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Frankreich: Massiver Streik bei der Bahngesellschaft SNCF
Artikel von Bernard Schmid vom 14.6.2013
Massiv fiel der Streik bei der französischen Eisenbahngesellschaft SNCF am gestrigen Donnerstag, den 13. Juni aus. Es war gewissermaßen die dickste Schwalbe in diesem, sozial wie klimatisch unaufgeheizten und unangenehmen, Frühling in Frankreich.
68,6 Prozent der Lokomotivführer/innen und 70,4 % der Schaffner/innen nahmen an dem gestrigen Streiktag teil. Auf die Gesamtheit des Bahnpersonals bezogen (aber die Rechnung ist fragwürdig, da diese Aufstellung u.a. auch leitende Angestellte und Manager mit einberechnet), befanden sich laut Angaben der Direktion 33,2 % im Ausstand. (Vgl. http://www.rtl.fr/actualites/info/article/greve-sncf-mobilisation-massive-des-cheminots-7762324910 ), hingegen der CGT zufolge 47,3 % (vgl. http://fr.news.yahoo.com/cheminots-33-2-gr%C3%A9vistes-68-6-chez-agents-094151123.html )
Im Durchschnitt fuhren circa 4 Züge von 10. Auch bei den Hochgeschwindigkeitszügen TGV betrug die Ausfallquote rund 60 %, so dass nicht nur der Nahverkehr betroffen war, sondern in vergleichbarem Ausmaß auch der sonst durch das Unternehmen besser unterstützte (da teure) TGV-Fernverkehr. Auch das Gesetz zum ,Service minimum‘ (Notdienst, oder eher,Mindestdienst‘) vom 21. August 2007 – vgl. die Archive des Labournet – in den Transportbetrieben konnte den relativ guten Erfolg des gestrigen Streiktags nicht verhindern. Es verpflichtet alle Streikwilligen zur Voraberklärung ihrer Arbeitsbereitschaft oder –Nichtbereitschaft am bevorstehenden Streiktag, und erlaubt es dadurch dem Unternehmen, durch Arbeitskräfte-Einteilung die Streikfolgen im Vorhinein aufzufangen. Allerdings erlaubt es keine zwangsweisen Dienstverpflichtungen, die die Ausübung des Streikrechts glatt verbieten würden.
Hauptgegenstand des Streiks war das Vorhaben einer „Strukturreform“ bei der SNCF. Bislang besteht die französische Bahngesellschaft aus einem einheitlichen Unternehmen, von dem allerdings 1997 das RFF (Réseau ferré de France / „Schienennetz Frankreichs“) als formaler Eigentümer der Infrastruktur und des Gros‘ der Schulden abgetrennt wurde. Jedoch verfügt die SNCF heute auch über rund 700 Filialen, die zum Teil ihrem eigenen Personal Konkurrenz bereiten. So ist der größte Straßentransporteur in Frankreich – ein LKW-Unternehmen, das auf ökologisch irrwitzige Weise dem Schienenverkehr Konkurrenz macht – eine Filiale der SNCF…
Die Leitung des (nach wie vor in öffentlicher Hand befindlichen) Unternehmens plant nun jedoch seine Aufspaltung in drei Sparten: eine für die Infrastruktur (darunter das Schienennetz, wobei die neue Gesellschaft das bisherige RFF verschlucken würde, aber auch die Bahnhöfe), eine für das – hauptsächlich lukrative – Personentransportgeschäft, und eines für die Ingenieurs-, Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten. Erstmals würde das Bahnunternehmen mit seinen rund 150.000 Beschäftigten in drei Unternehmen aufgegliedert und seine Einheit zerschlagen. Die Gewerkschaften befürchten nun sehr stark, dass dadurch ihre Kampfkraft erheblich geschwächt würde, da die Belegschaft weiter aufgesplittert würde.
Zudem geht es um Arbeitsplätze (auch im Jahresbudget 2013 ist wieder der Abbau von 1.900 Stellen ausgewiesen), und um Lohnpolitik. Die Mehrzahl der Gewerkschaften wollte zunächst lieber diesen Kampf zuerst führen, und den Kampf um die Strukturreform als bereits verloren an die zweite Stelle setzen; eine solche Tendenz existierte selbst innerhalb der linken Gewerkschaft SUD-Rail. Doch der Druck aus einem Teil der Belegschaft, den die (noch stärkste) Einzelgewerkschaft CGT aufnahm, sorgte dafür, dass der Kampf gegen die „Strukturreform“ dann doch stärker thematisiert werden musste.
Über weitere Aktionen, die fortan gegen die – für Herbst 2013 angesetzte – „Reform“ beschlossen werden, und zusätzliche Einheiten werden wir in Kürze berichten.
- Siehe dazu auch Aufruf und Berichte bei Sud rail