Nach zweitem Gerichtsurteil mit Streikverbot: Brasilianische Ölarbeiter-Gewerkschaft setzt Streik aus

Bereits vor Beginn des Ölarbeiterstreiks am Mittwoch, 30. Mai 2018 hatte das Oberste Arbeitsgericht Brasiliens den Streik für illegal erklärt und mit einer täglichen Geldstrafe für die Gewerkschaft FUP vom 500.000 Reais im Falle des Streikbeginns sanktioniert. Die perverse Begründung der obersten brasilianischen Arbeitsrichterin: Der Streik sei politisch begründet. Als ob der Regierungskurs zur Privatisierung der Petrobras unpolitisch wäre. Nachdem am ersten Streiktag die Mobilisierung nahe der 100% lag, „besserte“ die schreckliche Richterin nochmal nach und erhöhte die täglich Geldstrafe auf 2 Millionen Reais. Daraufhin setzte die FUP, die Föderation der Ölarbeitergewerkschaften, den Streik am zweiten Tag aus, eine Entscheidung von großer Bedeutung, gerade in der aktuellen, zugespitzten Situation, in der auch verschiedene Busfahrergewerkschaften zum Streik aufgerufen hatten, deren Mitglieder von den Unternehmen gezwungen werden, die Auswirkungen der Preispolitik der Petrobras „auszubaden“. Entsprechend gibt es, keineswegs nur aus dem linksradikalen Lager, heftig Kritik an diesem Aufhebungsbeschluss. Siehe dazu drei aktuelle Beiträge:

• „Contra o direito de greve, TST força petroleiros a suspenderem paralisação“ von Leonardo Fernandes am 31. Mai 2018 bei Brasil de Fato ist ein Beitrag zum Streikverbots-Urteil des Arbeitsgerichts, in dem vor allem hervor gehoben wird, dass dieses Urteil ein Angriff auf das Streikrecht sei, was ohne Zweifel zutreffend ist. Die Frage, ob darauf auch hätte anders reagiert werden können, wird darin nicht angesprochen. Der Sprecher der FUP wird darin zitiert mit der Aussage, dies sei ein Urteil, das sich nicht nur gegen alle Gewerkschaften richte, sondern auch gegen alle sozialen Bewegungen, und es sei damit beabsichtigt, nicht nur Streiks, sondern jeden sozialen Protest zu kriminalisieren, die ja allesamt auf die eine oder andere Weise stets „politisch begründet“ sind.

• „Greve dos petroleiros tem forte adesão em todo País no primeiro dia“ am 30. Mai 2018 beim Gewerkschaftsbund CUT ist ein chronologischer Überblick vom ersten Streiktag der Ölarbeiter. Daraus wird sehr schnell deutlich, wie massiv die Mobilisierung bei allen Petrobras-Unternehmen quer durchs ganze Land an diesem Tag gewesen ist – und auch, dass er gerade in dieser jetzigen Situation auf eine ausgesprochen große Zustimmung breitester Teile der Bevölkerung stieß, wofür eine Reihe von Beispielen aufgezeigt werden.

• „PT, CUT e FUP traem greve petroleira: caminho livre para direita capitalizar descontentamento popular“ von Leandro Lanfredi am 31. Mai 2018 bei Esquerda Diario steht hier als Beispiel für eine ganze Reihe linker Beiträge, die den Beschluss der FUP (und der CUT), sich dem Gerichtsurteil zu beugen, scharf kritisieren. Was zu einem Pol für die allgemeine Unzufriedenheit hätte werden können und auch solche vielschichtigen Bewegungen, wie den LKW-Protest beeinflussen, sei nun verschwunden, und damit werde jetzt erst recht der politischen Rechten der Weg frei gemacht, diese Unzufriedenheit für ihre Zwecke auszunutzen.