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Die „Roten Ponchos“ kommen: Der Kampf um die Erneuerung der sozialen Bewegungen in Bolivien
„… Wir respektieren Evo, aber wir wollen nicht, dass sein politisches Umfeld aus der vergangenen Regierung zurückkehrt. Deswegen ist es jetzt Zeit für eine neue Generation. Es war ein Fehler, keinen neuen Kandidaten zu präsentieren, denn Führungskader müssen rotieren. Evo hat das nach den fehlgeschlagenen Wahlen 2019 selbst eingestanden. Diese Selbstkritik ist notwendig, damit wir einen besseren Weg einschlagen. In der MAS hat sich eine Elite herausgebildet, die auf uns Indigene herabschaut und uns diskriminiert. Insofern ist es ein Irrglauben, dass wir Indigene an der Macht waren. Das war nie der Fall und genau das wollen wir jetzt ändern. Wir haben genug Leute in den eigenen Reihen der indigenen Bewegung, die Regierungsverantwortung übernehmen können. Die Leute haben einmal mehr ihr Vertrauen in die MAS gesetzt, das darf nicht enttäuscht werden…“ – so die langjährige Aktivistin (und ehemalige Partnerin von Evo Morales) Francisca Alvarado Mamani in dem Interview „“Es ist ein Irrglauben, dass wir Indigene in Bolivien an der Macht waren““ mit Andreas Hetzer am 10. Dezember 2020 bei amerika21.de zur Frage der Notwendigkeit der Erneuerung sozialer Bewegungen und der MAS in Bolivien, das bereits im November (abopflichtig) erschienen war und nun in vollen Umfang publiziert ist. Siehe dazu drei weitere Beiträge zu Auseinandersetzungen um die Nominierung von Kandidaten für die kommenden Regionalwahlen, aus denen die erfolgreiche Opposition diverser Basis-Strömungen gegen Verfügungen von oben deutlich wird:
- „«Die Frage ist, welche Rolle Evo Morales in Zukunft spielen wird.»“ Im Dezember 2020 bei der Rosa Luxemburg Stiftung ist ein Interview mit Ferdinand Muggenthaler, dem Büroleiter Anden der Stiftung, worin er zur Frage der Veränderung der Situation und der MAS unter anderem ausführt: „… Im Wahlkampf war auffällig, dass Arce und sein Vize-Präsidentschaftskandidat David Choquehuanca sich nicht viel auf ihren Wahlkampfleiter im Exil, Evo Morales, bezogen haben. Deshalb sagt Pablo Solón, ehemaliger UN-Botschafter Boliviens unter Morales: «Die MAS hat nicht wegen, sondern trotz Evo Morales die Wahl gewonnen.» Wie dem auch sei. Die Wahlen haben bewiesen, dass die MAS auch ohne ihren Caudillo gewinnen kann. Um 2019 kandidieren zu können, hatte sich Evo Morales über ein von ihm selbst einberufenes Referendum hinweggesetzt, in dem 2016 eine Mehrheit der Bevölkerung gegen eine erneute Kandidatur nach drei Amtsperioden gestimmt hatte. Das hat der Opposition ein starkes Argument in die Hand gegeben: dass die MAS undemokratisch und autoritär regiere. Die große Frage ist, welche Rolle Evo Morales jetzt in Zukunft spielen wird. Im letzten Jahr haben auf jeden Fall die Organisationen, aus denen sich die MAS zusammensetzt, wieder unabhängiger agiert. So hatte ein Teil von ihnen David Choquehuanca als Kandidaten vorschlagen, den die Parteiführung um Evo Morales gar nicht auf dem Wahlzettel sehen wollte. Der Kompromiss war schließlich, dass Choquehuanca Vize-Präsidentschaftskandidat wurde. Ein erfolgreicher Kompromiss, wie sich herausgestellt hat. Die deutliche Abwehr der Rechten ist natürlich ein großer Erfolg. Auch die Mobilisierungsfähigkeit der indigen geprägten Basis der MAS ist beeindruckend. Sie lassen es nicht zu, dass die alten, letztlich kolonialen Eliten einfach wieder zurückkehren. Das könnte wieder Freiräume schaffen, die auch in den letzten Jahren MAS-Regierung nicht mehr da waren, weil die Regierung versuchte, alles von oben zu kontrollieren. Was aber einen tiefer greifenden Wandel angeht, da zählen auch unsere Partnerorganisationen in Bolivien nicht auf die MAS und das, was sie den «proceso de cambio», den Prozess des Wandels, nennt. Schließlich hatte auch die MAS-Regierung zum Beispiel mit den Agrarindustriellen aus dem Tiefland zusammengearbeitet, die letztlich in großem Stil Urwald in Monokulturen für den Export verwandeln…“
- „El nuevo tipo de problema del MAS de Bolivia: la rebelión de las bases. Poderosa fuerza campesina de Potosí rechaza el candidato a gobernador de Evo Morales y eligen otro candidato“ am 11. Dezember 2020 bei Clajadep-LaHaine dokumentiert (ursprünglich bei Erbol) ist einer der verschiedenen Berichte über Debatten und Auseinandersetzungen innerhalb der MAS in Vorbereitung der Wahlen für Provinzen und Gemeinden im Herbst 2021 – bei denen es vielfach darum geht, dass von der Parteiführung vorgeschlagene Kandidaten abgelehnt wurden. In diesem Fall ging es um die Gouverneurswahlen in der Provinz Potosi, für deren Kandidatenaufstellung eine wesentlich breitere Delegiertenversammlung der vier Bezirke eine zuvor von wenigen „zuständigen“ getroffene Entscheidung schlicht nicht akzeptierten und den von Evo Morales öffentlich ausgerufenen Kandidaten ablehnte, um einen eigenen zu benennen, der jetzt auch der offizielle Kandidat der MAS ist.
- „Ponchos Rojos piden a Evo Morales no meter su dedo en la designación de candidatos“ am 15. Dezember 2020 bei Enlaces Bolivia ist ein Bericht über einen ähnlichen Vorgang in El Alto – wobei einerseits deutlich wird, dass es sich auch um eine organisierte Opposition handelt, hier eben die Strömung der Roten Ponchos und auch, dass es sich inzwischen schon längst um eine regelrechte Bewegung handelt, die sich gegen eine Wiederherstellung alter Verhältnisse innerhalb der MAS und der mit ihr verbundenen sozialen Bewegungen handelt. Die ihre Position eindeutig formuliert: „Evo Morales kann nicht durch einen Fingerzeig entscheiden“…
- „Polémica por algunas designaciones de candidatos del MAS“ am 15. Dezember 2020 bei Resumen Latinoamericano ist ein Beitrag, der gliech über mehrere solcher Versammlungen berichtet, und die Tatsache, dass er in einem Medium erscheint, das ansonsten eher sein Schwergewicht auf die offizielle Positionierung politischer Parteien legt, macht auch deutlich, dass es sich um eine Entwicklung handelt, die keineswegs nur an den Rändern oder in Einzelfällen stattfindet.
- Siehe zuletzt am 07. Dezember 2020: [Interview mit früherem Vizepräsidenten] „Der gewaltige Wahlsieg der MAS in Bolivien ist Ausdruck der Erneuerungsfähigkeit der sozialen Bewegungen“