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Ein Reisebericht (und Film) über die „chilenischen Proleten“

Millionendemonstration Santiago de Chile am 25.10.2019„… Diese neuen Akteure kämpfen an vorderster Front („primera linea“): die „flaites“. Das ist ein Schimpfwort, am ehesten zu übersetzen mit: Proleten. Es sind Jugendliche aus den Vorstädten, ohne Bildung und ohne Zukunft, für die die Wirtschaft keine Verwendung hat. Flaites kümmern sich nicht um politisch korrekte Sprachregelungen, sie sind keine Veganer und haben, obwohl viele Frauen auf den Barrikaden sind, mit traditionellen Feministinnen wenig zu tun. Der Ursprung des Begriffs „flaite“ ist unklar. Wahrscheinlich hängt er mit Turnschuhen zusammen, den Nike Air Flight, beziehungsweise mit den nachgemachten Schuhen aus China, die in der Piratenversion „flight air“ hießen und ihre Nutzer Flaitiers. Die Flaites haben keine zentrale Koordination, sind über das Land verteilt und machen an verschiedenen Orten dieselben Aktionen, meist mit Gewalt gegen Sachen. Die meisten gehen keiner geregelten Arbeit nach. „Auch wenn sie nicht über ein Klassenbewusstsein verfügen, wie wir es gerne hätten, besitzen sie einen ausgeprägten Klassen-Instinkt“, so Riquelme. „Sie haben sich zum richtigen Zeitpunkt richtig positioniert.“ Riquelme wirkt wie ein kleiner Junge, der gerade von der Existenz des Weihnachtsmannes überzeugt wurde. Er ist begeistert aber auch etwas neidisch: Während des 17 Jahre währenden Widerstandes gegen die Diktatur seien insgesamt nicht annähernd so viele Attentate verübt worden wie in den zwei Oktoberwochen durch die Flaites. Dem konservativen Präsidenten Sebastián Piñera fiel angesichts der gewaltsamen Proteste im Oktober nichts Besseres ein, als von einem „Krieg“ zu sprechen, eine Ausgangssperre zu verhängen und die Militärs einzusetzen. Doch trotz der zahlreichen Toten und Verletzten halten die Proteste an. Obwohl sie die Medien als „Chaoten“ und „Randalierer“ bezeichnen, lässt sich die chilenische Mittelschicht nicht abschrecken. Die jungen Leute kämpfen auch für sie, sprechen sie den Journalisten in die Mikrophone. Im Andenstaat ist die Geduld am Ende…“ – aus dem Beitrag „Chile: Die „Flaites“ kämpfen als die neuen Akteure an vorderster Front“ von Gaby Weber am 07. Januar 2020 bei telepolis externer Link über die nach wie vor anhaltenden Massenproteste in Chile. Siehe dazu auch den Link zum neuen Chile-Film von Gaby Weber bei labournet.tv, einen weiteren aktuellen Beitrag und den Hinweis auf den bisher letzten unserer zahlreichen Beiträge zu den Massenprotesten in Chile:

  • „Revolte in Chile“ von Gaby Weber seit 05. Januar 2020 im labournet.tv externer Link (Spanisch deutschen Untertiteln, 23 Minuten) wird so angekündigt: „… Das Zentrum Santiagos hat sich völlig verändert. Die Leute rennen nicht mehr gehetzt herum. Es gibt keine Ampeln, die wurden für Barrikaden benutzt. An den Kreuzungen regeln junge Leute den Verkehr. Wir brauchen dafür keine Polizei.“ In diesem Video wird die politische Situation in Chile seit Beginn der Revolte beschrieben. Die Akteure kommen zu Wort. Und wir sehen die „sprechenden Wände“ von Santiago. Die Filmemacherin Gaby Weber: „Seit Mitte Oktober 2019 wird in Santiago de Chile jeden Freitag demonstriert. Im ganzen Land wurden dutzende Einkaufszentren abgefackelt, hunderte Polizeireviere niedergemacht, ebenso Büros, Hotels, Banken. Neue soziale Akteure, fern der Parteien und Institutionen, haben die chilenischen Eliten in Angst und Schrecken versetzt. Sie fordern ein neues Gesellschaftsmodell. An den Wänden steht: ‚Chile war die Wiege des Neoliberalismus und wird hier beerdigt werden‘. Niemand hatte das vorausgesehen, auch nicht die radikale Linke, die gegen die Diktatur bewaffneten Widerstand geleistet hatte. Diese neuen Akteure werden „flaites“ genannt, ein Schimpfwort, am ehesten zu übersetzen mit: Proleten...“ (Dieser Film entstand ohne Finanzierung von dritter Seite; Spenden über Paypal: gaby.weber@gmx.net„)
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=160305
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