffen gewesen seien -, jedoch nur 500 Euro für diejenigen in anderen Départements. Dennoch wurden auch dort Covid19-Patient/inn/en behandelt, ja sogar dorthin umverteilt, da auf dem Höhepunkt der Epidemie (die in Frankreich ihren Scheitelpunkt am 31. März/1. April 20 erreichte, jedenfalls war war laut dem Chef des Pariser Krankenhauswesens AP-HP-, Martin Hirsch, in jener Nacht in der Hauptstadtregion das allerletzte Intensivbett belegt worden) ein landesweites Rotationssystem für Schwerkranke mit Covid19-Infektion stand. Zuzüglich der Versendung von Covid19-Kranken nach Deutschland, von Friedrichshafen über Essen bis Dresden.

Die Direktoren oder Direktorinnen der jeweiligen Krankenhäuser können zwar für einen Teil ihrer Beschäftigten die Sonderprämie auf bis zu 1.500 Euro anheben. Jedoch schreibt das Regierungsdekret ihnen vor, dies maximal bis zu einer Obergrenze von 40 % ihrer Beschäftigten zu tun. Die CGT im Gesundheitswesen spricht daraufhin von einem „Dekret der Schande“. (Vgl.:https://www.legifrance.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000041980117&categorieLien=id externer Link und http://www.cgt-unilever-hpc-france.com/2020/06/le-decret-de-la-honte-durant-le-segur-de-la-sante-du-nom-de-l-avenue-ou-loge-le-ministere-de-la-sante.html externer Link)

Gründe zum Protest gab und gibt es also im Gesundheitswesen, auch weiterhin, hinreichend. 18.000 Menschen (laut Polizeizahlen), unter ihnen viele Angehörige von Gesundheitsberufen – an ihrer Seite jedoch auch einige Lehrkräfte, junge Linke, Assa Traoré vom „Komitee Gerechtigkeit für Adama“… – demonstrierten am gestrigen (16.06.20) durch Paris, weitere Tausende in anderen Großstädten wie Marseille, Nantes und Lille (je zwischen 3.500 und 7.000 laut offiziellen Zahlen).

In Paris wurde die Ankunft auf dem riesigen Vorplatz des Invalidendoms, er misst 32.000 Quadratmeter, durch Ausschreitungen und Übergriffe überschattet. Diese gingen auch, allerdings nicht nur durch die Polizei aus; diese hatte einmal mehr objektive (jedoch mutmaßlich ungewollte) Verbündete in Gestalt von vermummten Idioten, in deren Reihen einmal mehr auch diverses asoziales Pack aktiv war, das etwa einen Privat-Pkw mit Behindertenkennzeichen umwarf/-wälzte und beschädigte oder einen (fälschlich für einen Touristenbus gehaltenen?) Reisebus, in dem Krankenschwestern und Krankenpfleger einer FO-Mitgliedsgewerkschafts aus dem Pariser Trabantenstadtraum von der Demo abgeholt werden sollten, auf Höhe der Fahrerkabine mit Steinen bewarf. Die Polizei ihrerseits gaste die auf Rasenflächen Stehenden oder Sitzenden zeitweilig ein.

In den sozialen Medien kursierten am Abend Videos von der brutalen Festnahme einer fünfzigjährigen, 1,55 Meter messenden Krankenschwester, Farida, die über Nacht auf einer Polizeiwache festgehalten wurde. Umgekehrt wurden auch Videos ins Netz gestellt, die dieselbe Krankenschwestern zuvor beim Werfen von Gegenständen in Richtung Polizei zeigen sollen; manche Stimmen behauptete, Angehörige des schwarzen Blocks hätten Krankenhauskittel überzogen. Plausibel ist, dass die Krankenschwester sich aus (grundsätzlich begreiflicher) Wut heraus kurzfristig einer Wurfaktion anschloss…

Post skriptum: Eine Untote feiert gruselige Wiederaufstehung: Emmanuel Macron will nun doch, entgegen vorherigen Ankündigungen seit März dieses Jahres, die geplante Renten„reform“ doch reaktivieren. Details dazu folgen…

Artikel von Bernard Schmid vom 17.6.2020 – wir danken!

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Frankreich: Zum Protestgeschehen – aktualisiert – und neues von der sozialen Front der untoten Renten„reform“

Zusatzinformationen vom 18.06.20 zum Pariser Demogeschehen vom 16.06.20
und zur gestern erwähnten Auferstehung der untoten Renten„reform“

Die in unserem gestrigen Artikel erwähnte 51jährige Krankenschwester „Farida“, die am Dienstag (16.06.20) auf dem Invalidenplatz in Paris wegen Werfens von (kleineren) Gegenständen sowie zwei Stinkfingern in Richtung Polizei festgenommen wurde, kam am Mittwoch Spätnachmittag wieder frei. Noch in der Nacht hatten sich Protestierende vor dem Polizeikommissariat im 7. Pariser Bezirk, auf dem sie vernommen und in Gewahrsam festgehalten wurde, versammelt (unter ihnen mehrere Abgeordnete der linkssozialdemokratischen Wahlplattform LFI, La France insoumise, wie Eric Coquerel und Danièle Obono (vgl. https://twitter.com/JLMelenchon/status/1273002533791899649 externer Link). Eine erneute Versammlung hatte am Mittwoch Nachmittag ab 16 Uhr stattgefunden, unter Beteiligung der CGT vor allem aus ihrem Département – die Krankenschwester wohnt in Ivry-sur-Seine in der Nähe von Paris, im Verwaltungsbezirk Val-de-Marne. Dort sprach auch ihre Tochter, Imen Mellaz.

Die CGT rechtfertigt zwar nicht ihre spontane Teilnahme an einer Wurfaktion, bleibt jedoch ausdrücklich solidarisch und erklärt, diese rechtfertige in keiner Weise, dass mehrere „1,90 m große Bereitschaftspolizisten sich auf eine 1,55 Meter messende schmächtige Frau mit Asthma werfen“, sie fesseln und davonschleppen. (Auch aus polizeilicher Sicht hätte eine Aufnahme der Personalien Genüge getan. Polizeigewerkschaften wie UNSA Police, deren Sprecher im französischen TV am Mittwoch Abend mehrfach zu Wort kommen, rechtfertigten jedoch die Festnahme wiederholt.)

Diese Gedanken drückte etwa Benjamin Amar, Lehrergewerkschafter der CGT und eine historische Figur der CGT im Département Val-de-Marne, am Mittwoch Abend (17.06.20) im TV-Interview aus. Benjamin Amar ist selbst ein geheilter früherer Covid19-Kranker, wie auch Farida, die selbst an dem „neuartigen Coronavirus“ (Covid-19) erkrankt war. Der ebenfalls im TV interviewte CGT-Gewerkschafter Stéphane Chavanat, Arbeitskollege von Farida und Generalsekretär der CGT im Krankenhaus Paul-Brousse in der südlich von Paris gelegenen Vorstadt Villejuif (ebenfalls im Département Val-de-Marne), schildert Farida als sehr humane Person, die ein Näheverhältnis zu ihren Untergebenen und Patient/inn/en unterhält; sie arbeitet als leitende Angestellte im Bereich Geriatrie.

Farida ist nun zwar frei. Am 25. September dieses Jahres soll sie nun jedoch vor Gericht antreten; im Polizeigewahrsam hatte sie den Wurf von Gegenständen, in den Medien ist stetig von cailloux (Kieselsteinen) die Rede, eingeräumt. Zur brutalen Festnahme der einundfünfzigjährigen Krankenschwester Farida:

Diese Wurfaktion erfolgte jedoch, wie sich selbst aus den beim wirtschaftsliberalen und in „Innere Sicherheits“fragen oft polizeinahen Privatfernsehsender BFM TV am Mittwoch gezeigten und analysierten Bildern klar ergibt, infolge einer Gasattacke der Polizei auf Krankenschwestern und Krankenpfleger, die auf dem Invalidenplatz vorausging. Diese Menschen in weißen Krankenhauskitteln sieht man zuvor selbst bei dem bürgerlichen Rund-um-die-Uhr-Sender mit erhobenen Händen auf die Polizei zugehen und sich zwischen dieselbe und den „schwarzen Block“ stellen. Ebenselbiger Block hat seit diesem Dienstag, den 16.06.20 bei den Krankenhausbediensteten wirklich keine gute Presse.

Letztgenannter „schwarzer Block“ samt Umfeld bestand an diesem Dienstag, 16.06.20 jedoch nur aus circa 250 bis 300 Personen, deren Agieren auf dem riesigen Invalidenplatz dann als Vorwand für dessen Räumungsversuch – dem ein (wenn auch kleinerer) Teil der Menge jedoch um die zwei Stunden lang widerstand – bzw. Eindecken mit Tränengas diente. Vorwürfe, wonach Angehörige des „schwarzen Blocks“ auf der Dienstags-Demo selbst unter weißen Krankenhauskitteln agiert hätten, wie es am Dienstag bei dem Sender behauptet worden war, wurden am Mittwoch nicht wiederholt. (Es war ebenfalls BFM TV, das am Dienstag Abend die Bilder von der werfenden Aktion ausstrahlte.)

Allerdings fragte etwa die Ärztin Sabrina Ali Benali – prominentes Mitglied des Collectif Inter Urgences (Protestkollektiv der in Notaufnahmen Beschäftigten), das die Streiks seit März 2019 an führender Stelle mitorganisierte – am Dienstag Abend bei dem Sender: „Warum schafft die Polizei es angeblich nicht, mit dreißig Halbstarken fertig zu werden?“ Auch der frühere Präsidentschaftskandidat und Kopf der Wahlplattform LFI, Jean-Luc Mélenchon, warf am selben Abend bei demselben Sender die Frage auf, ob das Agieren der Vermummten nicht längst faktisch als Bestandteil in die Polizeistrategie eingebaut werde. (Erklärung der CGT des Départements Val-de-Marne für die Freilassung von Farida: https://facebook.com/94Cgt/photos/rpp.254236034958349/1123562204692390/ externer Link, Pressemitteilung der (Basis-)Gewerkschaft SUD im Gesundheits- und Sozialwesen (SUD Santé Sociaux) für Farida: https://www.solidaires31.fr/infirmiere-interpellee-sud-sante-sociaux-exige-sa-liberation/ externer Link, vgl. auch: https://www.revolutionpermanente.fr/Farida-l-infirmiere-interpellee-hier-a-ete-liberee-mais-sera-convoquee-au-tribunal-en-septembre externer Link)

Wiederaufnahme der Rentenreformpläne:

Und noch zur gestern ebenfalls erwähnten Wiederauferstehung einer Untoten, der Zombie-, hümm, Renten„reform“ (gegen welche vom 05. Dezember 2019 bis zum 29. Februar 2020 Proteste stattfanden, die jedoch am 29.02.2020 durch die Nationalversammlung in erster Lesung angenommen wurde, nachdem die Regierung unter Ausnutzung des Verfassungsartikels 49 Absatz 3 die Aussprache in der Sache abgebrochen hatte):

Ende März 2020 und erneut im Laufe des April dieses Jahres, nach Ausbruch der Corona-Krise und inmitten der Ausgangsbeschränkungen im Rahmen des confinement (d.h. der französischen Version des Lock-down), hatten Politiker der Regierungspartei LREM wie ihr Fraktionsvorsitzender Gilles Le Gendre klar zu erkennen geben, aufgrund der neuen Periode mit ihren neuen Prioritäten sei die „Reform“ bis zum Wahljahr 2022 zurückzustellen – falls sie „einen republikanischen Pakt (zur Krisenbewältigung) verhindert“, müsse man sie aussetzen (Vgl. bspw. https://www.leparisien.fr/politique/retraites-gilles-le-gendre-patron-des-deputes-lrem-ouvre-la-voie-a-une-suppression-de-la-reforme-12-04-2020-8298204.php externer Link und https://www.europe1.fr/politique/gilles-le-gendre-estime-que-la-reforme-des-retraites-pourrait-etre-mise-de-cote-3961402 externer Link oder https://nvo.fr/vite-dit/si-elle-empeche-le-pacte-republicain-de-se-conclure-la-reforme-des-retraites-devra-etre-mise-de-cote/ externer Link.) Auch wenn derselbe zwischendurch hineinfunkte, dieselbe sei „nicht aufgegeben“ (vgl. https://www.sudradio.fr/politique/gilles-le-gendre-la-reforme-des-retraites-nest-pas-abandonnee/ externer Link), wohl als Signal an die längerfristig-strategisch denkende Bourgeoisie.

Doch vor nunmehr acht Tagen tauchte das Thema erneut in den Medien auf, wo laute Überlegungen aus dem Elyséepalast (Präsidialamt) zitiert wurden, man könne diese „Reform“ doch wieder aufnehmen. (Vgl. bspw. https://www.20minutes.fr/economie/2798563-20200612-suspendue-pendant-confinement-reforme-retraites-retour externer Link und https://www.journaldunet.com/management/emploi-cadres/1195133-reforme-des-retraites-le-projet-de-refonte-verra-t-il-finalement-le-jour/ externer Link sowie https://www.publicsenat.fr/article/parlementaire/retraites-le-gouvernement-prepare-t-il-une-reforme-plus-discrete-183018 externer Link und ein paar Tage später: https://www.rtl.fr/actu/politique/reforme-des-retraites-pourquoi-macron-envisage-son-retour-7800590066 externer Link)

In den letzten 24 Stunden steigert sich nun das Tempo spürbar. Emmanuel Macron erklärt nun hörbar für Alle, dass er diese „Reform“ doch noch durchsetzen möchte. „Republikanischer Krisenkonsens“, das war gestern… (Vgl. dazu die jüngsten Zeitungsmeldungen/Medien-News: https://www.lefigaro.fr/social/l-executif-serait-decide-a-faire-adopter-la-reforme-des-retraites-avant-2022-20200618 externer Link, https://www.lci.fr/politique/info-lci-l-executif-bien-decide-a-faire-adopter-la-reforme-des-retraites-avant-2022-2156885.html externer Link, https://www.midilibre.fr/2020/06/18/emmanuel-macron-veut-aller-au-bout-de-la-reforme-des-retraites,8937864.php externer Link und eine erste Reaktion seitens der CGT: https://www.francetvinfo.fr/economie/emploi/chomage/discours-d-emmanuel-macron-le-president-de-la-republique-nous-refait-le-coup-de-l-acte2-estime-philippe-martinez_4009621.html externer Link)

Aktualisierung von Bernard Schmid vom 18.6.2020 – wir danken!

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=174170
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