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Finnland: Streik in der Papierindustrie seit 1.1.2022 wird bis Mitte März verlängert und mit Solidarität der Hafen- und Bahnarbeiter*innen begleitet

Dossier

Finnland: Streik in der Papierindustrie seit 1.1.2022Seit dem ersten Januar 2022 befinden sich 2,200 Arbeiter*innen an verschiedenen Standorten des Papierherstellers UPM im Streik, welcher durch die Gewerkschaften Paperiliitto, Teollisuusliitto und Proliitto getragen wird und bis zum 12. März 2022 ausgeweitet werden soll. Auslöser war der einseitige Ausstieg aus dem branchenweiten Tarifabkommen durch den Arbeitgeber UPM. Dieser will eigene Abkommen auf Standortebene abschließen. Dabei sollen unter anderem sollten 500 Angestellte als leitende Angestellte klassifiziert werden, sodass sie nicht mehr unter den tariflichen Schutz fallen würden. Ein weiterer Kritikpunkt sind Pläne, die Arbeitszeiten zu erhöhen – was für viele der Beschäftigten Lohneinbußen in einer Höhe von 20 bis 30 Prozent bedeuten würde. Beobachter*innen vermuten, dass es der Konzernleitung darum geht, die Gewerkschaften vollständig aus ihrem Betrieb herauszuhalten. Seit dem 24. Januar 2022 zeigen auch organisierte Hafen- und Bahnarbeiter*innen ihre Solidarität, indem sie sich weigern, Ware von UPM zu verladen – die auch hier vertrieben werden, weswegen erneut von einer kommenden Klopapierkrise in den Supermarktregalen ausgegangen wird… Siehe weitere Informationen und Hintergründe:

  • IndustriALL Global Union schätzt den Streik der finnischen PapierarbeiterInnen bei UPM als „historisch“ ein New
    Vom Ausmaß her war dieser Streik in der finnischen Papierindustrie beispiellos. Auslöser war die gewerkschaftsfeindliche Einstellung der UPM-Geschäftsleitung, die entschlossen war, die gewerkschaftliche Macht der in der Gewerkschaft Paperiliito organisierten Arbeiter*innen zu brechen.
    Es geland der UPM-Geschäftsführung allerdings nicht, die Gewerkschaft zu zerstören und das Tarifverhandlungssystem zu brechen. Sie scheiterten auch daran, Löhne und Arbeitsbedingungen einseitig und ohne eine gewerkschaftliche Vertretung der Arbeiter*innen durch Paperiliito festzulegen.
    UPM scheiterte auch mit seiner Forderung danach, die Beschäftigungsbedingungen dadurch zu verschlechtern, dass die Jahresarbeitszeit bei gleichbleibenden Löhnen beträchtlich erhöht werden sollte. Der starke Streik zwang UPM schließlich dazu, die Forderung der Gewerkschaft nach branchenüblichen Bedingungen zu akzeptieren. Die neue Vereinbarung sieht auch dem Industriestandard entsprechende Gehaltserhöhungen vor.
    Es wird geschätzt, dass UPM durch den Streik finanzielle Verluste in Höhe von zwei bis drei Millionen Euro pro Tag entstanden sind, zusätzlich zu dem langfristigen Schaden für das Ansehen des Unternehmens bei seinen Kunden, sowohl in sozialer Hinsicht als auch in Bezug auf seine Zuverlässigkeit bei der Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen.
    Die Gesamtkosten des Streiks für das Unternehmen wurden auf bis zu 300 Millionen Euro geschätzt.“ engl. Beitrag vom 29.04.2022 auf der Seite der IndustriALL externer Link (Finnish paper workers end historic UPM strike in settlement)
  • Nach fast vier Monaten und Schlichtungsverfahren: Überraschendes Streikende nach Unterzeichnung eines unternehmenseigenen Tarifvertrages 
    Am 22.04.2022 wurde der Streik nach insgesamt 112 Tagen beendet. In einem finnischsprachigen Statement vom 22.04.2022 externer Link gab  die Gewerkschaft Paperiliitto bekannt, dass im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens in allen fünf Geschäftsbereichen von UPM unternehmensspezifische Tarifverträge ausgehandelt und unterzeichnet wurden. Dem Statement zufolge gelang es der Gewerkschaft dabei, den branchenüblichen Standard in den unternehmensspezifischen Abkommen aufrechtzuhalten und die geplante Arbeitszeiterhöhung ohne Lohnausgleich abzuwenden. Zuvor hatte die Belegschaft fast vier Monate lang an mehreren Standorten gestreikt und dabei auch viel Solidarität durch andere Gewerkschaften erfahren. Zentraler Konfliktpunkt war der Ausstieg des Arbeitgebers aus dem Branchentarifvertrag sowie die Ankündigung von Arbeitszeiterhöhungen, welche für viele der Beschäftigten zu Lohneinbußen in einer Höhe von 20 bis 30 Prozent führen würde.

  • Streikverlängerung in der Papierindustrie bis zum 2. April – die intensiven Verhandlungen zwischen UPM und der Papierarbeitergewerkschaft dauern an 
    Die Gewerkschaft kündigte eine dreiwöchige Verlängerung des Streiks in den meisten finnischen UPM-Werken bis zum 2. April 2022 an, sofern nicht vorher neue Tarifverträge geschlossen werden. Der Streik der Gewerkschaft der Papierarbeiter bei UPM Pulp, UPM Biofuels, UPM Communication Papers, UPM Specialty Papers und UPM Raflatac in Finnland begann am 1. Januar 2022. Derzeit arbeiten etwa 200 Gewerkschaftsmitglieder in den Werken in gesellschaftskritischen Aufgaben wie Kraftwerken und Wasseraufbereitungsanlagen.
    „In den letzten Wochen haben die Parteien sowohl in Anwesenheit des Nationalen Koordinators als auch in Einzelverhandlungen verhandelt. Die Parteien kennen nun die Ziele des jeweils anderen, so dass die Verhandlungsführer die Möglichkeit haben, zu verhandeln und unternehmensspezifische Vereinbarungen zu treffen“, sagt Jyrki Hollmén, Vice President, Labour Markets, UPM.
    „Die intensiven Verhandlungen werden fortgesetzt. Wir fordern rasche Fortschritte und Kompromissbereitschaft, damit wir für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösungen finden und unsere Mühlen wieder in Betrieb nehmen können. UPM-Unternehmen tun ihr Bestes, um einen offenen Dialog zwischen den Verhandlungsparteien voranzutreiben“, schließt Hollmén. Bei UPM wurden interne Telefonkonferenzen organisiert, bei denen die Verhandlungsziele bekannt gegeben wurden und das Personal die Möglichkeit hatte, detaillierte Fragen zu stellen…“ UPM-Pressemitteilung am 02.03.2022 übersetzt dokumentiert bei fibers-in-process.de externer Link – Wochenblatt für Papierfabrikation
  • Kein Papiertiger. Der finnische Zelluloseriese UPM wird seit Wochen bestreikt, da er einen Konzerntarifvertrag verweigert
    Seit dem 1. Januar befinden sich 2200 Arbeiter des Papierherstellers UPM-Kymmene Oyj an mehreren Standorten in Finnland im Streik. Grund für den Arbeitskampf der Branchengewerkschaft Paperiliitto sind Vorbedingungen der Konzernleitung für den Beginn von Tarifverhandlungen. Eigentlich sollen in Finnland Tarifverträge zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden ausgehandelt werden, die für die gesamte Branche Geltung haben. Im Falle der mächtigen Forst- und Papierindustrie ist man im Sommer 2020 aus diesem System ausgestiegen. Die großen Unternehmen Stora Enso und Metsä Group verhandelten daraufhin mit Paperiliitto direkt und schlossen eigene Tarifverträge für ihre Beschäftigten ab.
    Der Branchenriese UPM verweigerte sich allerdings diesem Vorgehen und forderte, dass für die fünf unterschiedlichen Unternehmensbereiche separate Tarifverträge abgeschlossen werden sollen. Dadurch wäre die Verhandlungsmacht der Gewerkschaft erheblich verringert. Zudem drängt man auf Arbeitszeitverlängerungen, die faktisch einer Lohnkürzung gleichkämen. Der Streik, der in seine achte Woche gegangen ist, wird mittlerweile auch in anderen Branchen wie der Logistik solidarisch unterstützt. So wurden seit Ende Januar Produkte von UPM von Hafenarbeitern nicht verladen. Das Vorgehen des Unternehmens stößt auch in der Politik auf Kritik (…)
    Der Chef des Gewerkschaftsverbandes SAK, Jarkko Eloranta, spricht sogar von einem »Arbeitsmarktkreuzzug«, dem sich die Eigentümer von UPM verweigern sollten. Das Unternehmen habe keine wirtschaftlichen Beweggründe, sondern rein ideologische. (…)
    Die Produktionsstopps bei UPM verschärfen jetzt noch die Probleme auf dem Zellulose- und Papiermarkt. Laut der britischen Zeitung »Financial Times« fürchten Hersteller von Etiketten in Europa, dass insbesondere Frischprodukte bald nicht mehr den Weg in die Regale finden werden, sollten die Engpässe anhalten. Die deutsche Computerzeitschrift »c’t« teilte kürzlich mit, sie kämpfe derzeit um Papier und könne nur von Ausgabe zu Ausgabe planen. In den USA müssen Drucker von Magazinen wie dem »Washington Examiner« auf anderes Papier umsteigen, weil aus Finnland kein passendes mehr kommt. (…)  Wie die Gewerkschaft Paperilitto jetzt mitteilte, haben mediierte Treffen bisher keine Ergebnisse gebracht. In dieser Woche sind weitere Zusammenkünfte beim staatlichen Schlichter vereinbart. Die Gewerkschaft hat angekündigt, bis zum 12. März die Arbeitsniederlegungen weiterzuführen, sollte der Konzern bis dahin nicht einlenken. Für diesen wird es mit der Zeit teuer: Laut Börsenanalysten kostet der Streik UPM wöchentlich über 20 Millionen Euro.“ Artikel von Robert Stark, Helsinki, vom 22.02.2022 im ND online externer Link
  • Seit dem ersten Januar 2022 befinden sich 2,200 Arbeiter*innen an verschiedenen Standorten des Papierherstellers UPM im Streik, welcher durch die Gewerkschaften Paperiliitto, Teollisuusliitto und Proliitto getragen wird. Die Gewerkschaft ließ am 04.02. über die Nachrichtenagentur Reuters verkünden externer Link, dass der Streik bis zum 12. März 2022 ausgeweitet werden soll.
    Jarkko Eloranta, Vorsitzender der Zentralorganisation der finnischen Gewerkschaften SAK externer Link schätzt, dass UPM pro Woche Umsatzeinbußen in Höhe von ca 20 Millionen Euro verbucht.
    Auslöser war der einseitige Ausstieg aus dem branchenweiten Tarifabkommen durch den Arbeitgeber UPM. Dieser will eigene Abkommen auf Standortebene abschließen. Dabei sollen unter anderem sollten 500 Angestellte als leitende Angestellte klassifiziert werden, sodass sie nicht mehr unter den tariflichen Schutz fallen würden. Ein weiterer Kritikpunkt sind Pläne, die Arbeitszeiten zu erhöhen – was für viele der Beschäftigten Lohneinbußen in einer Höhe von 20 bis 30 Prozent bedeuten würde.
    Der Arbeitgeber weigert sich, an einem Mediationsverfahren teilzunehmen, weswegen Gewerkschaftsvertreter*innen davon ausgehen, dass es sich um einen längeren Arbeitskampf handeln wird. Beobachter*innen vermuten, dass es der Konzernleitung darum geht, die Gewerkschaften vollständig aus ihrem Betrieb herauszuhalten.
    Seit dem 24. Januar 2022 zeigen auch organisierte Hafen- und Bahnarbeiter*innen ihre Solidarität, indem sie sich weigern, Ware von UPM zu verladen.
    UPM ist ein transnational agierender Konzern mit Sitz in Finnland, der sich dem Geschäftsfeld der Nachhaltigkeit verschrieben hat und vor allem Papier, Strom, Holz, Biotreibstoffe und Biochemikalien produziert. UPM hat auch in Deutschland mehrere Standorte.

    • Zur Konzernseite siehe hier externer Link
    • Zugleich werden Produkte von UPM auch hier vertrieben, weswegen dieser Tage erneut von einer kommenden Klopapierkrise in den Supermarktregalen ausgegangen wird externer Link.
  • Schon vor dem Beginn des Streiks verspricht UPM Streikbrechern Extrazahlungen:
    Der Kreuzzug des Forstwirtschaftsriesen UPM gegen Tarifverhandlungen eskaliert: Er verspricht, allen Beschäftigten, die als Streikbrecher arbeiten, 30 Euro mehr pro Tag zu zahlen. Fast alle finnischen Forstunternehmen haben sich inzwischen mit den Gewerkschaften auf Tarifverträge für die nächsten Jahre geeinigt. Darunter sind auch die beiden anderen großen Unternehmen Stora Enso und Metsä Group. UPM bildet jedoch eine bemerkenswerte Ausnahme: Das Unternehmen erklärt, dass es keinen Tarifvertrag für die Angestellten abschließen wird und nur dann Verhandlungen über Tarifverträge für die Beschäftigten in den Papier- und Zellstofffabriken aufnehmen wird, wenn die Gewerkschaften seine Bedingungen hinsichtlich der Form des Vertrags vollständig akzeptieren.
    Ab Anfang Januar wird UPM nach eigenen Angaben einseitig über die Arbeits- und Lohnbedingungen für die Beschäftigten in den finnischen Papier- und Zellstofffabriken entscheiden. Den Gewerkschaften zufolge sind diese Bedingungen den Beschäftigten noch nicht einmal mitgeteilt worden. Da die Verhandlungen noch nicht einmal begonnen haben und der bestehende Tarifvertrag für die Papierindustrie Ende Dezember ausläuft, haben drei Gewerkschaften eine Streikwarnung für den ersten Januar ausgesprochen. Die Streikwarnung gilt für UPM Communication Papers Oy, UPM Raflatac Oy, UPM Specialty Papers Oy und UPM-Kymmene Oyj
    …“  Maschinenübersetzung der (engl.) Meldung vom 20.12.2021 auf der Homepage des finnischen Journalisten Heikki Jokinen externer Link

Quellen (auf Englisch):

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=197714
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