»
Frankreich »
»
»
Frankreich »
»
»
Polen »
»
»
Polen »
»
» » »

„Die Totengräber“: Pflegeheimskandal erschüttert Frankreich – ist der renditeorientierte Konzern Orpea in Deutschland besser?

Dossier

Orpea: international brutalIn Frankreich sorgt das Buch „Les Fossoyeurs“ („Die Totengräber“) von Victor Castanet für Aufregung. Die Zeitung LE MONDE hat vorab Auszüge veröffentlicht, die den schockierenden Alltag in Altenheimen des französischen Konzerns „Orpéa“ anprangern, der in Europa mehr als 1.000 Einrichtungen betreibt. Schon zu Beginn der Corona-Pandemie waren Altenheime – sogenannte EPHAD: Abkürzung für „Établissement d’hébergement pour personnes âgées dépendantes“, auf Deutsch: „Einrichtung zur Unterbringung von abhängigen älteren Menschen“ – wegen der vielen Todesfälle in Verruf geraten. Dem Journalisten geht es aber nicht eine generelle Kritik an den Alten- und Pflegeheimen, sondern um das „Business mit dem Alter“, den das weltweit führende Unternehmen „Orpéa“ offenbar betreibt. Die „Totengräber“, die Castanet vorstellt, sind nicht die kleinen Angestellten, sondern die Entscheidungsträger, für die die alten Menschen lukrativ sind…“ Beitrag vom 26.01.2022 auf Euronews externer Link, siehe auch:

  • Ein erneuter Blick nach Frankreich auf die „Totengräber“: Orpea, der Pflegeheimskandal im Jahr 2022 und die mahlende Mühlen der Justiz New
    „Man kennt das mittlerweile zur Genüge, vor allem bei sozialpolitischen Themen: Da werden bestimmte Themen durchs Dorf der Aufmerksamkeit getrieben und bereits nach wenigen Tagen verschwindet das in der Versenkung. Und viel zu selten, meistens sogar überhaupt nicht, wird seitens der Berichterstattung nachgefragt, was eigentlich aus der Angelegenheit geworden ist. Selbst dann nicht, wenn es sich um wahrhaft existenzielle Dinge handelt. Am 2. Februar 2022 wurde hier unter der Überschrift „Die Totengräber“: Ein Pflegeheimskandal erschüttert Frankreich und mit Orpea geht es wieder einmal um die großen renditeorientierten Pflegeheimbetreiber berichtet: In Frankreich sorgt das Buch „Les Fossoyeurs“ („Die Totengräber“) von Victor Castanet für Aufregung. Die Zeitung LE MONDE hat vorab Auszüge veröffentlicht, die den schockierenden Alltag in Altenheimen des französischen Konzerns „Orpéa“ anprangern, der in Europa mehr als 1.000 Einrichtungen betreibt. Dem Journalisten Castanet geht es aber nicht eine generelle Kritik an den Alten- und Pflegeheimen, sondern um das „Business mit dem Alter“, den das weltweit führende Unternehmen „Orpéa“ offenbar betreibt. Die „Totengräber“, die Castanet vorstellt, sind nicht die kleinen Angestellten, sondern die Entscheidungsträger, für die die alten Menschen lukrativ sind. Und in dem Beitrag aus dem vergangenen Jahre wurde auch darauf hingewiesen, dass der Orpea-Konzern nicht nur in Frankreich unterwegs ist – in Deutschland spielt er ganz oben mit in der Rangliste der größten privatgewerblichen Pflegeheimbetreiber. (…) Am 30. Juni 2023 berichtet die französische Tageszeitung „Le Monde“, dass zwei Ex-Manager des Konzerns in Untersuchungshaft gekommen sind. (…) Am 29. Juni 2023 ist eine gerichtliche Untersuchung wegen Vertrauensmissbrauchs, Betrugs, Missbrauchs von Sozialvermögen, Geldwäsche in organisierter Form und Korruption eingeleitet worden, wie die Staatsanwaltschaft von Nanterre bestätigt hat. (…) Wie gesagt – die Mühlen der Justiz mahlen langsam, aber man kann einerseits hoffen, dass das nicht versandet. Auf der anderen Seite – das war sicher auch der Grund der Beschwerden seitens des Orpea-Konzerns über ehemalige Mitarbeiter – werden wir hier erneut Zeugen einer Personalisierung von strukturell höchst problematischen Zuständen und man kann als Unternehmen weitermachen, ohne dass die Missstände dem institutionellen Gefüge als solches zugeschrieben werden. „Der“ Finanzmarkt hat auf alle Fälle schon reagiert – und das mehr als deutlich: [Grafik zeigt: Aktienkurs der Orpea-Gruppe bei nur noch 1,85 Euro]. (…) In Deutschland hat sich an der Positionierung des Konzerns ganz vorne in der Rangliste der privat-gewerblichen Heimbetreiber nichts geändert: Unter den Top 30 Pflegeheimbetreiber 2023 liegt die Orpea Deutschland GmbH nach Korian, Alloheim und Victor’s Group weiterhin auf Platz 4 mit 147 Pflegeheimen und 13.044 Pflegeheimplätzen.“ Beitrag von Stefan Sell vom 6. Juli 2023 auf seiner Homepage externer Link
  • Pflegeheimgruppe Orpea: Gericht von Puteaux gibt den Gewerkschaften Recht und annulliert die manipulierten Betriebswahlen 
    Drei Gewerkschaften (CGT, FO und die CFDT) verklagten Orpea, weil sie der Meinung waren, dass die Berufswahlen innerhalb des Konzerns manipuliert worden seien. Das Nachbarschaftsgericht in Puteaux annullierte am Montag, den 12. September, diese Betriebswahlen, wie AFP von den beteiligten Parteien erfuhr. Die Gewerkschaften waren der Ansicht, dass die Wahlen von der Unternehmensleitung zugunsten einer „Hausgewerkschaft“, Arc-en-Ciel, manipuliert worden waren. „Das ist eine große Genugtuung für meine Mandanten und die logische Folge der Enthüllungen über den Wahlbetrug im Buch Les Fossoyeurs“, kommentierte der Anwalt der CGT, Étienne Margot-Duclot, gegenüber AFP. „Er fügte hinzu: „Es werden sofort Neuwahlen angesetzt werden müssen. Für Loïc Le Noc, Nationalsekretär der CFDT Santé Sociaux, war dies ein „erster Sieg“ in einer Angelegenheit, die die Gewerkschaften „wahrscheinlich“ noch „viele Jahre lang“ beschäftigen wird. In einer der AFP übermittelten Reaktion erklärte Orpea, dass es sich „natürlich an diese Entscheidung halten“ wolle und beabsichtige, „davon zu profitieren, um ein neues Kapitel der kollektiven und sozialen Beziehungen aufzubauen“. (…) Der Antrag der drei Gewerkschaften bei Gericht stützte sich hauptsächlich auf die Enthüllungen von Victor Castanet in seinem im Januar erschienenen Buch „Les Fossoyeurs“ (Die Totengräber), das Orpea in Schwierigkeiten brachte und die Einleitung einer gerichtlichen Untersuchung wegen des Verdachts auf institutionelle Misshandlung und Finanzdelikte auslöste. In seinem Buch widmet Victor Castanet Arc-en-Ciel ein Kapitel. Eine ehemalige Juristin der Gruppe beschreibt darin, wie ihre Kandidaten „finanzielle und taktische Unterstützung“ von der Unternehmensleitung erhielten oder wie die Glaubensbekenntnisse „unerwünschter“ Gewerkschaften aus den Umschlägen entfernt wurden, die an die Wähler verschickt wurden…“ Maschinenübersetzung aus der franz. AFP-Meldung am 12.09.2022 in Capital externer Link („Orpea : la justice donne raison aux syndicats et annule les élections professionnelles“), siehe auch den informativen engl. Thread von EPSU vom 12.9.2022 externer Link
  • Der ORPEA-Lipany-Luxemburg Skandal: Geldwäsche mit Immobilien, Steuerhinterziehung und Parallelstrukturen – ver.di bekräftigt Forderung nach Gemeinwohlorientierung im Gesundheitswesen
    • Gegen ORPEA liegt eine umfassende Recherche von Investigate Europe vor, nach der der Altenpflegekonzern ORPEA Steuerbetrug und Geldwäsche über mehrere Unterfirmen und eine Schattenstruktur namens Lipany in Luxemburg führt. In der (engl.) Recherche von Maxence Peigné, Leïla Miñano und Lorenzo Buzzoni vom 18. Mai 2022 auf Investigate-Europe externer Link (Lipany holding: Care giant Orpea’s dirty secrets hidden in Luxembourg / Orpeas schmutzige Geheimnisse, versteckt in Luxemburg) heißt es: „… Der Betrug betrifft Dutzende von Orpea-Niederlassungen in Europa und wurde von einigen Topmanagern der Gruppe ausgeheckt. In Frankreich vertuschten sie die Zahlung einer geheimen Provision in Höhe von 700.000 Euro an einen Vermittler und machten in den Jahresabschlüssen von mindestens 14 von Orpea finanzierten Unternehmen ‚falsche‘ Steuerangaben. In Italien umgingen sie die Mehrwertsteuervorschriften und übertrugen routinemäßig das Eigentum an Orpeas Pflegeheimen auf das steuerlich attraktive Herzogtum…“ (mit umfangreicher Dokumentation)
    • Im Artikel von Lorenzo Buzzoni Leïla Miñano Maxence Peigné Yann Philippin Manuel Rico Nico Schmidt im Tagesspiegel vom 19. Mai 2022 externer Link („Orpeas schmutziges Geheimnis“), wird ergänzt: „… In drei Jahrzehnten wurde aus dem französischen Unternehmen Orpea einer der größten Pflegekonzerne Europas. Von Portugal bis Polen betreibt Orpea heute mehr als 1.000 Pflegeheime und Kliniken, alleine in Deutschland sind es knapp 200 mit mehr als 17.000 Betten, darunter auch die Klinik im Kinzigtal. Sein Geschäftsmodell in der Altenpflege lässt sich Orpea auch mit öffentlichen Geldern finanzieren. Doch während dieses rasanten Wachstums schufen mehrere Orpea-Manager eine geheime Parallelstruktur in Luxemburg, in deren Zusammenhang es zu dubiosen Deals und steuerlichen Unregelmäßigkeiten kam…“
    • Skandal um dubiose Finanzgeschäfte des Pflegekonzerns Orpea: ver.di bekräftigt Forderung nach Gemeinwohlorientierung im Gesundheitswesen
      Angesichts des Verdachts auf dubiose Finanzgeschäfte rund um den internationalen Pflegekonzern Orpea bekräftigt die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) ihre Forderung nach einer Gemeinwohlorientierung im Gesundheitswesen. „Die Ereignisse um Orpea werfen ein Schlaglicht auf folgenschwere Fehlentwicklungen in der Gesundheitsbranche“, erklärte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler. „Insbesondere in der Altenpflege tummeln sich zunehmend Unternehmen, für die kurzfristige Profitmaximierung über allem steht. Das darf nicht so weitergehen.“ Der „Tagesspiegel“ hatte am Mittwoch über eine Recherche des Netzwerks Investigative Europe berichtet, wonach der französische Orpea-Konzern Teil eines geheimen Firmengeflechts sei, in dem Schulden und Immobilien hin und hergeschoben und Beteiligungen gegenüber den Behörden verschleiert worden sein sollen. In Deutschland betreibt Orpea fast 200 Pflegeheime und Kliniken mit mehr als 17.000 Betten. (…) „Alle Unternehmen müssen sich an die Regeln halten und die Grundrechte ihrer Beschäftigten respektieren – ganz besonders diejenigen, die im Gesundheitswesen aktiv sind und sich mit öffentlichen Geldern finanzieren“, betonte Bühler. „Die Politik ist gefordert, solchen Praktiken und Strategien der Gewinnmaximierung auf Kosten von Beschäftigten, Patientinnen und Patienten sowie der Allgemeinheit einen Riegel vorzuschieben. Im Gesundheitswesen muss das Gemeinwohl im Zentrum stehen.““ Pressemitteilung vom 19.05.2022 externer Link
  • Abkommen mit Uni Global legt Gewerkschaftsrechte verbindlich fest – auch nach drei Jahren Union Busting-Skandal in Polen
    „Vor drei Jahren wurde sie entlassen. Heute hat sie ihren Job zurück. Und ihr Arbeitgeber Orpea zahlt ihr sogar Lohn dafür, dass sie für die Gewerkschaft wirbt. Das ist die Geschichte von Anna Bacia. Der Physiotherapeutin, die die Orpea-Manager das Fürchten lehrte.
    Die Geschichte beginnt im Dezember 2018 in einem Vorort von Polens Hauptstadt Warschau, in einem der damals 12 polnischen Altersheime des Pflegekonzerns. Pflegende, Physiotherapeuten und Köchinnen haben genug von den schlechten Löhnen, die immer noch weiter sinken, und von der ständigen Unsicherheit. Wie die Mehrheit der rund 1000 Orpea-Mitarbeitenden in Polen haben sie keinen Arbeitsvertrag, sondern sind ‚freiberuflich‘ tätig. Und damit der Willkür des Heimleiters ausgeliefert. Physiotherapeutin Bacia erklärt: ‚Unser Lohn war nicht schriftlich festgelegt, sondern abhängig von einem Bonus. So wussten wir nie, wie viel wir im nächsten Monat bekommen.‘ Sie beschliessen, eine Gewerkschaft der Orpea-Mitarbeitenden zu gründen, um zusammen für faire Löhne zu kämpfen. (…) Doch Orpea will das Vorhaben im Keim ersticken: Noch bevor die Gewerkschaft offiziell gegründet ist, entlässt das Management eine Pflegerin, die sich besonders engagiert hatte. Ihre Nachfolgerin, die in der Küche arbeitete, wurde massiv bedroht, wie Anna Bacia berichtet: ‚Sie wurde am Anfang ihrer Schicht abgeholt und zur Orpea-Zentrale gefahren. Dort haben fünf oder sechs Leute sie regelrecht verhört, wie sie mir nachher sagte.‘ Auch sei ihr gedroht worden, ihre Arbeitsstunden zu kürzen. Die Taktik geht auf: die Köchin tritt als Gewerkschaftsvertreterin zurück. Zum dritten Mal in weniger als drei Monaten muss die Orpea-Gewerkschaft eine neue Vertreterin bestimmen. Anna Bacia sagt: ‚Ich mache das.‘ Gezögert habe sie nicht, sagt die 43jährige gegenüber work: ‚Ich war begeistert von der Idee einer Orpea-Gewerkschaft und bin es heute noch. Alle sollen die Chance auf ein besseres Leben haben.‘ Doch am 8. April 2019 wird auch sie geschasst. Das Management konstruiert einen Mobbing-Vorwurf, um sie los zu werden. Zu dem Zeitpunkt ist Bacia frisch geschieden mit zwei kleinen Kindern: ‚Das wussten sie natürlich. Die haben nicht damit gerechnet, dass ich mich wehre.‘ (…) Tut sie aber. Verteilt zusammen mit Kolleginnen Flugblätter vor anderen Orpea-Heimen und organisiert Protestbriefe. Als das nichts nützt, geht sie vor Gericht. Unterstützt von der polnischen Gewerkschaft ‚Konfederacja Pracy‘ (Konföderation der Arbeit), der sich die Orpea-Gewerkschaft angeschlossen hat. Da bietet Orpea ihr umgerechnet 7000 Franken, wenn sie die Klage zurückziehe. Bacia lehnt ab. Für den Prozess ruft Orpea viele Zeugen auf, um den Mobbing-Vorwurf zu untermauern. Doch die hätten sich in Widersprüche verstrickt, sagt Physiotherapeutin Bacia: ‚Die Richterin merkte, dass sie logen.‘ Zwei Jahre nach ihrer Entlassung gewinnt sie den Prozess. Und wie: Orpea zahlt ihr den vollen Lohn für diese Zeit nach und wird vom Gericht dazu verknurrt, sie wieder einzustellen. Zwar arbeitet sie heute in einem anderen Orpea-Heim, etwa 20 Kilometer von ihrem Wohnort entfernt. Doch das sei gut so, sagt sie schelmisch: ‚Als ich vor einem Jahr dort anfing, kannten die Leute die Gewerkschaft noch nicht. Heute haben wir schon 20 Mitglieder, fast die Hälfte der Belegschaft.‘(…) Und im Februar dieses Jahres unterzeichnen sie mit Orpea einen Vertrag, der die Rechte der Gewerkschaft verbindlich festlegt. Dieser Vertrag ebnet den Weg für ein weltweites Abkommen, das die Dachgewerkschaft Uni Global soeben mit Orpea abgeschlossen hat (…) Unterzeichnet wurde es am 8. April 2022. Auf den Tag genau drei Jahre nachdem Anna Bacia entlassen worden war…“
    Artikel von Christian Egg vom 29. April 2022 in der Work externer Link, Zeitung der Gewerkschaft Unia. („Anna Bacia (43): Die Physiotherapeutin, die den Pflegekonzern Orpea an den Verhandlungstisch zwang ‚Jetzt sind die Chefs nett zu mir. Sie haben keine andere Wahl.‘“).
  • EPSU/EGÖD übt scharfe Kritik an der ORPEA-Vereinbarung, sie sei nicht von regionalen Gewerkschaften legitimiert, diese befürworten das Abkommen, UNI Global weist Vorwurf zurück und ruft zur Zusammenarbeit auf
    Als Reaktion auf die Vereinbarung zwischen UNI Global und ORPEA hat die Europäische Dienstleistungsgewerkschaft EPSU sich empört gezeigt. Insbesondere die Situation in Frankreich sei durch das Abkommen „nicht zu beschönigen“. Insgesamt deutet die Auseinandersetzung auf zwischengewerkschaftliche Konkurrenz zwischen einer starken, auf Europa fokussierten EPSU und einer weltweit agierenden UNI Global hin. Letztere konnte nun trotz aller Umstände einen Fortschritt für Pflegende, nicht nur in Europa erzielen. Alle tariffähigen UNI-Gewerkschaften stehen mit absoluter Mehrheit hinter der Vereinbarung (siehe unten die dt. Fassung). Sie zielt darauf ab, die Gewerkschaftsrechte zu stärken, unterminiert jedoch keine bestehenden Verträge. Deshalb ist das Abkommen insbesondere ein wichtiger Fortschritt für Gewerkschaften in Lateinamerika und Zentral- und Osteuropa. Dass es sich bei der Kritik der EPSU an der Vereinbarung zwischen UNI Global und ORPEA um konkurrierendes Verhalten handelt, wird auch daran deutlich, dass in der Stellungnahme der EPSU keine inhaltlichen Aspekte kritisiert werden, die es sicher auch gibt, und die diskutiert werden mussen. EPSUs Vorwurf, ORPEA würde sich ohnehin an keine Abmachungen halten, ist unlauter, da sie selbst mit dem Konzern verhandeln. Siehe dazu Details zur Auseinandersetzung:

    • In ihrer Stellungnahme vom 12. April 2022 externer Link schreibt EPSU weiter: „… Für den Europäischen Gewerkschaftsverband für den öffentlichen Dienst (EGÖD) ist es undenkbar, eine Vereinbarung mit einem Unternehmen ohne ein ordnungsgemäßes Mandat der betroffenen Gewerkschaften und ohne die Beteiligung der repräsentativen Gewerkschaften des Landes, in dem das Unternehmen ansässig ist, zu schließen. Für Jan Willem Goudriaan, EGÖD-Generalsekretär, ‚hat diese Vereinbarung Auswirkungen auf viele Gewerkschaften und die von ihnen vertretenen Beschäftigten in ORPEA – aber ohne ihre aktive Beteiligung oder Zustimmung. Das ist inakzeptabel.‘ Er fährt fort: ‚ORPEA hat über 24.000 Beschäftigte in Frankreich, von denen die meisten durch die Presse von dieser Vereinbarung erfahren haben.‘ Die Vereinbarung wurde ohne das Wissen von CGT, CFDT und FO, den repräsentativen französischen Gewerkschaften, ausgehandelt. Diese sind die in der ORPEA vertretenen Gewerkschaftsverbände, die den Branchentarifvertrag unterzeichnen können. Andere repräsentative Gewerkschaften in Belgien, Deutschland, Italien und Spanien waren ebenfalls nicht beteiligt. Alle diese Gewerkschaften sind Mitglieder des EGÖD. Selbst in Ländern, in denen der ORPEA rasch expandiert, wie in Irland und den Niederlanden, gab es keinen angemessenen Konsultationsprozess. Die Beschäftigten in diesen Ländern stellen den größten Teil der weltweiten ORPEA-Belegschaft. UNI GLOBAL kann daher keine Repräsentativität bei ORPEA beanspruchen. (…) Das Unternehmen hat Gewerkschafter in Frankreich wegen ihrer Kritik am Unternehmen verklagt. Die Vereinbarung trägt nichts zur Rücknahme der Klagen bei – sie könnte sogar gegen unsere Mitgliedsorganisationen verwendet werden. (…) ORPEA hat zahlreiche Menschenrechts- und Corporate-Governance-Grundsätze unterzeichnet, darunter den UN Global Compact. Diese fadenscheinigen Abkommen haben das Unternehmen jedoch nicht davon abgehalten, gegen GewerkschafterInnen vorzugehen. Das neue globale Abkommen ist ein weiteres solches Beispiel, das notwendig ist, um auf die Forderungen der Investoren zu reagieren und nach dem Skandal um ‚Les Fossoyeurs‘ einen Wandel zu zeigen…“
    • Uni Global weist die Vorwürfe zurück und ruft (erneut) zur Zusammenarbeit auf
      „Diese globale Vereinbarung wird das Leben der Beschäftigten auf der ganzen Welt verbessern. Es bietet eine hervorragende Grundlage für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, die Förderung der Gewerkschaftsrechte und die Verbesserung der Pflege in ORPEA. UNI Europa wird unermüdlich mit UNI Global Union sowie mit Gewerkschaften in Europa und der ganzen Welt zusammenarbeiten, um ORPEA zu verändern. Weltweit begrüßen führende VertreterInnen des UNI-Sektors Pflege die Vereinbarung bereits, da sie den Unterschied erkennen können, den sie bei der Organisierung der Beschäftigten in diesem Unternehmen bewirken wird. Die Vereinbarung ist stark und verbindlich. Die Gewerkschaften in aller Welt unterzeichnen diese Vereinbarung nicht, um den Ruf von ORPEA zu ‚waschen‘. Sie werden sie nutzen, um höhere Löhne, sicherere Arbeit, bessere Personalquoten und mehr zu erreichen. Die ORPEA-Beschäftigten werden weiter dafür kämpfen, dass die Worte dieser Vereinbarung in die Tat umgesetzt werden. Die jüngste Kritik des EGÖD an dieser Vereinbarung mit ORPEA ist bedauerlich. UNI Europa ist einer der drei repräsentativen europäischen Gewerkschaftsverbände im Pflegesektor, trotz der jahrelangen und vergeblichen gegenteiligen Behauptungen des EGÖD. In den letzten Jahren hat die UNI den EGÖD mehrmals um eine gemeinsame Arbeit im ORPEA und im Pflegesektor im Allgemeinen gebeten, aber sie haben sich stets geweigert zu kooperieren. Wir möchten zudem hervorheben, dass einige französische Gewerkschaften wie UNSA, eine der größten französischen Gewerkschaften im ORPEA, bereits öffentlich positiv auf diese Vereinbarung reagiert haben. Anstatt uns gegenseitig öffentlich zu kritisieren, sollten wir uns zusammenschließen, um eine stärkere Gewerkschaftsbewegung im Pflegesektor zu etablieren. Unsere Türen sind offen. Die großartigen Möglichkeiten zu nutzen, die das ORPEA-Gesamtabkommen bietet, sollte für den EGÖD ein hinreichender Grund sein, den Kurs zum Interesse aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu ändern…“ (engl.) Stellungnahme von UNI Europa Regionalsekretär Oliver Roethig vom 12. April 2022 externer Link
    • Gewerkschaftsaktivist:innen in der Pflege – nicht nur in Europa – befürworten das Abkommen
      UNI Global hat am 8. April 2022 externer Link (engl.) mehrere internationale O-Töne von Basisgewerkschafter:innen veröffentlicht, die sich positiv auf das Abkommen beziehen:

      • „Anna Bacia, ORPEA-Mitarbeiterin, OPZZ-KP, Polen: ‚Ich wurde entlassen, weil ich eine Gewerkschaft organisiert hatte. Dank der Kampagne und der Unterstützung von UNI Care wurde ich zwei Jahre später wieder eingestellt. Meine Kolleg:innen und ich wissen aus erster Hand, welchen Unterschied eine Gewerkschaft für die Bewohner:innen, die wir betreuen, macht. Ich bin froh, dass ORPEA sich verpflichtet, mit den Gewerkschaften als Partner zusammenzuarbeiten. Niemand sonst sollte das durchmachen müssen, was ich durchmachen musste.‘
      • Miguel Zubieta UNICare Global President, FATSA, Argentinien: ‚Die globale Vereinbarung zwischen UNI und ORPEA ist ein wichtiges Instrument zur Verbesserung der Lebensqualität der Beschäftigten in Pflegeheimen. Die Achtung der Grundrechte der Beschäftigten wird sich in einer besseren Pflege für die von ihnen betreuten Menschen niederschlagen. Wir begrüßen die Unterzeichnung dieser Vereinbarung mit großer Freude. Sie stellt die Verwirklichung der UNI-Mission im Pflegebereich dar: organisierte Arbeitnehmer:innen mit kollektiven Rechten, insbesondere in Pflegeheimen, wo sie von den Auswirkungen der Pandemie stark betroffen sind.‘ (…)
      • Jana Pohlová, ORPEA-Mitarbeiterin und Gewerkschaftsführerin, Tschechien: ‚Als Pflegekraft in einem Pflegeheim und Vorsitzende einer Gewerkschaft in ORPEA/Senecura in Tschechien unterstütze ich das globale Abkommen mit ORPEA, weil es uns ermöglichen wird, unsere Arbeitsbedingungen weiter zu verbessern. Ich glaube, dass es nicht nur für uns Beschäftigte, sondern auch für die Kund:innen, die wir betreuen, von Vorteil sein wird.‘ (…)
      • Anderson Peralta, Nationaler Präsident von Sintrasass, Kolumbien: ‚Ein durchsetzbares globales Abkommen, das den Zugang und die Nichteinmischung garantiert, kann den Unterschied zwischen einer Gewerkschaft und einer Nicht-Gewerkschaft ausmachen. In Kolumbien, wo ORPEA bald seine ersten Anlagen eröffnen wird, bedeutet dieses Abkommen, dass Arbeitnehmer:innen und Gewerkschaften ohne Angst vor Todesdrohungen oder Gewalt für bessere Arbeitsplätze eintreten können. Wir sehen diese Vereinbarung als Schutzschild gegen die Art von Angst, mit der Gewerkschafter oft konfrontiert sind, wenn sie sich organisieren‘…“
    • Globales Abkommen zwischen der Orpea-Gruppe und UNI. Eine Partnerschaft für ethische Arbeit, sozialen Dialog, Tarifverhandlungen und Gewerkschaftsrechte zwischen der Orpea-Gruppe und UNI
      Das Abkommen vom 8. April 2022 in deutscher Übersetzung  (siehe den Link zur engl. Fassung hier weiter unten)
  • Französischer Pflegedienst-Konzern ORPEA und UNI Global Union unterzeichnen ein internationales Abkommen über ethische Beschäftigung, sozialen Dialog, Tarifverhandlungen und Gewerkschaftsrechte 
    Die Vereinbarung, die 70.000 Beschäftigte in 23 Ländern umfasst, zielt darauf ab, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und die Qualität der Pflege für Bewohner und Patienten bei ORPEA durch einen verstärkten sozialen Dialog und Gewerkschaftsrechte zu verbessern. Die Vereinbarung enthält starke Verpflichtungen in Bezug auf die Rechte der Arbeitnehmer, die Bedingungen für einen produktiven sozialen Dialog, die Grundfreiheiten der Gewerkschaften und die Tarifverhandlungen.
    Die ORPEA-Gruppe und UNI Global Union trafen sich heute am OECD-Hauptsitz in Paris zur feierlichen Unterzeichnung eines bahnbrechenden Abkommens, das starke Verpflichtungen zur Wahrung der Rechte der 70.000 ORPEA-Beschäftigten, zu den Grundfreiheiten der Gewerkschaften sowie zur Schaffung der Voraussetzungen für einen produktiven sozialen Dialog und Tarifverhandlungen enthält. Dieses „Globale Partnerschaftsabkommen über ethische Beschäftigung, sozialen Dialog, Tarifverhandlungen und Gewerkschaftsrechte“ ist das erste globale Abkommen dieser Art im Bereich des Gesundheitswesens und der privaten Altersvorsorgeeinrichtungen…“ Maschinenübersetzung der (engl.) Meldung vom 8.4.2022 der Uni global union externer Link, siehe auch:

    • „Ein wesentliches Instrument“ zur „Umgestaltung dieser Branche“: Pflegegewerkschaften sind bereit, das bahnbrechende globale Abkommen mit ORPEA zu nutzen
      Nach der Nachricht, dass UNI Global Union eine globale Vereinbarung mit dem französischen Pflegedienstleister ORPEA erzielt hat, erklären sich Pflegekräfte und Gewerkschaften auf der ganzen Welt bereit, die Grundsätze der Vereinbarung in die Praxis umzusetzen. Die am 8. April bei der OECD in Paris unterzeichnete Vereinbarung verpflichtet sich nachdrücklich zur Wahrung der Rechte der 70.000 ORPEA-Beschäftigten, einschließlich der Grundfreiheiten der Gewerkschaften. Sie schafft auch die Voraussetzungen für einen produktiven sozialen Dialog und Tarifverhandlungen. Neben der Förderung der Gewerkschaftsrechte verpflichtet sich ORPEA, prekäre Arbeitsverhältnisse zu vermeiden, angemessene Löhne zu zahlen und die Stimme der Arbeitnehmer in Fragen wie dem Personalschlüssel zu verankern. Die Vereinbarung nimmt das Unternehmen durch starke, verbindliche Durchsetzungsmechanismen in die Pflicht. Es handelt sich um die erste Vereinbarung dieser Art in der Pflegebranche. Gewerkschaften zeigen Unterstützung für die Vereinbarung…“ Maschinenübersetzung der (engl.) Meldung vom 8.4.2022 der Uni global union externer Link mit Stimmen der beteiligten Gewerkschaften (fast) weltweit
    • Und das Abkommen im Wortlaut: Global Partnership Agreement on Ethical Employment, Social Dialogue, Collective Bargaining and Trade Union Rights externer Link
  • Weltgesundheitstag: ver.di verlangt Umkehr beim internationalen Trend zur Kommerzialisierung des Gesundheitswesens – scharfe Kritik am arbeitnehmerfeindlichen Verhalten des Orpea-Konzerns 
    Anlässlich des morgigen Weltgesundheitstags (7. April 2022) kritisiert die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) den internationalen Trend zur Kommerzialisierung von Gesundheitsdienstleistungen. „Die Pandemie hat gezeigt, dass die Gesundheitsversorgung eine essenzielle Aufgabe der Daseinsvorsorge ist“, betonte Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. „Es geht um eine gute und sichere Versorgung von Patientinnen und Patienten, nicht um Gewinnstreben. Die Staaten müssen wieder stärker direkte Verantwortung übernehmen.“
    Exemplarisch für die problematischen Folgen der Privatisierung stehe der französische Orpea-Konzern, der auch in Deutschland zu den größten kommerziellen Betreibern von Pflege- und Reha-Einrichtungen zählt. „Orpea gerät immer wieder wegen der systematischen Verletzung von Arbeitnehmerrechten in die Schlagzeilen. Zuletzt haben die Arbeitsgerichte in Bremen das Unternehmen deswegen klar zurechtgewiesen“, sagte Bühler. Bei der Orpea-Tochter Senioren Wohnpark Weser GmbH hatte das Management über Monate hinweg Betriebsräte mit Drohungen, Kündigungsversuchen und anderen Maßnahmen unter Druck gesetzt. Die Kündigungsbegehren wurden von den Arbeitsgerichten allesamt als unbegründet zurückgewiesen. Stattdessen wurde das Unternehmen vor zwei Wochen wegen Mobbings der Betriebsratsvorsitzenden zu 15.000 Euro Schadensersatz verurteilt. „Auch in Frankreich ist Orpea in massive Skandale verstrickt, die dort zu großen öffentlichen Debatten geführt haben. Wir europäischen Gewerkschaften agieren hier geschlossen, damit der Konzern zur Rechenschaft gezogen wird“, erläuterte Bühler. Unter dem Dach des Europäischen Gewerkschaftsverbands für den öffentlichen Dienst (EGÖD) organisiert ver.di die Solidarität von Beschäftigten bei Orpea und anderen Konzerne über Ländergrenzen hinweg
    …“ Pressemitteilung vom 06.04.2022 externer Link
  • Was ist eigentlich aus den „Totengräbern“ geworden? Frankreich möchte den Orpea-Konzern verklagen 
    „Anfang Februar 2022 wurde hier dieser Beitrag veröffentlicht: „Die Totengräber“: Ein Pflegeheimskandal erschüttert Frankreich und mit Orpea geht es wieder einmal um die großen renditeorientierten Pflegeheimbetreiber. Darin ging es um schwerwiegende Vorwürfe gegen den Orpea-Konzern in Frankreich – ein Pflegeheimkonzern, der in Europa mehr als 1.000 Einrichtungen betreibt, darunter auch in Deutschland. Auslöser war das Buch „Les Fossoyeurs“ („Die Totengräber“) von Victor Castanet. Personalmangel, Essensrationierung und Bewohner, die stundenlang in ihren eigenen Exkrementen liegen: Der Betreiber Orpea steht massiv in der Kritik, so ein Bericht in der FAZ. Was ist daraus geworden? Erneut berichtet die FAZ unter der Überschrift Orpea-Skandal: Frankreich verklagt Pflegeheimkonzern externer Link: »Die Kritik am französischen Pflegeheimbetreiber Orpea wegen unlauterer Geschäftspraktiken reißt nicht ab. Eine Untersuchungskommission der französischen Regierung hat die seit einigen Wochen erhobenen Vorwürfe gegen das Unternehmen nun in weiten Teilen bestätigt. Wie das Haus der zuständigen Ministerin Brigitte Bourguignon am Wochenende mitteilte, wiesen die Autoren des Berichts auf „erhebliche Funktionsstörungen in der Organisation der Gruppe hin“. (…) Mit der Untersuchung beauftragt worden waren die Generalinspektionen des französischen Gesundheits- und des Finanzministeriums. Sie haben sechs Wochen ermittelt.« Die Ergebnisse der Untersuchung sollen nun an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden. Die muss nun über weitere rechtliche Schritte entscheiden. (…) Man wird abwarten müssen, ob und was die Staatsanwaltschaft aus den Untersuchungsergebnissen machen oder eben nicht machen wird. Auf alle Fälle hat die enorme öffentliche Aufmerksamkeit für die Vorgänge hinter den Toren der Orpea-Heime dafür gesorgt, dass das Unternehmen an der Börse abgestraft wurde – und das ziemlich heftig: Seit Mitte Januar 2022 hat die Aktie des Unternehmens rund 60 Prozent an Wert verloren.“ Beitrag von Stefan Sell vom 28. März 2022 auf seiner Homepage externer Link
  • „Die Totengräber“: Ein Pflegeheimskandal erschüttert Frankreich und mit Orpea geht es wieder einmal um die großen renditeorientierten Pflegeheimbetreiber
    „»In Frankreich sorgt das Buch „Les Fossoyeurs“ („Die Totengräber“) von Victor Castanet für Aufregung. Die Zeitung LE MONDE hat vorab Auszüge veröffentlicht, die den schockierenden Alltag in Altenheimen des französischen Konzerns „Orpéa“ anprangern, der in Europa mehr als 1.000 Einrichtungen betreibt«, konnte man bereits am 26. Januar 2022 dieser Meldung entnehmen: Frankreich geschockt über Missstände in Orpea-Altenheimen externer Link. »Schon zu Beginn der Corona-Pandemie waren Altenheime – sogenannte EPHAD: Abkürzung für „Établissement d’hébergement pour personnes âgées dépendantes“, auf Deutsch: „Einrichtung zur Unterbringung von abhängigen älteren Menschen“ – wegen der vielen Todesfälle in Verruf geraten. Dem Journalisten geht es aber nicht eine generelle Kritik an den Alten- und Pflegeheimen, sondern um das „Business mit dem Alter“, den das weltweit führende Unternehmen „Orpéa“ offenbar betreibt. Die „Totengräber“, die Castanet vorstellt, sind nicht die kleinen Angestellten, sondern die Entscheidungsträger, für die die alten Menschen lukrativ sind.«
    Eine sehr gute Zusammenfassung der aktuellen Entwicklungen in unserem Nachbarland Frankreich rund um Orpea findet man in dem Beitrag Dieser Pflegeheimskandal erschüttert Frankreich externer Link von Niklas Záboji in der FAZ: »Personalmangel, Essensrationierung und Bewohner, die stundenlang in ihren eigenen Exkrementen liegen: Betreiber Orpea steht massiv in der Kritik. Nach einem heftigem Kurssturz an der Börse fliegt der Chef.« Záboji weist sogleich darauf hin, dass wir den Blick über Frankreich weiten müssen, denn es handelt sich nicht um einen auf insgesamt 350 französische Einrichtungen begrenzten Konzern, sondern um einen der ganz großen Player auf der europäischen Ebene: »Nur ein Teil des Jahresumsatzes von zuletzt rund 4 Milliarden Euro und den knapp 70.000 Mitarbeitern entfällt auf den Heimatmarkt. Zwei Drittel der Aktivitäten finden hingegen im Ausland statt. Orpea zählt rund 1.100 Pflegeeinrichtungen in 23 Ländern, in Deutschland ist es mit 143 Heimen viertgrößter Betreiber.«
    Also auch in Deutschland. Im Oktober 2021 wurde beispielsweise dieser Beitrag veröffentlicht, in dem der französische Konzern auch auftaucht: Ein ganz normales Bremer Pflegeheim? „Wo ist denn hier die Pflege?“ externer Link: »Ein Pflegeheim der Orpea-Gruppe wird bei Kontrollen gut bewertet, aber Bewohner und ehemalige Pflegekräfte schildern problematische Zustände.« Das Pflegeheim in Bremen, über das hier berichtet wurde, wird von der Firma Senioren Wohnpark Weser (SWW) betreut. (…) Bereits im vergangenen Jahr hatte die Gruppe Investigate Europe den europäischen Pflegemarkt, bzw. genauer: eine Teil davon, unter die Lupe genommen: Heime als Gewinnmaschinen für Konzerne und Investoren externer Link, so ist einer der 2021 veröffentlichten Artikel zu den Erkenntnissen des Recherchenetzwerks überschrieben. Auch dort taucht natürlich Orpea auf. Als Zeugin wird die Pflegeassistentin Michaelle Rigodon im Heim „Anatole France“ in der französischen Auvergne angeführt: »Dort führt das Management von Orpea die Regie, Europas Marktführer in der Altenpflege mit mehr als 1.000 Einrichtungen. „Die Bewohner werden behandelt wie Werkstücke in der Fabrik, alle sind in Eile. Viele Kollegen kündigen, weil sie es nicht ertragen“, sagt Rigodon.«
    Und das bereits für Deutschland angesprochene harte Vorgehen gegen alle, die beispielsweise Betriebsräte gründen wollen (lediglich zehn Prozent Heime in Deutschland haben überhaupt einen Betriebsrat), wurde auch im vergangenen Jahr beschrieben – am Beispiel von Frankreich und Orpea (…)
    Wenn auch derzeit – für den bekannten medialen Moment einer Berichterstattungswelle – in Frankreich die Empörung groß ist und seitens der Politik die üblichen „Jetzt wird aber ganz genau hingeschaut und das muss Konsequenzen haben“-Versprechungen in die Welt gesetzt werden, wurde bereits im vergangenen Jahr auf ein die Expansion der renditeorientierten Pflegekonzerne begleitendes Phänomen hingewiesen, das man in Rechnung stellen muss, wenn es um die Frage geht, ob das „nur“ ein Problem der schwarzen Schafe unter den Pflegeheimbetreibern ist: ein eklatantes Staatsversagen…“ Beitrag vom 2. Februar 2022 von und bei Stefan Sell externer Link und:
  • siehe ebd. vom 30. Januar 2022: Das lukrative Milliarden-Geschäft mit der Altenpflege, die Private Equity-Investoren, die Frage nach der Qualität und einige Hinweise aus dem Ausland externer Link
  • Siehe auch unser Dossier: Orpea/Residenz-Gruppe: Perfektioniertes Union Busting auf internationaler Ebene – nun auch in Bremen und Osnabrück
  • und: Das Milliardengeschäft Altenpflege: Heime als Gewinnmaschinen für Konzerne und Investoren
  • System der Totengräber: Recherchen zeigen: Orpea, weltweit führender Betreiber von Altenheimen, beutete Klienten gnadenlos aus
    „Der französische Konzern Orpea, weltweit führender Betreiber von Altenheimen und Kliniken, taumelt. Ein Ende Januar erschienenes Buch des unabhängigen Journalisten Victor Castanet entlarvt »die Totengräber«, so der Titel der präzisen Recherchearbeit, die mit kriminellen Methoden über drei Jahrzehnte Hunderte Millionen Euro Gewinn bei den Schwächsten der Gesellschaft abschöpften. Vorerst letzter Coup der in Puteaux nahe Paris angesiedelten Gruppe: Ihr inzwischen vom Aufsichtsrat vor die Tür gesetzter Chef Yves Le Masne verkaufte, kurz bevor das Buch erschien, 5.456 Aktien. Vermutlich ein verbotenes Insidergeschäft, mit dem der Vorstandsboss vor seinem erzwungenen Abschied noch einmal mehr als eine halbe Million Euro kassierte. Castanet arbeitete nach Angaben seines Verlags rund drei Jahre an seinem Bericht. Er befragte mehr als 250 Zeugen, widerstand während dieser Zeit »erheblichen Repressionen« von seiten des Unternehmens und widmete das Buch seinem Großvater, einst selbst ein Kunde des nun unter öffentlicher Anklage stehenden Konzerns. Das Resümee der Recherche ist erschreckend, vor allem für jene, deren physische und mentale Kraft im Alter nachgelassen hat, die sich daher der privatisierten Altenpflege anvertrauten und dafür horrende monatliche Summen zahlten. Auf der Liste der in Castanets Report aufgeführten kriminellen Tagesgeschäfte des Multis stehen unter anderem »die Misshandlung alter Menschen, die unwürdige Behandlung des Personals, eine akrobatische Buchführung und umfangreich verschwendetes Geld aus öffentlichen Zuschüssen«. Orpea betreibt seit rund 30 Jahren in 23 Ländern 1.200 Einrichtungen – darunter 134 Altenheime und Kliniken mit knapp 12.000 Betten in Deutschland – und beschäftigt nahezu 70.000 Lohnabhängige. Bei einem Umsatz von fast vier Milliarden Euro machte der Konzern im Jahr 2020 rund 160 Millionen Euro Gewinn. Wie Castanet nach Gesprächen mit den Beschäftigten der Heime, vor allem dem im Pariser Luxusvorort Neuilly-sur-Seine, ermittelte, waren Pflegerinnen und Pfleger angewiesen, Hygienevorschriften und die Qualität der täglichen Mahlzeiten zu vernachlässigen, um – bei monatlichen Abgaben der Klientel von bis zu 12.000 Euro für eine sogenannte Suite – Geld einzusparen. Um so besser stellten sich offenbar die Verantwortlichen des Unternehmens. Der 59 Jahre alte, nun geschasste Generaldirektor Le Masne freute sich bis dato über ein Jahresgehalt von rund 1,35 Millionen Euro, Bonuszahlungen eingerechnet, wie die satirische Pariser Wochenzeitung Le Canard enchainé am vergangenen Mittwoch vorrechnete. (…) Der Gründer des Pflegeheimmultis, der inzwischen 82 Jahre alte Arzt Jean-Claude Marian, erlebt den Sturm in sicherer Entfernung. Der dem Börsenwert offenbar sehr viel enger als dem Eid des Hippokrates bzw. dem Genfer Gelöbnis verbundene Milliardär residiert in einem prächtigen Hôtel particulier – einer großbürgerlichen Villa – im Herzen von Brüssel…“ Artikel von Hansgeorg Hermann in der jungen Welt vom 5. Februar 2022 externer Link

Siehe für Orpea als Arbeitgeber in Deutschland unser Dossier Orpea/Residenz-Gruppe: Perfektioniertes Union Busting auf internationaler Ebene – nun auch in Bremen und Osnabrück

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=199198
nach oben