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Ein brüchiges Sicherheitsnetz. Das China Labour Bulletin warnt vor dem Scheitern des Sozialversicherungsgesetzes von 2011

Vor einer Arbeitsvermittlungsstelle in ChinaIm Juli 2011 erließ China das bahnbrechende Sozialversicherungsgesetz. Es sollte den Arbeitnehmern ein umfassendes soziales Sicherheitsnetz für den Ruhestand und für den Krankheitsfall bieten. Ein Jahrzehnt später ist klar, dass das Gesetz sein Ziel nicht erreicht hat. Wie wir in der kürzlich aktualisierten Broschüre des CLBexterner Link über das chinesische Sozialversicherungssystem aufzeigen, haben Hunderte von Millionen Arbeitnehmern immer noch keine angemessenen Renten und keine Gesundheitsversorgung und sind in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auf ihre eigenen Mittel angewiesen. Und da Chinas Bevölkerung schnell altert, gerät dieses ohnehin schon fragile System noch stärker unter Druck…“ Übersetzung aus CLB vom 18.8.2021 am 6.9.2021 beim Forum Arbeitswelten externer Link und mehr daraus/dazu:

  • China: Das ungelöste Rentnenproblem. Zwischen Stadt und Land und zwischen informell- oder staatlich Beschäftigten sind die Unterschiede der Absicherung enorm New
    „… 1,4 Milliarden Chinesen waren nicht schlecht überrascht, als ihre Regierung vor Kurzem eine Reform des Renteneintrittsalters verkündete. (…) Rasch füllten sich die sozialen Medien Chinas mit heftigen Beschwerden. „Lebe ich überhaupt so lange? Soll ich an meinem Arbeitsplatz sterben?“, so lautet die häufigste Klage des sich mühenden „Firmen-Viehs“ – wie ein aus dem Japanischen geborgter Begriff für die überarbeiteten und ausgebeuteten Werktätigen lautet. (…) Eine verärgerte Influencerin kommentierte anlässlich der jüngsten Anpassung der Arbeitstage während des Mondfests: „Immer lesen wir, dass Europäer und Amerikaner später in den Ruhestand gehen und dass wir es ihnen in dieser Hinsicht gleichtun sollten. Aber warum nicht auch dann, wenn es um den Urlaub geht? Sie haben einen ganzen Monat Urlaub im Jahr, und sie nehmen sich die freien Tage am Stück. Bei uns kommen die Pläne über Wochen durcheinander, wenn wir drei Tage freihaben wollen. Ständig sollen wir unsere Pflicht tun, aber wie steht es mit unseren Rechten?“ Wie zum Beleg dafür kämpfen Rechtsexperten darum, die Regierung davon zu überzeugen, dass Tod durch Überarbeitung als arbeitsbezogene Schädigung anerkannt und dass die 40-Stunden-Woche mit Strafverfolgungsmaßnahmen durchgesetzt werden sollte. (…) Chinas Rentensystem steht unter wachsendem Druck, da Millionen junger Arbeiter ihre Beiträge zur staatlichen Rentenversicherung zurückziehen, berichtet Bloomberg. Der 22-jährige Social-Media-Influencer Gao Pengcheng sieht keinen Grund, Beiträge zu leisten. Gao lebt in Shenzhen und verkauft Backwaren und Kosmetika online. Er weigert sich, in die optionale Rentenversicherung einzuzahlen, da er glaubt, dass sie wenig Zukunftssicherheit bietet. Eine monatliche Zahlung von 200 Dollar würde fast 20 % seines Einkommens verschlingen – Geld, das er lieber woanders ausgibt.(…) Falls sie überhaupt davon Notiz genommen haben, dürften sich jetzige und künftige Rentner in Deutschland über die gerade in China verkündete Rentenreform gewundert haben. Dort hat die Regierung, der Staatsrat beschlossen, dass das gesetzliche Rentenalter ab 2025 von derzeit 55 Jahren für angestellte Frauen (50 für Arbeiterinnen) und 60 für Männer schrittweise auf 63 Jahre angehoben wird. Auch nach der Anhebung des Rentenalters, der ersten Reform seit fast 70 Jahren, ist China mit einer ähnlichen Lebenserwartung wie in Westeuropa in puncto Rentenalter immer noch ein Arbeitnehmerparadies. Das gilt zumindest für die meisten Beschäftigten in den Städten. (…) Aber es gibt krasse Unterschiede zwischen den Beschäftigten, die als Stadtbewohner registriert sind, und den etwa 300 Millionen Arbeitsmigranten oder Wanderarbeitern, die schon viele Jahre in den Städten arbeiten und leben, aber offiziell immer noch Landbewohner sind Schließlich lebt ein Drittel der Bevölkerung oder ca. 450 Millionen Menschen immer noch auf dem Land. (…)Aufgrund der enormen Unterschiede bei den Rentenansprüchen ist klar, dass viele Arbeiter und Angestellte in den Städten weit über das Rentenalter von jetzt 60 Jahren (für Männer) hinaus arbeiten müssen. Sie erhalten zwar eine Rente, aber die ist minimal. Aber weil sie über das Rentenalter hinaus arbeiten, können sie nach dem Gesetz keine Arbeitsverträge mehr abschließen. Diese Widersprüche in der Gesetzgebung sind gut für die Arbeitgeber: Ohne Arbeitsvertrag sind sie nicht verpflichtet, Sozialversicherungsabgaben zu zahlen. Die Betroffenen müssen mit Dienstleistungsverträgen auf Baustellen, als Sicherheitskräfte oder als Putzkräfte arbeiten. 2024 haben verschiedene chinesische Städte die Altersgrenze für Taxifahrer auf 65 angehoben. (…) Erst bei einer Fabrikschließung und Verlagerung z.B. nach Indonesien kommt der massive Sozialbetrug heraus. (…) Derzeit wird von der chinesischen Regierung nach US-amerikanischen Modell auch eine staatlich geförderte kapitalgedeckte Rente als sogenannte dritte Säule der Rentenversicherung propagiert. (…) Der Markt ist so riesig, dass auch die Allianz dabei ist.“ übersetzte Presseschau vom 6. Februar 2025 beim Forum Arbeitswelten externer Link
  • Weiter aus der Übersetzung aus CLB vom 18.8.2021 am 6.9.2021 beim Forum Arbeitswelten externer Link: „… Ohne eine radikale Änderung der Regierungspolitik wird China bald mit einer großen Sozialhilfekrise konfrontiert sein. Das derzeitige System basiert auf den Beiträgen der Arbeitgeber und – in geringerem Maße – der Arbeitnehmer in fünf staatlich unterstützte Sozialversicherungsfonds. Die Arbeitgeber, die ihre Kosten senken wollten, scheuten jedoch die hohen Beitragssätze, und die lokalen Regierungen, die Investitionen anlocken wollten, setzten das Gesetz einfach nicht durch. Infolgedessen wurden Hunderte von Millionen Arbeitnehmern, insbesondere Wanderarbeitnehmer, ausgeschlossen. Millionen von Arbeitnehmern in der Gig-Economy, die keine formellen Arbeitsverträge haben, sind ebenfalls von dem System ausgeschlossen. Und da dieser Sektor schnell wächst und die Zahl der Arbeitnehmer in traditionelleren Sektoren schrumpft, werden die Gesamtbeiträge zu den wichtigsten Sozialversicherungsfonds proportional sinken…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=193271
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