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Das empört Frankreichs Regierung – und ihre Medien-Bataillone: Eisenbahnstreiks. Ganz ohne Ankündigung…
Zuerst war es aufgrund eines eher kleineren Zwischenfalls Mitte Oktober 2019, bei dem „Gott sei Dank“ nichts passierte: Ein Lokomotivführer musste zum Bahnübergang zurück laufen, um weiteres zu verhindern. Was daran aufregend ist? Der Mann war die komplette Besatzung des Zuges, die Passagiere mussten längere Zeit alleine im Zug bleiben, auf offener Strecke stehend. Ergebnis der neuen Personalpolitik der Unternehmensleitung, deren Bestreben es ist, die „Ein-Mann-Besatzungen“ auszuweiten. Als der Zwischenfall bekannt wurde, legten die EisenbahnerInnen zuerst der Region Champagne die Arbeit nieder, am folgenden Tag an zahlreichen Orten quer durchs Land. Dann, rund eine Woche später, legen etwa 200 Kolleginnen und Kollegen im Ausbesserungswerk Châtillon die Arbeit nieder, weil man ihnen die zusätzlichen jährlichen Urlaubstage streichen will. Was beide Ereignisse verbindet, ist nicht nur Empörung und Widerstand gegen die Vorgehensweise der Unternehmensleitung – die ja immer auch in Einklang mit Regierungsrichtlinien vorgeht – sondern, dass beide Male gestreikt wurde, ohne dass irgendeine Gewerkschaft dazu aufgerufen hatte – geschweige denn, einen „préavis de grève“, also eine, gesetzlich in den meisten Fällen vorgeschriebene, Streikwarnung eingereicht wurde. Weswegen die Streiks auch noch eine weitere Tatsache verbindet: Die Empörung. Der Regierung und der Mainstream-Medien über „wilde Streiks“ (ist der Gegensatz dazu eigentlich „zahme Streiks“?) und über Gewerkschaften, die „keine Kontrolle mehr haben über ihre Mitglieder“… Die Nervosität dieser Seite ist erklärbar mit den bevorstehenden Auseinandersetzungen, etwa dem in Vorbereitung befindlichen Generalstreik gegen die Renten-Gegenreform am 05. Dezember, der, zumindest nach Absicht einer ganzen Reihe vorbereitender gewerkschaftlicher Organisationen, nicht nur ein eintägiger Protest bleiben soll, sondern nun wirklich das schon des Öfteren (auch im LabourNet Germany) thematisierte Zusammenfließen verschiedener Streikbewegungen mit sich bringen soll. Zu den „Signal-Streiks“ bei der SNCF im Oktober 2019 vier aktuelle Beiträge, darunter auch einer mit einer Stellungnahme des Sprechers von SUD Rail, der Mehrheitsgewerkschaft im bestreikten Ausbesserungswerk:
- „SNCF – Droit de retrait: les cheminots sortent les poings“ am 21. Oktober 2019 bei Europe Solidaire dokumentiert (ursprünglich bei der NPA) ist ein Betrag über den ersten spontanen Streik nach dem Zwischenfall in der Champagne, worin vor allen Dingen hervorgehoben wird, wie viele – und an wie vielen Orten – sich an dem Streik beteiligt haben, der zu massiven Zugausfällen führte. Und diese Beteiligung auf die bestehende Grundstimmung der Belegschaft der SNCF zurückführt, die die Nase voll hat, ständig Verschlechterungen hinnehmen zu müssen und medial als privilegiert diffamiert zu werden.
- „A Châtillon, la SNCF face à un nouveau front social“ von Gurvan Kristanadjaja am 29. Oktober 2019 bei Libération ist ein Beitrag über den darauf folgenden Streik im Ausbesserungswerk Châtillon, der der Verteidigung eines Sondertarifs mit zusätzlichen freien Tagen galt – und tagelang „in aller Stille“, ohne Information irgendwelcher Medien, stattfand, was sich erst änderte, als immer mehr Züge ausfielen. In dem Beitrag wird auch Karim Dabaj von SUD Rail zitiert, der unterstreicht, dass die Gewerkschaft nicht zum Streik aufgerufen habe, ihn aber „begleite“.
- „Bataille juridique autour de la «grève surprise» de la SNCF“ von Eric Béziat am 22. Oktober 2019 in Le Monde berichtet von der juristischen Auseinandersetzung rund um die Unternehmensdirektive der „Ein-Mann-Besatzung“. Offensichtlich wird daraus, dass die zentrale Arbeitsaufsicht sich wohl gegen die „Empfehlungen“ der regionalen Arbeitsinspektionen der Champagne (und des Elsass) wendet, die diese Reduzierung auf den Lokführer zugelassen hatten…
- „Les syndicats n’ont plus aucun contrôle sur la grève“ von Nicolas Beytout am 29. Oktober 2019 bei Europe1 ist ein Fernsehkommentar, der am eindeutigsten zum Ausdruck bringt, was auch andere Kommentare in „gutbürgerlichen“ Medien nahezu hysterisch ausführten: Die Gewerkschaften haben überhaupt keine Kontrolle mehr darüber, was passiert. Wozu im vorhergehenden Beitrag der SUD-Kollege bereits Stellung bezogen hatte: „Warum sollten wir auch?“…
- Siehe erste Informationen zu dem Streik in: Bernard Schmid: Frankreich: Neuauflage der Einwanderungsdebatte und nun auch noch des Kulturkampfs ums Kopftuch – mit Folgen