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„Sicherheitsgesetz“ für Hongkong beschlossen: Ende des Sonderstatus

Barrikaden vor dem Parlament in Hongkong am 12.6.2019 gegen das Auslieferungsgesetz„… In der autonomen Stadt wird damit nun die Zusammenarbeit mit ausländischen Mächten, das Untergraben staatlicher Macht, Terrorismus und das Verfolgen staatlicher Unabhängigkeit unter Strafe gestellt. Als Höchststrafe ist lebenslange Haft vorgesehen. Die Auslegung des Gesetzes wird in letzter Instanz nicht den örtlichen Behörden überlassen. Außerdem geht es im Zweifelsfall vor Hongkonger Recht. China hat ein zweitstufiges Parlament, Nationaler Volkskongress genannt. Das mit rund 3.000 Abgeordneten besetzte Gremium tagt nur einmal im Jahr und verabschiedet grundlegende Gesetze wie etwa Verfassungsänderungen. Außerdem wählt es den Präsidenten, die Regierung, die obersten Richter und Staatsanwälte. Es hatte kürzlich seinem Ständigen Ausschuss den bindenden Auftrag gegeben, ein entsprechendes Gesetz auszuarbeiten und zu verabschieden. Versuche, ein ähnliches Gesetz 2003 vom Parlament der Autonomen Sonderverwaltungszone – so die offizielle Bezeichnung für den Status der Metropole an der Mündung des Perlflusses – verabschieden zu lassen, waren seinerzeit gescheitert. Zwar war die Mehrheit der meist der Geschäftswelt verbundenen Parlamentarier willig gewesen, doch hatten die Pläne in der Bevölkerung für massive Protesten gesorgt. Mehr als eine halbe Million Menschen gingen auf die Straße…“ – aus dem Beitrag „Hongkong: Beijing schwingt den Knüppel“ von Wolfgang Pomrehn am 30. Juni 2020 bei telepolis externer Link –  der die Frage offen lässt, ob das „Untergraben von staatlicher Macht“ (anders herum gewendet heißt dies „Stärkung der nationalen Sicherheit“) eigentlich auch bei Untergrundliteratur vorliegt, die vom „Absterben des Staates“ handelt… Siehe dazu zwei weitere aktuelle Beiträge und einen Hintergrundbeitrag über weitere Unterstützer des neuen Gesetzes:

  • „Hongkonger Proteste: Eine Stadt, zwei Parolen“ von Ming-Hon Chu am 28. Juni 2020 ebenfalls bei telepolis externer Link skizziert die politische Entwicklung, die zu diesen Maßnahmen geführt hat und ihre Widersprüchlichkeit: „… In der Originalsprache bedeutet „Befreie Hongkong“ wörtlich übersetzt „Das Licht kehrt zurück nach Hongkong“ und impliziert die Rückforderung eines verlorenen gegangenen Landes von seinen Eindringlingen, was gut mit der lokalistischen Auffassung zusammenpasst, dass die „Nation Hongkong“ einer fremden Macht aus dem Norden in die Hände gefallen ist. Auch der Ausdruck „Revolution jetzt“ ist kniffelig, eine genauere Übersetzung sollte „Revolution der Epoche“ lauten. Leung hatte zunächst auch überlegt die Parole „Revolution der Generation“, als Wahlslogan zu verwenden. Das ergibt Sinn, denn die meisten seiner Unterstützer gehören zu der jüngeren, nach Veränderung drängenden Generation. Zusammen mit seinem Team entschied er sich jedoch für die „Revolution der Epoche“, um den Menschen zu sagen, dass der Wille zur Veränderung nicht davon abhängt, welcher Generation man angehört, sondern wie man zu einer Modernisierung der Gesellschaft steht. Gleichzeitig wurde der Slogan in seiner Strittigkeit abgemildert, was einen wichtigen Beitrag zu der unerwarteten Popularität des ganzen Mantras leistete. Natürlich ist die Beliebtheit auch der traurigen Tatsache zu verdanken, dass die Regierungsführung in Hongkong sich immer noch nicht von der Ära kolonialer Brutalität losgelöst hat, weswegen Reformer wiederholt „universelle Werte“ als Anker der modernen Gesellschaft fordern. In der Zusammensetzung der zwei Slogans entdecken wir die chiasmische Spannung zwischen zwei Richtungen des politischen Diskurses: die Stärkung nationaler Solidarität sowie die Idee globaler Staatsbürger. Die Politik nach dem Prinzip „Zwei Systeme“ hat einst in den Herzen der Hongkonger die Hoffnung für ein demokratisches China geweckt, besonders als das Mitmischen in der modernen Welt durch politische Reformen noch auf der Agenda von Peking stand. Die grausame Realität ist nun, dass wir mehr oder weniger den übergeordneten Grundsatz „Ein Land“ erleben, welchem zufolge eine Förderung von Demokratie eine „westliche Verschwörung“ zur Untergrabung der aufsteigenden Supermacht im Osten ist. Der Niedergang des Prinzips „Zwei Systeme“ zusammen mit dem Aufstieg der „Ein Land“-Politik tritt in den Straßen von Hongkong deutlich zutage. Die rapide Verbreitung der Einparteien-Diktatur über Grenzen hinweg macht vielen, die Hongkong als ihre Heimat schätzen, zu schaffen. Mehr und mehr Bürger spüren die Bedrohung des Verlusts ihrer lokalen Identität bevor sie in den Genuss des versprochenen allgemeinen Wahlrechts kommen…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=174864
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