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Wieder Massenproteste in Chile – an mehreren Orten von Faschisten mit Polizeieskorte angegriffen

Millionendemonstration Santiago de Chile am 25.10.2019„… Am Montag dieser Woche nun begannen in Chile das neue Schuljahr sowie das neue Hochschulsemester. Für viele Familien endete damit auch die Urlaubszeit. Wie seit einiger Zeit erwartet, gewannen damit die sozialen Proteste wieder an Fahrt. Die Hauptstadt Santiago erwachte am Montag mit über 80 Barrikaden auf den Straßen an den Schlüsselpunkten der Stadt. Der gesamte Verkehr kam deshalb zum Erliegen. Im Laufe des Tages wurden zudem Dutzende Schulen und Universitäten besetzt, während Tausende Menschen in allen Teilen der Stadt die U-Bahn-Stationen besetzten. Den Passagieren war es so möglich, die Züge zu nutzen, ohne Tickets gelöst zu haben. Gegen Abend wurden an weiteren Straßen Barrikaden errichtet, und an zahlreichen Orten versammelten sich Menschen, um ihrem Unmut mit sogenannten „Cacerolazos“, dem Schlagen mit Löffeln gegen Töpfe und Pfannen, Luft zu machen. (…) Nachdem am vergangenen Freitag mit dem 24-jährigen Ariel Montero der inzwischen 46. Zivilist von staatlichen Sicherheitskräften ermordet wurde, ist klar, dass die Polizei die Proteste ebenso wie bisher unterdrücken wird. Am Montag schoss die Polizei zwei weiteren Menschen die Augen aus. In der Stadt Antofagasta schossen Polizisten nach Angaben von Augenzeugen mit scharfer Munition auf eine junge Demonstrantin…“ – aus dem Bericht „Chile nach dem „Super-Montag“ im „Super-März““ von Robert Kohl am 04. März 2020 bei amerika21.de externer Link zum Auftakt des Super-März. Siehe dazu einen weiteren Beitrag zum aktuellen Stand der Proteste, zwei Beiträge zur Kooperation von Faschisten und Polizei gegen die DemonstrantInnen sowie zwei Hintergrundbeiträge zur Entwicklung dieser Bewegung – und den Hinweis auf unseren bisher letzten Beitrag dazu:

„Chile erwacht erneut – Ein Bericht über die Proteste“ ebenfalls von Robert Kohl Parra am 04. März 2020 bei der Freiheitsliebe externer Link hebt unter anderem hervor: „… Vor der bekannten Statue des Reiters halten einige Demonstranten Buchstaben in die Luft: „Es kommt der März, Piñeravirus.“ Mit Ende der Sommerpause werden wieder größere Proteste erwartet. So umgehen die Schülerinnen und Schüler diese Wochen wieder die Preise des Nahverkehrs, am 02.03. erwachte Santiago mit mehr als 80 Barrikaden, die die Zufahrt unmöglich machten und am 8. Und 9. März werden zur Mobilisierung und zum Generalstreik am Frauenkampftag wieder Millionen auf der Straße erwartet. Auch an diesem 28. Februar wird viel über den kommenden Monat gesprochen. Diese Ausgelassenheit findet jedoch schnell ein Ende, als die Polizei beginnt wahllos aus unbekannter Richtung Tränengas auf die Alameda (die Hauptstraße von Santiago) zu schießen. Das Atmen wird unmöglich und die Nase brennt, die Augen tränen und man kann nichts mehr sehen. Unzählige Menschen bedecken ihr Gesicht mit ihrer Kleidung und beginnen in Panik zu rennen. Einige vermummte junge Menschen treten die Granaten jedoch in eine andere Richtung und ermöglichen das Demonstrieren. Diese „erste Linie“ beschützt die normale Bevölkerung vor der brutalen Repression der Polizei. Auch an diesem Tag wird wieder ein Demonstrant getötet. Ariel Moreno, 24 Jahre alt, stirbt nachdem eine Tränengasgranate ihn am Kopf trifft. Er ist nach Angaben der Regierung der 46. Tote. Die Dunkelziffer liegt aber um ein Vielfaches höher. Die Polizei mordet und missbraucht mit einem Freibrief der Regierung weiter, die jegliche Menschenrechtsverletzungen leugnet. Tausende Menschen sind seit Monaten ohne Kontakte zur Außenwelt eingesperrt, während weit über 400 Menschen das Augenlicht durch die Gewalt der Polizei verloren haben. Von dieser bestialischen Unterdrückung lässt sich Chile aber nicht mehr einschüchtern. Viele haben ihre Angst vor der Repression verloren, denn in einem System mit einem Mindestlohn von 373€, einer Rente von 250€ und keiner Chance eines sozialen Aufstiegs durch Bildung, denken viele, dass sie nichts zu verlieren haben…“

Während auf der PlazaDeLaDignidad ein Cop die Waffe zog und gegen Protestierende richtete, zogen mit Eisenstangen bewaffnete Faschos ungestört durch die Strassenam 29. Februar 2020 im Twitter-Kanal anarchistisch.ch externer Link ist der Kurzkommentar zu einem entsprechenden Video in diesem Tweet

„Partidarios del rechazo marchan encapuchados, con cascos, chalecos antibalas y escoltados por Carabineros“ am 29. Februar 2020 bei kaosenlared externer Link berichtet vom faschistischen Aufmarsch gegen die Proteste, bei dem die Aggressoren bestens ausgerüstet waren, etwa mit kugelsicheren Westen – und von der Polizei eskortiert wurden

„Primera Línea: Heimkinder in der ersten Reihe“ von Alix Arnold in der ila 432 externer Link (Ausgabe Februar 2020) berichtet unter vielem anderen über die Gründe der Beteiligung von (ehemaligen) Heimkindern an den militanten Verteidigungsaktionen: „… Über die Zusammensetzung der Primera Línea wird viel spekuliert. Die meisten sind Jugendliche, aber es sind auch Ältere dabei. Neben den vielen schlecht ausgerüsteten Armen beteiligen sich Kinder reicher Eltern, mit Markenklamotten, guten Helmen und Gasmasken. Hinter den Tüchern und Masken stecken aber auch Anarchist*innen, Studierende, Arbeiter*innen, Angestellte und Fußballfans. Eine Gruppe in dieser Mischung wird fast immer besonders erwähnt: die Kinder aus den Heimen des SENAME. Servicio Nacional de Menores ist die staatliche Institution für Kinder- und Jugendschutz. Rund um den Platz sind viele Parolen gegen SENAME zu lesen, denn die Heime sind das Grauen. Im Jahr 2017 wurden nach dem gewaltsamen Tod einer Elfjährigen Ermittlungen zu den 1313 Todesfällen seit 2005 aufgenommen und 240 Heime überprüft. In sämtlichen staatlichen Heimen und fast 90 Prozent der privat betriebenen wurden Verstöße festgestellt, insgesamt 2071 Fälle von systematischer Gewalt und Menschenrechtsverletzungen. In der Hälfte der Heime war es zu sexuellem Missbrauch gekommen. Die Kinder werden mit Psychopharmaka ruhiggestellt. Da nur bei 23 der Toten eine Obduktion durchgeführt wurde und bei vielen nicht klar ist, wo sie beerdigt wurden, äußerte ein Abgeordneter sogar den Verdacht des Organhandels…“

„Die erste Versammlung war wie eine kollektive Katharsis“ ebenfalls von Alix Arnold in der ila 432 externer Link (Ausgabe Februar 2020) berichtet über Gespräche mit AktivistInnen unter anderem: „… Diese Versammlung ist wie die meisten im Land spontan in den Tagen nach dem Beginn des Aufstands entstanden. Die Initiative hat Marita ergriffen: „Wir haben uns zum Cacerolazo vor dem Haus meines Bruders getroffen. Immer mehr Leute kamen vorbei und machten mit. Wir haben die Musikanlage auf die Straße gestellt. Aber nach ein paar Nächten fanden wir, dass das nicht reicht. An anderen Orten hatten sie schon angefangen, Versammlungen zu bilden und zu diskutieren. Das wollten wir auch machen, hier auf der Straße. Wir haben auf einen Karton geschrieben ‚Cabildo. Morgen um 18 Uhr hier‘. Dann kamen 80 Personen, gleich beim ersten Mal! Und wir hatten doch nur dieses eine schäbige Plakat. Wir hatten uns gefragt, was für Fragen wir für die Versammlung vorbereiten müssen. Aber so viel Methodik war gar nicht nötig, weil die Leute mit dem offenen Mikrofon sofort anfingen zu reden. Das war wie eine kollektive Katharsis. Alle fingen an zu erzählen, wie schlecht es ihnen in Wirklichkeit ging, wie das System ihnen geschadet hatte, wie krank sie sind. Dass sie kein Geld haben, ihre Medikamente zu bezahlen. Dass ihre Rente viel zu niedrig ist. Dass sie am Ende des Monats kein Geld mehr für Lebensmittel haben. Dass sie hoch verschuldet sind wegen der Studienkredite.“ Violeta und Nora, die ebenfalls zu dieser Clique gehört, waren beide schon in der Bewegung der Schüler*innen 2006 aktiv, kannten sich aber noch nicht näher. Heute bilden sie einen Kern, der sich fast täglich trifft...“

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=163952
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