»
Australien »
»
»
China »
»
»
Frankreich »
»
»
Italien »
»
»
Südkorea »
»

Von China und Korea bis Frankreich und Italien: Fahrrad-Kuriere im Kampf gegen gesteigerte Ausbeutung in Zeiten der Epidemie

Die Protestaktion der Riders Union in Bologna am 10. Juni 2019 - einen Tag nach dem Tod von Mario FerraraStreik in Italien, Streik in Frankreich, Streik in China, Streik in Südkorea: Weltweit setzen sich Fahrrad-Kuriere zur Wehr gegen die verschiedenen Maßnahmen der globalen wie lokalen Unternehmen, ihre Ausbeutung im Zuge des Aufschwungs der Branche in der Epidemie weiter zu verschärfen und intensivieren. Und auch, wenn in Wirklichkeit niemand genau  weiß, wie viele Menschen zeitweise oder ganz als Kurier arbeiten – dass es immer mehr sind, dass es sehr viele sind, ist unbestritten. Wie es unbestritten ist, dass die Unternehmen der Branche zu jenen gehören, die von den Entwicklungen und Beschränkungen in der Epidemie qua Umsatz- und Gewinnsteigerung profitieren. Und dies ganz traditionell kapitalistisch durch verschärfte Ausbeutung der Kuriere weiter steigern wollen – erst recht in Zeiten, da sich die „Big Player“ von Netz- und Plattform-Wirtschaft in der Branche auszubreiten beginnen. Zu den aktuellen Kämpfen der Kuriere vier Beiträge – die Schlaglichter sein sollen, auf eine Entwicklung, die naheliegenderweise von den Unternehmen versucht wird, einzudämmen, wofür sie aber ihre entsprechende Unternehmenspolitik ändern müssten, die in drei weiteren Beiträgen angedeutet wird…

China: „Eilzusteller protestieren gegen Lohnrückstände zum „Single-Day““ am 01. November 2020 im Blog Form Arbeitswelten externer Link fasst die Berichterstattung im China Labour Bulletin (vom 22. Oktober)  unter anderem so zusammen: „… Obwohl die Höhe der geschuldeten Löhne oft relativ gering ist – in den meisten Fällen ein oder zwei Monatsgehälter – hat das Fehlen formeller Arbeitsverträge es den Beschäftigten sehr schwer gemacht, die ihnen geschuldeten Lohnnachzahlungen einzufordern. Expresszustellbahnhöfe haben nach der Covid-19-Pandemie, bei der sie während der vorübergehenden Schließung des Betriebs noch Miete und andere Ausgaben zahlen mussten, ums Überleben gekämpft. Während des ersten Quartals des Jahres erlebten alle großen Expresszustellunternehmen, mit Ausnahme des Marktführers SF Express, einen erheblichen Umsatzrückgang. Obwohl sich das Geschäft nach der weitgehenden Eindämmung der Pandemie in China im Mai zu verbessern begann, begannen die Expresszustellunternehmen schon bald wieder die Preise zu senken, um Marktanteile zu gewinnen. Die Unternehmen verhängten auch höhere Geldstrafen gegen Auftragnehmer, die die strengen Lieferziele nicht einhielten. Und da viele Betreiber es sich nicht leisten konnten, zusätzliches Personal einzustellen, um diese Ziele zu erreichen, wurden Geldstrafen unvermeidlich. Im Juli zum Beispiel war der Eigentümer einer ZTO-Express-Lieferstelle in Fuzhou gezwungen, nach etwas mehr als einem Jahr Betrieb zu schließen, weil die ständigen Strafen bis zu 30.000 Yuan pro Monat betragen konnten. Eine weitere Entwicklung in dieser Woche war der Abschluss eines Tarifvertrags zwischen der Kommunalgewerkschaft Peking und dem Verband der Expresszustellindustrie der Stadt über die Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten. Die Vereinbarung „ermutigte“ die Unternehmen, ihre gesetzlich vorgeschriebenen Beiträge zur Arbeitsunfallversicherung für das Personal zu entrichten, einen Zuschuss für niedrige Temperaturen zu gewähren und warme Kleidung auszugeben, wenn die Temperatur unter fünf Grad Celsius sinkt. Die Vereinbarung sagte jedoch nichts über das Lohnniveau oder die Sicherstellung der pünktlichen Auszahlung der Löhne aus. Der Allchinesische Gewerkschaftsbund gibt an, dass er den Beschäftigten in der Lieferindustrie als einem seiner „acht Hauptsektoren“ Vorrang einräumt, aber bisher sind seine Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen von Kurierdiensten – wie durch die anhaltenden Streiks deutlich wird – minimal...“

„Kaufrausch mit Schattenseiten“ von Fabian Kretschmer am 11. November 2020 in der taz online externer Link zu den ganz aktuellen Arbeitsbedingungen unter anderem: „… Am 11. 11. zelebriert Chinas Internetimperium Alibaba das weltweit größte Shopping-Festival, bei dem rund 250.000 Konzerne ihre Produktpalette mit „Sonderrabatten“ raushauen. Ursprünglich wurde das Datum mit den vier symbolischen Einsen lediglich von chinesischen Studenten als Antithese zum Valentinstag umgedeutet: Singles haben sich mit kleinen Geschenken über die Einsamkeit hinweggetröstet. Längst jedoch ist der Singles’ Day zum wichtigen Konjunkturbarometer für die chinesische Wirtschaft avanciert. Ausgerechnet im Coronajahr brechen die Konsumenten in der Volksrepublik sämtliche bisherigen Rekorde. Bis zu 583.000 Bestellungen pro Sekunde trafen bei Alibaba ein. Mehr als 16 Millionen Artikel stehen zur Verfügung, die von über 3.000 Flugzeugen und Cargo-Schiffen angeliefert wurden. Wer die Alibaba-eigene App Taobao aufruft, erlebt eine Reizüberflutung sondergleichen. Alle paar Sekunden ploppen neue Botschaften in schrillen Farben auf dem Smartphone-Display auf, die alle möglichen Produkte von Sportschuhen über Hundefutter bis hin zu Luxusuhren anpreisen. Wer ein wenig mehr auf der hohen Kante hat, kann auch ermäßigte Immobilien oder Luxusuhren abgreifen. Der Kaufrausch der Chinesen wurde nicht zuletzt dadurch angefeuert, dass die Wirtschaft im Reich der Mitte nach der erfolgreichen Eindämmung des Infektionsrisikos inzwischen wieder ohne Handbremse hochgefahren wurde. Gleichzeitig fielen in China, das seine Landesgrenzen bis auf wenige Ausnahmen geschlossen hält, Auslandsreisen als Konsummöglichkeit flach. (…) Das milliardenschwere Unternehmen wird die Kursverluste mit seinen Einnahmen vom Singles-Day dennoch leicht kompensieren können. Für Lieferkuriere wie Wang aus Suzhou hingegen bedeutet das Shopping-Festival vor allem 14-Stunden-Schichten – ohne die letztendliche Gewissheit, für die Arbeit auch entlohnt zu werden“.

Frankreich: „Grève: les livreurs de Deliveroo posent leurs sacs à Besançon“ von Catherine Chaillet am 14. November 2020 in L’Est Republicain externer Link ist eben ein Bericht vom Deliveroo-Streik in Besançon – der bisher letzte einer Reihe ähnlicher Aktionen in verschiedenen Städten Frankreichs, die sich gegen den neuesten Versuch des Unternehmens richten, die Bezahlung der Kuriere zu verringern – womit dieses allgemein als wenig fein bekannte Unternehmen aber nicht nur in Frankreich keineswegs alleine da steht…

Italien: „Italiens Kuriere kämpfen weiter gegen wachsende Ausbeutung während der Epidemie – und gegen einen Tarifvertrag einer Rechtsgewerkschaft, der diese fortsetzt“ am 11.November 2020 im LabourNet Germany war unser Streikbericht aus Italien, der so begann: „„ In Italien gab es einen landesweiten Streiktag von Ridern gegen ein Abkommen des Unternehmerverbandes AssoDelivery mit der faschistischen Gewerkschaft UGL“ – so meldete es am 31. Oktober 2020 im Twitter-Kanal der FAU eine Nachricht, zu der auch ein Videobericht von einer der zahlreichen Streikdemonstrationen in verschiedenen italienischen Städten in diesen Tagen gehört…“

Südkorea: „Delivery workers vow not to work on Saturdays“ von Lee Hyo-jin  am 29. Oktober 2020 in der Korea Times externer Link berichtet von einer Pressekonferenz des Gewerkschaftsbundes KCTU auf der bekannt gegeben wurde, dass mindestens 4.000 Kuriere landesweit ab sofort jeden Samstag in Streik gegen ihre Arbeitsbedingungen und Entlohnung treten werden.

„’I thought maybe I would die‘: S Korea’s delivery drivers demand change“ von Laura Bicker am 03. November 2020 bei BBC Online News externer Link ist ein Beitrag über die Aussagen zahlreicher Kuriere in Korea zu ihren menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen – und ihrer Absicht, sich dagegen zur Wehr zu setzen.

Australien: „’By Tuesday I’m sitting on $31.08′: a week in the life of a Melbourne food delivery worker“ am 31. Oktober 2020 im Guardian externer Link ist der anonyme Bericht eine Riders aus Australien über seine Arbeits- und Lebensbedingungen, eine Art Tagebuch einer Woche, das mit der Aufforderung endet: „Sei nett zu Deinem Kurier – vielleicht bist Du eines Tages selbst einer…“

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=181373
nach oben