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[Fast-Fashion aus China] Wo die Billigmode der Generation TikTok genäht wird: Schuften für Shein

Romero: Fast Fashion Dossier – Eine Bilanz in 3 TeilenMit einer riesigen Palette an unverschämt günstigen Artikeln und offensivem Auftritt in sozialen Netzwerken läuft der Onlinekleiderhändler Shein Branchengrössen wie H&M und Zara in der Gunst um Geld und Gefühle junger Frauen den Rang ab. So grell die Marke auftritt, so undurchsichtig bleibt die Firma dahinter. Eine Spurensuche – bis in die verwinkelten Gassen der chinesischen Millionenstadt Guangzhou, wo Tausende von Arbeiter*innen bis zu zwölf Stunden am Tag den Stoff vernähen, aus dem die Teenie-Träume sind. (…) Shein sei ein «internationaler B2C Fastfashion Onlinehändler», heisst es dort. «B2C», kurz für «Business to Consumer», bezeichnet die direkte geschäftliche Beziehung zwischen einem Unternehmen und Endkonsument*innen. (…) Bezahlt werden auch sie pro Stück, ein Grundgehalt gibt es ebenso wenig wie eine Überzeitentschädigung, sie arbeiten elf Stunden am Tag, haben ein bis maximal zwei freie Tage pro Monat, einen Arbeitsvertrag gibt es nicht. Auch Sozialversicherungsbeiträge würden keine einbezahlt…“ Umfangreiche Recherche von Public Eye am 18. August 2023 im untergrund-blättle.ch externer Link und dazu:

  • Illegale Arbeitszeiten und Akkordlöhne: Gespräche mit Fabrikangestellten widerlegen Sheins Verbesserungsversprechen New
    „Zwei Jahre nach unserer Pionierrecherche in Sheins südchinesischen Produktionsbetrieben zeigt eine Nachrecherche, was die Nachhaltigkeitsrhetorik des Online-Moderiesen wert ist. Illegale Arbeitszeiten und Akkordlöhne prägen weiter den Alltag der befragten Arbeiter*innen. Entsprechend zweifelhaft wirkt ein von Shein beauftragtes Fabrik-Audit. Misstrauen weckt der unter Druck geratene Wegwerfmode-Konzern zudem durch seine undurchsichtigen Finanzen und den von der Bildfläche verschwundenen Gründer. «Ich arbeite täglich von 8 bis 22:30 Uhr und habe einen Tag im Monat frei. Mehr freie Tage kann ich mir nicht leisten, die Kosten dafür sind zu hoch.» Das berichtet ein Mann, der seit über 20 Jahren an Nähmaschinen sitzt und zum Zeitpunkt der Befragung im Akkord die besonders gut sichtbaren Umschlagnähte für Shein-Produkte anfertigte. Unsere Recherchepartner trafen ihn und 12 weitere für Zulieferer des chinesischen Ultra-Fast-Fashion-Konzerns tätige Textilarbeiter*innen im Spätsommer 2023. Und zwar in Produktionsstätten, die ein wenig westlich von Nancun Village, aber immer noch in der südchinesischen Metropole Guangzhou liegen. (…) An den sechs diesmal besuchten Produktionsorten fanden sich wieder mehrheitlich kleine Werkstätten mit 40-80 Beschäftigten, es gab aber auch zwei grössere Fabriken mit bis zu 200 Angestellten. Hier wie dort berichten die Befragten über durchschnittliche Tagesarbeitszeiten – abzüglich Mittags- und Abendessenspause – von 12 Stunden, und zwar zumindest an sechs, meist aber sogar sieben Tagen die Woche. Bei einem Betrieb wurde eine verbindliche Nachtschliessung festgestellt – allerdings auch erst um 23 Uhr. Das horrende Pensum des eingangs zitierten Arbeiters scheint also weiterhin die Norm zu sein, sprich: Die uns vor zwei Jahren aufgedeckten 75-Stunden-Wochen scheinen bei Shein immer noch gängig zu sein. In seiner ausführlichen Reaktion* auf diesen Befund und unsere Fragen schreibt der Konzern, lange Arbeitszeiten seien ein bekanntes, langfristiges Problem. Gemäss ihrem Verhaltenskodex für Zuliefererbetriebe dürfte wöchentlich nicht mehr als 60 Stunden (inkl. Überstunden) gearbeitet werden. Ausserdem müssten die Angestellten mindestens einen Tag pro Woche frei haben. Auch bei den Löhnen gab es laut den Befragten kaum Veränderungen. Sie erzählen von ähnlichen Verdiensten wie jene, die schon in den Interviews 2021 genannt wurden. Je nach Fabrik, Jahreszeit und Expertise (und nur inklusive der exzessiven Überstunden!) schwanken die Löhne der einfachen Arbeiter*innen zwischen 6’000 und 10’000 Yuan pro Monat (entspricht 765 – 1240 CHF), wobei es starke saisonale Schwankungen gibt und das Salär nach wie vor von der gefertigten Stückzahl abhängt. (…) Intransparent bleibt Shein auch bezüglich seiner Struktur, Gewinne und Eigentümer*innen. Marktpräsenz in über 150 Ländern, 19 Büros mit 11’000 Angestellten, Kooperationen mit 4600 Designer*innen und mehr als 5000 Lieferanten: Das sind die spärlichen Unternehmenszahlen, die Shein auf seiner Webseite veröffentlicht. Für einen Weltkonzern, der sich angeblich auf den Börsengang vorbereitet und diesen Januar laut Bloomberg 45 Milliarden Dollar wert gewesen sein soll, sind das äusserst dürftige Fakten. (…) Den wirksamsten Hebel zur Behebung der aufgezeigten Missstände haben aber Parlamente und Regierungen. Bei unserer Pionierrecherche 2021 war Shein noch ein recht neues Phänomen. Drei Jahre später aber kann die Politik die Probleme, welche der Konzern verursacht, nicht mehr ignorieren – auch weil Temu inzwischen in die Online-Fussstapfen von Shein getreten ist, mit einer noch grösseren Palette an Billigstwaren. Tatsächlich zeigen diverse Vorstösse in Frankreich, der EU, den USA wie auch der Schweiz: Die Gesetzgeber*innen sind alarmiert. Doch haben sie auch den Mut, die Fast-Fashion-Konzerne endlich effektiv in die Schranken zu weisen? Und das nicht bloss mit einem schwachen «Lex-Shein», um der unter Druck geratenen Modebranche die Billigkonkurrenz aus China vom Hals zu halten. Sondern ganz grundsätzlich. Denn was es braucht, ist eine Modeindustrie, in der niemand mehr im 12-Stunden-Akkord Kleider nähen muss, die erst rund um die Welt geflogen werden und dann kaum getragen im Müll landen.“ Beitrag von Oliver Classen und David Hachfeld vom 14. Mai 2024 bei publiceye.ch externer Link

Siehe auch:

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=214453
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