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„Wir ernähren China“: Fahrrad-Kuriere im Kampf um menschenwürdige Bedingungen – wie viele andere junge Menschen aus ländlichen Gebieten in Zeiten von Corona und digitaler Ökonomie

Fahrrad-Kuriere von Meituan-Dianping in China„… Berichten zufolge gab es im ganzen Land 700.000 Lieferant*innen, die Lebensmittel ausfuhren, als Fabriken und Schulen schlossen und Restaurants begannen, nur noch Lieferaufträge entgegenzunehmen. Sie erleichterten damit das Leben vieler Menschen. Was bedeutet es, Fußsoldat*in dieser millionenschweren Armee zu werden? Wer weiß um die Freuden und Sorgen in ihrem Leben? Nachdem wir von dem “Bündnis der Lieferfahrer*innen” vorgestellt worden waren, kamen wir mit Guo Yongqiang aus Shanghai in Kontakt. Yongqiang lud seinerseits „Bruder Long” aus Lujiazui [Lokatse, in Pudong] ein. Ende April sprach unser Interview-Team mit ihnen. (…) Wie der Forschungsbericht “Meituan-Dianping: 2018 Forschungsbericht über Lieferfahrer*innen” zeigt, kommen 75% der Lieferfahrer*innen vom Land, von denen die meisten aus den Provinzen Henan, Anhui, Sichuan, Jiangsu und Guangdong stammen. Fast 70% der Auslieferungsfahrer*innen haben sich dafür entschieden, ihre Heimatstädte zu verlassen, um zu versuchen, ihren Lebensunterhalt in Tier-1- oder Tier-2-Städten zu verdienen. Betrachtet man das Alter, so findet man Fahrer*innen vor allem in der Jugend, wobei die 20- bis 30-Jährigen den Kern bilden — bis zu 82% der Lieferfahrer*innen. Fast die Hälfte von ihnen lebt seit 9 Jahren oder länger an ihrem derzeitigen Arbeitsort und hat tiefe Wurzeln in der Stadt geschlagen. Was die Geschlechterverteilung betrifft, so machen männliche Fahrer 90% aus, während der Anteil der weiblichen Fahrerinnen 10% beträgt. Aus diesen Zahlen lässt sich grob ein Porträt der “Lieferjungen” des kräftigen, aufstrebenden China der Gegenwart skizzieren: Es handelt sich um eine Gruppe junger Männer ländlicher Herkunft, die seit langem in der Stadt leben und hoffen, sich in der Stadt selbst verwirklichen zu können. Wie sieht das tägliche Leben dieser Lieferjungen aus, wenn sie in die Großstadt gekommen sind und nicht nur Aufträgen hinterherjagen? Welche Art von sozialer Interaktion, Liebesleben, Lebensumständen und persönlichen Plänen haben sie?…“ – aus der Vorstellung gesammelter Interviews „Die chinesische Stadt ernähren“ am 12. Oktober 2020 bei Progressive International externer Link (ursprünglich bei WeChat) über Leben und Arbeit der Fahrrad-Kuriere in der VR China in Zeiten der Epidemie – und danach…  Siehe dazu auch einen Beitrag über Bestrebungen der Kuriere nach gewerkschaftlicher Organisation, einen weiteren über über die Einkommensentwicklung in der VR China und die Epidemie vor allem (wie auch die Kuriere) für junge Menschen aus ländlichen Gebieten und eine Studie über Plattform-Ökonomie generell in der VR China

  • „Food delivery workers need a trade union to push for real change“ am 22. September 2020 beim China Labour Bulletin externer Link meldet, dass verschiedene Reportagen über die Arbeitsbedingungen bei Lieferdiensten gewaltige öffentliche Aufmerksamkeit erreicht haben. Wobei die Empörung offensichtlich so groß war, dass die größten Unternehmen der Branche sich gezwungen waren, Zugeständnisse zumindest zu verkünden – von denen wiederum die Betroffenen sich keineswegs positiv beeindruckt zeigten. Bestrebungen zu organisieren existieren – und der Allchinesische Gewerkschaftsbund hat als Reaktion auf die Entwicklung der Branche die Kuriere zu den 8 Berufsgruppen hinzu genommen, in denen schwerpunktmäßig organisiert werden soll. Wobei in dem Beitrag indirekt die Frage aufgeworfen wird, was das bedeute – über die Tatsache hinaus, dass man Mitgliedsbeiträge bezahlen darf…
  • „Covid 19 und die wachsende Kluft in China“ am 10. Oktober 2020 beim Blog Forum Arbeitswelten externer Link fasst eine Studie das Mercator Institute for China Studies (mit einem Schwerpunkt auf die Entwicklungen im ländlichen Raum) in deutscher Übersetzung zusammen: „… Während die Beendigung der extremen Armut bis Ende 2020 offiziell abgeschlossen sein soll, haben Migranten aus ländlichen Gebieten immer noch niedrige Löhne, die kaum ihre Ausgaben decken, ihre Kinder haben nicht die Möglichkeit, eine angemessene Bildung zu erhalten, und sie werden durch das Hukou-System, die landesweite Haushaltsregistrierung, die festlegt, wo die Bürger leben und arbeiten können und inwieweit sie Zugang zu öffentlicher Wohlfahrt und Dienstleistungen haben, ungerecht behandelt. Die Bewohner ländlicher Gebiete wären entschuldigt, wenn sie sich fragen würden, wie eine „Gesellschaft mit mäßigem Wohlstand“ Millionen von Mitgliedern haben kann, die kaum genug Geld haben, um ihre Familien zu ernähren, und schnell wieder in Armut zurückfallen können. Da Millionen von Migranten vom Land immer noch in den Städten leben und mit erheblichen Problemen zu kämpfen haben, könnten sich die sozialen Spannungen verschärfen – ähnlich wie in mehreren Provinzen im Jahr 2017, als Taxifahrer und Migranten, die an der Lebensmittelversorgung beteiligt waren, wegen der Lohn- und Treibstoffkosten auf die Straße gingen. In einem Bericht des China Labor Bulletin heißt es, dass Chinas Arbeiter ihre Sorgen weiterhin öffentlich zeigen werden, solange es keine angemessenen Arbeitsvermittlungsdienste gibt und die Gehälter niedrig bleiben…“
  • „Chinas digitale Plattformökonomie: Eine Bestandsaufnahme im Kontext von Industrie 4.0“ am 29. Mai 2020 bei MERICS externer Link war eine Auftragsstudie (des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie) eines AutorInnen-Kollektivs, bei der es nicht zuletzt um Geschäftsmöglichkeiten für bundesdeutsche Unternehmen geht, worin aber auch einleitend generell zur Förderung der „Plattform-Ökonomie“ festgehalten wird: „… Chinas Förderung der digitalen Plattformökonomie ist im Zusammenhang mit verschiedenen politischen Initiativen zur Förderung von Innovation zu betrachten. Dazu gehören Initiativen wie „Internet Plus“, „Made in China 2025“ und „China Standards 2035“, eine Strategie für die Entwicklung von Standards für innovative Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI), Cloud Computing, das Internet der Dinge oder Big Data. Die Etablierung digitaler Plattformen für industrielle Anwendungen wird getrieben von unternehmerischen Interessen chinesischer Internetriesen und von staatlichen Anstößen zur Verschmelzung traditioneller Industrien mit fortschrittlicher Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT). Die Industrieproduktion in China ist in vielen Bereichen noch nicht sehr weit entwickelt – das ist einer der Hauptgründe dafür, dass einerseits digitalen Dienstleistungsplattformen florieren, anderer-seits die industrielle Digitalisierung noch in den Anfängen steckt. Erfolgsbeispiele aus China sind die Videoplattform TikTok, das eCommerce-Portal Taobao und die viele Funktionen umfassende Plattform WeChat des Tencent-Konzerns. Auf der anderen Seite nutzen zum Beispiel noch relativ wenige chinesische Unternehmen Cloud-Lösungen. Der Anteil lag laut einer chinesischen Umfrage 2018 lediglich bei 30,8 Prozent (USA: 50 Prozent, Deutschland: 73 Prozent). Chinas Regierung will hier aufholen: eine Million Unternehmen sollen nach ihrem Willen „in die Cloud gehen“, eine entscheidende Voraussetzung für die Nutzung digitaler Plattformen. Ebenso hat sie das Ziel ausgegeben, dass bis 2020 eine weltweit führende digitale Industrieplattform, zehn branchenübergreifende Plattformen und 300.000 industrielle Anwendungen entstehen sollen…
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=179516
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