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Erneut Dutzende Festnahmen an Chinas Universitäten: Die Repression gegen die Unterstützungsgruppen der Jasic-Gewerkschafter wird verstärkt. Deren Antwort: „Make China marxist again!“
Am vergangenen Wochenende gab es etwa 20 für Betroffene oft überraschende Festnahmen an verschiedenen chinesischen Universitäten: Das Ziel waren allesamt Studierende, die in der Bewegung zur Unterstützung der Basisgewerkschafter von Jasic in Shenzhen aktiv waren. Diese Solidarität soll mit allen Mitteln unterbunden werden – so sieht es jedenfalls aus. Denn die Festnahmen passierten durch die Bank in Form von Überraschungsangriffen – wenn etwa plötzlich mehrere Zivilisten in der Mensa einen Studenten zu Boden werfen und in Handschellen abführen (siehe Videoausschnitte weiter unten). Hintergrund dieser Repressionswelle sind zwei Entwicklungen, die offensichtlich der KP Chinas nicht gefallen: Zum einen, die pure Breite dieser Solidaritätsbewegung, die erstmals sehr weit über das hinausging, was früher verschiedene Labour-NGO in der Lage waren, zu mobilisieren – sowohl, was Zahlen betrifft, als auch, dass es eine Mobilisierung quer durchs Land ist und nicht nur lokal oder regional. Zum anderen das offene politische Bekenntnis der Unterstützungsgruppen in der Losung „Make China marxist again!“. Einmal dahin gestellt, ob ein Land marxistisch sein kann und was das bedeuten würde: Es ist eine Kampfansage an eine regierende Partei, die sich bis heute nicht an die offizielle Entsorgung der eigenen Vergangenheit heran getraut hat… Zur neuerlichen Repressionswelle in China vier aktuelle Beiträge, ein Hintergrundartikel und ein Beitrag zur politischen Orientierung der Unterstützungsgruppen, sowie eine Ergänzung vom 14. November:
„Student activists detained in China for supporting workers‘ rights“ von Benjamin Haas am 12. November 2018 im Guardian berichtet von mindestens 10 Festnahmen am Wochenende 10. und 11. November in Beijing, Guangzhou, Shanghai, Shenzhen und Wuhan. Einer der Festgenommenen ist Zhang Shengye, der die Kampagne zur Freilassung aller im August bereits festgenommener AktivistInnen (oder auch jener, die unter Hausarrest gestellt worden sind) koordiniert hat.
„BREAKING #jasic“ am 12. November 2018 beim Twitter-Kanal @jasicworkers ist ein sehr kurzes (heimlich aufgenommens) Video über die Festnahme von Tang Xiangwei, Wu Jiawei und Zheng in Guangdong, bei dessen Publikation auch zur weiteren Stärkung der Solidarität gegen die repression aufgerufen wird.
„Translation of recent letter by Renmin University student Xiang Junwei on being blacklisted for worker advocacy“ am 01. November 2018 im Twitter-Kanal von Chuang Cn ist der Verweis auf die englische Übersetzung der Dokumentation eines Offenes Briefes des bei der ersten Repressionswelle festgenommenen Xiang Jungwei, der darin ausführlich und dokumentiert schildert „Wie ich auf die schwarze Liste der Renmin Universität gekommen bin“.
„Integrated News of the Solidarity Corps“ am 13. November 2018 bei Red Balloon Solidarity (Facebook) ist die Dokumentation der Rundmail des Solidaritäts-Netzwerkes mit Jasic-Gewerkschaftern, die die Ereignisse zusammen fassen und einen Überblick über die Verhaftungen am Freitag, Samstag und Sonntag an den verschiedenen Orten geben. Im Weiteren wird bei Red Balloon auch verbreitet, dass mehrere AktivistInnen auch nach der erneuten Festnahmewelle ihre Ansicht öffentlich bekundet haben, China müsse wieder marxistisch werden (siehe den letzten Link dieser kleinen Sammlung zu dieser Orientierung).
„Police ‘kidnap’ 10 labour activists across China: rights group“ von Pak Yiu & Eva Xiao am 11. November 2018 in der Hong Kong Free Press war ein Beitrag, in dem versucht wird, einen ersten Gesamtüberblick über die Polizeiaktionen an diesem Wochenende zu geben.
„Kein Platz für kritische Geister“ von Friederike Böge am 08. November 2018 im FAZ.net (Abonnenten) unter anderem mit Aussagen eines auch LabourNet Germany – LeserInnen bekannten US-Professors: „Immer schon wurden bei neuen akademischen Publikationen oder Übersetzungen ausländischer Schriften sensible Themen wie die Kulturrevolution weiträumig umschift. Doch im Moment achten die Zensoren noch strenger darauf, dass selbst Schriften, die mit China gar nichts zu tun haben, keine ungewünschten Assoziationen und Gedanken wecken. Die Zahl der Tabuthemen nimmt zu – wie etwa Religion. Titel, in denen das Wort Christentum vorkommt, werden nicht genehmigt. Neuerdings ist noch ein anderes Thema zum Politikum geworden: Arbeiterrechte. Im August hatten sich Studenten mehrerer Universitäten den Protesten von Arbeitern der südchinesischen Firma Jasic Technology angeschlossen. Sie demonstrierten für das Recht, eine vom Staat unabhängige Gewerkschaft zu bilden. Dutzende der studentischen Aktivisten wurden festgenommen, manche stehen noch immer unter Arrest. Von der prominentesten Vertreterin der Gruppe, der Studentin Yue Xin von der Peking-Universität, fehlt seither jede Spur. Sie bezeichnet sich selbst als Marxistin und wird von vielen Kommilitonen für ihre Unbeugsamkeit und ihre ideologischen Überzeugungen bewundert. In mehreren Universitäten gerieten daraufhin studentische Marx-Debattierclubs unter Druck. In der vergangenen Woche demonstrierten an der Nanjing-Universität mehr als hundert Studenten gegen die Weigerung der Universitätsleitung, ihre Marx-Gruppe zu registrieren. Zwei von ihnen wurden abgeführt. Vor dem Hintergrund dieser Ereignisse hat die amerikanische Cornell-Universität Ende Oktober zwei Austauschprogramme mit der renommierten Renmin-Universität im Fachbereich Arbeitsbeziehungen eingestellt. Der Direktor der betrofenen Fakultät, Eli Friedman, sagte der Zeitung „Washington Post“, es habe zwar immer Themen gegeben, die an chinesischen Universitäten nicht besprochen werden konnten, darunter das Tiananmen-Massaker von 1989. Doch über Arbeiterrechte habe er bisher unzensiert Vorträge halten können. „Diese Art von Freiraum existiert nicht mehr.“ Die Renmin-Universität habe sich aktiv daran beteiligt, studentische Aktivisten zu überwachen und zu bestrafen. „Das ist eine qualitative Veränderung gegenüber früheren Formen der Zensur“, sagte Friedman. In einem später veröffentlichten Brief an die Renmin-Universität verwies er auf eine schwarze Liste, die von der Wirtschaftsfakultät mit dem Ziel angefertigt worden sei, kritische Studenten unter Beobachtung zu stellen…“
„Make China Marxist Again“ von Timothy Cheek und David Ownby in der Ausgabe Herbst 2018 von Dissent ist ein ausführlicher Beitrag über die Unterstützungsgruppen für die Jasic-Gewerkschafter, in dem deutlich wird, dass es sich bei diesen Gruppen um Aktive handelt, die die Position vertreten, China müsse zurück gehen zur Politik, wie sie zu Zeiten Mao Zedongs gemacht worden war.
- Siehe zum Konflikt zuletzt am 5. November 2018: Seit 100 Tagen in Gefängnis und Hausarrest: Weiterhin Solidarität mit den chinesischen Basisgewerkschaftern von Jasic und ihren Unterstützungsgruppen nötig!