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Die Demokratiebewegung in Chile geht weiter: Gemeinsam mit einer wachsenden Hunger-Revolte
„… Seit Anfang der Woche kommt es überall in Chile, insbesondere in der Hauptstadt Santiago, zu Kämpfen gegen die Ausgangssperren und für die Versorgung mit Lebensmitteln. Aufgrund der strengen Ausreisebeschränkungen kann ein großer Teil der Menschen ihre Arbeit nicht verrichten und keine Geldmittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts erhalten, so dass die Menschen hungern. Aber es gibt zunehmend Widerstand dagegen. Die Proteste begannen am Montag in der Gemeinde El Bosque in der Nähe von Santiago. Wütende Demonstranten errichteten Barrikaden und setzten Reifen in Brand. Die eingesetzten Polizeikräfte griffen die Massen mit Wasserwerfern und Tränengas an, das Volk antwortete mit Steinen. Außerdem wurde ein Fleischladen geplündert. In der darauffolgenden Nacht wurden in mehreren Stadtteilen Santiagos weitere Barrikaden errichtet und in Brand gesteckt, und auch zwei Busse wurden niedergebrannt. Im Laufe der Woche gab es immer wieder Berichte über weitere Proteste im ganzen Land. (…) Die Regierung hat zwar Nahrungsmittelhilfspakete für die Armen versprochen, aber diese kommen nicht überall an und reichen bei weitem nicht aus...“ so der Überblick „CHILE: Kämpfe für Nahrung“ am 24. Mai 2020 bei Dem Volke dienen über die massiven Hungerproteste, die sich von Santiago ausgehend verbreiten. Siehe zu Beginn und Entwicklung der Hungerproteste sowie zur Reaktion der rechten Regierung Chiles darauf drei weitere aktuelle Beiträge:
- „Hunger in der Hauptstadt“ von Sophia Boddenberg am 22. Mai 2020 in der taz online zur Entwicklung der Proteste: „… Die Proteste beginnen am Montag in der Gemeinde El Bosque. Barrikaden werden errichtet, Reifen angezündet, eine Metzgerei geplündert. „Das Problem ist nicht die Quarantäne, sondern die Abwesenheit des Staats, der sich nicht um sein Volk kümmert“, sagt einer der Protestierenden. „Wir können nicht arbeiten, wir haben kein Einkommen, keine Lebensmittel und es gibt keine Hilfe, was sollen wir denn machen?“, ein anderer. Sie tragen Schutzmasken aus Stoff. Dass Menschenansammlungen die Verbreitung des Coronavirus beschleunigen, wissen sie. Aber es sei eben die einzige Möglichkeit, sich Gehör zu verschaffen. (…) Am Abend brennen Barrikaden in weiteren Stadtvierteln, zwei Busse werden angezündet. An den Fenstern schlagen die Menschen in der ganzen Stadt aus Protest mit Löffeln auf leere Kochtöpfe. Die Gemeinde El Bosque wird jetzt von Soldaten bewacht. „Die Hungrigen bitten um Brot, Blei gibt ihnen die Miliz“, sang einst Violeta Parra. Heute steht dieser Satz wieder an den Wänden Santiagos. Die Regierung von Präsident Sebastián Piñera hat vor einer Woche eine strikte Quarantäne über die Hauptstadt Santiago verhängt, weil das Coronavirus sich rasant ausgebreitet hat. Mehr als 53.000 Menschen haben sich bisher angesteckt, die Zahl der täglichen Neuinfektionen liegt mittlerweile bei über 4.000. Es gibt kaum noch Intensivbetten in den Krankenhäusern, weshalb Erkrankte aus der Hauptstadt in Krankenhäuser anderer Regionen ausgeflogen werden. Besonders viele Infektionen gibt es in den Armenvierteln von Santiago, weil es dort nicht genug Wohnraum gibt und die Leute sehr beengt dicht an dicht leben. Die Regierung hat außerdem ein Gesetz verabschiedet, dass es Arbeitgeber*innen erlaubt, Arbeitnehmer*innen fristlos zu entlassen oder ihren Vertrag ohne Lohnfortzahlung zu suspendieren. Anderthalb Millionen Menschen haben seitdem ihre Arbeit verloren. Am Mittwoch gehen auch in der Gemeinde La Pintana am südlichen Stadtrand Santiagos die Menschen zum Protest und cacerolazo auf die Straße. Sie schlagen auf leere Kochtöpfe, um Lärm zu machen…“
- „Corona-Krise in Chile: Schwere Zusammenstöße bei Hungerprotesten“ von David Rojas-Kienzle am 20. Mai 2020 bei amerika21.de zum Beginn der Proteste: „… Auslöser der Demonstrationen sei, dass viele Bewohner dieser Gemeinden mit einer sowieso schon prekär lebenden Bevölkerung wegen der infolge der Corona-Pandemie verhängten Maßnahmen nichts zu essen hätten. El Bosque ist seit Mitte April unter Quarantäne. Dort setzte die Polizei Tränengasgranaten und neu aus der Türkei gekaufte Wasserwerfer ein. Die Protestierenden bauten Barrikaden und warfen Steine. Auf sozialen Medien berichten Anwohner ebenfalls von Protesten und Straßensperren in den Gemeinden La Victoria, Maipú, San Felipe und vielen anderen Orten. „Sie reden von totaler Quarantäne. Heute gibt es Leute, die kein Dach über dem Kopf haben, um in Quarantäne zu gehen, und die heute Hunger haben. Die Leute haben nichts zu essen. Was sollen wir essen? Sollen wir in Quarantäne Wasser trinken?“, erklärte ein Anwohner von El Bosque gegenüber Radio Bio Bio. In Villa Francia demonstrierten die Anwohner unter dem improvisierten Motto: „Es geht ums Essen, nicht um die Quarantäne“. Sie fordern, dass der Staat ihnen hilft, da sie wegen der Ausgangssperre kein Einkommen mehr haben. In Chile sind Schätzungen zufolge rund 30 Prozent der Beschäftigten im informellen Sektor tätig. Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie treffen sie besonders hart...“
- „Arroganz der Herrschaft“ von Frederic Schnatterer am 22. Mai 2020 in der jungen welt unter anderem zur Reaktion der Rechtsregierung: „… Zwar hatte Piñera am Sonntag angekündigt, 2,5 Millionen Familien eine Soforthilfe zur Verfügung zu stellen, die aus nicht verderblichen Lebensmitteln sowie Hygieneartikeln bestehen solle. Davon haben die Menschen bisher jedoch noch nichts gesehen. Gegenüber Bio Bio erklärte der Bürgermeister von La Cisterna, einem weiteren Armenviertel im Süden Santiagos: »Die Hungersnot in den unteren Schichten hat schon begonnen, die soziale Epidemie hat schon begonnen, die Hungerepidemie, was das Schlimmste ist, was einem Menschen passieren kann.« Die Coronakrise verschärft die Situation der untersten Schichten der Gesellschaft besonders. In Chile gelten 11,7 Prozent der 18,73 Millionen Einwohner als arm – eine Zahl, die sich nach Angaben der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) in diesem Jahr auf 13,7 Prozent erhöhen könnte. Laut Rossana Castiglioni von der Universität Diego Portales gehen 2,6 Millionen Chilenen einer informellen Tätigkeit nach. Doch auch viele derjenigen, die vor Ausbruch der Pandemie einen Arbeitsvertrag aufweisen konnten, wissen nicht mehr weiter. Nach offiziellen Angaben verloren allein in den Monaten März und April mehr als 500.000 Menschen ihre Arbeit. Eine Situation, auf die die Herrschenden mit Arroganz reagieren. So bezeichnete Innenminister Gonzalo Blumel die Proteste am Dienstag als »absolut inakzeptabel« und machte die Demonstranten indirekt für den Anstieg der Infektionszahlen verantwortlich...“
- Siehe zuletz am 18. Mai 2020: [Interview in der ila 435] Wie sich der Widerstand in Chile entwickelt hat – am Beispiel von Antofagasta, einem der Zentren der Rebellion