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Artensterben, Ausbeutung und Zwangsarbeit: Industriefischerei zerstört Umwelt und das Leben von Fischer:innen

Dossier

Internationaler Fischfang: Reusen und Netze, im Hintergrund ein LeuchtturmBis 2048 sollen die Meere leergefischt sein. Doch nicht nur das: Die UN fand heraus, dass jedes Jahr weltweit 24.000 Fischer:innen bei der Arbeit sterben, Tausende weitere werden verletzt. In einer Fischerei-Konferenz Anfang Dezember 2022 in Amsterdam konstatierte die ITF (Internationale Transportarbeiter:innen-Föderation), dass Fischfang immer noch zu den schlimmsten Ausbeutungsberufen weltweit gehört. Im September 2022 stellte auch die ILO fest, dass etwa 128.000 Fischer:innen unter Bedingungen der Zwangsarbeit schuften. Darunter sind vor allem Migrant:innen, die durch Menschenhandel oder prekäre Arbeitsbedingungen auf den Schiffen landen und dort regelrecht gefangen sind. Oftmals geht dies mit staatlichen Regelungen einher, die den Fischkonzernen erlauben, einzelne Arbeitende anzuwerben, ohne dass diese Zugang zum offenen Arbeitsmarkt erhalten. Wenn sie Kritik äußern, können sie dadurch sofort abgeschoben werden… Siehe dazu die Ausführungen der ITF und weitere Berichte u.a. am Beispiel Großbritannien:

  • Tintenfische aus Marokkos Kolonialgebiet: EU will illegale Ausbeutung der Meere vor der Küste der Westsahara fortsetzen
    „Ein rechtswidriges Fischereiabkommen läuft aus, aber ein neuer Bericht zeigt, wie die EU-Meeresfrüchte-Industrie weiterhin an der kolonialen Besetzung der Westsahara durch Marokko mitschuldig sein wird. Sie tut dies durch den Import von Tintenfisch.
    Oktopus und Besatzung
    Im März verärgerten die Pläne eines spanischen Fischerei-Unternehmens für die weltweit erste Oktopus-Fabrik Tierrechtsgruppen und Wissenschaftler gleichermaßen. Ein neuer Bericht zeigt jedoch, warum die Ausbeutung dieser hochintelligenten Art in freier Wildbahn nicht weniger alarmierend sein sollte. Am 10. Juli veröffentlichte die Umweltkampagnengruppe ClientEarth den neuen Bericht mit dem Titel Tracing a line – do businesses know the real cost of seafood? Darin macht die Gruppe auf die Menschenrechts- und Umweltauswirkungen von Meeresfrüchten aus der EU aufmerksam. Der Bericht untersuchte insbesondere die Waren, die europäische Länder aus drei Ländern des globalen Südens importieren. Unter den drei Fallstudien hob ClientEarth die Probleme hervor, die mit dem Import von Tintenfisch aus Marokko durch die EU verbunden sind. (…) Aus dem Bericht geht hervor, dass Marokko der größte Lieferant von gefrorenem Oktopus für die EU ist. Das nordafrikanische Land exportierte mehr als 40.000 Tonnen Oktopus im Wert von fast einer halben Milliarde Euro in die EU. ClientEarth wies darauf hin, dass industrielle Trawler und handwerkliche Flotten in den Gewässern vor Dakhla, einem wichtigen Fischereizentrum in der Westsahara, Tintenfische fangen. Marokkanische und europäische Joint-Venture-Flotten landen ihren Fang aus westsaharischen Gewässern regelmäßig in marokkanischen Häfen an. Infolgedessen werden in der Westsahara gefangene Tintenfische oft als marokkanisches Produkt in die EU verkauft. Der Bericht kommt daher zu folgendem Schluss: „Die Aktivitäten von Fischereiunternehmen, Investoren und Einzelhändlern, die am Handel mit Kraken aus der Westsahara beteiligt sind, könnten sich indirekt auf verschiedene soziale, wirtschaftliche und politische Rechte der saharauischen Bevölkerung auswirken.“
    Fischerei und Freihandel
    Marokko annektierte die ehemalige spanische Kolonie Westsahara im Jahr 1975. Trotz eines Urteils des Internationalen Gerichtshofs, in dem das Recht des saharauischen Volkes auf Selbstbestimmung bestätigt wurde, hat das Königreich das Gebiet seither kolonisiert. Ein Fischereiprotokoll und ein bilaterales Freihandelsabkommen mit der EU waren wichtige Instrumente in diesem Prozess. Im Rahmen des partnerschaftlichen Fischereiabkommens zwischen der EU und Marokko hat die EU für den Zugang zur Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) Marokkos bezahlt – einem Meeresgebiet, das sich vor den marokkanischen Küsten erstreckt und unter die nationale Gerichtsbarkeit fällt. Dieses Abkommen hat es 128 EU-Schiffen aus Spanien, Portugal, Frankreich, Deutschland, Italien, Litauen, Lettland, Polen, den Niederlanden und Irland ermöglicht, in marokkanischen Gewässern zu fischen. Vor dem Brexit galt die Vereinbarung auch für das Vereinigte Königreich. Unabhängig davon regelt das Europäische Assoziierungsabkommen die Zölle für die Einfuhr von Waren aus Marokko in die EU.
    Aufgehobenes Abkommen
    Im Jahr 2016 erklärte der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Handelsabkommen zwischen der EU und Marokko für ungültig. Er entschied, dass sich das Abkommen nicht auf das besetzte Gebiet der Westsahara erstrecken sollte. Insbesondere müssten die Handelsabkommen die ausdrückliche Zustimmung der Polisario-Front, der von den Vereinten Nationen anerkannten politischen Vertretung des saharauischen Volkes, beinhalten. Ein Urteil des EUGH aus dem Jahr 2018 hat auch das Fischereiabkommen aus demselben Grund für nichtig erklärt. In einem Bericht von Western Sahara Resource Watch (WSRW) aus dem Jahr 2020 wird festgestellt, dass die EU trotz der aufeinanderfolgenden Urteile des EuGH weiterhin mit Marokko über Produkte aus der Westsahara verhandelt und gehandelt hat. Im Jahr 2019 einigten sich die beiden Handelsparteien auf ein neues Fischereiprotokoll und eine Änderung des Handelszollabkommens. Daraufhin erklärte der EuGH die Abkommen im Jahr 2021 für nichtig. Er stellte erneut fest, dass die Abkommen gegen die Rechte der besetzten saharauischen Bevölkerung verstoßen hatten. Entscheidend ist, dass die Abkommen die indigene Gemeinschaft hätten konsultieren und ihre Zustimmung zu Handel und Aktivitäten in ihrem Gebiet hätten einholen müssen. (…)
    Komplizenschaft geht weiter
    Am 17. Juli läuft die vierjährige Fischereivereinbarung zwischen der EU und Marokko aus. Infolgedessen kann Marokko keine Genehmigungen mehr für EU-Fischereifahrzeuge in den Gewässern der Westsahara ausstellen. ClientEarth hat jedoch aufgezeigt, wie die EU weiterhin in diese illegale Ausplünderung verwickelt bleibt. Sie erklärte Folgendes: „Obwohl die Flotte marokkanischen Unternehmen gehört, arbeiten sie oft mit europäischen Unternehmen im Rahmen von Joint Ventures zusammen. Mehrere europäische Unternehmen verarbeiten den Tintenfisch vor Ort. Die direkte Ausplünderung des Küstengebiets der Westsahara durch die EU kommt endlich zu einem Ende. Die Folgen ihrer langjährigen Missachtung der Rechte des saharauischen Volkes lassen sich jedoch nicht so einfach ungeschehen machen.“ Das alles zeigt, dass die Ausbeutung von Wildtieren im Kapitalismus nichts Ethisches an sich haben kann. In der Westsahara ist diese Ausbeutung auch das Herzstück der kolonialen Besatzung. Das Streben des globalen Nordens nach natürlichen Ressourcen zur Erzielung von Profit treibt die Kolonialisierung des globalen Südens weiter voran. Das wiederum zeigt, dass die Befreiung marginalisierter Gemeinschaften und der Natur überall untrennbar miteinander verbunden sind.“ Artikel von Hannah Sharland vom 11. Juli 2023 in Canary externer Link („New report shows how EU seafood extractivism will continue its complicity in the colonial occupation of Western Sahara”), siehe auch:

    • Etappensieg für Polisario. Westsahara: Fischereiabkommen zwischen Marokko und EU nach erfolgreicher Klage von Befreiungsfront ausgelaufen New
      Am Montag ist das Fischereiabkommen zwischen der EU und Marokko ausgelaufen. Trawler der EU-Staaten dürfen jetzt nicht mehr in marokkanischen Gewässern fischen. Das Fischereiabkommen war am 18. Juli 2019 in Kraft getreten und galt zunächst für vier Jahre. Es räumte den europäischen Fischern weitreichende Rechte ein, vor der marokkanischen Küste zu fischen. Das Gericht der EU (EuG) hatte jedoch aufgrund einer Klage der Befreiungsfront Polisario das Abkommen im Jahr 2021 für jene Gewässer, die zur Westsahara gehören, annulliert.
      Das EuG urteilte, die EU hätte die Polisario-Front um ihre Zustimmung bitten müssen. Die größten Fänge machten die europäischen Fischer nämlich vor der fischreichen Küste der Westsahara. Das Geld dafür erhielt alleine Marokko: insgesamt 208 Millionen Euro für vier Jahre. »Doch Marokko befindet sich im Krieg mit uns«, betonte Omar Mansour, der Leiter der Beziehungen der Frente Polisario zur EU, laut der niederländischen Internetseite visserij.nl am Montag. »Das läuft darauf hinaus, den Krieg zu finanzieren und eine friedliche Lösung, wie sie die UNO sei 30 Jahren fordert, zu blockieren«, so Mansour auf einer Pressekonferenz in Brüssel. Die Polisario-Front wird von den Vereinten Nationen als rechtmäßige Vertreterin der Westsahara anerkannt.
      »Mit den Handels- und Fischereiabkommen mit Marokko hat die EU sich an der unrechtmäßigen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen und der Verfestigung der illegalen Besatzung in der Westsahara mitschuldig gemacht und die Bemühungen der UNO um eine dauerhafte Lösung des langjährigen Konflikts untergraben«, urteilte Andreas Schieder in einer Presseaussendung der SPÖ vom Montag. Schieder vertritt die österreichischen Sozialdemokraten im Europäischen Parlament und ist dort Vorsitzender der interfraktionellen Westsahara-Gruppe. »Die Abkommen mit Marokko sind nicht rechtmäßig zustande gekommen, weil mit der saharauischen Bevölkerung nie ein Konsens hergestellt wurde und sie im Prozess der Verhandlungen stets ignoriert worden ist.« Es dürfe in Zukunft keine Abkommen mehr über »die Fischereibestände der Westsahara geben, die nicht mit der Polisario-Front als rechtmäßiger politischen Vertretung der Menschen vor Ort abgeschlossen werden«. »Im Moment finden keine Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Marokko über Fischerei statt«, zitierte die Deutsche Welle am Montag einen Sprecher der EU-Kommission. Eine spätere Verlängerung des ausgelaufenen Abkommens sei aber nicht ausgeschlossen. Das wird maßgeblich davon abhängen, ob der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Urteil von 2021 revidiert. Der Europäische Rat und die Europäische Kommission haben vor dem EuGH Berufung gegen das Urteil des EuG eingelegt, über die voraussichtlich Anfang nächsten Jahres entschieden wird. Allgemein wird allerdings erwartet, dass das Urteil des Gerichtshofs bestätigt wird…“ Artikel von Gerrit Hoekman in der jungen Welt vom 18.07.2023 externer Link, siehe auch:

      • Heute endet die #EU-Fischerei in der besetzten #Westsahara! Wie es zwangsläufig dazu kommen musste, siehe Video. Möge dies ein Wendepunkt für die Rolle der EU im @UN Friedensprozess der letzten Kolonie Afrikas sein, in der die EU Teil der Lösung wird & nicht des Problems!…“ Tweet von Western Sahara Resource Watch (WSRW) – Germany vom 17.7.2023 externer Link mit Video
    • Trade in troubled waters for the octopus
      engl. Studie von ClientEarth vom 10. Juli 2023 externer Link über die negativen Auswirkungen in der Wertschöpfungskette von Meeresfrüchten – Octopus aus der Westsahara als Fallstudie für Risiken, wenn ohne die Zustimmung des Volkes der Westsahara gehandelt wird…
    • 3 Tage bis zum Ende der EU-Fischerei in der besetzten #Westashara! Bilanz: Die EU ging so weit, im Rahmen des Abkommens die Entwicklung des marokkanischen Fischereisektors auf besetztem Land zu finanzieren. Undenkbar, dass sie dies irgendwo anders auf der Welt tun würde. Seit Jahren bezahlte die EU #Marokko für Unterkünfte für Siedler:innen, Hafeninfrastruktur, Kühlhallen, Energie, Technologie, Ausrüstung, die Modernisierung von Fischerbooten, die Einrichtung von Aquakulturprojekten … in der besetzten #Westsahara! Die EU ist sich bewusst, dass #Marokko EU Steuergelder zum Ausbau des Fischereisektors in der #Westsahara nutzt.Gemäß dem Verfahren stimmt die EU den Projekten vor der Umsetzung zu und zahlt im Nachhinein. Die #Sahrauis haben nicht zugestimmt. Sie wurden nicht einmal gefragt. Unsere detaillierte Analyse der jüngsten verfügbaren Daten über die Verwendung der sektoralen #EU-Hilfe durch #Marokko für den Aufbau der Fischinfrastruktur in der besetzten #Westsahara findet ihr hier:“ Thread von Western Sahara Resource Watch (WSRW) – Germany – vom 14. Juli 2023 externer Link zu ihrer früheren Veröffentlichung:
    • Marokko nutzt größten Teil der EU-Fischereiförderung auf besetztem Territorium
      Laut eines neuen Regierungsberichts gibt Marokko den Großteil der im Rahmen des Fischereiabkommens gewährten finanziellen Unterstützung durch die EU in der besetzten Westsahara aus. Western Sahara Resource Watch (WSRW) liegt ein neuer Bericht der marokkanischen Regierung vor, in dem die Nutzung der von der EU im Rahmen des aktuellen Fischereiabkommens gezahlten Gelder dokumentiert ist…“ Beitrag von WSRW vom 25. Februar 2021 externer Link
    • Siehe zum politischen Hintergrund unser Dossier: Die solidarische Unterstützung für Westsahara wächst – die der deutschen Unternehmen (vor allem Siemens) für Marokkos Besatzung auch
  • Streiks auf 64 französischen und spanischen Thunfischschiffen in Afrika gegen Missachtung von EU-Fischereiabkommen
    „Die Frustration von Fischer*innen aus dem Senegal und der Elfenbeinküste, die auf Thunfischfängern in spanischem und französischem Besitz arbeiten, die im Golf von Guinea und im Indischen Ozean im Rahmen von EU-Partnerschaftsabkommen über nachhaltige Fischerei fischen, führte letzte Woche zu Streiks, von denen etwa 64 Schiffe oder 80 % der Flotte betroffen waren. Yoro Kane, Generalsekretär der Fischergewerkschaft UDTS im Senegal, sagte dazu: „Diese zwischen der EU-Kommission und einer Reihe von Ländern des globalen Südens unterzeichneten Abkommen sind für die französischen und spanischen Unternehmen, deren Schiffe eine Lizenz für den Thunfischfang erhalten, äußerst lukrativ.“ „Die Abkommen sehen vor, dass die lokal angestellten Fischer mindestens den ILO-Mindestlohn für Seeleute erhalten, der derzeit bei 658 US-Dollar pro Monat liegt. In der Realität wird dies jedoch nicht eingehalten, manche erhalten nur ein Drittel dieses Betrags.“ „Die Gewerkschaften aus dem Senegal und der Elfenbeinküste, den Hauptarbeitgeberländern, haben eine Kampagne geführt, um die französischen und spanischen Arbeitgeber zu zwingen, mit uns über diesen und viele andere Missstände zu sprechen.“ „Die Arbeitgeber haben einfach nicht in gutem Glauben mit uns verhandelt. Mit einer einmonatigen Streikankündigung haben wir ihnen unsere Ernsthaftigkeit demonstriert, aber das hat nicht ausgereicht, um sie zu einer Einigung im Einklang mit den internationalen Vereinbarungen zu bewegen.“ „Deshalb haben wir unsere Aktion in der vergangenen Woche auf der Grundlage von Gesprächen, die von den senegalesischen und ivorischen Behörden vermittelt wurden, ausgesetzt. Weitere Gespräche mit den Arbeitgebern sind geplant.“ „Die EU-Kommission und die Behörden vor Ort müssen die Frage beantworten, warum wir solche Kämpfe führen müssen, um das zu bekommen, was bereits schwarz auf weiß in den Partnerschaftsabkommen für nachhaltige Fischerei versprochen wurde.“ Johnny Hansen, Vorsitzender der Sektion Fischerei der Internationalen Transportarbeiter-Föderation, fügte hinzu: „Dieser Kampf der senegalesischen und ivorischen Fischer wird von der internationalen Gewerkschaftsgemeinschaft wohlwollend betrachtet. Es ist kaum zu glauben, dass superprofitable Unternehmen und die Regierungsbehörden, die von äußerst vorteilhaften Fischereiabkommen profitieren, die die EU-Kommission für sie ausgehandelt hat, es für akzeptabel halten, die klare Bestimmung des ILO-Mindestgrundlohns für fähige Seeleute zu missachten.“ „Ich habe mit besonderer Sorge zur Kenntnis genommen, dass die Behörden auf den Seychellen einige streikende Fischer inhaftiert haben, die inzwischen jedoch wieder freigelassen wurden. Die friedliche Niederlegung der Arbeit ist ein grundlegendes Menschenrecht und sollte von den Behörden respektiert werden.“ „Die Fischer und ihre Gewerkschaften können auf die Unterstützung der Bewegung in Europa zählen und können sicher sein, dass wir unseren Teil dazu beitragen werden, die Situation bei den französischen und spanischen Arbeitgebern, der EU-Kommission und den Unternehmen entlang der Lieferketten in Europa, die dieses Produkt in die Supermarktregale bringen, zur Sprache zu bringen.“ „Die ITF ist der Meinung, dass Fischer*innen genauso behandelt werden sollten wie ihre Kolleg*innen in der Handelsschifffahrt, für die umfassende Tarifverträge gelten, die die Bezahlung und alle Arbeitsbedingungen abdecken. Sie sollten mindestens Anspruch auf den ILO-Mindestgrundlohn von 658 US-Dollar und den konsolidierten ITF-Mindestlohn von 1.156 US-Dollar im Jahr 2023 haben, oder es sollte der Mindestlohn des Flaggenstaates gelten, je nachdem, welcher höher ist, es sei denn, in bereits historisch bestehenden nationalen Tarifverträgen ist etwas anderes vereinbart.“ Stellungnahme der ITF vom 13. Juni 2023 externer Link („Dishonouring of EU Fisheries Agreements by French & Spanish companies fuelling strike actions on tuna vessels across Africa”)
  • Zwei spanische Schiffe unter deutscher Flagge wurde in Irland festgesetzt / Völlig legal? Ausbeutung auf deutschen Fischereischiffen
    • Zwei spanische Schiffe unter deutscher Flagge wurde in Irland festgesetzt, da ITF-Inspektion Mängel feststellte – doch Irland schreitet nicht ein
      „Investigativer Beitrag, der gestern im deutschen Fernsehen @ndr über die Bezahlung und die Bedingungen der indonesischen Besatzung auf den 2 Fischereifahrzeugen unter deutscher Flagge und in spanischem Besitz, die von @naval_service Anfang des Jahres festgenommen wurden. Die Besatzung erhielt 800 bis 1000 € pro Monat bei einer 84-Stunden-Woche. Irland muss die ILO C188 Work in Fishing Convention ratifizieren, damit die Behörden hier bei Arbeitsmissbrauch auf Schiffen unter ausländischer Flagge einschreiten können @ITFglobalunion“ Tweet von Michael O’Brien vom 31. Mai 2023 externer Link (engl.), siehe auch:

      • Auch auf anderen Kuttern aus Spanien: ITF fordert, dass die Besatzung von Todesfallenkutter bezahlt wird und nach Hause gehen darf
        „Die Fischer*innen auf einem 50 Jahre alten Schleppfischernetz-Kutter sollten nicht zurück aufs Meer geschickt werden, nicht einmal, um zu einer Reparaturwerft zu fahren, fordert die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) von einem Schiff, das so schlecht gewartet wurde, dass es zur Todesfalle geworden ist. Das unter der Flagge von Belize fahrende Fischereifahrzeug Santa Isabel (IMO 7224540) wird seit dem 10. Mai 2023 von den Seebehörden im Hafen von Vigo in Nordspanien festgehalten, nachdem die ITF auf seinen entsetzlichen Zustand und die unerträglichen Bedingungen für die Besatzung aufmerksam gemacht hatte, die der ITF-Inspektor*innen beobachtet hatte. „Das Schiff ist grundlegend unsicher“, sagte Luz Baz, der ITF-Koordinator, der das Schiff betrat, um die Bedingungen zu überprüfen. „Die Navigationsausrüstung ist kaputt, in den Wohnbereichen besteht elektrische Brandgefahr und das Feuerlöschsystem funktioniert nicht. Außerdem gibt es keine ärztlichen Atteste an Bord und keine Bescheinigungen über die ordnungsgemäße Ausbildung der Besatzung [sie sollten alle ein Zeugnis des Internationalen Übereinkommens über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Fischereifahrzeugpersonal (STCW-F) haben]. Die Eigner scheinen das Leben der Fischer*innen aufs Spiel zu setzen, um kein Geld für die Einhaltung grundlegender Sicherheits- und Wartungsstandards auszugeben.“
        Bei einer Inspektion durch den Hafenmeister von Vigo wurden mehr als 50 schwere Mängel festgestellt. Eine Bewertung des Schiffes durch den spanischen Gesundheitsdienst stellte weitere 25 Mängel in Bezug auf Hygiene, Gesundheit, sanitäre Einrichtungen und Lebensbedingungen an Bord fest. Untersuchungen der ITF haben ergeben, dass das Schiff auch von mehreren Umweltgruppen der illegalen Fischerei beschuldigt wird.

        Fischer fürchten Repressalien des Eigentümers
        Die ITF wurde aktiv, bevor die Santa Isabel in Vigo ankam, als einige der Besatzungsmitglieder über FishSupport, ein Netzwerk von Inspektor*innen und Gewerkschaftskontakten, die über das Wissen und die Erfahrung verfügen, Fischer*innen zu helfen, um Hilfe baten. Die Fischer*innen waren nicht bezahlt worden und befürchteten, dass sie ohne Lohn nach Hause geschickt werden würden, wenn das Schiff in Spanien ankam, um seinen Fang zu entladen. Sie baten um Anonymität, weil sie Angst vor Repressalien seitens der Schiffseigner hatten. Die Besatzung kommt aus dem Senegal, Peru, Indonesien und Spanien. Die ITF geht davon aus, dass die meisten der Nicht-EU-Fischer*innen jetzt einfach nur die ihnen zustehenden Löhne einfordern wollen und dass die Schiffseigner (wie es in ihrer Verantwortung liegt) dafür sorgen, dass sie nach Hause zurückkehren. „Von diesen Fischer*innenn sollte nicht erwartet werden, dass sie noch eine Minute länger ihr Leben unter diesen grausamen Bedingungen riskieren“, sagte Baz. „Wir sind der Meinung, dass die Eigentümer oder ihr lokaler Vertreter in Vigo ein Hotel für die Besatzung bezahlen sollten, damit sie sich unter anständigen und hygienischen Bedingungen ausruhen können. (…)
        Das System, das Leiden fördert
        Trotz der eklatanten Mängel, die von der ITF und den spanischen Hafenbehörden festgestellt wurden, teilte der Flaggenstaat Belize der ITF mit, dass sein eigener Inspektor an Bord gewesen sei und behauptete, dass „das Schiff intern in einem ordentlichen Zustand“ sei. „Das widerspricht so sehr unseren eigenen Feststellungen, dass man die Beweggründe von Belize in Frage stellen muss“, sagte Baz. „Warum ist ein Schiff, das von Spanien aus operiert und dessen Eigentümer anscheinend keine Verbindung zu Belize haben, überhaupt dort registriert? Weil die Eigner wissen, dass sie sich nach Belieben verhalten können, weil Belize eine Billigflagge ist und wenig oder gar keine behördliche Kontrolle ausübt.“ Das Land, in dem ein Schiff registriert ist (der Flaggenstaat), ist nach internationalem Recht eindeutig dafür verantwortlich, das Verhalten der Eigner zu regulieren. Aber viele Staaten lassen ein Schiff registrieren, obwohl die Eigner keine offensichtliche Verbindung zu ihrem Land haben, und verlangen dafür eine geringe Zahlung. Jede Form der Regulierung ist für sie ein Kostenfaktor und für ihre Kund*innen (Schiffseigner) ein Ärgernis, so dass es keinen Anreiz gibt, sich zu engagieren. Die ITF führt eine Liste mit solchen Staaten, die sie als Billigflaggen (FOC) betrachtet. Belize steht auf dieser Liste…“ Pressemitteilung der ITF vom 24. Mai 2023 externer Link („Death-trap trawler crew must be paid and allowed to go home, ITF says”)
    • Völlig legal? Ausbeutung auf deutschen Fischereischiffen
      Hochseefischerei ist oft harte Handarbeit. Doch offenbar finden immer weniger Menschen in Europa diese Arbeit attraktiv. Auf Fischereischiffen in Europa tauchen seit einigen Jahren vermehrt Arbeitskräfte auf, die aus Indonesien oder den Philippinen stammen. Vor wenigen Monaten wurden vor Irland zwei deutsche Fischereischiffe festgesetzt. Die indonesischen Arbeitskräfte bekamen in einem Fall nur 800 Euro im Monat. Im anderen Fall tauchten pro Besatzungsmitglied mehrere Verträge auf, mit einer sehr unterschiedlichen Höhe des Lohns. Die Fischer mussten dabei meist zwölf Stunden am Tag arbeiten – zum Teil ein Jahr lang ohne einen freien Tag. Die zuständige deutsche Kontrollbehörde sieht darin offenbar kein Problem. Denn offenbar muss auf deutschen Schiffen jenseits der 12-Meilen-Zone kein Mindestlohn gezahlt werden. Panorama 3 über offenbar legale Ausbeutung auf deutschen Fischereischiffen.“ Video des Beitrags in der Sendung Panorama 3 am 30. Mai 2023 beim NDR externer Link
  • ITF warnt: Umweltkatastrophe durch unregulierte Überfischung droht im Südatlantik nahe der Argentinischen Küste
    „Im Südatlantik droht eine Umweltkatastrophe, weil unregulierte Schiffe Überfischung betreiben, warnen die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) und die ihr angeschlossenen lateinamerikanischen Gewerkschaften. „Weil sie außerhalb der von Argentinien regulierten Region des Atlantiks stattfindet, ist diese Fischerei technisch gesehen nicht illegal“, sagte Chris Williams von der ITF-Fischereisektion. „Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) verpflichtet die Staaten jedoch eindeutig dazu, Vereinbarungen zur Bewirtschaftung der Fischbestände zu treffen. Das ist hier einfach nicht geschehen. „Die ITF und ihre Mitgliedsgewerkschaften in der Region rufen alle Länder, deren Schiffe in der Region fischen, dazu auf, sich dringend mit Argentinien zusammenzusetzen und vorsorgliche Quoten auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu vereinbaren. Andernfalls befürchten wir, dass wichtige Fischarten ausgerottet werden und niemand mehr von der Fischerei leben kann.“ Die Hohe See im Südwestatlantik ist die einzige Region der Weltmeere ohne eine funktionierende regionale Fischereiorganisation (RFMO) der UN. Die Verhandlungen zur Gründung einer solchen Organisation werden durch den langjährigen Territorialstreit zwischen Argentinien und Großbritannien über die Malwinen/Falklandinseln, die am südlichen Rand der Problemregion liegen, erheblich erschwert.
    Unregulierte Fischerei breitet sich aus
    Der Lebensunterhalt lateinamerikanischer Fischer:innen wird durch ausländische Schiffe aus Südkorea, China, Taiwan, Spanien und anderen Ländern, die in dem als Meile 201 bezeichneten Gebiet vor Argentinien fischen, stark beeinträchtigt. Argentinien reguliert den Fischfang bis zu einer Entfernung von 200 Seemeilen (370 km) vor seiner Küste, aber die Region östlich davon ist unreguliert und hat sich zu einem Hotspot für groß angelegte Operationen entwickelt. Ein von der ITF in Auftrag gegebener Bericht (auf Spanisch) der lateinamerikanischen Umweltjournalistin Sabina Goldaracena, der im Dezember 2022 veröffentlicht wurde, schätzt, dass sich die Zahl der Fischereifahrzeuge in der Region in den letzten fünfzehn Jahren verdoppelt hat. Allein die Zahl der chinesischen Schiffe stieg nach Angaben der argentinischen Marinepräfektur von 271 im Jahr 2020 auf 375 im Jahr 2021. Der Bericht schätzt, dass die Fischbestände, insbesondere Tintenfisch und Seehecht, überfischt werden. „Wir müssen das Gleichgewicht wiederherstellen“, sagte Ariel Sudan von der argentinischen Fischergewerkschaft Centro De Patrones Y Oficiales Fluviales De Pesca Y De Cabotaje Maritimo. „Für den Lebensunterhalt der Fischerinnen und Fischer in unserer Region ist es entscheidend, dass wir die Nachhaltigkeit der Arten in unseren Meeren schützen. In Workshops, die die ITF Ende 2022 in Montevideo, Uruguay, organisierte, waren sich die Gewerkschaften der Region einig, dass die Situation in dem als Meile 201 bekannten Gebiet kritisch geworden ist. Sie forderten die Regierungen auf der ganzen Welt auf, dringend Maßnahmen zu ergreifen und ihren UN-Verpflichtungen nachzukommen.“ Stellungnahme der ITF vom 22. Februar 2023 externer Link („Mile 201 exploitation in South Atlantic risks environmental catastrophe and livelihoods of regional fishers, unions warn”)
  • ITF organisiert erste internationale Fischerei-Konferenz in Amsterdam im Dezember 2022 – die Situation ist weiterhin katastrophal – Fortschritte in Thailand und Irland
    Gewerkschaften, die mehr als 129.000 Fischerinnen und Fischer vertreten, treffen sich in den nächsten zwei Tagen in Amsterdam, um ihre Agenda für die Förderung der Rechte, Sicherheit und Arbeitsbedingungen von Fischern festzulegen. An der Konferenz der Sektion Fischerei der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) nehmen 89 Fischergewerkschaften aus 59 Ländern sowie Aktivist:innen von Fischereirechtsnetzwerken und führende Wissenschaftler:innen teil, um Fortschritte zu markieren und die nächsten fünf Jahre zu gestalten. „Die Fischerei ist nach wie vor ein Sektor, in dem die grundlegenden Arbeitsrechte der Arbeitenden routinemäßig mit Füßen getreten werden, insbesondere derjenigen im und aus dem globalen Süden“, so Johnny Hansen, Vorsitzender der ITF-Sektion Fischerei. Die Branche ist nach wie vor eine der am stärksten ausbeuterischen Industrien der Welt:
    Nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) vom September sind 128.000 Fischerinnen und Fischer an Bord von Fischereifahrzeugen in Zwangsarbeitssituationen gefangen. Nach Schätzungen des Sonderberichterstatters des UN-Menschenrechtsrats für das Recht auf Nahrung werden jedes Jahr mindestens 24.000 Fischer:innen bei der Arbeit getötet und viele weitere schwer verletzt.
    Obwohl sie 55 Prozent der Arbeitskräfte im Vereinigten Königreich ausmachen, arbeiten Migrant:innen länger für weniger Lohn als einheimische Arbeitende und haben Angst, ihre Meinung zu äußern, obwohl 35 Prozent von ihnen berichten, dass sie bei der Arbeit Gewalt ausgesetzt sind. Diese Behandlung von Migrant:innen, die nicht die gleichen Rechte wie einheimische Arbeitende haben, ist weltweit üblich. „Mit immer größeren Fischereiflotten, vor allem in China, unverantwortlichen Fischereipraktiken und steigendem Kostendruck in den Lieferketten haben wir gesehen, wie sich die Ausbeutung von Fischern in alle Ecken der Welt ausgebreitet hat“, sagte Hansen. Hansen, der 1982 als Fischer in die Branche einstieg, sagte, dass die Regierungen der ganzen Welt es zugelassen haben, dass Unternehmen unkontrolliert konkurrieren und die Arbeitenden in ihren Lieferketten kaum geschützt sind. „Die Regierungen missachten die Arbeitsschutzbestimmungen, um den Wettbewerb zu fördern und zu verstärken. Anstatt die grundlegenden Arbeitsrechte der Fischer:innen zu schützen, lassen sie es zu, dass Unternehmen Methoden anwenden, um ihre Produkte auf Kosten der Arbeitenden billiger auf den Markt zu bringen, wodurch die ohnehin schon ausbeuterisch niedrigen Arbeitsstandards der Fischer:innen weiter ausgehöhlt werden. Deshalb hat sich unsere Agenda geändert. Das ist nur möglich, wenn wir die Macht der Arbeitenden in den Lieferketten stärken und sicherstellen, dass alle Akteure, einschließlich Regierungen, Fischereibetriebe und Einzelhändler, für die Arbeitsnormen von der Spitze bis zum Ende der Fischereilieferketten zur Verantwortung gezogen werden“, sagte Hansen. Die Konferenz findet zu einer Zeit statt, in der die Rechenschaftspflicht in der Lieferkette für eine neue Generation von ethischen Verbrauchern immer wichtiger wird und in der viele Regierungen Gesetze und Verordnungen zur Rechenschaftspflicht, Transparenz und menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht verschärfen. (…)

    Globale Solidarität
    Die Delegierten in Amsterdam werden erfahren, wie die ITF und die ihr angeschlossenen Gewerkschaften weltweit entscheidende Arbeit leisten, um eine Regulierung zu erreichen, die die Rechte der Fischer/innen schützt. Gemeinsam mit Fischern in Südostasien, Westafrika, Großbritannien und Irland haben die ITF und ihre Partner:innen die Bildung von Netzwerken für die Rechte von Fischern unterstützt, die den Arbeitenden die Grundlage für den Aufbau ihrer eigenen unabhängigen Gewerkschaften bieten. „Es gibt so viele, die versuchen, die Fischer:innen zu betrügen – die Besatzungsagenten, die Eigentümer. Wir setzen uns für die Gleichstellung aller Fischer:innen ein, die in Irland leben“, sagte Noel Addablah, ein Wanderfischer aus Ghana, der an der Konferenz teilnimmt und mit dem Versprechen auf menschenwürdige Arbeit und gute Löhne nach Irland kam. Noel Addablah engagierte sich im von der ITF unterstützten Netzwerk für die Rechte der Fischer:innen, nachdem er 2018 als Wander-Fischer aus Ghana nach Irland gekommen war. Er fand „eine Branche voller Missbrauch, Rassismus und ausbeuterischer Arbeitsbedingungen“ vor. Auf der Konferenz werden die jüngsten wichtigen Meilensteine im weltweiten Kampf für menschenwürdige Arbeit gefeiert: (…)
    In Thailand hat die ITF tausende burmesische und kambodschanische Migrant:innen bei der Gründung und dem Aufbau des Fishers Rights Network (FRN) unterstützt. Das FRN hat Fischerinnen und Fischer mobilisiert, sich zu wehren und ihre Rechte zu schützen, indem sie mit Lieferant:innen und Schiffseignern Vereinbarungen über die Lieferkette von Meeresfrüchten sowie Gesundheits- und Sicherheitsvereinbarungen aushandeln. Die Bemühungen der ITF um den Aufbau einer demokratischen Gewerkschaft für Fischer:innen in Thailand und der Druck von Partner:innen in der Region haben dazu geführt, dass Thailand im Januar 2019 als erstes Land in Asien die C188 ratifiziert hat.
    Die ITF fordert die wichtigen Fischereiländer Indonesien und die Philippinen sowie die Elfenbeinküste und Ghana auf, das ILO-Übereinkommen C188, das die Rechte der Fischer:innen und menschenwürdige Arbeitsbedingungen schützt, dringend zu ratifizieren. Das Übereinkommen legt nicht nur Mindestarbeitsbedingungen fest, sondern verdeutlicht auch die grundlegenden Bürger:innen- und Arbeitsrechte der Fischer:innen, darunter das Recht, Gewerkschaften zu gründen und ihnen beizutreten. Ohne die Ratifizierung und Umsetzung des Übereinkommens können die Regierungen weiterhin die Augen vor der Ausbeutung von Fischern im In- und Ausland verschließen. Bei den 20 Regierungen, die C188 bereits ratifiziert haben, wird die ITF darauf drängen, dass sie ihren Verpflichtungen zur wirksamen Umsetzung und Durchsetzung von Gesetzen zum Schutz der Arbeitenden in der Fischereiwirtschaft nachkommen. Die der ITF angeschlossenen Fischereiverbände werden sich weiterhin für die bedingungslose Unterstützung der grundlegenden Gewerkschaftsrechte von Fischern und Fischerinnen einsetzen, einschließlich des Rechts auf Vereinigungsfreiheit und Tarifverhandlungen über die Arbeitsbedingungen – unabhängig von ihrer Nationalität oder ihrem Aufenthaltsstatus. Dazu gehört auch, Druck auf Länder wie Thailand auszuüben, damit sie die ILO-Übereinkommen 87 und 98 ratifizieren, die das Recht der Arbeitenden auf Vereinigungsfreiheit und Tarifverhandlungen regeln.“
    Meldung der ITF vom 5. Dezember 2022 externer Link („Global fisheries conference marks progress for workers as battle shifts to retailers and consumers“)
  • Billige Arbeitskräfte und billige Natur: Überfischung könnte bis 2048 zu Entleerung der Meere führen
    • „Die große Fischereiindustrie führt nicht nur zur Überfischung und zur Zerstörung der Fischbestände, sie ist auch auf Arbeitskräfte angewiesen, die meist aus dem globalen Süden stammen und denen der Zugang zu Arbeitsrechten oft verwehrt wird. Der Kapitalismus ist auf billige Natur und billige Arbeitskräfte angewiesen.Tweet von Dr. Hariati Sinaga vom 18. Dezember 2022 externer Link (engl.)
    • „Nur noch 10 % aller Großfische im globalen Ozean; 90 % aller großen Fische wie Thunfisch, Marlin, Schwertfisch, Haie und Kabeljau sind verschwunden; 5 Millionen Fische werden jede Minute von der Fischereiindustrie getötet; Wenn der Fischfang so weitergeht, werden die weltweiten Fischbestände bis 2048 zusammenbrechen.“ Tweet von GoGreen vom 17. Dezember 2022 externer Link (engl.). Siehe dazu auch:
    • Wie die Überfischung die Weltmeere bedroht – und warum sie in einer Katastrophe enden könnte
      Artikel von Amy McKeever und National Geographic Staff vom 7. Februar 2022 externer Link (engl.)
  • Fischen im Dunkeln: EU-Fischereibetriebe schalten AIS Peilsender aus um in illegalen Gewässern zu fischen und auszubeuten
    • „…Nach den Seeverkehrsvorschriften muss das AIS immer in Betrieb sein, wenn Schiffe unterwegs sind oder vor Anker liegen. Alle Schiffe mit einer Bruttoraumzahl von 300 und mehr müssen damit ausgerüstet sein. Ein fahrendes Schiff wird in der Regel häufig seinen Standort übermitteln, kann das System aber abschalten, wenn es im Hafen liegt. Die Daten werden von Funkempfängern und Satelliten weitergeleitet…“ Artikel von Jon Ungoed-Thomas und Gemma Handy, erschienen am 28. Mai 2022 im Guardian externer Link („Revealed: Russia-linked superyachts ‘going dark’ to avoid sanctions threat”).
    • Der ITF Gewerkschaftssekretär Michael O’Brian kommentierte das in einem Tweet am 28. Mai 2022 externer Link (engl.) folgendermaßen: „‘Im Dunkeln segeln‘ [‚going dark‘] Auf Fangschiffen unter irischer Flagge ist es üblich, die Fangtätigkeit zu verschleiern, indem man ‚untertaucht‘. Ich bin im Besitz einer Reihe von Fallstudien zu dieser Praxis…“
    • Illegale Fischerei wirkt sich nicht nur auf die ohnehin schon prekären Arbeitsbedingungen aus, sondern auch auf Fischereigebiete, die sich gegen die große Hochseeindustrie kaum wehren können. „Spanische und französische Fischereifahrzeuge haben illegal in den ausschließlichen Wirtschaftszonen Somalias, Indiens und Mosambiks gefischt, so ein neuer Bericht der Blue Marine Foundation, einer NRO, die sich für den Schutz der Meere einsetzt. Die EU ist der größte Thunfischfänger im Indischen Ozean, wobei der größte Teil der Fänge auf Frankreich und Spanien entfällt. Beide betreiben große Fernfischereiflotten, die Ringwadenfischerei betreiben, eine groß angelegte industrielle Fischerei, die nicht nur eine Bedrohung für die Zielarten darstellt, sondern auch – aufgrund der großen Mengen an Beifang – die Meeresfauna im Allgemeinen gefährdet. Die Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) wurden 1982 von der UNO eingerichtet und sind der ausschließlichen Nutzung durch einzelne souveräne Staaten vorbehalten. Andere Fischereifahrzeuge haben nur im Rahmen besonderer rechtlicher Vereinbarungen Zugang zu diesen Zonen. (…) Vielleicht noch besorgniserregender ist die Feststellung, dass französische und spanische Schiffe ihr automatisches Identifizierungssystem (AIS) während des untersuchten Zeitraums zwischen Januar 2019 und Dezember 2020 zu 59 % bzw. 74 % ihrer Zeit auf See ausgeschaltet hatten. Das AIS, das durch EU-Recht vorgeschrieben ist, übermittelt die Position eines Schiffes. Es dient in erster Linie der Sicherheit im Seeverkehr, kann es den Ländern aber auch ermöglichen, die Fischereitätigkeiten in ihren Gewässern zu verfolgen.
      Diese Verstöße fanden vor dem Hintergrund statt, dass die Gelbflossenthunfischbestände im Indischen Ozean kurz vor dem Zusammenbruch stehen, der Schätzungen zufolge bereits 2024 eintreten könnte, wenn das derzeitige Ausmaß der Fischerei nicht drastisch reduziert wird.
      Um den Zusammenbruch zu verhindern, haben sich die Mitglieder des Thunfischausschusses für den Indischen Ozean 2016 darauf geeinigt, die Fischerei um 14 % zu reduzieren, wobei sie ihre Fänge von 2014 als Maßstab zugrunde legten. Die Bemühungen sind jedoch gescheitert, und das Fischereivolumen ist ab 2020 sogar um 7 % gestiegen. (…) Die Arbeitsgruppe für tropischen Thunfisch (WPTT) der IOTC hat festgestellt, dass Spanien seine Thunfischfänge für 2018 um mehr als 30 % zu niedrig gemeldet hat. Darüber hinaus sind insgesamt 16 französische und spanische Ringwadenfänger bekannt, die unter den Flaggen der Seychellen und Mauritius operieren und Billigflaggen nutzen. Auf diese Weise können sie die für EU-Schiffe geltenden Fangbeschränkungen umgehen und die Fanggenehmigungen der Seychellen und Mauritius ausnutzen, die angesichts ihres Status als Entwicklungsländer mit starker wirtschaftlicher Abhängigkeit von der Fischerei flexibler festgelegt wurden…“
      Artikel von Josef Skrdlik, erschienen am 30. Mai 2022 auf Organized Crime and Corruption Reporting Project externer Link („Report: EU Vessels Linked to Illegal Fishing in the Indian Ocean”).
    • Nachlesen lässt sich das auch in der Studie von Jess Rattle und George Duncan-Jones “Fishing Outside the Lines” (Mai 2022) externer Link (engl.).
  • In Großbritannien (z.B.) sind Überausbeutung und Zwangarbeit von Wander-Fischer:innen an der Tagesordnung
    • „… Ein Drittel der Wanderarbeiter:innen auf britischen Fischereischiffen, die auf eine Forschungsumfrage geantwortet haben, arbeiten 20-Stunden-Schichten, und 35 % berichteten von regelmäßiger körperlicher Gewalt, so eine neue Studie, die zu dem Schluss kommt, dass Ausbeutung und Missbrauch auf britischen Schiffen weit verbreitet sind. ‚Ein Verlassen des Schiffes ist nicht möglich, weil ich nicht von Bord gehen darf, um Hilfe zu holen‘, sagte ein Arbeitsmigrant gegenüber Forscher:innen des Rights Lab der Universität Nottingham, das sich mit moderner Sklaverei beschäftigt. Die Wissenschaftler:innen fanden heraus, dass die Fischer:innen übermäßig lange arbeiten und kaum Pausen einlegen, bei einem Durchschnittslohn von 3,51 Pfund pro Stunde. Befragungen von Arbeitsmigrant:innen auf Fischerbooten im Vereinigten Königreich ergaben, dass sie Rassismus erleben und in vielen Fällen von ‚extremer Gewalt‘ berichten, darunter auch von zwei Fällen grafischer und sexueller Gewalt, hieß es. Arbeiter:innen von den Philippinen, aus Indonesien, Ghana, Sri Lanka und Indien werden mit Transitvisa“ in der britischen Fischereiindustrie angeworben, ein Schlupfloch, das ihre Ausbeutung legalisiert“, heißt es in dem Bericht Letting Exploitation Off the Hook“. Transitvisa für Seeleute sollen es der Besatzung ermöglichen, auf Schiffen mitzufahren, die britische Häfen in Richtung internationale Gewässer verlassen, wie z. B. auf einem Containerschiff nach China.
      Diese Visa binden die Arbeitnehmer an einen einzigen Arbeitgeber. Dadurch sind sie in Bezug auf ihre Arbeits- und Lebensbedingungen (z. B. Zugang zu Lebensmitteln und anderen lebenswichtigen Dingen) von den Schiffskapitänen abhängig und können den Arbeitsplatz nicht wechseln. Die Arbeitnehmer können dann möglicherweise von skrupellosen Schiffseignern missbraucht und kontrolliert werden…“ Artikel von Karen McVeigh im Guardian, vom 17. Mai 2022 externer Link („Migrant workers ‘exploited and beaten’ on UK fishing boats“).
    • Die International Transport Workers‘ Federation (ITF) kommentierte in einer Stellungnahme vom 16. Mai 2022 externer Link (engl.): „Wander-Fischer:innen werden systematisch ausgebeutet, weil die britische Regierung sich weigert, Schlupflöcher in ihren Einwanderungsbestimmungen zu klären und zu schließen, heißt es in einem neuen Bericht der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF). Eigentümer von Fischereibooten nutzen das völlig ungeeignete Transitvisum für Seeleute, um Arbeitsmigrant:innen von außerhalb Europas in das Vereinigte Königreich zu bringen. Diese Praxis ermöglicht es einigen Eigentümern, die Ängste der Fischer:innen hinsichtlich ihres Einwanderungsstatus auszunutzen, um sie für einen Stundenlohn von nur 3 Pfund, der deutlich unter dem nationalen Mindestlohn liegt, lange arbeiten zu lassen. Arbeiter:innen von den Philippinen, aus Ghana und Indonesien sitzen bis zu einem Jahr lang auf britischen Fischerbooten fest. Ihnen wird gesagt, dass sie abgeschoben oder auf eine schwarze Liste gesetzt werden, wenn sie versuchen, das Land zu verlassen, selbst wenn sie nur für einen kurzen Aufenthalt an Land gehen. (…) Die ITF erhält Berichte von Wander-fischer:innen, die auf eine systematische Ausbeutung von Arbeitskräften hindeuten. (…) ‚Fischer, die an Bord eines Schiffes leben, sind in jeder Hinsicht vom Schiffseigner oder seinem Kapitän abhängig, angefangen bei den Arbeits- und Lebensbedingungen bis hin zum Zugang zu Lebensmitteln und anderen lebenswichtigen Dingen‘, so Williams. ‚Wir sind sehr besorgt darüber, dass einige Eigentümer von Fischereifahrzeugen die prekäre Lage dieser Arbeitnehmer:innen mit unfairen und sogar illegalen Praktiken am Arbeitsplatz ausnutzen.
      Für Schiffseigner ist es schnell und billig, das System der Transitvisa zu nutzen, aber die Unsicherheit über die Regeln hat ihnen zu viel Macht gegeben. Einige nutzen diese Macht, um ihre Kosten niedrig zu halten, indem sie Migrant:innen als weniger als Arbeiter:innen behandeln und ihnen einen Bruchteil dessen zahlen, was sie Fischer:innen aus dem Vereinigten Königreich oder dem EWR auf demselben Boot zahlen. Wander-Migrant:innen erhalten in der Regel 1000 Pfund pro Monat, aber oft lassen die Arbeitgeber sie sieben Tage die Woche und oft 16 Stunden am Tag arbeiten. Dies entspricht einem Lohn von nur etwa 3 £ pro Stunde, weniger als ein Viertel des britischen Mindestlohns. Ein britischer oder EWR-Fischer mit den gleichen Fähigkeiten auf demselben Boot hat Anspruch auf einen Anteil an dem, was der Fang nach Abzug der Kosten einbringt. Das ist in der Regel deutlich mehr als der Mindestlohn.
      Im Jahr 2014 ermittelte das UK Human Trafficking Centre 74 potenzielle Opfer von Ausbeutung im schottischen Fischereisektor. Die Jakobsmuschelfischerei wurde als besonders gefährdet eingestuft. Im Jahr 2018 betraf jeder Fall von moderner Sklaverei in der britischen Fischereiindustrie Opfer, die mit einem Transitvisum für Seeleute eingereist waren…“
    • Die Studie „Letting exploitation off the hook? Evidencing labour abuses in UK fishing” (2022) über Zwangsarbeit und Ausbeutung in der Hochseefischerei von Dr Jessica L. Decker Sparks externer Link vom Rights Lab der Universität Nottingham/ Großbritannien ist kostenlos im Internet abrufbar und lohnt sich.
  • Siehe auch #GiveFishersABreak

Siehe zum Thema u.a. auch im LabourNet Germany:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=207519
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