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Aufwärm-Mobilisierungstermin am 16.2. und Warten auf den 07. März – Debatte um Rentenreform in der französ. Nationalversammlung endet heute um Mitternacht

Frankreich: Demo gegen Rentenreform in Paris am 16.2.2023 - Foto von Bernard SchmidAm gestrigen Donnerstag wurde gegen die Rentenreform in Frankreich demonstriert. Die Mobilisierung fiel nicht so stark wie aus wie an vorausgegangenen Terminen (19. Januar, 31. Januar, 07. und 11. Februar). Dennoch entgingen die Teilnehmenden einer Medienkampagne, deren sonst übliches Strickmuster hätte lauten können: «Es bröckelt, bröckelt, bröckelt ab.» Auch die französische TV-Berichterstattung, einschließlich Privatfernsehen, behauptete nicht ernsthaft einen Rückgang, sondern hielt faktisch fest, dass es sich beim gestrigen Donnerstag, den 16. Februar 23 nur um einen Aufwärmtermin zwischendurch handelte – und dass das Richtige & Wichtige erst noch komme, nämlich am und ab dem 07. März. An jenem Tag rufen die französischen Gewerkschaften dazu auf, einen Zahn zuzulegen und zum Streik überzugehen, ohne dass er dieses Mal von vornherein auf 24 Stunden befristet wäre, was ihn jeglicher echten Wirkung beraubt…“ Artikel und 2 Fotos von Bernard Schmid vom 17.2.2023 – wir danken!

Frankreich: Aufwärm-Mobilisierungstermin am gestrigen Donnerstag und Warten auf den 07. März d.J. – Debatte um Rentenreform in der französ. Nationalversammlung:
Heute um Mitternacht, dann ist Schicht im Schacht

Am gestrigen Donnerstag wurde gegen die Rentenreform in Frankreich demonstriert. Die Mobilisierung fiel nicht so stark wie aus wie an vorausgegangenen Terminen (19. Januar, 31. Januar, 07. und 11. Februar). Dennoch entgingen die Teilnehmenden einer Medienkampagne, deren sonst übliches Strickmuster hätte lauten können : « Es bröckelt, bröckelt, bröckelt ab. » Auch die französische TV-Berichterstattung, einschließlich Privatfernsehen (vgl. https://www.bfmtv.com/paris/en-direct-greve-du-16-fevrier-a-paris-nouvelle-mobilisation-contre-la-reforme-des-retraites-peu-de-perturbations-dans-les-transports_LN-202302160021.html externer Link), behauptete nicht ernsthaft einen Rückgang, sondern hielt faktisch fest, dass es sich beim gestrigen Donnerstag, den 16. Februar 23 nur um einen Aufwärmtermin zwischendurch handelte – und dass das Richtige & Wichtige erst noch komme, nämlich am und ab dem 07. März. An jenem Tag rufen die französischen Gewerkschaften dazu auf, einen Zahn zuzulegen und zum Streik überzugehen, ohne dass er dieses Mal von vornherein auf 24 Stunden befristet wäre, was ihn jeglicher echten Wirkung beraubt.

Frankreich: Demo gegen Rentenreform in Paris am 16.2.2023 - Foto von Bernard Schmid440.000 Menschen demonstrierten frankreichweit laut Angaben des Innenministeriums und 1,3 Millionen laut gewerkschaftlichen Zahlen, was – ohne ein gewaltiges Irrtumsrisiko einzugehen – bedeuten dürfte, dass real zwischen einer halben Million und drei Viertelmillionen Menschen unterwegs waren. Dies ist nicht gering zu schätzen, da wohl allen Beteiligten die Natur des « Aktionstags » als Zwischenetappe auf dem Weg zum Wichtigeren klar war – und dass viele Lohnabhängige am gestrigen Tag nicht einen Tag Verdienstausfall hinnahmen, sondern sich die Gelder lieber aufsparten, um im März mit etwas (etwas!) geringerem finanziellen Druck streiken zu können. Es gibt in Frankreich keine institutionalisierten Streikgelder. (Bei Spendensammlungen im Internet für Streikende kamen bislang 400.000 Euro zusammen, doch man mag sich ausrechnen, dass es circa das Einhundertfache mehr bräuchte, wollte man auch nur mehreren Zehntausend Streikenden mehrere Tage Lohnausfall ersetzen…)

In der Hauptstadt Paris demonstrierten laut Angaben der für eher restriktive Angaben bekannten, spezialisieten Medienagentur Occurrence 33.000 ; laut Polizeipräfektur 37.000 ; laut CGT hingegen 300.000 Menschen. Dem Verfasser fählt es schwer, detaillierte realistische Schätzungen abzugeben, da die Demonstration zwei zeitweilig weit auseinander liegende Protestzüge umfasste und, überdies, auf einer der beiden Routen eine riesige Baustelle auf dem Asphalt in der Nähe der place d’Italie (Ankunftsort) den Zug zerfaserte. Die Realität dürfte bei rund 50.000 gelegen haben, vielleicht leicht darüber.

Die zentralen Leitungen der Gewerkschaftsdachverbände hätten sich allerdings dieses Mal nicht in Paris eingefunden, sondern im südwestfranzösischen Albi. Dies lag nicht nur darin, dass diese Stadt ihre ästhetischen Vorzüge aufweist. Es ging im Kern darum, aufzuzeigen, dass die Mobilisierung jenseits von Paris und Marseille in den kleineren und mittleren Städten – bezogen auf die Bevölkerungszahl – stärker ausfiel und ausfällt, was seit Januar d.J. klar der Fall ist.

Frankreich: Demo gegen Rentenreform in Paris am 16.2.2023 - Foto von Bernard SchmidAm heutigen Freitag um Mitternacht endet die Parlamentsdebatte in der französischen Nationalversammlung, also im « Unterhaus » des Parlaments, das im Konfliktfall gegenüber dem Senat, seinem Oberhaus (das v.a. die Gebietskörperschaften vertritt, hauptsächlich die Kommunen) das letzte Wort behält. Aufgrund der Wahl des Verfahrens – Lesung des Reformentwurfs als Haushaltsgesetz – ist die parlamentarische Prozedur stark verkürzt. Es findet in beiden Kammern je nur eine Lesung statt ihrer drei statt, plus eine Sitzung des parlamentarischen Vermittlungsausschusses zwischen beiden Kammern sowie im Anschluss die Lesung von deren Ergebnis ind er Nationalversammlung. Alles zusammen darf eine Dauer von fünfzig Tagen nicht überschreiten. Die Lesung in der Nationalversammlung war auf zwei Wochen begrenzt.

Uneinigkeit über die Taktik herrschte bis zuletzt unter den Oppositionsparteien. Die stärkste Kraft im Linksparteienbündnis NUPES, also die linkspopulistische Wahlplattform LFI (« Dss unbeugsame Frankreich ») setzt nach wie vor darauf, durch das Stellen von mehreren Tausend Änderungsanträgen das Vorankommen der Debatte zu verschleppen oder zu verhindern. Sozialdemokratie, Grüne und französische KP zogen hingegen seit Mittwoch Abend ihre Änderungsanträge für die ersten sechs Artikel zurück – am Mittwoch war die Lesung erst bei Artikel Zwei angekommen -, um eine Diskussion und Abstimmung des zentralen Artikels 7 zu ermöglichen, wie auch die Vorstände von CGT und CFDT es forderten. In diesem Artikel ist die Anhebung des Mindestalters von 62 auf 64 enthalten. Ob es zu dessen Abstimmung kommt, ist überaus fraglich. Denn warf das Regierungslager mit seiner RELATIVEN Mehrheit bislang der Opposition ihre « Sabotagetaktik » vor, war es am Donnerstag und Freitag selbst um Verschleppung bemüht, um nicht die Abgeordneten namentlich Farbe zum Artikel 7 bekennen lassen zu müssen.

Aufklärung darüber folgt bei uns am kommenden Montag…

Artikel und 2 Fotos von Bernard Schmid vom 17.2.2023 – wir danken!

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=209010
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