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Die Papierlosen von Béguinage: Rund 250 Menschen besetzen eine Kirche im Zentrum von Brüssel für die sofortige Legalisierung ihres Aufenthaltsstatus

Dossier

Die Papierlosen von Béguinage: Rund 250 Menschen besetzen eine Kirche im Zentrum von Brüssel für die sofortige Legalisierung ihres Aufenthaltsstatus„250 Männer, Frauen und ein paar Kinder wohnen in der Kirche aus dem 17. Jahrhundert. Die meisten von ihnen haben ein Zuhause in Belgien, viele schlafen nachts in ihren eigenen Betten und kommen tagsüber wieder. Sie kamen aus Marokko, aus Algerien, Tunesien, Ägypten, aus Ecuador und Nigeria, ein paar auch aus Pakistan. Alle nennen Belgien heute ihre Heimat. »Wir haben es einfach satt, von unseren Chefs ausgenutzt zu werden. Wir arbeiten für vier, fünf Euro in der Stunde, oft werden unsere Frauen von ihnen sexuell ausgebeutet« (…) »Unsere Kinder sind in Belgien geboren und zur Schule gegangen, sie besuchen hier die Universität. Wir sind hier, um wenigstens ein Mindestmaß an Würde zurückzubekommen«, sagt Tarik. Denn korrupte Arbeitgeber nutzen die verletzliche Situation der Sans-papiers aus. Sie wissen, dass die Schutzlosen viel tun, um nicht aufzufliegen und ihr Auskommen zu sichern. Denn Leben in Illegalität bedeutet immer auch ein Leben in völliger Unsicherheit: ohne Krankenversicherung, ohne Arbeitsschutz, ohne jegliche Rechte, die reguläre Bürger des Landes haben. (…) Sie wollen ein Bleiberecht für alle Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung. Egal, aus welchen Gründen jemand in dieser Situation ist (…) die »Coordination sans-papiers Belgique«, ein Bündnis, das derzeit mit einer Petition ein Bleiberecht für Papierlose erwirken will, spricht von 200 000 Menschen, in einem Land mit rund elf Millionen Einwohnern…“ Artikel von Helena Piontek vom 23. April 2021 in neues Deutschland online externer Link und neu dazu:

  • Leere Versprechungen. Belgien: Ehemals Hungerstreikende ohne Papiere nach wie vor in unveränderter Lage New
    Am 3. Oktober findet am Nordbahnhof in Brüssel eine Demonstration unter dem Motto »Auch wir sind Belgien!« statt. Mit dem Protest wollen Asylsuchende, die sich selbst Sans-papiers (Papierlose) nennen, auf ihre Situation aufmerksam machen, die sich seit dem Hungerstreik im Juni und Juli keinen Deut verbessert hat. (…) Niemand der Hungerstreikenden hat bis heute ein Bleiberecht erhalten, berichtete der Brüsseler Lokalsender BX 1 am 16. September auf seiner Internetseite. »Die Ausländerbehörde hatte versprochen, die Anträge innerhalb von drei Wochen nach Eingang vorrangig zu bearbeiten. Die ersten Anträge wurden jedoch um den 15. August eingereicht. Die versprochenen Fristen sind bereits überschritten worden«, sagte Sotieta Ngo, die Vorsitzende der belgischen Flüchtlingshilfeorganisation CIRÉ, bei BX 1. Mehr als die Hälfte der 470 ehemaligen Hungerstreikenden befinde sich noch immer in der Kirche und in den Räumen der Universität, weil der Staat keine andere Unterbringungsmöglichkeit zur Verfügung stelle. Der Rest übernachtet irgendwo. Und bald wird es Winter. Die Zeit drängt, aber die Ausländerbehörde macht langsam. »Es ist sehr schwierig vorherzusagen, wann die Bearbeitung der Akten abgeschlossen ist«, vertröstete eine Sprecherin der Ausländerbehörde die Sans-papiers laut BX 1. Die Einzelfallprüfung dauere eben. Nun fühlen sich diejenigen bestätigt, die von Anfang an davon ausgingen, dass es der Regierung bei den Verhandlungen mit den Sans-papiers im Juli nur um eines ging – den Hungerstreik zu beenden und das Thema Bleiberecht wieder in der Versenkung verschwinden zu lassen…“ Artikel von Gerrit Hoekman in der jungen Welt vom 25.09.2021 externer Link (im Abo)
  • Brüssel: 475 Migranten suspendieren Protestaktion: »Die Tage nach dem Hungerstreik sind gefährlich« 
    „… Tatsächlich war am 21. Juli, dem belgischen Nationalfeiertag, überraschend die Meldung gekommen, der Hungerstreik der 475 »Papierlosen« sei beendet – was tatsächlich so nicht ganz richtig ist. Das Netzwerk »Union des Sans-papiers pour la Régularisation«, USPR, hat zwar einen Vorschlag der Regierung angenommen, aber bisher ist der Hungerstreik nur suspendiert. Er könne jederzeit wieder aufgenommen werden, so die USPR, falls die Regierung bestimmte Abmachungen nicht einhalte. (…) Bei einem »guten Antrag« der Migranten – was dies bedeutet, ist den belgischen Behörden überlassen – soll mit »9bis« regularisiert werden, was zu einer Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis von einem Jahr führen würde. Mit einem Arbeitsvertrag kann diese Erlaubnis verlängert werden. Bei einem weniger »guten Antrag« oder bei Menschen, die zuvor rechtliche Probleme hatten, wird nur unter »9ter« regularisiert. Dies bedeutet lediglich eine dreimonatige Aufenthaltserlaubnis ohne Arbeitserlaubnis und ohne Möglichkeit zu verlängern. Zum jetzigen Zeitpunkt verhandelt die USPR noch über klare Kriterien für die beiden Fälle. [Die Gefahr ist noch nicht vorbei, wenn ein Hungerstreik ausgesetzt wird. Wie geht es den Teilnehmenden?] Viele sind immer noch so geschwächt, dass es durchaus auch noch zu Todesfällen kommen könnte. Zuletzt waren die Menschen auch noch in einen Durststreik getreten, alles Wasser war aus der Kirche gebracht worden. Es kann zu Langzeitfolgen wie Nieren- oder Magenversagen, Schäden an den Organen kommen. Die Tage nach einem Hungerstreik sind noch sehr gefährlich…“ Interview von Kristian Stemmler in der jungen Welt vom 28.07.2021 externer Link mit Max A., aktiv im »Comité des Soutiens de l’USPR/Steuncomité van de USPR«, das die hungerstreikenden Migranten in Brüssel unterstützt
  • Hungerstreik der Sans-Papiers zwingt belgische Regierung zu (unverbindlichen!) Gesprächen – und wird vorerst ausgesetzt – Besetzung wird fortgeführt
    • Hungerstreik beendet. Brüssel: Nach 60 Tagen nehmen »Sans-papiers« wieder Nahrung zu sich. Kampf gegen Illegalisierung geht weiter
      Die 475 hungerstreikenden Migrantinnen und Migranten in Brüssel, die 60 Tage lang jede Nahrung verweigerten, haben am Mittwoch nachmittag ihren Streik bis auf weiteres ausgesetzt, wie belgische Medien übereinstimmend berichten. Ein Sprecher der Hungerstreikenden erklärte am Mittwoch, es habe eine Vereinbarung mit der belgischen Regierung gegeben. Die will davon jedoch nichts wissen. Am Donnerstag morgen erklärte der Staatssekretär für Asyl und Migration, Sammy Mahdi, bei Radio 1 kategorisch: »Regeln bleiben Regeln.« Also keine Sondervereinbarung mit den Hungerstreikenden (…) Ursprünglich forderten die Sans-papiers, die überwiegend aus dem Maghreb, Afghanistan und Pakistan stammen, eine kollektive Lösung für alle Hungerstreikenden. Die Regierung habe nichts versprochen, betonte der christdemokratische Staatssekretär Mahdi bei Radio 1. Allerdings müssten die Abläufe beschleunigt werden. »Wenn man zwei Jahre lang auf einen Regulierungsantrag warten muss, ist das nicht in Ordnung«, sagte Mahdi, der selbst Sohn eines irakischen Flüchtlings und einer flämischen Mutter ist. Er machte aber auch deutlich, dass es nicht nur positive Bescheide geben werde. »An den heutigen Regeln werden wir nichts verändern. Wir können die Politik nicht auf Basis eines Hungerstreiks ändern«, betonte der Staatssekretär für Asyl und Migration. Die Regierung will nach wie vor keinen Präzedenzfall schaffen. (…) Die USPR kündigte an, der Hungerstreik könne jederzeit wieder aufgenommen werden, falls die Regierung bestimmte Abmachungen nicht einhalte. »Es hat zu viele Opfer gekostet, den Staatssekretär angesichts einer drohenden Regierungskrise in Bewegung zu bringen«, heißt es in der Presseerklärung der USPR. Sicherheitshalber soll die Besetzung der Kirche und der beiden Freien Universitäten erst einmal weitergehen – vorerst ohne Hungerstreik.“ Artikel von Gerrit Hoekman in der jungen Welt vom 23.07.2021 externer Link
    • Hungerstreik der Sans-Papier zwingt belgische Regierung zu Spitzengesprächen – und wird vorerst ausgesetzt
      Seit dem 23. Mai befanden sich rund 475 Menschen ohne Aufenthaltspapiere in Belgien im Hungerstreik um ihre Legalisierung zu erkämpfen. Am vergangenen Freitag hatten einige mit einem Durststreik begonnen und konnten so die Regierung an den Verhandlungstisch zwingen. Jetzt ist der Streik ausgesetzt, doch eine Kirche und der Teil einer Universität bleiben besetzt. Der Hungerstreik von mehr als 475 „Sans-Papiers“ (franz. für „ohne Papiere“) ist ausgesetzt worden. Dabei sah es zuerst so aus, als ob keine Seite von ihrer Haltung abweichen würde, Während sich der Gesundheitszustand der Hungerstreikenden in den letzten Tagen rapide verschlechtert hatte. (…) Am Dienstag zogen dann Sozialdemokraten und Grüne ihre Drohungen die Koalition zu verlassen jedoch  zurück, was die Verhandlungsmacht der Geflüchteten schwächte. Es kam zu einer Geheimverhandlung zwischen der Regierung sowie Aktivist:innen der Zivilgesellschaft, die in Vertretung der Hungerstreikenden agierten, darunter Mehdi Kassou (Flüchtlingsplattform), Alexis Deswaef (Rechtsanwalt) und Daniel Alliët (seit Jahrzehnten Pastor der besetzten Begijnhofkerk-Kirche). (…) Bei den Gesprächen wurde vereinbart, dass zumindestens alle Akten angesehen werden sollten. „Das ist schon ein wichtiger Schritt, denn in der Vergangenheit wurden viele Akten aus formalen Gründen nicht einmal wirklich analysiert“, so Pastor Alliët. (…) Am Mittwoch kam es dann zu einem erneuten entscheidenden Meeting. Auch Staatssekretär Sammy Mahdi war diesmal mit dabei. „Uns wurde an diesem Morgen klargemacht, dass es im Rahmen des aktuellen Verfahrens erhebliche Möglichkeiten zur humanitären Regularisierung gibt“, so Pastor Alliët im Anschluss. „Uns ist bewusst, dass es von nun an mehr Raum für eine menschliche Bewertung der Akten geben wird. Jemanden zurückzuschicken, der seit 13 Jahren hier ist, wird nicht möglich sein.“ (…) Bei einer anschließenden Versammlung der Hungerstreikenden wurde dann ein Ende der Aktion beschlossen. „Wir haben den Aktivisten auch deutlich gemacht, dass sie tatsächlich etwas erreicht haben“, erklärt dazu Alliët. „Das Thema ‚Personen ohne Papiere‘ steht wieder ganz oben auf der politischen Agenda, zum Beispiel kann jetzt viel schneller an einer Regelung zu Mangelberufen gearbeitet werden. In Westflandern suchen Arbeitgeber verzweifelt nach Leuten und diese Aktivisten wollen nichts mehr als Arbeit.“ Einen zweiten Erfolg hätten die Hungerstreikenden mit der humaneren Auslegung der Regularisierungspolitik erzielt…“ Beitrag vom 23. Juli 2021 von Perspektive Online externer Link
  • Dringende Solidarität mit den hunger- und durststreikenden Migranten / Schreiben Sie an die belgische Regierung / Trotz globaler Aufmerksamkeit keine Bewegung der belgischen Regierung gegenüber den 475 MigrantInnen 
    Während Hunderte von Migranten ohne Papiere ihren Hungerstreik für grundlegende Rechte und Würde in Brüssel fortsetzen, haben sie wachsende Unterstützung in der ganzen Welt. Ihre Forderungen sind einfach und vernünftig. Einige wurden in Belgien geboren. Andere leben schon seit Jahrzehnten in dem Land. Alles, worum sie bitten, ist das Recht auf Legalisierung und einen klaren Prozess für die Legalisierung von Migranten ohne Papiere. Sie wollen das Recht, ein erfülltes Leben zu führen – durch das sie die Gesellschaft, in der sie leben, bereichern – an dem Ort, den sie Heimat nennen.
    Bislang hat Ihre Regierung die Hungerstreikenden mit dem Argument abblitzen lassen, dass die Regierung aufgrund einer Kampagne wie dieser keine Ausnahmen machen oder die Regeln überdenken kann. Aber wenn das System versagt und so unmenschliche Situationen wie die dieser Migranten hervorbringt, ist „Regeln sind Regeln“ keine rationale Antwort, sondern ein Hort der Feigheit.
    Im Streben nach ihren Grundrechten und den Rechten ihrer Mitbürger ohne Papiere haben die Hungerstreikenden eine Bereitschaft gezeigt, sich selbst in Gefahr zu begeben und einen Mut, der jenseits des Verständnisses der meisten Politiker liegt.
    Ich schreibe Ihnen, um Sie zu bitten, etwas grundlegenden Mut und Menschlichkeit zu zeigen. Lassen Sie die Hungerstreikenden leben – und lassen Sie undokumentierte Migranten ein vollwertiger Teil der Gesellschaft sein.“ – so der Text der englischen Petiton bei Another Europe is Possible externer Link an Prime Minister De Croo und Minister Sammy Mahdi. Siehe zum aktuellen Stand:

    • Trotz globaler Aufmerksamkeit keine Bewegung der belgischen Regierung gegenüber den 475 MigrantInnen 
      „… Im Inneren der Kirche St. Johannes der Täufer im Béguinage ist die Luft gesättigt und es fällt schwer zu atmen. Die Gesichter sind ausgemergelt und erschöpft. Krankenwagen kommen und gehen, bringen Menschen zur dringenden Behandlung ins Krankenhaus. Auf dem Boden leisten ein Rettungsteam und Freiwillige Erste Hilfe bei einem Stürmer, der an einem diabetischen Anfall leidet. Über jeder Matratze hängt ein Schild mit dem Beruf der jeweiligen Person: Holzarbeiter, Elektromechaniker, Computertechniker, Krankenschwester, Friseurin. Sie kommen von überall her – aus dem Maghreb, Pakistan und Brasilien -, leben und arbeiten aber schon seit Jahren in Belgien. Ohne offizielle Papiere sind die Migranten von sozialer Ausgrenzung bedroht und haben keinen Zugang zu Arbeitsrechten und sozialer Sicherheit. In Belgien sind sie als „Sans-Papiers“ bekannt. (…) Eine Unterstützungsbewegung, „Wir sind auch Belgien“, hat online 40.000 Unterschriften gesammelt. Auf dem Festival von Avignon in Frankreich drückten belgische Künstler ihre Solidarität mit den Migranten aus und lasen dem Publikum einen offenen Brief vor, den die Migranten geschrieben hatten. Der Brief, der die Unterschrift von Roger Waters trug und auch akademische und künstlerische Koryphäen wie Noam Chomsky, Brian Eno, Ai Wei Wei, Peter Gabriel und Mike Leigh umfasst. Auch internationale Organisationen sind aufmerksam geworden. Olivier De Schutter, der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für extreme Armut und Menschenrechte, besuchte die Kirche Anfang des Monats. Danach schickte er der belgischen Regierung einen besorgten Brief, der von seinem Kollegen Felipe González, dem UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechte von Migranten, mitunterzeichnet wurde. De Schutter traf sich auch am 12. Juli mit Mahdi. Aber bis jetzt haben die Appelle nichts gebracht…“ Aus dem (engl.) Artikel von Camille Gijs vom 21. Juli 2021 in politico.eu externer Link
    • Siehe auch internationale Proteste und Soli unter #wearebelgiumtoo und #regularisationdessanspapiers
    • Der Kampf der Sans-Papiers in Belgien: Hungern für einen Ausweis
      475 illegal in Belgien lebende Menschen befinden sich in Brüssel seit zwei Monaten im Hungerstreik. Einige könnten sterben, warnen Ärzte. Das bringt nun auch die Regierung in Nöte. (…) Die sozialistischen Minister und Staatssekretäre würden sofort zurücktreten, wenn ein Demonstrant sterben würde, warnte der stellvertretende Ministerpräsident, Pierre-Yves Dermagne, in der Zeitung Le Soir. Ministerpräsident Alexander De Croo reagierte irritiert. Eine Regierungskrise sei derzeit das Letzte, was das Land brauche, sagte er mit Blick auf die Not, die die Flut auch in Belgien vielerorts ausgelöst hat. (…) In Belgien hat die Regierungskoalition im Koalitionsvertrag neue Legalisierungsaktionen ausgeschlossen. Daran will sich Belgiens Staatssekretär für Migration Sammy Mahdi auch halten. Wenn er Politik für die 475 Streikenden mache, würden sich angesichts von bis zu 150 000 illegalen Migranten in Belgien morgen alle Kirchen in Brüssel, Wallonien und Flandern mit Migranten ohne Papiere füllen, argumentiert er. Eine Lösung für die Hungerstreikenden wird er dennoch bald finden müssen, nun da der Koalitionspartner Druck macht…“ Artikel von Nina von Hardenberg, Karin Janker und Oliver Meiler vom 20. Juli 2021 in der Süddeutschen Zeitung online externer Link
    • Blanke Verzweiflung. Belgien: »Sans-papiers« fordern mit Hunger- und Durststreik Aufenthaltsgenehmigung. Regierung blockiert Lösung
      „… Am Freitag beschlossen einige der »Sans-papiers« (französisch: ohne Papiere), wie sie sich selbst nennen, auch nicht mehr zu trinken. Der Protest entzweit die Regierungskoalition. Die wallonische sozialdemokratische Parti Socialiste (PS) sowie die beiden grünen Parteien aus der Wallonie und Flandern, Ecolo und Groen, verlangten am Wochenende, dass Ministerpräsident Alexander De Croo den Fall zur Chefsache erklärt. »Die Lage der Hunger- und Durststreikenden in Brüssel verschlechtert sich zusehends. Die Verhandlungen sind festgefahren. Angesichts der kritischen Situation fordert Groen den Premierminister auf einzugreifen, bevor Opfer zu beklagen sind«, twitterte die flämische Parteivorsitzende Meyrem Almaci am Sonntag. Der Vorsitzende der PS, Paul Magnette, und Jean-Marc Nollet von Ecolo äußerten sich auf Twitter fast gleichlautend. (…) Der flämische Liberale De Croo (Open VLD) lehnt eine kollektive Lösung für die Hungerstreikenden ab. Er plädierte vergangene Woche im Parlament für eine Prüfung jedes einzelnen Falls und sprach dem Staatssekretär für Asyl, Sammy Mahdi, der im Auftrag der Regierung bis jetzt die Verhandlungen mit den »Sans-papiers« führt, sein Vertrauen aus. Falls die Hungerstreikenden ihre »lebensbedrohliche Aktion« fortsetzen wollten, liege »das nicht in der Verantwortung der Regierung, sondern derjenigen, die weiterhin falsche Hoffnungen machen«, zeigte sich der Vorsitzende der flämischen Liberalen, Egbert Lachaert, am Sonntag auf ­Twitter wenig mitfühlend. Die liberalen und konservativen Parteien in der »Vivaldi-Koalition« wollen unter keinen Umständen einen Präzedenzfall schaffen. (…) Der zuständige christdemokratische Staatssekretär Sammy Mahdi richtete am Freitag außerhalb der Kirche eine »neutrale Zone« ein, in der Hungerstreikende ihren Antrag auf Regulierung individuell prüfen lassen können. Nur eine kleine Minderheit der Protestierenden wollte sich bis jetzt auch ohne feste Zusagen seitens der Regierung darauf einlassen (…) Die Hilfsorganisation »Ärzte der Welt«, die die Hungerstreikenden medizinisch betreut, befürchtet bei denjenigen, die auch kein Wasser mehr zu sich nehmen, die Gefahr eines Nierenversagens. Die sanitären Verhältnisse würden von Tag zu Tag unerträglicher. Zudem soll es bereits mehrere Selbstmordversuche gegeben haben, berichtete De Standaard am Sonntag online.“ Artikel von Gerrit Hoekman in der jungen Welt vom 20.07.2021 externer Link
    • Seebrücke twittert am 19.7. externer Link : „Die ersten Streikenden in #Brüssel wurden mit Nieren- und Leberversagen ins Krankenhaus gebracht. Die Situation ist kritisch und die belgische Regierung darf nicht länger warten, Menschen könnten sterben. An Tag 56 des Hungerstreiks haben die Sans Papiers Aktivist*innen einen Durststreik begonnen. Damit bleiben nur noch wenige Stunden, bis die ersten Menschen sterben! Lasst uns gemeinsam Druck ausüben und mit einem Foto oder Video Solidarität zeigen! #regularisatienu @SammyMahdi…“
    • Es gibt auch eine französischsprachige Kampage #wearebelgiumtoo externer Link mit Offenem Brief zum Mitzeichnen
    • Siehe #regularisatienu
  • Die Sans-Papiers-Aktivist:innen nun auch im Durststreik – belgische Regierung reagiert immer noch nicht 
    Die Sans-Papiers Aktivist:innen in der #Béguinage haben alle Wasservorräte vor die Kirche getragen und befinden sich ab sofort im Durststreik. Noch immer keine Reaktion der belgischen Regierung..“ Tweet von Bartholomäus Laffert vom 16.7.2021 externer Link – die Organisation CIRÉ berichtet auf Twitter externer Link von internationaler Solidarität (auf Französisch), während in Deutschland kaum darüber berichtet wird…
  • Das letzte Mittel der Sans-Papiers
    475 Menschen ohne Papiere befinden sich in Belgien im Hungerstreik. Sie fordern ihre Legalisierung und eine Aufenthaltsrechtsreform. (…) Im Januar haben sich daher einige Hundert Ak­tivs­t:in­nen in Brüssel zu einem Kollektiv zusammengeschlossen, der Union des Sans Papiers pour la Régularisation. Ihre Forderungen: eine Reform des Aufenthaltsrechts – und einen sofortigen legalen Status aller Aktivist:innen. Dafür haben sie erst die Barockkirche Saint-Jean-Baptiste au Béguinage im Stadtzentrum von Brüssel besetzt, dann im Februar die ULB und die Vrije Universiteit Brussel (VUB). Seit 23. Mai befinden sich 475 Aktivist:innen in den drei Besetzungen im Hungerstreik. (…) Mahdi ist der Hauptadressat, gegen den sich der Protest und die Wut der Papierlosen richtet. Ein junger aufstrebender Konservativer, der mit seinen 32 Jahren und als Sohn eines Geflüchteten für eine „Beruhigung des Diskurses“ sorgen sollte. Einer, von dem manche in Brüssel sagen, dass der Hungerstreik seine politische Karriere entscheiden könnte; denn seine Haltung war bislang eindeutig: „Wenn sich, wie sie sagen, 150.000 Menschen illegal in Belgien aufhalten und 200 von ihnen beschließen, einen Hungerstreik zu beginnen, um einen legalen Status zu erhalten, werden eine Woche später 2.000 oder sogar 20.000 andere dasselbe tun“, erklärte Mahdi schon Ende Juni. (…) „Die Regierung hat Angst“, glaubt Charlotte Fichefet, sie ist Politikwissenschaftlerin an der ULB und Teil des Unterstützer:innen-Netzwerks der Sans-Papiers. „Denn der Kampf der Kollektive der Sans-Papiers in Belgien hat eine längere Tradition.“ Mehrmals sei es den Sans-Papiers gelungen, One-Shot-Legalisierungsaktionen durchzusetzen. Während der ersten Proteste 1999/2000 wurden von 50.000 Anträgen 40.000 dauerhaft bewilligt, und auch Mitte und Ende der 2000er wurden mit Hungerstreiks mehrere Legalisierungen durchgesetzt. Im Jahr 2010 erhielten 10.000, 2011 6.000 Personen einen Aufenthaltstitel. Schon damals war die Kirche Saint-Jean-Baptiste au Béguinage Zentrum des Protests. An diesem Abend sind die Türen der Kirche verriegelt. Vergangene Woche haben die Aktivist:innen beschlossen, den Protest zu verschärfen und keine Ärzt:innen, Unterstützer:innen und Journalist:innen mehr hineinzulassen. Schon jetzt sind sechs Selbstmordversuche bekannt, vier Personen haben sich die Münder zugenäht. (…) Ob Belgien gegenüber den Papierlosen die Menschenrechtskonvention bricht, ist inzwischen Thema von Beratungen bei den Vereinten Nationen. Vergangenen Donnerstag hat Olivier De Schutter, der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und extreme Armut, die Menschen in der Kirche besucht – anschließend sagte er: „Was ich gehört habe, war erschütternd, denn viele sind seit vielen Jahren in Belgien. Sie befinden sich in einem Rechtsvakuum, während ihre Kinder hier auf die Schule gehen und sie arbeiten, haben sie keine Möglichkeit, sich über die Formen der Ausbeutung zu beschweren, denen sie ausgesetzt sind.“...“ Artikel von Bartholomäus von Laffert vom 13.7.2021 in der taz online externer Link
  • Belgien: Über 400 papierlose MigrantInnen im Hungerstreik seit dem 23. Mai nähen sich nun die Münder zu und schlucken Rasierklingen – Regierung bleibt hart 
    Die Besorgnis über einen Hungerstreik von Hunderten von Migranten ohne Papiere in Belgiens Hauptstadt wächst. Vier Männer haben sich aus Protest gegen die Weigerung der Behörden, ihnen einen legalen Status zu gewähren, die Lippen zusammengenäht. Mehr als 400 Migranten besetzen zwei Universitäten und eine Barockkirche in der belgischen Hauptstadt Brüssel. Sie haben am 23. Mai aufgehört zu essen und viele sind jetzt sehr schwach. Gesundheitspersonal behandelt einige, die ihre Lippen zugenäht haben, und verabreicht vielen der ausgemergelten Hungerstreikenden Flüssigkeiten über Infusionen. Die Migranten haben zunehmend verzweifelte Maßnahmen ergriffen. Der französischsprachige Sender RTBF berichtete, dass einer der Demonstranten eine Rasierklinge und ein anderer am Sonntag Batterien und ein Feuerzeug verschluckt habe. Alexandre Seron von „Ärzte der Welt“ sagte, die Menschen hätten Probleme beim Stehen und bekämen immer stärkere Magenschmerzen. „Einige Menschen sind am Rande einer grenzwertigen psychiatrischen Zustand“
    „Wir leben wie Ratten“
    Die meisten der Migranten kommen aus Südasien und Nordafrika: Einige von ihnen sind schon seit mehr als einem Jahrzehnt in Belgien. Im vergangenen Jahr haben die Schließungen von COVID-19 und die höhere Arbeitslosigkeit das Überleben für viele von ihnen deutlich erschwert. Die belgische Regierung hat wiederholt gesagt, dass sie nicht mit den Hungerstreikenden über ihre Forderung nach einem legalen Aufenthalt verhandeln wird und hat sich geweigert, die kollektiven Regularisierungen von 2000 und 2019 zu wiederholen. Es gibt schätzungsweise 150.000 undokumentierte Migranten in Belgien. Eine der Gruppen, die hinter dem Streik stehen, die Christliche Arbeiterbewegung, sagte am Mittwoch, dass sie sich mit dem Minister für Asyl und Migration, Sammy Mahdi, getroffen und ihm eine Petition überreicht habe, in der sie forderte, dass die Migranten einen legalen Status erhalten. Die #wearebelgiumtoo-Petition hat laut Coordination des sans-papieres de Belgique, einem Kollektiv undokumentierter Migranten, 28.000 Unterschriften gesammelt. CIRÉ, eine Organisation für die Rechte von Migranten schrieb externer Link: „39. Tag des Hungerstreiks von 430 undokumentierten Migranten. Müssen wir sterben, um gehört zu werden?“
    Sammy Mahdi beharrte darauf, dass die Regierung nicht zustimmen würde, den Status der Migranten zu regularisieren. „Jeder, der den Hungerstreikenden Hoffnung macht, gießt Öl ins Feuer. Tun Sie das nicht, denn Sie spielen mit dem Leben der Menschen“, twitterte er.“ Übersetzung des Artikels „Belgium: Migrants on hunger strike take desperate steps“ von Marion MacGregor Published vom 1.7.2021 bei infomigrants.net externer Link
  • siehe auch #wearebelgiumtoo und die Berichterstattung von CIRÉ asbl auf Twitter externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=189383
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