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[Buch] Causa Mercedes-Benz

[Buch von Gaby Weber im Verlag Die Buchmacherei] Causa Mercedes-Benz „… Der Fall der ermordeten Betriebsräte von Mercedes-Benz Argentina (MBA) ist ein Schandfleck der globalen Justiz. Der Oberste Gerichtshof der USA verbot der Richterschaft Kaliforniens die Eröffnung des Verfahrens. Für die Staatsanwaltschaft Nürnberg waren die aus dem Folterzentrum verschwundenen Gewerkschafter nicht tot; sie stellte das Verfahren ein. In Argentinien weigert sich die Justiz seit 22 Jahren, einen Verhandlungstermin anzusetzen. Trotzdem zeigt die „Causa Mercedes-Benz“ wie kaum eine andere die Erfolge der nichtinstitutionellen Zusammenarbeit von Journalisten, Juristen und Gewerkschaftern über Jahre und Kontinente hinweg. Daimler sollte für seine Verbrechen auf der südlichen Halbkugel zur Rechenschaft gezogen werden. Dies ist juristisch misslungen und politisch gelungen. (…) Und im Argentinien des neuen rechtsradikalen Präsidenten Javier Milei ist für Gerechtigkeit kein Platz mehr. Oder wird am Ende die Mercedes-Benz-Group doch noch auf der Anklagebank landen?“ Aus dem Klappentext des Buchs von Gaby Weber im Verlag Die Buchmacherei – siehe mehr Infos und als Leseprobe im LabourNet das Vorwort:

  • Das Buch „Causa Mercedes-Benz“

Vorwort von Gaby Weber: Warum dieses Buch?

„Der Fall der ermordeten Betriebsräte von Mercedes-Benz Argentina (MBA) ist ein Schandfleck der Justiz Argentiniens, der USA und Deutschlands. Zugleich zeigt er wie kaum ein anderer die Erfolge der nicht-institutionellen Zusammenarbeit von Journalisten, Juristen und Gewerkschaftern über Jahre und Kontinente hinweg.

Ein multinationaler Konzern sollte für seine Verbrechen auf der südlichen Halbkugel zur Rechenschaft gezogen werden. Dies ist juristisch misslungen und politisch gelungen.

Die Causa Mercedes-Benz wurde nicht von den großen Menschenrechts-Organisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch ausgegraben und vorangebracht, sondern von Einzelpersonen. Dann wurde sie von der Menschenrechts-Bürokratie gekapert und endete als Karteileiche, bislang.

Das Stuttgarter Unternehmen hatte während der Militärdiktatur 1976 und 77 seine gewerkschaftlichen Aktivisten „verschwinden“ lassen. Sie wurden bei den Sicherheitsbehörden als „Agitatoren“ denunziert, den Rest erledigten die Militärs. Von den 17 verschleppten und gefolterten Betriebsaktivisten überlebten drei. Bis heute sind diese Verbrechen ungesühnt. Die deutsche Justiz wollte sie nicht verhandeln. In den USA hingegen hatte die komplette Richterschaft Kaliforniens beschlossen, den Fall anzuhören. Der US Supreme Court verbot dies.

Und in Argentinien ist seit 2002 ein Ermittlungsverfahren gegen den früheren MBA-Produktionschef Juan Tasselkraut anhängig, welches läuft und läuft und läuft. Seit zwanzig Jahren bewegen Richter, Staatsanwälte und Bürokraten die Akten von einem Schreibtisch auf den anderen.

Ich habe den Fall ab 1999 recherchiert, Zeugen aufgetan, Dokumente aus den Archiven geholt und der Justiz präsentiert. Daimler wurde gezwungen, eine Untersuchungs-Kommission einzuberufen, um meine Vorwürfe zu überprüfen. Wer nun glaubt, dass dies von den Sendern der ARD, für die ich jahrzehntelang tätig war, gewürdigt wurde, liegt falsch. Oft wurde mir vorgeworfen, dass ich mich festgebissen hätte und nicht mehr objektiv sei. Man hielt mir das Zitat des früheren Tagesthemen-Moderators Hanns-Joachim Friedrichs vor: „Ein guter Journalist darf sich mit keiner Sache gemein machen, auch nicht mit einer guten!“

Der Satz ist an sich nicht falsch. Ein Journalist muss Distanz wahren und alle Meinungen hören, aber er muss immer kritisch bleiben, auch gegenüber Leuten, die als die „Guten“ gelten. Linker Journalismus („periodismo militante“ nennt man das in Argentinien) ist zum Davonlaufen. Friedrichs war Nachrichtenredakteur, ein aktueller Berichterstatter über Katastrophen, der Meldungen von Dritten auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Mit investigativem Journalismus hat das nichts zu tun.
Alle großen Skandale sind von Publizisten aufgedeckt worden, die sich irgendwann an einem Thema festgebissen und unzählige (unbezahlte) Arbeitsstunden aufgewandt haben, angetrieben von einem Gerechtigkeitsgefühl und der Lust, die Mächtigen zu kontrollieren (klar: das macht Spaß!).

In Argentinien kam der Fall zum richtigen Zeitpunkt. Zwar hatte der erste Präsident nach der Diktatur, Raúl Alfonsín, die Junta-Kommandanten vor Gericht stellen und verurteilen lassen. Die Worte „Nunca Mas“ (Nie Wieder) gingen um die Welt. Dann musste er Amnestiegesetze erlassen, und die Zehntausende im staatlichen Auftrag begangenen Morde wurden nicht weiter verfolgt. Erst die Kirchner-Regierung erklärte sie 2003 zur Staatsraison und schuf eine regelrechte Menschenrechts-Bürokratie.

Ist dieses Wort zu hart? Aus Kreisen der institutionalisierten Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) kommt stets das Argument der Professionalität. Guter Wille und Engagement, aufgewendet in der Freizeit und finanziert aus eigener Tasche, sei nicht ausreichend. Die Sachverhalte seien komplex, erfordern Kompetenz und viele Stunden Arbeit. Das mag sein, aber sie sollten zumindest einer messbaren Qualitätskontrolle unterworfen sein, mit anderen Worten: Können diese NGOs Erfolge vorweisen, oder geht es nur um schöne Worte, um heiße Luft und eine gute Versorgung?

In der Causa Mercedes-Benz überwiegen die Nachteile bei Weitem das Argument der Professionalität. Heute bestehen die NGOs aus Leuten mit Hochschulabschluss und guten Kontakten zu Medien, Regierungen und internationalen Gremien. Ihr Platz ist der Schreibtisch, nicht die Straße, und sie hängen von ihren Geldgebern ab, einer Regierung oder einem Mäzen, und die geben nichts umsonst. Am Ende arbeiten sie für die eigene Karriere.

Im Verfahren MBA ging es um die zivilen Täter, um die Unternehmer und die Gewerkschaften. Es sollte nicht nur gegen die Uniformierten ermittelt werden, sondern gegen ihre Komplizen und Auftraggeber. Terrorregime werden nicht von Psychopathen errichtet. Folter und Mord geschehen aufgrund von wirtschaftlichen Interessen. Dies darzustellen, ist im vorliegenden Fall gelungen.

Das Stuttgarter Unternehmen wurde von den eigenen Betriebsräten, den Kritischen Aktionären und der Öffentlichkeit gezwungen, sich den Vorwürfen zu stellen, statt das Thema auszusitzen. Die IG Metall musste Stellung beziehen, der Internationale Metallarbeiterbund seinen Vizepräsidenten feuern, das Thema ging um die Welt.

Inzwischen ist es ruhig geworden. Eigentlich hätte schon lange der inzwischen 82-jährige Tasselkraut auf der Anklagebank sitzen müssen, aber bis zum Redaktionsschluss stand immer noch kein Termin für die mündliche Verhandlung fest. Und ob die neue ultrarechte Regierung von Javier Milei dies beschleunigen wird, darf bezweifelt werden.

Wird die Mercedes-Benz Group – wie sie sich heute nennt – für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden? Hier mein Erfahrungsbericht. Ich schreibe ihn aus meiner subjektiven Sicht, erzähle, was ich unternommen habe und was Jahr für Jahr passiert ist. Andere mögen ihre eigene Version haben.“

Vorwort von Gaby Weber

LabourNet Germany gehörte zu dem genannten Netzwerk, siehe die umfangreiche Berichterstattung in der Rubrik Daimler in Argentinien

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=219329
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