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Wie „China“ die Epidemie (noch längst nicht ganz) überwunden hat? Kommt darauf an, wen man fragt…

"Capitalism is the Virus" - Statement from IWW Ireland on a class response to Covid-19Den Herrn Trump und die Seinen fragen – ist überflüssig: Da ist China ohnehin an allem auf der Welt schuld, was er mit seinem imperialistischen Kurs anrichtet. Diejenigen fragen, die im Land von „9x9x6 – Jack Ma“ (siehe dazu weiter unten) den Sozialismus sehen, hat auch nicht so viel Wert – da ist alles richtig, auch die verschärfte Ausbeutung. Nicht fragen, aber indirekt zu Wort kommen lassen können wir: Jene, die in einem der Tausenden privater Unternehmen gearbeitet haben, die Pleite gegangen sind – und die jetzt auf die Straße geworfen wurden. Oder jene Bauarbeiter, die in Rekordzeit neue Krankenhäuser gebaut haben – und jetzt rekordverdächtig lange auf ihren Lohn warten müssen. Und jene, die in einem Gesundheitssystem arbeiten, das viel „privater“ funktioniert, als die meisten Menschen hierzulande es sich vorzustellen vermögen und, wie hierzulande, als Helden gefeiert, aber gefährlich leben und schlecht bezahlt werden… Die Epidemie und ihre Auswirkungen in der VR China ist Thema unserer aktuellen Materialsammlung „Epidemie und soziale Klasse in der VR China“ vom 17. Mai 2020:

„Epidemie und soziale Klasse in der VR China“

(17. Mai 2020)

Den Milliardären geht es gut – Was nach dem Wuhan-Höhepunkt der Epidemie an Tiefschlägen für die anderen kam

„Lohnkürzungen als Antwort auf die Coronakrise“ am 09. Mai 2020 beim Forum Arbeitswelten externer Link ist die Übersetzung eines Nikkei Asian Artikels, in dem unter anderem berichtet wird: „… Die meisten Arbeiter haben die Kürzungen aufgrund der schlechten Beschäftigungsaussichten in der vom Virus befallenen Wirtschaft akzeptiert. Die chinesische Regierung, die massive Arbeitsplatzverluste fürchtet, hat Toleranz gegenüber diesem Trend signalisiert. Die chinesische Automobilindustrie, die im vergangenen Monat einen fast 80%igen Umsatzrückgang vermeldete, hat die Löhne besonders aggressiv gekürzt. SAIC Motor, Chinas größter Autohersteller mit Sitz in Shanghai, verhandelt seit Anfang dieses Monats mit den Beschäftigten und führt Informationsveranstaltungen innerhalb der Unternehmensgruppe durch. SAIC Maxus Automotive, eine Tochtergesellschaft für Sport Utility Vehicles, wird Berichten zufolge die leistungsabhängigen Löhne, die 35% der Gesamtlöhne ausmachen, kürzen. Auch andere Leistungen stehen auf dem Spiel. Auf Anfrage des Nikkei bestätigte SAIC Maxus, dass die Gehaltskürzungen in erster Linie für Führungskräfte gelten werden. Das Unternehmen sagte jedoch, dass die Beschäftigten an der Produktionsstraße davon nicht betroffen sein werden und dass die Grundlöhne nicht geändert werden. Es wird erwartet, dass der der SAIC angeschlossene Automobilzulieferer Shanghai Huizhong Automotive Manufacturing ab diesem Monat die Löhne um rund 20% kürzen wird. Angesichts des Einbruchs der Autoverkäufe im vergangenen Monat wird das Unternehmen der Sicherung der Kassenbestände Priorität einräumen. Der Einzelhandelssektor kompensiert den Coronavirus-Effekt ebenfalls durch Senkung der Lohnkosten. Miniso, das Einzelhandelsgeschäfte innerhalb und außerhalb Chinas betreibt, sagte, es werde die Löhne im März um 30-50% senken. Beschäftigte, die zu Hause bleiben müssen, werden 30% des normalen Lohns erhalten. Auch die Tech-Branche ist nicht immun. Der Online-Gebrauchtwagenhändler Uxin Group hat Lohnkürzungen zwischen 20% und 30% beschlossen…

„Coronakrise und Arbeitslosigkeit in China“ am 16. April 2020 ebenfalls beim Forum Arbeitswelten externer Link dokumentierte einen Bericht (ursprünglich im Tagesspiegel), worin berichtet wird: „… Die Coronavirus-Pandemie sorgt nach Angaben der Nationalen Statistikbehörde für den größten Anstieg von Arbeitslosigkeit in China seit mehr als zwanzig Jahren. Die Zahl der Arbeitslosen stieg  im Februar auf 6,2 Prozent. Im Januar und Dezember vergangenen Jahres  lag die Quote noch jeweils bei knapp über fünf Prozent. Mao Shengyong, ein Sprecher der Statistikbehörde geht zwar davon aus, dass die Zahl der Arbeitslosen in der zweiten Hälfte des Jahres wieder fallen könnte, doch das Ministerium für Humanressourcen und  Soziale Sicherung meldete, dass allein in den ersten beiden Monaten dieses  Jahres fünf Millionen Jobs aufgrund der Auflagen zur Eindämmung des Coronavirus weggefallen sind. Auch die Aussichten für den Arbeitsmarkt und damit für die gesamte wirtschaftliche Erholung der Volksrepublik sind nicht besser. Dan Wang vom Beratungsunternehmen  Economist Intelligence Unit geht sogar davon aus, dass allein in diesem  Jahr noch 22 Millionen Menschen ihre Jobs verlieren werden. Nur knapp  die Hälfte davon wäre berechtigt Arbeitslosenunterstützung zu bekommen.  (…) Über 200 Millionen Wanderarbeiter haben gar keinen Anspruch auf Unterstützung vom Staat, da ihre Arbeitgeber häufig keine Abgaben an die Sozial- oder Krankenversicherung für sie zahlen. Diese Gruppe konnte unter den strengen Quarantänemaßnahmen und auch nach der schrittweisen  Öffnung der Fabriken, nicht gleich wieder an ihre Arbeitsplätze  zurückkehren und hatten Wochen lang keine Einkünfte…

„Class and the coronavirus: as China’s wealthy cut back on life’s luxuries, the nation’s poorest are in a fight for survival“ von Jane Cai, He Huifeng und Zhuang Pinghui am 15. Mau 2020 in der South China Morning Post externer Link berichtet von den Klassenunterschieden bei den Auswirkungen der Epidemie unter anderem, dass die offiziellen Erwerbslosen-Statistiken nur in insgesamt 31 Städten erhoben werden – und dass allgemein angenommen wird, die Auswirkungen in eher ländlichen Gebieten seien noch weitaus heftiger. Es werden im Verlauf des Beitrags dann auch einzelne Schicksale kurz angedeutet: Die Haupternährerin der Familie, die entlassen wurde und wie sie damit versuchen, umzugehen – und due Managerin, die immerhin einen Weg für Einsparungen gefunden hat: Sie kündigte dem „Hausmädchen“…

„An Exploratory Research on Work Resumption in Guangdong Province during the Outbreak of COVID-19“ am 17. April 2020 bei Worker Empowerment externer Link ist eine kurze Studie – eine sozialwissenschaftliche Befragung von Wanderarbeitern in der Provinz Guangdong, die sehr detailliert unterschiedliche Erfahrungen aufbereitet –, die aber insgesamt ziemlich deutlich macht, dass sich relativ wenige Unternehmen an die behördlichen Vorgaben halten, ohne dass es irgendwelche Konsequenzen gäbe…

„Food delivery jobs put bread on the table for Chinese confronted with pandemic crisis and unemployment“ von Mandy Zuo am 03. Mai 2020 in der South China Morning Post externer Link berichtet davon, dass viele Entlassene – oder auf unbezahlte Kurzarbeit gesetzte – vorübergehend einen Job als Essenskurier angenommen haben: Die Lieferdienste hatten vor allem während der Ausgangssperre auch in China großen Bedarf an zusätzlichen „Arbeitskräften“ – und boten die ebenfalls auch anderswo bekannten miesen Arbeitsbedingungen…

Construction workers who helped built the coronavirus hospital in Wuhan, China have been denied their wages and being beaten when they followed up on their missing pay packetsam 15. April 2020 im Twitter-Kanal von Mandy Lee externer Link verbreitet eine (chinesische) Meldung aus Nextmedia über die Bauarbeiter, die – weltweit beachtet – ein neues Krankenhaus in Wuhan gebaut hatten. Ihre Löhne wurden nicht ausbezahlt – und ihrem daraufhin organisierten Protest begegnet, wie anderswo auch: Mit Polizeirepression.

„Poor Attitudes towards the Poor: Conceptions of Poverty among the Rich and Powerful in China“ von Jasmine Wang am 27. Juli 2019 bei Made in China externer Link war – offensichtlich vor der Epidemie, wie am Datum zu sehen ist – ein Beitrag darüber, wie die Reichen in China die Armen sehen. Jetzt einmal davon abgesehen, dass es immer noch Unbelehrbare gibt, die diese „Armen“ eigentlich (eigentlich eben) als die „herrschende Klasse“ in der VR China sehen müssten, ist die Sicht der chinesischen Bourgeoisie – auch nicht anders, als in anderen Kapitalismen…

Eine Welle von Protesten nach Aufhebung der Ausgangssperren – was auch mit dem „üblichen Verhalten“ der Gewerkschaft in der Krise zu tun hat

„Coronavirus (China) : police, public clash as border reopens between Hubei and Jiangxi provinces“ von Sidney Leng am 28. März 2020 in der SCMP externer Link berichtet (mit Fotos) von den Versuchen der Polizei, die Menschen „abzuwehren“, die nach der Aufhebung der Ausgangssperre in Hubei (Wuhan) zurück nach Hause wollten – die Nachbarprovinz wollte sie nicht da haben…

„#China: Post – #Lockdown Revolt“ am 27. März 2020 bei Enough is Enough externer Link ist ein Videobericht von eben diesen oben verlinkten Auseinandersetzungen an der Brücke, die die Provinzgrenze ist.

„Les ouvriers du port de Zhanjiang dans la province de Guangdong ont bloqué les routes pour exiger le paiement des salaires“ am 02. April 2020 im Twitter-Kanal von Conseils Ouvriers externer Link ist die knappe Zusammenfassung eines chinesischen Berichts im China Labour Bulletin über den Protest der Hafenarbeiter in Guangdong gegen die Nichtausbezahlung ihrer Löhne.

„Strike Map 379 Incidents in the last six months“ bis zum 14. Mai 2020 beim China Labour Bulletin externer Link gibt zwar einen Gesamtüberblick über Streiks und Proteste der letzten 6 Monate, bei konkreter Nachverfolgung können seit Anfang März 2020 insgesamt 45 Auseinandersetzungen hervorgehoben werden, die wegen der Auswirkungen von Epidemie und Ausgangssperre stattfanden – in Industrie und Dienstleitungen, von Taxifahrern bis zu IT-Beschäftigten.

„Collective protests begin to flare up again as China returns to work“ am 20. März 2020 bei Alternativen Gewerkschaftlichen Netzwerk für Solidarität und Kampf externer Link ist nicht nur eine Unterstützungserklärung für die Kämpfe nach dem Ende der Ausgangssperre in China, sondern gibt auch einen sehr knappen Einblick in einige dieser Kämpfe, unter anderem in Krankenhäusern.

„Changing Employment Relations and Labour Agency in the Tech Industry“ von Li Xiaotian am 18. Juni 2019 bei Made in China externer Link ist ein Betrag zur Anti 996 – Bewegung, die sichtbare Auswirkungen auf folgende Auseinandersetzungen hatte und weiterhin hat. 996-ICU – die Namensgebung war Programm: Wer von 9 bis 9 an sechs Tagen die Woche arbeiten muss – muss eben dann auch auf die Intensivstation (Intensive Care Unit – ICU). 996 aber war die Reaktion der riesigen IT-Branche in China auf das Ende des Ultra-Booms mit Zehntausenden von Entlassungen und eben massiver Anhebung der Arbeitszeit für die „übrig gebliebenen“. Der Protest wurde zu einer regelrechten gesellschaftlichen Bewegung, als Typen wie Jack Ma öffentlich für die hemmungslose Arbeitshetze eintraten – mit der frechen Behauptung, diese langen Arbeitszeiten seien „ein Segen“ für junge Beschäftigte des Sektors. Im Verlaufe dieser Auseinandersetzung – die keineswegs beendet ist – wurde ein weiteres Mal deutlich, dass dieser ganz offene und direkte Bruch der Arbeitsgesetze für die wirklich Mächtigen im Land keinerlei Folgen hat (in diesen Tagen im Mai 2020 liegt der Vergleich nahe zum ebenso frechen Vorgehen des Tesla-Oberbosses in den USA).

 „How have China’s trade unions responded to the coronavirus crisis?“ am 07. April 2020 im China Labour Bulletin externer Link ist eine Art Bestandsaufnahme des Wirkens des offiziellen Gewerkschaftsbundes in der Corona-Krise. Diese Zwischenbilanz basiert auf Gesprächen mit den örtlichen Leitungen von sechs Bezirken der All-China Federation of Trade Unions (ACFTU), die – in einem Fall – regionale dreiseitige Verhandlungen organisierten, ansonsten aber vor allem untätig blieben – wobei der Beitrag, der auch einen (chinesischen) Newsletter zum Thema vorstellen soll, damit abschließt zu bemerken, dass die Menschen in China ganz offensichtlich nicht darauf warten, dass der ACFTU irgendwie aktiv werde.

„A trade union in lockdown“ am 04. Mai 2020 ebenfalls beim China Labour Bulletin externer Link untersucht die Rolle der Gewerkschaft in Wuhan während der Ausgangssperre. Dabei geht es auch in China, auch in Wuhan, um all die „Helden“, deren Loblieder allgemein gesungen werden – ohne dass sie auch nur normal behandelt würden, im Gegenteil, wurden ihre Rechte in Krankenhäusern und bei Hygiene-Einsätzen mit Füßen getreten, während die Gewerkschaftsfunktionäre damit beschäftigt waren, der Stadt bei Ausweiskontrollen und Fiebermessungen zu helfen…

Gesellschaftliche Probleme, Debatten und Auseinandersetzungen rund um die Epidemie

„Dem Rest der Welt Wochen voraus“ von Fabian Kretschmer am 15. April 2020 in der taz online externer Link berichtet von der „Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit“ unter anderem: „… Denn bei der Bekämpfung des Virus ist Peking dem Rest der Welt um einige Wochen voraus: Vor über einem Monat ist die Wachstumskurve an Neuinfektionen bereits drastisch abgeflacht, seither gilt die Gefahr durch Covid-19 als vorübergehend unterdrückt. Derzeit gibt es laut den offiziellen Statistiken nur mehr knapp 1.200 aktive Fälle. Von den insgesamt über 82.000 Infizierten Chinas ist der absolute Großteil geheilt. Inzwischen hat Präsident Xi Jinping den Fokus auf die graduelle Öffnung der Wirtschaft gelegt, die nun zaghaft erprobt wird. Es ist ein Balanceakt zwischen der Gesundheit der Bevölkerung und der ökonomischen Leistung, bei der die Kommunistische Partei bislang konservativ vorgegangen ist. Die Angst vor einem Neuausbruch des Virus sitzt tief in den Köpfen der Kader, nicht zuletzt, weil eine zweite Infektionswelle im bevölkerungsreichsten Land der Welt mit einem nach europäischen Maßstäben nur rudimentär entwickeltem Gesundheitssystem verheerende Folgen haben könnte. Dennoch möchte die Zentralregierung dieses Spannungsfeld nicht als Widerspruch wissen: Denn die Folgekosten von Massenarbeitslosigkeit und bankrotten Unternehmen könnten ähnlich bedrohlich wie die Viruspandemie sein. Nach einem historischen Einbruch im Januar und Februar, bei dem viele Konjunkturdaten um über 20 Prozent einsackten, wächst die Wirtschaft nun wieder. Laut den Prognosen des Internationalen Währungsfonds wird China dieses Jahr ein Wachstum von lediglich 1,2 Prozent erreichen, ursprüngliche Zielsetzung waren 6 Prozent. 2021 werde es dann zu einem V-förmigen Anstieg auf 9,2 Prozent Wachstum kommen. Die langsame Rückkehr in Richtung Normalität macht sich beispielsweise bei deutschen Autoherstellern bemerkbar, die stark vom chinesischen Markt abhängig sind. Nach einem katastrophalen Jahresbeginn lässt sich mittlerweile ein „Rebound“-Effekt beobachten: Daimlers Finanzchef Harald Wilhelm sagte unlängst, der chinesische Markt sorge dafür, dass das Unternehmen trotz der schwachen Lage in Europa einen Gewinn im ersten Jahresquartal erzielen könne. Man befinde sich in China seit März schon fast wieder im Normalzustand. Stephan Wöllenstein, China-Chef für Volkswagen, sagte in einem Interview mit dem Wall Street Journal, dass man bis Juni die Produktion wieder auf Vorjahresniveau bringen werde...“

„Coronavirus: nearly half a million Chinese companies close in first quarter as pandemic batters economy“ von Sidney Leng am 06. April 2020 in der SCMP externer Link berichtet, dass offiziell insgesamt 460.000 Unternehmen in der VR China als Folge des Virus schließen mussten. Wie viele davon Insolvenz oder sonstiges erklären, werde sich noch in den jeweiligen – laut Autor sehr komplizierten – juristischen Bearbeitungen der Schließungen zeigen müssen.

„China vows to unleash deep market-oriented reforms in new policy directive as economic uncertainty grows“ von Zhou Xin , Frank Tang und Orange Wang am 10. April 2020 in der SCMP externer Link berichtet über die Bedeutung der Beschlüsse des ZK der KP Chinas vom Vortag, der Orientierung ebenso eindeutig ist, wie in der Überschrift angedeutet: Der „Markt“ soll es richten. Es sind die wirtschaftlichen Probleme als Folge des „lockdown“ – inklusive etwaiger internationaler Veränderungen in den vielbeschworenen Lieferketten. Und der „Markt“ bedeutet: Es wird unter anderem erleichtert, Land zu kaufen und verkaufen – auch Städte und andere Verwaltungseinheiten sollen in ländlichen Gebieten aufkaufen können zur künftigen Entwicklung. Außerdem wird bekräftigt, dass die Orientierung von 2013, mehr flexible Regelungen von Beschäftigung auch in den staatlichen Unternehmen einzuführen nach wie vor gelte und jetzt erst recht weiter verfolgt werde.

„Zuruf aus China: Kaufte China dem Westen Zeit?“ von Gustav bei wildcat externer Link (mit dem letzten Update vom 24. März 2020) berichtet unter vielem anderem: „… Chinas Bilanz in Sachen frühzeitiger Seuchenbekämpfung und Prävention ist bekanntlich beschissen (SARS, Afrikanische Schweinepest). Und im Februar sind »im Westen« viele Artikel erschienen, die geradezu herablassend die Abwesenheit von parlamentarischer Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Mehrparteiensystem für die »chinesische Unfähigkeit« verantwortlich machten, Seuchen frühzeitig und transparent zu bekämpfen. Das diente der Verteidigung der (in Wirklichkeit immer eher ungleicher und repressiver werdenden) liberalen Demokratien. Daher kam der Impuls des NYT-Autors und von Mike Davis, darauf hinzuweisen, dass auch außerhalb von China jede Menge Scheiße, Schlamperei und Brutalität im Zusammenhang mit dem Virus stattfindet. Inzwischen hat sich der Wind gedreht und viele Massenmedien loben »China« gerade wegen seines drakonischen Umgangs mit den Menschen – und an der Stelle werden solche Argumente nicht nur abstrus, sondern gefährlich. Die Staatsführung in China ist ja nicht deshalb so unfähig (bzw. fähig im Vertuschen, Zensieren, Unterdrücken und Ausbeuten), weil sie sich Kommunismus auf die roten Fahnen schreibt und keine freien Wahlen abhält, sondern weil die hierarchische Organisierung der Gesellschaft zum Zweck der Ausbeutung der Vielen zum Wohle von Wenigen höchst irrational und unmenschlich ist und sich nicht ernsthaft um das menschliche Leid kümmert, das sie anrichtet. Die KPCh hat von Mitte Dezember bis zum 20. Januar in Wuhan hunderte Ärzte und Pfleger durch polizeiliche und disziplinarische Mittel davon abgehalten, sich gegenseitig über die erhöhte Ansteckungsgefahr eines neuen Virus zu informieren. Ich stelle mir vor, dass es unter Ärzten und Pflegern so normal und selbstverständlich ist, sich über eine neue Krankheit oder eine Viruswelle zu informieren, wie man sich auf dem Bau vor einer ausgeschlagenen Säge oder einem allzu wackeligen Gerüst warnt. Die Fähigkeit der KPCh, in Wuhan und anderswo Zensur und Unterdrückung in solchem Ausmaß zu organisieren, ist Ausdruck ihrer Machtkonzentration. Extreme materielle Ungleichheit, Gewalt gegen Untergebene und insbesondere Frauen, eine hohe Rate an Arbeitsunfällen etc. sind die alltäglichen Konsequenzen. Dieses Machtmonopol sollte man mitnichten als »perfektesten Überwachungsstaat« halluzinieren. Im Gegenteil läuft das chaotisch, selbstherrlich und über informelle Beziehungen ab, jedes Rädchen im Getriebe macht seine eigenen Nebengeschäfte und niemand berichtet seinem Vorgesetzten die ganze Wahrheit. Weil die arbeitenden Menschen auch durch Zensur und Versammlungsverbote entmachtet sind und die Organisationseinheiten in China vergleichsweise groß sind, nehmen Unfälle und Katastrophen entsprechend große Ausmaße an. Das alles kommt in den »liberalen Demokratien« genauso vor; in europäischen Ländern wäre es den regierenden Parteien jedoch wahrscheinlich nicht möglich gewesen, die Warnungen von Ärzten und Pflegern so lange und effektiv wie in Wuhan zu unterdrücken. Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Versagen bei Seuchenfrüherkennung und -bekämpfung auch in der Vergangenheit und der krassen Ausnutzung von Macht- und Ausbeutungsinstrumenten. Die Herrschenden verteidigen ihr Klassenprivileg im Ausnahmezustand noch krasser. Die Seuche(nbekämpfung) macht gerade nicht »alle gleich«, sondern verschärft die gesellschaftlichen Ungleichheiten. Arbeiter ohne formelles Arbeitsverhältnis werden viel härter getroffen als solche mit; Staatsangestellte oder gut ausgebildete Angestellte großer Konzerne können oft ohne große Beeinträchtigungen im Home Office weiterarbeiten und müssen sich wenig Sorgen um ihr Monatsgehalt machen; Reiche verlieren vielleicht etwas Vermögen, leben aber in ihren Häusern kaum beeinträchtigt weiter, haben sehr privilegierten Zugang zu Informationen, Vorsorge und Behandlung – und können mit ihren Achtzylindern endlich auf leeren Straßen richtig brettern (kein Witz!). Auch bei der Quarantäne wird nach der Rückkehr in die Küstenstädte zwischen Wohneigentümer und Mieter unterschieden. Eigentümer dürfen sich in der eigenen Wohnung selbst isolieren, Mieter dürfen nicht zurück und müssen zwei Wochen in Quarantänehotels, für die sie auch noch selbst bezahlen müssen. Diese Aufrechterhaltung bzw. Verschärfung der Ungleichheit zur Sicherung der Herrschaft wäre natürlich Grund für Opposition, aber das war hier jenseits von Symbolik schwierig. Vielleicht klappt das ja in Europa besser! Meine Freunde in Hongkong hielten das Containment in Hubei bereits zu Beginn für Theater und für zum Scheitern verurteilt. Meine Freunde in Festlandchina hingegen halten die Aufgabe strikter Containment-Politik in einigen europäischen Ländern für unverantwortlich und schockierend. Mein Eindruck ist, dass viele Chinesen die Parteipropaganda, das Selbstlob, die Kritik an anderen Ländern als lasch und unentschlossen ganz gern schlucken, aber sie haben auch keine andere Wahl…“

„Wie China Covid-19 eindämmte“ in Inprekorr 580 externer Link ist ein Interview mit Kevin Lin, in dem dieser unter anderem zum Gesundheitssystem und zu Erscheinungen der Selbstorganisation in China ausführt: „… Chinas Gesundheitssystem hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Es entstand aus dem maoistischen universellen Gesundheitssystem, das Gesundheitsversorgung trotz Unzulänglichkeiten in Bezug auf die Qualität der Versorgung für alle kostenlos zur Verfügung stellte. In der Mao-Ära verbesserten Kliniken, die mit städtischen Arbeitsplätzen verbunden waren, und Barfußärzte auf dem Land die Ergebnisse der Gesundheitsversorgung. Seit den 1980er Jahren hat der kapitalistische Wandel dieses System allmählich abgebaut und durch ein kommerzialisiertes System ersetzt. Die Regierung strich Subventionen und machte die Krankenhäuser für ihre eigenen Einnahmen verantwortlich. Dies führte zur Korruption von Mediziner*innen, die anfingen, nach Profiten und Schmiergeldern von Pharmaunternehmen zu jagen, was zu einem ernsthaften Rückgang des öffentlichen Vertrauens in Krankenhäuser und Ärzt*innen führte. In den 1990er und 2000er Jahren waren die Medien voller Horrorgeschichten über schwerkranke Patient*innen, die von Ärzt*innen abgewiesen wurden, weil sie sich die Behandlungsgebühren nicht leisten konnten. In den letzten Jahren hat die Regierung diese Probleme als sozial explosiv anerkannt und die Krankenversorgung für die Bevölkerung ausgeweitet; doch die Hindernisse für den Zugang von Wanderarbeiter*innen zu einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung bleiben bestehen. (…) Trotz alledem mobilisierten chinesische Bürger, um Schutzausrüstung zu kaufen und an Krankenhäuser und medizinisches Personal zu spenden, und um Freiwillige zu unterstützen, die sich um die am stärksten gefährdeten Menschen in der Gesellschaft kümmerten. Eine Kampagne von Feminist*innen gegen häusliche Gewalt hat dazu beigetragen, ein Problem zu beleuchten, das durch die Ausgangsbeschränkungen verschlimmert wurde. Dies ist definitiv ein Moment des politischen Erwachens für die Menschen, insbesondere für junge Menschen. Das Ausmaß der Pandemie und der unnötige Verlust einer großen Anzahl von Menschenleben machten unweigerlich alles politisch, so wie es auch anderswo geschah. Wenn junge Menschen in der Lage sind, ihre Energie nach der Krise in fortschrittliche Bemühungen zu lenken, können die seit vielen Jahren geschwächten Bewegungen wieder aufleben…“

„Left to Rot: The Crisis in China’s Pension System“ am 02. März 2020 bei Chuang externer Link ist in Wirklichkeit ein von der Redaktion einleitend kommentierter Beitrag von Jiangxia vom Februar 2019, der sich zwar vor allem mit den Rentensystem in der VR China befasst, dies aber im Rahmen einer Analyse der „fünf Versicherungen“ tut – wozu neben der Rente auch Krankenversicherung, Mutterschaftsurlaub, Unfallversicherung und Erwerbslosenversicherung gehören. Dabei stehen mehrere Fragen immer wieder im Zentrum der Beachtung – nicht zuletzt die sozialen Probleme eines Lebens als Wanderarbeiter, die sich eben auch in einer wesentlich schlechteren Versicherungssituation niederschlagen. Auch hier ist eine Entwicklung auffällig, die sich aufgrund eines Beschluss der KP China Mitte 2018 abgespielt hat: Als hervor gehoben wurde, die Steuerbehörden müssen rigider Vorgehen beim Eintreiben der Sozialversicherungsbeiträge kam eine große Klagewelle von Unternehmen in die Öffentlichkeit: Dutzende beschwerten sich lauthals, dass sie am Abgrund stünden, wenn sie alles aus den letzten Jahren nachbezahlen müssten. Was sowohl bedeute, dass sie lügen und betrügen – als auch, wie sich einmal mehr im Folgenden gezeigt habe: Dass sie das vollkommen ungestraft tun können. Ähnliche Erscheinungen, so wird in dem Beitrag verschiedentlich angedeutet, gebe es auch in den vier anderen Bereichen der fünf Sozialversicherungen – zu all diesen sollen ja auch die Unternehmen ihren Beitrag leisten (jeweils – auf dem Papier – deutlich größer als der Anteil, den die Beschäftigten einbezahlen müssen).

„Coronavirus: Entspannte Stimmung in Peking – Bis die Streife kommt“ von Fabian Kretschmer am 16. Mai 2020 in der FR online externer Link über einen Hinweis auf die aktuelle Stimmung in der (weit von Wuhan entfernten) Hauptstadt – wobei auch einiges „Hintergründiges“ vorscheint: „… Vom normalen Umsatz sind wir noch weit entfernt“, murrt der Besitzer des „Paddy’s“, ein geselliger Franzose mit Bierbauch und stets einem Pint Cider in Reichweite. Ob er sich nicht glücklich schätzen kann, derzeit in Peking zu sein? „Wir mussten immerhin niemals schließen“, sagt der Mittvierziger. Der Staat habe zudem die Steuern gesenkt und die Sozialabgabenpflicht gestrichen. Überleben werde man, so viel sei sicher. Die undurchsichtigen und willkürlichen Regeln der chinesischen Bürokratie hingegen frustrieren den Gastronom jedoch sichtlich: „Das ist China. Auch wenn etwas heute ok ist, kann morgen schon jemand kommen und dir sagen, das ist verboten.“ Die schlimmste Phase der Epidemie hat das Land wohl überstanden: Am Mittwoch bestätigte die Gesundheitskommission nur 15 Neuinfizierte. Aus Sorge vor einer zweiten Welle jedoch lassen die Behörden nach sechs Fällen in Wuhan sämtliche elf Millionen Einwohner der Region auf das Virus testen, und auch im Nordosten des Landes haben die Städte Jilin und Shulan strikte Restriktionen verhängt. Witze über das Virus sind kein Problem, überhaupt hat Stand-up-Comedy auch in China etwas Subversives. Einzig: Über den chinesischen Präsidenten Xi Jinping werden keine Witze gemacht. ..“

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=172549
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