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Proteste gegen die von IWF gesteuerte Politik in Ecuador: Mehr als ein Transportstreik – eine Massenbewegung, nun auch gegen Notstand – und am 09. Oktober landesweiter Streiktag

Armee gegen Demonstranten in Ecuador am 2.10.2019 - die Proteste gehen trotz Notstand weiter...„… Mit blockierten Straßen und Autobahnen haben Arbei­ter*innen in Ecuador am Donnerstag das Land weit­gehend lahmgelegt. Vielerorts brannten Barrikaden und Autoreifen, kam es zu Plünderungen. Über 270 Personen wurden vorübergehend festgenommen. Schulen blieben geschlossen. „Um Chaos zu verhindern, habe ich den nationalen Ausnahmezustand verhängt“, sagte Präsident Lenín Moreno am Donnerstag. Die Proteste der im Transportwesen beschäftigen Ar­bei­ter*innen richten sich gegen eine Anhebung der Treibstoffpreise. Der Ausnahmezustand, der zunächst für 60 Tage gilt, verleiht der Regierung nun weitgehende Vollmachten. Unter anderem kann die Bewegungsfreiheit eingeschränkt und eine Zensur der Medien verhängt werden. Soldaten können an öffentlichen Plätzen eingesetzt werden, Häfen, Flughäfen und Grenzen können geschlossen werden. (…) Am Dienstag hatte der Präsident ein milliardenschweres Sparprogramm verkündet. Ein Kernpunkt ist die Streichung der jahrzehntelangen Subventionen für Treibstoffe in dem erdölreichen Land. Zukünftig sollen jährlich 1,3 Milliarden US-Dollar eingespart werden. Am Donnerstag stieg der Benzinpreis deshalb von 1,85 Dollar pro Gallone (etwa 3,78 Liter) auf 2,30. Der Preis für Diesel verdoppelte sich. Das brachte das Fass zum Überlaufen. Im März hatte Ecuador den Internationalen Währungsfonds (IWF) um einen Standby-Kredit in Milliardenhöhe gebeten, um die Staatsverschuldung in den Griff zu bekommen. Im Gegenzug verpflichtete sich die Regierung zur Senkung des Haushaltsdefizits, zur Flexibilisierung des Arbeitsrechts und zu einer Steuerreform. Schließlich bewilligte der IWF 4,3 Mil­liarden Dollar. 652 Millionen wurden sofort überwiesen, der Rest erfolgt nach Prüfung, ob Ecuador die zugesagten Verpflichtungen einhält. Zu diesen gehört das Sparpaket…“ – aus dem Beitrag „Ecuador im Ausnahmezustand“ von Jürgen Vogt am 04. Oktober 2019 in der taz online externer Link, worin allerdings (wie in vielen anderen Berichten und Meldungen auch) die Widerstands- und Protestaktionen auf den Transportstreik reduziert werden und die Jugend- und Indigenenproteste nicht oder kaum beachtet werden. Zur Entwicklung der Proteste in Ecuador einige aktuelle Beiträge, die deutlich machen, dass die Verhängung des Ausnahmezustandes nicht nur bisher die Ziele der Regierung nicht befördert hat, sondern sich im Gegenteil neue Gruppierungen nun auch im demokratischen Widerstand befinden – und den Hinweis auf unseren ersten Beitrag zum Thema. Siehe in unserer Materialsammlung auch ein Update vom 06. Oktober 2019 vor allem zu den Reaktionen auf den Aufruf der Transportverbände, den Streik zu beenden – der weitgehend wirkungslos blieb… Stattdessen: Streik am 09. Oktober!

Update vom 06. Oktober 2019 New

„Ecuador Transport Unions Declare Strike Over, Others Continue“ am 04. Oktober 2019 bei Telesur externer Link meldete bereits die Mitteilung der ersten Transportverbände, dass sie zur Beendigung des Streiks aufrufen, weil die Regierung „uns angehört“ hat.

„Sindicatos e indígenas toman la posta y anuncian huelga para el miércoles“ ebenfalls noch am 04. Oktober 2019 bei La República externer Link meldet, dass Gewerkschaften und indigene Organisation im Gegensatz dazu nun ihrerseits zur Fortsetzung der Proteste aufrufen und zu einem landesweiten Streiktag am 09. Oktober…

„Proteste gegen IWF-Maßnahmen: Streik in Ecuador am 9. Oktober“ von Harald Neuber am 06. Oktober 2019 bei amerika21.de externer Link dazu: „… In Ecuador haben Gewerkschaften und indigene Organisationen am Samstag einen landesweiten Streik ab dem 9. Oktober angekündigt. Auch danach werde man die Proteste aufrechterhalten, bis Präsident Lenín Moreno die Streichung staatlicher Subventionen auf Treibstoffe zurücknimmt. Der umstrittene Staatschef sagte angesichts der inzwischen schweren Spannungen im Land einen für kommende Woche geplanten Deutschlandbesuch ab. „Die sozialen Organisationen bekräftigen hiermit den Aufruf zum großen nationalen Streik am 9. Oktober“, sagte der Vizepräsident der Vereinigten Arbeiterfront (FUT), José Villavicencio. Auch die Protestaktivitäten in den verschiedenen Provinzen würden fortgeführt Zugleich bekräftigte der Präsident des einflussreichen Verbandes der indigenen Nationalitäten Ecuadors (Conaie), Jaime Vargas, die indigene Bevölkerung werde auch angesichts staatlicher Gegenmaßnahmen standhaft bleiben…“

„Indigenous protesters arrive in Ambato, Tungurahua Province, and police can’t contain them“ am 05. Oktober 2019 im Twitter-Kanal Ubique externer Link ist ein kurzes Video aus einer Provinzstadt: Wo die Polizei vergeblich versuchte, die protestierenden indigenen Organisationen daran zu hindern, in die Stadt zu kommen, um zu demonstrieren… Das Kurzvideo steht hier als Beispiel für viele solche Meldungen und Berichte, die deutlich machen, dass Protest und Widerstand ungebrochen fortgesetzt werden.

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„Todos a luchar contra el paquetazo neoliberal de Lenín Moreno“ von Mario Unda am 04. Oktober 2019 bei rebelion.org externer Link  beschreibt die verschiedenen Maßnahmen, die die Regierung im Sinne der IWF-Kredite eingeleitet hat, die weit über die Streichung der Zuschüsse bei den Treibstoffpreisen hinaus gehen. Dazu gehört unter anderem die Neuheit in den Arbeitsgesetzen, dass Neueingestellte weniger verdienen „dürfen“, die beabsichtigte Erhöhung der Mehrwertsteuer und weitere Nettigkeiten – ein „paquetazo“ eben, ein großes Paket antisozialer Maßnahmen, wie es bereits in der Überschrift des Beitrags angedeutet wird. Der Autor weist dann auch abschließend darauf hin, dass sowohl die Frente Unitario de los Trabajadores (FUT) wie auch die Confederación de Nacionalidades Indígenas (CONAIE) über weitere Widerstandsaktionen beraten.

„Paquetazo económico de Lenín Moreno desata protestas“ am 03. Oktober 2019 bei Resumen Latinoamericano externer Link ist eine Foto- und Videodokumentation der Proteste an verschiedenen Orten Ecuadors an diesem Tag – die breiets zeigt, dass es weit mehr war, als ein „bloßer“ Transportstreik…

„Lenín spielt mit dem Feuer“ von Martin Ling am 05. Oktober 2019 in neues deutschland online externer Link zur Haltung des Notstands-Präsidenten: „… Selbst wenn er wollte, ist ihm der Rückweg versperrt: Die Streichung der Subventionen ist eine Auflage des Internationalen Währungsfonds (IWF), an dessen Tropf Ecuador hängt, weil die Staatseinnahmen unter dem tendenziellen Verfall des Ölpreises seit Mitte 2014 leiden. Öl ist das devisenträchtigste Exportprodukt des Andenlandes. Dass Lenín wollte, wenn er könnte, ist allerdings nicht wahrscheinlich. Seit Amtsantritt fährt er einen neoliberalen Kurs, der sich am Washington Konsensus von Deregulierung, Privatisierung und Defizitreduzierung orientiert. Und was passiert, wenn beim neoliberalen Dreiklang das Staatshaushaltsdefizit außer Acht gelassen wird, hat gerade der neoliberale Präsident Mauricio Macri in Argentinien vorexerziert: Währungsverfall, Kapitalflucht und schnell steigende Armutsraten. Ob Lenín mit dem Ausnahmezustand aus der Bredouille kommt, ist alles andere als ausgemacht. Nicht nur Mobilität wird teurer, sondern auch Produkte wie Brot, die für ihre Erstellung auf herantransportierte Inputs angewiesen sind...“

„Revolución Ciudadana: Eine Regierung in Angst verhängt den Ausnahmezustand“ am 03. Oktober 2019 bei Red Globe externer Link (auch: Übersetzung) ist die Dokumentation der Stellungnahme der Partei des früheren Präsidenten Correa, worin es unter anderem heißt: „… Die Fraktion der Revolución Ciudadana verurteilt die Kriminalisierung des sozialen Protestes, die bis zu diesem Zeitpunkt zur Verhaftung von 19 Ecuadorianern und zur Verhängung des Nationalen Ausnahmezustandes durch Präsident Moreno geführt hat. Wir fordern, dass die Nationalversammlung sich umgehend zu dieser undemokratische Entscheidung der Regierung äußert. Wir rufen die Abgeordneten aller Fraktionen auf, dass im nationalen Interesse und in Beantwortung der Forderungen von Millionen ecuadorianischer Bürger, die auf den Straßen ihre Rechte einfordern, DRINGEND eine außerordentliche Plenartagung der Versammlung einberufen wird, deren einziger Tagesordnungspunkt Morenos Kürzungspaket, die schwere politische Krise und die innere Unruhe ist, in die uns diese Regierung gestürzt hat. Wir machen die Nationale Regierung für die Akte der Repression verantwortlich, die die Integrität der Bürger verletzen, die ihr legitimes Recht ausüben, gegen diese Wirtschaftsmaßnahmen zu demonstrieren...“

„Erklärung der Kommunistischen Partei Ecuadors“ vom 04. Oktober 2019 bei Red Globe externer Link (wo auch die Übersetzung in Deutsch vorgenommen wurde) unterstreicht unter anderem: „… Die Abschaffung der Treibstoffsubventionen verursacht einen Anstieg der Benzin- und Dieselpreise, was objektiv zur Verteuerung aller Produkte führen wird, insbesondere derjenigen des Grundbedarfs, die täglich auf den Autobahnen und Straßen unseres Landes transportiert werden. Ein Großteil der Fahrzeuge sind im Besitz mittlerer und kleiner Händler, die sich um ihre Einkünfte gebracht sehen und die steigenden Preise dem konsumierenden Volk aufladen werden. Da diese Entscheidung zur sofortigen Umsetzung vorgesehen ist, muss das Volk ab dem 3. Oktober bezahlen, im Unterschied zu den Unternehmern, die drei Jahre oder vielleicht auch sehr viel mehr Zeit haben. Am Ende stehen die Steuervergünstigungen für die Unternehmer und unzählige Vorteile wie das Zahlen von Steuern im Voraus. Unter diesen Bedingungen kann niemand wirklich zu einem Unternehmer werden, wie es der Präsident ironisch vorgeschlagen hat. Die Bons sind eine Maske, um die wirtschaftliche Aggression gegen die Arbeiter und das ganze Volk zu verschleiern. Die angedrohten Arbeitsmarktreformen sind in den Händen der unternehmertreuen und korrupten Mehrheit der Nationalversammlung eine Tatsache. Die Rechte, die diese Unternehmerregierung klammheimlich streichen will, reduzieren in der Praxis den zum Leben notwendigen Mindestlohn und verkürzen den Urlaub auf 15 Tage, während fälschlicherweise behauptet wird, dass die Maßnahmen neue Arbeitsplätze schaffen. In der Praxis wurden Hunderttausende Arbeiter des öffentlichen Dienstes wie der Privatwirtschaft in die Erwerbslosigkeit geschickt…“

„Ecuador: estado de excepción no reduce violencia en las calles de resistencia contra el paquetazo“ am 04. Oktober 2019 bei Clajadep-LaHaine externer Link berichtet einerseits davon, dass die Proteste trotz Ausnahmezustand nicht abgenommen hätten – und dokumentiert zum anderen, dass eben durch diese Ausrufung nunmehr auch weitere Organisationen, nicht zuletzt der indigenen Bevölkerung, zu Protesten gegen die Einschränkung demokratischer Rechte zum Widerstand mobilisieren…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=155406
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