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Call Center – in Albaniens wachsender Branche wachsen auch gewerkschaftliche Bestrebungen

Please hold the line - Call Center FantasienAlbanien ist eines der Länder, die zu Sammelpunkten von Call Center gemacht wurden: In den letzten 15 Jahren sind rund 30.000 Menschen für diese offiziell angestellt worden, inoffiziell wird gesagt, es seien sogar noch wesentlich mehr, weil geschätzt noch einmal genau so viele ohne Verträge arbeiten müssen – die Branche ist der Sektor, der die meisten jüngeren Menschen in Albanien beschäftigt. Gegenüber italienischen Unternehmern pries Ministerpräsident Rama (ähem: Sozialistische Partei) sein Land an als eines an, in dem niedrige Steuern, niedrige Löhne und so weit wie möglich fehlende gewerkschaftliche Strukturen ein besonders gutes Geschäftsklima anbiete, vor allem zum benachbarten Italien. Anders lautende Gesetze gibt es durchaus, nur kümmert niemand sich besonders darum, was bis hin zu kriminellen Aktivitäten allen möglichen Übeln Tür und Tor öffnet. In dem Beitrag „In Albania, call centre workers are organising for better working conditions“ von Louis Seiller am 09. Juli 2019 in Equal Times externer Link wird davon berichtet, wie Beschäftigte in albanischen Call Center eine eigene, unabhängige Gewerkschaft gründeten – und wie diese sich seitdem entwickelt hat – in einem Land, in dem bestehende Gewerkschaften nicht nur bestimmte politische Parteien vertreten, sondern in dessen Privatsektor es auch so gut wie keine gibt. Solidariteti’s fordert – unter anderem – die Bezahlung von Sozialabgaben durch die Unternehmen und ähnliche ganz grundlegende (und eigentlich: Selbstverständliche) Forderungen. Wobei die GewerkschafterInnen sich bewusst sind, dass große Unternehmen der Branche bis zu 300 Euro im Monat bezahlen (der Mindestlohn in Albanien wurde 2019 auf 208 Euro erhöht) was „beinahe schon an den Durchschnittsverdienst heran reicht“… Siehe dazu:

  • Solidariteti: Eine neue Gewerkschaft in den (sehr vielen) Call Centern Albaniens New
    „… Die überwältigende Expansion, die in den letzten zehn Jahren im Call-Center-Bereich in Albanien stattgefunden hat, etwa die Erhöhung der Beschäftigtenzahl oder die zunehmende Konzentration von Arbeitern an diesen modernen Arbeitsplätzen, würde früher oder später unvermeidliche zur Organisation der Arbeiter am Arbeitsplatz führen. Die verschiedenen Unzulänglichkeiten, die im Callcenter auftreten, wie beispielsweise das Stehlen von Arbeitsstunden, Stress, verschiedene Gesundheitsprobleme, ein hoher Arbeitsdruck und das Bewusstsein der Arbeiter für diese Probleme, haben es einer solchen Organisation ermöglicht, zu handeln in Albanien. Und das ist der Fall bei der Gewerkschaft „Solidariteti“, der ersten Gewerkschaft der Arbeiter und Arbeiterinnen im Sektor Call Center. Die Gewerkschaft ist per definitionem die Organisation von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz, die darauf abzielt, deren Interessen gegen die Interessen des Arbeitgebers oder des Eigentümers zu schützen. Die Verschärfung der Widersprüche zwischen dem Eigentümer, der mehr und mehr Gewinne auf Kosten der Arbeiter erzielen will, und Arbeitern, die ein angemessenes Entgelt und bessere Arbeitsbedingungen suchen, machen die Gründung von Gewerkschaften unverzichtbar. Aber die gewerkschaftliche Organisierung ist gar nicht so ruhig und einfach in rechtlicher Hinsicht herstellbar. Die Organisation, gerade weil sie die Interessen der ökonomisch herrschenden Klasse und die Interessen der Gruppen, die auf Kosten der Arbeiter leben bedrohen, führt zu Erregungszuständen. Auch bei korrupten Gewerkschaften welche eng verbunden sind mit parasitierenden politischen Parteien und den Eigentümern. Die ersten Menschen, die Angst vor der Arbeiterorganisation haben, sind die Eigentümer diese werden heute als Unternehmer bezeichnet…“ – aus dem Beitrag „Wer hat Angst, wenn sich Arbeiter organisieren?“ von Alfred Bushi am 15. Juli 2019 in deutscher Übersetzung von Max Brym bei scharf links externer Link, worin auch noch die keineswegs gewerkschaftsförderliche Aktivität der Arbeitsaufsicht Thema ist. Siehe dazu auch einen weiteren Beitrag zu dieser Gewerkschaftsgründung und den Hinweis auf unseren ersten Beitrag zur Entwicklung in albanischen Call Centern:

    • „Solidariteti- Kämpferische Gewerkschaft in Albanien gegründet“ von Max Brym am 12. Juli 2019 bei Kosova Aktuell externer Link berichtet unter anderem: „… In Albanien macht die unabhängige gewerkschaftliche Organisation der Arbeiter beträchtliche Fortschritte. In der Hauptstadt Tirana werden die Arbeiter und Arbeiterinnen hauptsächlich von Call-Center- Kapitalisten ausgebeutet. In Prishtina in Kosova sind die Callcenter ebenfalls diejenigen Unternehmen welche hauptsächlich jugendliche deutsch sprechende Menschen rücksichtslos ausbeuten. Auch in Prishtina gibt es die meisten Beschäftigungsverhältnisse in diesem Bereich. Meinungsumfragen des Instituts Forsa werden oftmals von Prishtina aus erstellt. Der angerufene Deutsche sieht aber nur eine Nummer aus Berlin. In Albanien wehren sich die Arbeiter seit geraumer Zeit gegen die Ausbeutung in den Callcentern. Es gibt Streiks und seit dem 18 Mai die unabhängige Gewerkschaft „ Solidaritäti“ in Tirana. Dies versetzt die politische Kaste in Albanien in helle Aufregung. Unabhängige Gewerkschaften welche sich nicht der PS oder der DP unterordnen werden als enorme Gefahr begriffen. Die Gewerkschaft wird in der Presse als „ enveristisch“ „ anarchistisch“ oder „ trotzkistisch“ angegriffen. Diese Angriffe bewirken jedoch nichts. Die Arbeiter begreifen zunehmend, dass sie kämpferische Gewerkschaften benötigen. Die in Gang gekommene Entwicklung erreicht auch die kampferprobten Arbeitersektoren im Bergbau und in der Erdölindustrie. In den dortigen Gewerkschaften mehren sich Stimmen sich vom Einfluss der Parteien DP ( Demokratische Partei) oder der sogenannten „Sozialistischen Partei“ ( SP) zu lösen. Im vergangenen Herbst kämpften hauptsächlich die Studenten gegen die Privatisierung der Bildung. Jetzt beginnt die Arbeiterklasse ihre Stimme zu erheben. In Albanien entwickelt sich zunehmend der Klassenkampf. Die politische Stimme dieser Entwicklung ist die Organisation „ Organizata Politike“. Diese Organisation unterstützt jeden Arbeiter und Studentenkampf und führt interessante Veranstaltungen zum Marxismus, sowie zu einzelnen Personen aus der Geschichte der Arbeiterbewegung durch…“
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=151372
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