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Ein Regime in die Enge getrieben: Massenproteste und Streiks in Algerien gehen immer weiter – Armee verschärft die Drohungen – Spaltung beim staatstragenden Gewerkschaftsbund UGTA

Eine Demonstration in Algier am 26.2.2019 - nicht nur an den Freitagen wird gegen das "5. Mandat" für Bouteflika protestiert...Das Ausmaß und die Intensität der Mobilisierung auf Algeriens Straßen sowie die Reife und das politische Bewusstsein der in allen Belangen äußerst heterogenen Protestbewegung weist dabei all jene in die Schranken, die die überwiegend junge algerische Bevölkerung noch 2011 – als der sogenannte „Arabische“ Frühling in der Region wie ein Dominoeffekt die herrschenden Ordnungen in Frage stellte, an Algerien aber wie ein kurzer Regenschauer vorbeizog – für ihre Lethargie und Passivität belächelt hatten. Die Vehemenz der anhaltenden Revolte gegen Algeriens intransparente Machtstrukturen zeigt einmal mehr, dass die arabisch-islamische Welt eben kein monolithischer Block ist wie in der internationalen Berichterstattung so oft suggeriert wird, sondern jedes Land und jede Gesellschaft entlang eigener Dynamiken und nationaler und regionaler historischer Gegebenheiten funktioniert. Auch führen die derzeitigen Entwicklungen in Algerien deutlich vor Augen, dass revolutionäre Massenbewegungen nur dann eine Chance auf Durchschlagskraft haben, wenn sozioökonomische und politische Faktoren gleichermaßen weite Teile der Bevölkerung von politischer, kultureller und wirtschaftlicher Teilhabe ausschließen. (…) Bouteflikas Unterstützerfront ist derweil praktisch in sich zusammengefallen. Sowohl in der UGTA und im FCE als auch in den Regimeparteien FLN und RND ist die anfängliche vorsichtige Kritik am Regierungslager und der Kandidatur des greisen Staatschef inzwischen in offene Rebellion gegen die jeweiligen Führungskader umgeschlagen. Immer mehr Profiteure der alten Ordnung wechseln zudem nach teils absurden Wortmeldungen oder Stellungnahmen die Seiten und stellen sich demonstrativ hinter die Protestbewegung. Diese lässt sich zwar bisher von derlei Manövern nicht in die Irre führen und reagiert auf die allzu durchsichtigen Richtungsänderungen ehemaliger strammer Bouteflika-Unterstützer mit Humor und entlarvendem Sarkasmus, doch wie und ob es in ihrem Sinne weitergehen wird, bleibt offen…“ – aus dem ausführlichen Beitrag „Droht in Algerien die Machtübernahme der „Dienste“?“ von Sofian Philip Naceur am 25. März 2019 bei telepolis externer Link, worin die verschiedenen Strömungen ausführlich dargestellt und ihre Stärke analysiert wird. Siehe in der erneuten Materialsammlung dazu auch drei aktuelle Beiträge rund um die Streikbewegung in Algerien, die inzwischen auch zur offenen Spaltung beim staatstragenden Gewerkschaftsbund UGTA geführt hat, zwei Beiträge zur Erklärung des Armee-Chefs, sowie den Hinweis auf den bisher letzten unserer zahlreichen Beiträge:

  • „Strikes spread in Algeria as anti-government protests grow“ von Will Morrow am 26. März 2019 bei wsws externer Link ist ein hier als Bericht über die aktuellen Streikbewegungen in Algerien verlinkt, die zu den Massenprotesten untrennbar hinzugehören. Die über 4.000 Stahlwerker von Tosyali Algeria in Oran befinden sich ebenso im Streik, wie über 1.000 Bauarbeiter der Ozgun-Nurol-Engoa, einem türkisch-algerischen Bauunternehmen im Straßenbau – und die erneuten Aufrufe zu einem Generalstreik in dieser Woche versuchen, den Erfolg des letzten „anonymen“ Aufrufs zu wiederholen und überbieten.
  • „Die algerische Armee lässt Präsident Bouteflika fallen“ von Ulrich Schmid am 26. März 2019 in der NZZ externer Link zeichnet die Einwirkung der Armee (und mit ihr der Regierungspartei FLN) nach – wie so viele Berichte in deutschsprachigen Medien unter weitgehender Ausblendung des drohenden Charakters dieser Äußerungen: „… Die Intervention Salahs dürfte das Verschwinden Bouteflikas von der politischen Bühne massiv beschleunigen. Die Armee stellt nicht das gesamte klandestine Zentrum, das faktisch die Geschicke Algeriens lenkt. Aber sie ist und bleibt der eigentliche Machtfaktor im Land, gegen ihren Willen geht nichts. Wenn Salah dem Staatschef nun die Unterstützung entzieht und ihn durch die Blume auffordert, sein Amt so schnell wie möglich preiszugeben, dann ist das ein Signal an alle noch Zaudernden, jetzt endlich aktiv zu werden. Die Elite hatte den andauernden Protesten anfänglich mit dem Angebot die Spitze brechen wollen, Bouteflika werde nicht mehr kandidieren und statt dessen einen nationalen Versöhnungsdialog einleiten, der irgendwann, möglicherweise erst 2020, in der Wahl eines neuen Regierungschefs kulminiere. Die Unzufriedenen hatten dies schnell als Trick durchschaut, indem sie aus dem Angebot das einzig Fassbare destillierten: die Tatsache, dass Bouteflika im Amt bleibt, und zwar womöglich noch sehr lange. (…) Im Grunde war die Position Bouteflikas bereits Ende letzter Woche unhaltbar geworden, als die herrschende Partei des Landes, der Front de libération nationale (FLN), dem Vorschlag des Staatschefs für einen nationalen Versöhnungsprozess die Unterstützung entzog. Wichtige FLN-Politiker sagten öffentlich, es sei an der Zeit, «nach vorne zu schauen und die Ziele der Demonstranten zu unterstützen». Ein Kabinettsminister sagte: «Das Spiel ist aus. Bouteflika ist Geschichte. Er kann nur noch abtreten.» Wenn in der Staatspartei so über den Präsidenten gesprochen wird, bleiben keine Fragen mehr offen…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=146453
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