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Frankreich: Reinigungskräfte in Marseille bestreiken die Gesundheitsbehörde ARS

Dossier

Streikende Reinigungskräfte vor der Gesundheitsbehörde in Marseille (Foto: CNT)Am 29. März 2022 sind Kolleg:innen in der Reinigung der Gesundheitsbehörde Marseille in einen unbefristeten Streik getreten. Dieser richtet sich vor allem gegen Arbeitsüberlastung durch fehlendes Personal. Die unterstützende Gewerkschaft CNT hat am 30. März 2022 externer Link den Aufruf mit dem Titel geteilt: „Bei der regionalen Gesundheitsbehörde arbeiten: Das ist nicht gesund! Reinigungskräfte treten in den Streik!“ (Übersetzung und Hinweis von Anna Steenblock, wir danken!). Wir dokumentieren im Folgenden den Streikaufruf, dazu gehört auch ein Appell, die Streikenden finanziell zu unterstützen, damit sie ihren Kampf erfolgreich weiterführen können:

  • In Frankreich häufen sich monatelange Streiks im Reinigungssektor – der andauernde Kampf in Marseille ist ein Beispiel von Widerstand gegen Ausbeutung und Repression New
    In ihrem Artikel „Müde aber entschlossen“, am 14. Juni 2022 erschienen in der Analyse & Kritik, schreibt Anna Steenblock externer Link: „…Der Streik steht exemplarisch für den permanenten Kampf der Arbeiter*innen in der Reinigung gegen die neokoloniale Ausbeutung von Migrant*innen aus dem Globalen Süden, häufig aus ehemaligen französischen Kolonien, die sich durch das systematische Sozialdumping der Subunternehmen in prekären und entrechteten Situationen wiederfinden. In Frankreich häufen sich die Streiks von Reinigungskräften, die sich nicht selten über Monate hinziehen. International bekannt wurde etwa ihr erfolgreicher Arbeitskampf gegen das Hotel Ibis Batignolles. Nach 22 Monaten wurde ein Abkommen mit ihrem Arbeitgeber unterzeichnet, das ihnen höhere Gehälter, den Zuschlag einer Essensprämie, eine Reduktion des Arbeitsvolumens und weitere zentrale Errungenschaften wie die Bereitstellung von Arbeitskleidung zusicherte. Eine ihrer Protagonistinnen, Rachel Kéké Raïssa, will den Kampf „gegen die Sklaverei“, wie häufig in den Protesten zu hören ist, nun ins Parlament tragen und kandidiert bei den Wahlen im Juni für das neu gegründete mitte-links Bündnis NUPES (Nouvelle union populaire ecologique et sociale).
    Auch in Marseille ist der letzte mehrmonatige Streik in der Reinigung, der ebenfalls von der CNT-SO begleitet wurde, noch nicht lange her: 2019 waren elf Reinigungskräfte des Luxushotels NH Collection in einen Streik getreten, der sechs Monate andauerte und mit heftiger polizeilicher sowie juristischer Repression bekämpft und aufgrund der Blockadehaltung des Arbeitgebers schließlich ohne erfolgreiche Einigung beendet wurde. In Erinnerung blieben jedoch die kämpferischen Bilder vom Streikposten und den zahlreichen Solidaritätsaktionen. Es ist das Wissen um diese Verbindungen mit den vielen anderen Kämpfenden, die sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen wehren, die auch den derzeit Streikenden Kraft gibt. (…)
    Zwischen 530 und 580 Euro verdienen die Angestellten bei drei Stunden täglicher Arbeitszeit – Überstunden nicht einkalkuliert. „Wir bekommen genauso viel wie das RSA! (1) Dabei helfen wir auch noch dem Staat!“, stellt Moina wütend fest und bezieht sich darauf, dass sie die Räumlichkeiten einer staatlichen Behörde putzen; in ihrem Fall seit 17 Jahren. Um das Gehalt aufzubessern, hat sie, wie viele andere, noch einen zweiten Putzjob, im Krankenhaus, wo sie am Vormittag ist. „Wir sind müde, wir haben überall Schmerzen. Wir gehen morgens zur Arbeit, kommen nach Hause, arbeiten dort weiter, kümmern uns um das Essen und die Kinder, am Nachmittag gehen wir wieder zur Arbeit. Und trotzdem verdienen die Männer mehr als wir.“ Es empört sie, dass der gerade wiedergewählte Präsident Emmanuel Macron das Rentenalter auf 65 erhöhen will: ‚Mit 65 ist es vorbei, da sind wir tot! Entweder sind wir im Rollstuhl oder wir wandern direkt auf den Friedhof! Ich bin 55 und habe jetzt schon Probleme zu laufen.‘ Wie das Bündnis NUPES, fordert auch sie eine Rente ab 60 „oder ab 55 Jahren, zumindest für die Frauen!“ fügt sie mit aufgebrachter Stimme hinzu und richtet ihre Nachricht direkt an Macron: „Ein bisschen Respekt für die Mamans. Wir wollen noch was von der Rente haben, bevor es vorbei ist mit uns…“

  • Das Unternehmen LASER geht weiter mit repressiven Mitteln und Kündigung gegen die Streikenden vor
    Der Subunternehmer LASER setzt seine repressive Flucht nach vorn gegen die Reinigungskräfte fort, die sich seit dem 29. März am Standort der ARS Paca (l’Agence régionale de santé Provence-Alpes-Côte d’Azur) im Streik befinden. Nachdem sie bereits Disziplinarverfahren gegen alle Streikenden eingeleitet haben, haben sie nun offiziell die Entlassung unseres Genossen Kader ausgesprochen!
    Die CNT-SO wird das völlig missbräuchliche und unbegründete Verfahren in einem einstweiligen Verfügungsverfahren selbstverständlich anfechten. Unserem Genossen wird ein sogenanntes „schweres Fehlverhalten“ im Rahmen der Streikbewegung vorgeworfen, der einzige Grund, der es erlaubt, einen Streikenden rechtmäßig zu entlassen.
    Das Unternehmen wirft Kader vor, die Reinigungskräfte, die an Stelle der Streikenden an dem Standort eingesetzt werden, beleidigt und bedroht zu haben. Dies ist selbstverständlich falsch. Noch absurder ist, dass sie ihm außerdem vorwerfen, den Eingang der ARS eine Stunde lang blockiert zu haben, ein weiteres Mal am Nachmittag, um die nicht streikenden Angestellten daran zu hindern, an ihren Arbeitsplatz zu gelangen. Dies macht überhaupt keinen Sinn. Ein Sicherheitsangestellter ist permanent anwesend, genauso wie andere Angestellte der ARS. Im Umkehrschluss schweigt LASER über die obszönen Gesten und Beleidigungen, die sich von einem ihrer Verantwortlichen gegen die Streikenden richteten.
    LASER wird nicht ignorieren können, dass die Kündigung vor Gericht keinen Halt haben wird. Ihnen geht es darum, Zeit zu gewinnen und den Gewerkschafter runterzufahren.
    Diese Repression wird das kollektive Vorgehen des Gewerkschaftsteams, das am Streik festhält, jedoch nicht bremsen. Da LASER das Problem ist, liegt es nun am Staat, über die ARS und die UGAP (Union des Groupements d’Achats Publics), die Zentrale für öffentliche Aufträge, eine Lösung zu finden. Wir sagen es deutlich: LASER muss verschwinden! Um in dieser Frage erfolgreich zu sein, arbeitet die CNT-SO gewerkschaftsübergreifend mit dem Personal der ARS zusammen, die intern den Kampf der Reinigungskräfte unterstützt.
    Dieser neue lange Konflikt in Marseille steht sinnbildlich für den permanenten Kampf der Beschäftigten im Reinigungssektor gegen den systematischen Missbrauch und das Sozialdumping durch Subunternehmer.
    Die CNT-SO ruft zu einer weiterhin breiten Unterstützung des Streiks auf, insbesondere durch die Teilnahme an der Kundgebung am 24.05. und durch die Unterstützung der Streikkasse, die es ermöglicht, den Konflikt aufrechtzuhalten. Ausbeutung und Verachtung, es reicht!Stellungnahme der CNT-SO vom 20. Mai 2022 externer Link (frz. – Übersetzung von Anna Steenblock, wir danken!)
  • Der Reinigungskräfte-Streik beim Subunternehmen der Gesundheitsbehörde in Marseille hält an – trotz Einschüchterungsversuchen
    Die Reinigungskräfte, die bei dem Subunternehmen LASER angestellt sind und für die Gesundheitsbehörde der Region PACA (Provence-Alpes-Côte d’Azur) arbeiten, setzen ihren Streik fort, den sie am 29. März 2022 begonnen haben. Nach mehreren Einschüchterungsversuchen von Seiten des Arbeitsgebers, organisierten die Streikenden am 8. April eine größere Versammlung. Hier ein Auszug aus ihrem Papier vom 7. April 2022 externer Link (frz. – herzlichen Dank für die Einleitung und Übersetzung von Anna Steenblock): „Die Schurkenbosse von LASER bleiben ihrer Praxis treu, spielen auf Zeit und gehen gegen die Streikenden vor. Am Montag, dem 4. April, ließ der Subunternehmer die Streikenden per Gerichtsvollzieher zu einer sogenannten Verhandlung in sein Büro bestellen, bei der der Arbeitgeber allerdings nichts vorschlug: dieses Treffen sollte sie lediglich einschüchtern. Nachdem dieses Vorgehen scheiterte, schickte der Arbeitgeber am selben Tag ein Team von Streikbrecher:innen, um die Streikenden auszutauschen, und provozierte den Streikposten mit Beleidigungen und dem Mittelfinger (…) Am Mittwoch ging LASER noch einen Schritt weiter und entließ einen der Streikenden ohne Angabe von Gründen verbunden mit einem Disziplinarverfahren. Trotz der Repressionen und Einschüchterungen, der Streik weiter!
    Schluss mit dem Sozialdumping bei öffentlichen Aufträgen…
    Die Kundgebung am Freitag wird auch die Gelegenheit bieten, die regionale Gesundheitsbehörde ARS und im weiteren Sinne den Staat mit seiner Verantwortung zu konfrontieren. Die Auswahl der Subunternehmen und die Vergabe öffentlicher Aufträge erfolgt über die Union des Groupements d’achats publics (UGAP). Es ist absolut inakzeptabel, dass diese die Subunternehmen nach den niedrigsten Preise auswählt, ohne die Auswirkungen auf die Arbeitnehmer:innen zu berücksichtigen oder die Einhaltung elementarster Arbeitsrechte. Der Fall der regionalen Gesundheitsbehörde ARS ist kein Einzelfall. Im Zuge der Mobilisierung wurden wir von Beschäftigten anderer öffentlich-staatlichen Standorte kontaktiert, die Opfer des gleichen Missbrauchs durch LASER geworden sind. Unternehmen wie LASER muss der Zugang zu öffentlichen Aufträgen unmittelbar entzogen werden! Darüber hinaus ist es mehr denn je an der Zeit, das System der Misshandlung durch Subunternehmen zu beenden! Die CNT-SO ruft zu einer breiten Teilnahme an der Solidaritätskundgebung am Freitag, den 08. April auf sowie zur finanziellen Unterstützung des Streiks über die Online-Streikkasse. Nur der Kampf zahlt sich aus!“

  • Bei der regionalen Gesundheitsbehörde arbeiten: Das ist nicht gesund! Reinigungskräfte treten in den Streik!
    „Die Reinigungskräfte, angestellt bei dem Subunternehmen LASER in der regionalen Gesundheitsbehörde (l’Agence régionale de Santé, ARS), treten ab dem 29. März um 16 Uhr für die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen in einen verlängerbaren Streik. Vor dem Gebäude der Gesundheitsbehörde, 132 Bd de Paris, 13002 Marseille, wird ein Streikposten aufgestellt. Unsere Kolleg:innen arbeiten seit vielen Jahren als Reinigungskräfte in der regionalen Gesundheitsbehörde, aber aufgrund des in der Reinigungsbranche verbreiteten Systems des Outsourcing gab es zahlreiche Wechsel der Arbeitgeber. Am 3. Januar 2022 hat das Unternehmen LASER übernommen und wurde neuer Arbeitgeber des Teams vor Ort, was zu einer deutlichen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führte. Die Anzahl der Beschäftigten wurde reduziert, um die Kosten zu senken, zugleich wurden die Arbeitsstunden für die verbliebenen Beschäftigten nicht erhöht. Die Beschäftigten sind mit einer erheblichen Arbeitsüberlastung konfrontiert und können die anfallenden Aufgaben nicht erfüllen. Die Manager von LASER erhöhen den Druck auf die Angestellten, um ihr Missmanagement auszugleichen. Zu allem Überfluss sind die geleisteten Überstunden bis heute nicht ausbezahlt worden. Am 21. März 2022 sprachen die Beschäftigten ihrem Arbeitgeber per Einschreiben über ihre Gewerkschaft eine erste Warnung aus. Anstatt eine Lösung zu finden, entschied sich das Unternehmen LASER am Tag des Eingangs des Schreibens dafür, den Teamleiter zu versetzen, der als zu nah an seinem Team angesehen wurde! Wie so oft entschied sich LASER für Spaltung und Druck, um seine völlig untaugliche Verwaltung des Standorts auszusitzen. Die Angestellten haben die feste Absicht, sich das nicht mehr gefallen zu lassen. Sie haben sich gewerkschaftlich mit der CNT-SO organisiert, um sich kollektiv dagegen zur Wehr zu setzen! Im Rahmen des Streiks fordern sie: mehr Personal am Standort und weniger Arbeitsbelastung, Verzicht auf die Versetzung des Teamleiters sowie sofortige Bezahlung aller geleisteten Arbeitsstunden. Die regionale Gesundheitsbehörde (ARS) ist ebenfalls für die Situation verantwortlich, da sie sich am Sozialdumping bei der Vergabe von Aufträgen beteiligt. Sie wählt die Subunternehmen mit den niedrigsten Preisen aus, ohne sich um die Auswirkungen auf die Arbeitnehmer:innen zu kümmern. Wir erinnern daran, dass psychosoziale Risiken und schlechte Arbeitsbedingungen die Gesundheit der Arbeitnehmer:innen gefährden. Die Gesundheitsbehörde (ARS) muss sich ihrer Verantwortung stellen und darf sich nicht länger hinter ihrem Subunternehmer verstecken! Schluss mit der Ausbeutung und der Verachtung! Solange es keine Reaktionen vom Subunternehmen LASER gibt, wird der Streik andauern! Helft uns durchzuhalten, bis wir gewonnen haben!“ (fr.) Streikaufruf der CNT vom 30. März 2022 externer LinkÜbersetzung von Anna Steenblock, wir danken!
  • Hier geht es zum Spendenappell für die streikenden Reinigungskräfte in Marseille externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=199330
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