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Der „Sturm aufs Krankenhaus“: Der französische Innenminister verliert seinen Medien-Krieg – auch, weil der gleichzeitige Streik der Notaufnahmen zeigt, wer die Krankenhäuser wirklich kaputt macht…

Der Streik in Frankreichs Notaufnahmen breitet sich seit Mitte April 2019 von Paris ausgehend übers ganze Land ausDa hat er sich aber von seinen sicher nicht schlecht bezahlten Beraterkreisen so richtig was Kluges ausdenken lassen, der Monsieur Castaner, seines Zeichens (noch?) Innenminister der französischen (Polizei)Republik: „Gelbwesten stürmen ein Pariser Krankenhaus in blinder Zerstörungswut“. Verbreitet über willfährige Medien, allen voran RTL. Nachdem überall – zuerst in den sozialen Medien – Videos zu sehen waren, die überdeutlich machten, dass Castaners Lügenproduktion wirklich 100%ig war, kam noch hinzu, dass zunehmend öffentlich bewusst wurde, dass Notaufnahmen im ganzen Land gerade im Streik sind, weil die Regierungspolitik die Krankenhäuser nicht nur in Fake News zerstört – was naheliegend sofort zum Ergebnis hatte, dass überall die Frage aufgeworfen wurde, wer denn nun wirklich die Krankenhäuser in Schutt und Asche lege. Dumm gelaufen, Castaner. Dabei hatte er so darum gekämpft, dass ein Gesetz gegen Fake News beschlossen wurde. Ganz dumm gelaufen. Sowohl die gescheiterte Diffamierungskampagne gegen den sozialen Protest, als auch die quer durchs Land wachsende Streikbeteiligung, deren Gründe auf der Hand liegen. Siehe in unserer Materialsammlung zu den Lügen des Herrn Castaner, dem Streik der Notaufnahmen und der Entwicklung der Krankenhäuser und des Gesundheitswesens in Frankreich einige aktuelle Beiträge, inklusive der Stellungnahme der Betroffenen der „Krankenhaus-Lüge“ sowie zwei Meldungen, die Schlaglichter auf den Zustand des französischen Gesundheitswesens werfen:

„Innenminister verbreitet Fake News“ von Rudolf Balmer am 03. Mai 2019 in der taz online externer Link fasst die beiden Grundzüge – die Realität des erneuten Polizeieinsatzes und des Ministers und seiner Medien-Lügenkampagne – so zusammen: „„… Hier in La Pitié-Salpétrière ist ein Krankenhaus attackiert worden. Man hat das Pflegepersonal angegriffen. Und es wurde ein Polizist verletzt, der eingesetzt war, sie zu beschützen“, protestierte er. Als ob das nicht schon schockierend und dramatisch genug wäre, fügte er hinzu: „Unsere Ordnungskräfte mussten intervenieren, um die Intensivstation zu retten.“ (…) Sehr schnell waren auf dem Internet Videos zu sehen, die die angeblich völlig stupide „Attacke“ in einem ganz anderen Licht erschienen ließen. Auf Twitter legten auch Aussagen von vermeintlich malträtierten Beschäftigten eine ganz andere Interpretation nahe, die einen Eindruck vom Vorgehen der Ordnungskräfte gegen die Demonstranten am Ende der Kundgebung liefert. Bei den „Angreifern“ handelt es sich um Demonstranten, die auf dem Boulevard de l’Hôpital vor einer Tränengasoffensive der Polizei flüchteten. Einige kletterten dabei über den Zaun. Unter dem Druck der Menge riss die Kette, mit der ein Tor zum Innenhof gesperrt war. Keine Vermummten im Black-block-Look, sondern eine von CRS-Polizisten verfolgte Gruppe von Flüchtenden – unter ihnen einige Gelbwesten und mehrere ergraute Senioren – versuchte aus dem Hof über eine Treppe ins Innere zu gelangen. Das wurde ihnen vom Personal zunächst verwehrt…“

„Macron: Regieren mit Fake News“ von  Thomas Pany am 04. Mai 2019 bei telepolis externer Link hebt dazu hervor: „… Dass die Demonstranten überhaupt auf das Krankenhausgelände gelangt waren, das mit einem Gittertor abgeschlossen war, hing ebenfalls mit dem Vorgehen der Polizei zusammen. Die hatte nämlich auf den Demonstrationszug auf der Straße, die am Krankenhaus vorbeiführt, eine derartige Menge an Tränengas versprüht, dass es die Leute in die Flucht trieb, eine Auflösung der Demonstration, was genau die Absicht des Tränengaseinsatzes ist. Die Flüchtenden waren aber derart in der Falle, dass sich ihnen nur der Ausweg bot, das Gittertor gewaltsam zu öffnen, um wenigstens diesen Fluchtweg zu haben. Dass sie sich dann auf dem Gelände des berühmten Krankenhauses Pitié-Salpêtrière befanden, dürfte vielen nicht sofort klar gewesen sein, wie die Aussage von Einzelnen andeuten. Auch dieser Punkt spricht gegen eine geplante Attacke. Dass das Gittertor mit Gewalt geöffnet wurde, habe in dieser Situation Schlimmeres verhindert, meinen andere, die an Massenpaniken erinnern, wo Menschen schwerste Verletzungen davongetragen haben oder Schlimmeres passierte. (…) Die Fallhöhe hat Macron aufgezogen mit seinem Gesetzesvorhaben gegen Fake News, den Unterstellungen, dass die Opposition der Gelbwesten von Russland oder anderen Mächten unterwandert sei, mit der kategorischen Einkesselung der Gelbwesten-Demonstrationen in die Gewaltfrage und seiner Überheblichkeit, mit der er seinen Mangel an politischer Erfahrung zu kaschieren versucht. Man ist gespannt, wie der Präsident, der so viel auf Kommunikation setzt, diese Situation managen wird. Durch Schweigen?…“

„Le ministre de l’Intérieur est un menteur“ am 02. Mai 2019 beim Gewerkschaftsbund SUD Solidaires externer Link ist eine Pressemitteilung in der schlicht festgestellt wird: Der Innenminister ist ein Lügner. Und zwar doppelt, wie hier unterstrichen wird: Zum einen wegen seiner Lüge bezüglich der „Vorfälle“ im Krankenhaus, zum anderen, weil er der Presse mitteilte, die Polizeieinsätze am 1. Mai hätten „nur“ dem sogenannten Schwarzen Block gegolten, nicht aber den Gewerkschaften – dagegen hält die alternative Föderation die Tatsache, dass Dutzende Mitglieder ihrer Einzelgewerkschaften „präventiver“ Personalerkennung und ähnlichen Prozeduren unterzogen worden seien.

„Pitié-Salpêtrière: la direction de l’hôpital a demandé à des CRS de retirer une banderole des urgences en grève“ am 02. Mai 2019 bei LCI externer Link meldet, dass beim Besuch des Lügen-Ministers im Krankenhaus, dessen Direktion die Polizei-Spezialeinheit CRS (die auf der Jagd nach Demonstranten ins Krankenhaus gekommen war) gebeten hat, ein Transparent der auch hier streikenden Ambulanzen zu entfernen…

„Qui sont les véritables agresseurs de notre hôpital public?“ von LAURENT THINES am 02. Mai 2019 auf seinem Mediapart-Blog externer Link ist ein Beitrag, der – der Kritik am Minister und seinen Polizeiterror-Einsätzen gewidmet – einleitend die Politik (nicht nur) der Regierung Macron im Gesundheitswesen skizziert und darin die entscheidende Aggression gegen – unter anderem – die Krankenhäuser und ihre Belegschaften sieht.

„Répression du 1er Mai – Pitié-Salpêtrière : le collectif des 34 interpellés livre sa version“ von Marine Turchi am 04. Mai 2019 bei Europe Solidaire externer Link dokumentiert, ist ein Beitrag über die Stellungnahme jener 34 Betroffener, die laut der Lügenkampagne des Ministers die Übeltäter gewesen sein sollten. In ihrer Stellungnahme machen sie vor allem Eines: Ganz genau nacherzählen, was wirklich passiert ist auf ihrer Flucht vor der Polizeirepression…

„Grève aux urgences: «On ne travaille pas dans un hôpital pour risquer sa peau tous les jours»“ am 29. April 2019 bei 20minutes externer Link ist ein Beitrag zur Entwicklung des Streiks bei den Notaufnahmen, der am 15. April mit dem Streik in 25 Pariser Krankenhäusern begann und sich inzwischen nach Nantes, Mantes-la-Jolie, Aix-en-Provence, Lyon und Strasbourg ausgedehnt hat – und sich weiter ausdehnen wird, wie verschiedene Betriebsversammlungen zeigen. Dabei werden verschiedene Forderungen erhoben (wie etwa Lohnerhöhung – sowohl CGT, als auch SUD Santé fordern 300 Euro netto – und mehr Sicherheitsmaßnahmen gegen Aggressionen), zentral aber ist der Kampf um mehr Personal, für eine Trendwende der bisher praktizierten Kürzungspolitik.

„Dans le Jura, la mort programmée de l’hôpital public“ von Caroline Coq-Chodorge am 30. April 2019 bei médiapart externer Link (für Abonnenten) ist eine Reportage aus dem Jura, im Rahmen eines Dossiers zur gemachten Krise des Gesundheitswesens in Frankreichs, das in den einleitenden Passagen unterstreicht, Macron halte (ausnahmsweise) sein Versprechen: Es werden keine Krankenhäuser geschlossen. Werden auch nicht – nur serienweise verschiedene Abteilungen in den meisten Krankenhäusern und insbesondere in der Provinz…

„Huit millions de Français vivent dans un désert médical“ am 05. Mai 2019 bei RFI externer Link ist eine Meldung, die ein kurzes Schlaglicht auf die Situation im Gesundheitswesen Frankreichs wirft: 8 Millionen Menschen leben in einer „medizinischen Wüste“, in jeder dritten Stadt fehlen Allgemeinärzte…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=148249
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