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Die asiatisch-ozeanische Freihandelszone RCEP: Soziale Folgen werden von Gewerkschaften und sozialen Bewegungen kritisiert

Protest gegen die asiatisch-ozeanische Freihandelszone RCEP„… Doch hinter diesen Zahlen und den schnarchenden Aussagen verbirgt sich eine komplexere Realität. Über die Größe des RCEP, das ein Drittel der Weltbevölkerung und des BIP ausmachen würde, ist bereits viel geschrieben worden. Was jedoch weniger betont wird, ist, dass der Umfang des Abkommens relativ bescheiden ist. Aus wirtschaftlicher Sicht besteht der Hauptfortschritt darin, wie er durch die Harmonisierung von Zollfragen und Handelsstandards auf regionaler Ebene Ordnung in bestehende bilaterale Handelsabkommen bringt. Dies impliziert eine grundlegende Verschiebung in Bezug auf die Frage der Herkunft von Industriegütern. Auf der anderen Seite ist das RCEP sicherlich weniger ehrgeizig als TPP, die Trans-Pazifik-Allianz, die unter der Ägide des ehemaligen Präsidenten Barack Obama ausgehandelt und 2016 von 12 Ländern ratifiziert wurde und die die „Wende nach Asien“ symbolisiert, die damals das Schlüsselwort der Demokratischen Regierung war. (…) Aus rein wirtschaftlicher Sicht bleibt der große Gewinner Japan. In seiner Rivalität mit den Vereinigten Staaten musste China, um einen politischen Sieg an der Handelsfront präsentieren zu können, viele Zugeständnisse machen. Beispielsweise werden 86% der japanischen Fertigwaren, die nach China exportiert werden, nicht besteuert. Der Präsident von Toyota Motor, Akio Toyoda, sagte als Präsident des japanischen Automobilherstellerverbandes, dass er „die RCEP willkommen heißt“. „Für die japanische Automobilindustrie, die auf globaler Ebene tätig ist, schafft RCEP auf systematische Weise eine fortschrittliche Wertschöpfungskette für den asiatisch-pazifischen Raum“, sagte er weiter. Letztlich könnte Tokio auch vermeiden, dass Peking allein die Kraft hat, die Normen in der Freihandelszone zu diktieren, und dafür eine Konsensbildung unter den Unterzeichnern einfordern...“ – aus dem Beitrag „Wird China mit RCEP die asiatisch-pazifische Zone erobern?“ von Juan Chingo am 30. November 2020 bei Klasse gegen Klasse externer Link, worin eine differenzierte Analyse zu mindestens versucht wird… Siehe dazu zwei Beiträge zur Opposition von Gewerkschaften und sozialen Bewegungen gegen RCEP sowie einige aktuelle Kommentare und Analysen zum kapitalistisch-neoliberalen Charakter des Abkommens:

„RCEP signed despite opposition from social movements“ am 20. November 2020 bei Peoples Dispatch externer Link fasst den jahrelangen Widerstand von sozialen Bewegungen und Gewerkschaften der Region zusammen (inklusive eines Videoberichtes über diesen Widerstand).

„LABOUR UNIONS IN ASIA PACIFIC CONDEMN RCEP DEAL“ am 12. November 2020 bei Trade Unions for Justice externer Link ist die gemeinsame – ausgesprochen kritische (würde mensch sich in anderen Fragen auch wünschen denn etwa 7 Jahre Geheimverhandlungen sind nun wahrlich kein „Alleinstellungsmerkmal“…) – Stellungnahme mehrerer Internationaler Gewerkschaftsföderationen gegen das RCEP-Abkommen.

„Ostasien: Der Anfang vom Ende des Eurozentrismus?“von Wolfgang Pomrehn am 16. November 2020 bei telepolis externer Link kommentiert dazu: „… Nach Darstellung der vietnamesischen Gastgeber regelt das Abkommen zahlreiche Fragen wie Standards im elektronischen und Dienstleistungshandel, Hygienenormen, Regeln für den Warenaustausch, Herkunftsbezeichnungen, Schutz von Patenten, Fragen von Auslandsinvestitionen und manches mehr. Dem unterschiedlichen Entwicklungsstand der Mitglieder würde Rechnung getragen. Besonders Myanmar, Laos, Kambodscha und Vietnam haben in Vergleich zu Thailand, Singapur oder gar Japan nur eine sehr schwache Wirtschaft. Auch politisch liegen die Staaten weit auseinander: Thailand und Brunei sind autoritär regierte Monarchien*, China wird von einer ähnlich autoritären kommunistischen Partei regiert, die einen sehr kapitalistisch anmutenden „Sozialismus mit chinesischen Charakterzügen“ aufbaut, und in Japan hat die extrem konservative Liberale Partei ein Dauerabo auf die Regierung und zugleich Probleme, sich von der verbrecherischen Vergangenheit des Kaiserreichs zu distanzieren. Doch die Region ist auch für ihren Pragmatismus bekannt, der viele Staaten in den letzten vier Jahrzehnten in die obere Liga der Weltwirtschaft katapultiert hat, und zwar durchweg mit dem Aufbau von auf Export orientierten Ökonomien. Dies hat in den vergangenen beiden Jahrzehnten auch zu einer Integration der Region geführt. Noch Ende der 1990er Jahre ging über die Hälfte der ASEAN-Exporte nach Europa oder Nordamerika. Doch inzwischen bleibt der größere Teil in der Region, das heißt, er wird an andere ASEAN-Mitglieder oder die nördlichen Nachbarn verkauft. Bemerkenswert an dem Abkommen ist zum einen, dass es für China eine kleine Entlastung angesichts der zunehmenden Schwierigkeiten mit den USA bieten kann, die Importe aus der Volksrepublik mit Strafzöllen überziehen…“

„Handel als Waffe“ von Stephan Kaufmann am 21. November 2020 in nd online externer Link zur Vorgeschichte des Abkommens: „… Wurden Freihandelsabkommen früher von westlichen Politikern und Ökonomen gelobt mit dem Argument, sie würden Handelsbarrieren abbauen und dadurch den Wohlstand mehren, so gilt Asiens RCEP derzeit als Gefahr. Weniger wegen der Ökonomie: »Die kurzfristige wirtschaftliche Bedeutung des Abkommens ist begrenzt«, erklärte Clemens Fuest, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo. Sondern weil RCEP »im Erfolgsfall China einen Hebel geben könnte, seinen Einfluss in der Welt auszuweiten«, warnt die US-Denkfabrik Brookings. Seit die globale Dominanz des Westens erschüttert ist, werden Freihandelsabkommen als das besprochen, was sie immer schon waren: nicht bloß Instrumente des Wirtschaftswachstums, sondern Mittel zur Festigung politischer Macht. (…) Es war kein Zufall, dass China sowohl von TTIP wie von TPP ausgeschlossen blieb. Der britische Historiker Timothy Garton Ash umschrieb die Abkommen schlicht mit »EBC«: Everyone But China – jeder außer China. TTIP sollte laut US-Außenministerin Hillary Clinton als »Wirtschafts-Nato« dienen. Ziel von TPP war »neben der Schaffung eines großen Wirtschaftsraums die Minderung des chinesischen Einflusses im Pazifikraum«, erklärte Stefan Mair vom deutschen Industrieverband BDI. Doch sowohl TTIP wie auch TPP scheiterten – weniger am breiten zivilgesellschaftlichen Widerstand in den betreffenden Ländern. Sondern an der US-Regierung unter Donald Trump. Er stieg aus den Projekten aus, um das ökonomische Gewicht der USA in bilateralen Verhandlungen mit einzelnen Staaten einzusetzen. TTIP starb an unüberbrückbaren Gegensätzen der Verhandlungsparteien. TPP lebt zwar weiter, aber ohne die USA...“

„Wer kritisiert, zahlt Strafe“ von Anton Landgraf am 26. November 2020 in der jungle world (Ausgabe 48/2020) externer Link kommentiert unter anderem: „… Doch alle Staaten, die dem Vertrag nicht beigetreten sind, stehen vor einem Problem: Für sie ist der Zugang zu den Märkten der RCEP-Staaten aufgrund von Zöllen und anderen Vorschriften erschwert. China könnte damit vor allem die europäische Exportwirtschaft empfindlich treffen (schon denkt die deutsche Automobilindustrie über weitere Produktionsverlagerung nach Asien nach) – und sie dazu zwingen, chinesische Vorgaben zu akzeptieren, etwa beim neuen Mobilfunkstandard G5. Die politischen Konsequenzen reichen noch weiter. Einen Eindruck davon gewinnt gerade Australien, für dessen Wirtschaft Rohstoff­exporte nach China eine erhebliche Rolle spielen. Die australische Regierung hatte China in den vergangenen Monaten unter anderem wegen des Vorgehens in Hongkong kritisiert und auch eine unabhängige Untersuchung verlangt, um die Entstehung von Sars-CoV-2 aufzuklären. Wegen dieser »feindlichen Maßnahmen« verhängte China nun Zölle und einen informellen Importstopp auf zahlreiche australische Produkte, die das Freihandelsabkommen nicht erfasst. Chinas diplomatische Vertretung in Canberra übergab einem australischen Journalisten eine Liste mit 14 Beschwerden über die australische Regierung. »China ist wütend. Wenn ihr China zum Feind macht, wird China der Feind sein«, sagte ein Mitarbeiter der Vertretung bei dieser Gelegenheit...“

 „Far From a Change, RCEP Agreement is More Capitalism as Usual“ von Pete Dolack am 27. November 2020 bei Counterpunch externer Link ist ein Beitrag, der die Parallelen zu ähnlichen Abkommen zieht und sich weigert, nur aufgrund der Tatsache, dass die Initiative vor allem aus Asien kommt, darin etas anderes zu sehen als typischen heutigen neoliberalen Kapitalismus…

Siehe auch #noRCEP für Proteste…

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=182650
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