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Sisi-Land: 15 Jahre Gefängnis für Demonstrationsteilnahme, nicht nur für Alaa Abdel Fattah

Dossier

ägypten alaa abdel fattahWes Geistes Kind beziehungsweise Politik im Ägypten des von einer Minderheit gewählten Herrn Sisi Einzug hält ist am 11. Juni deutlich geworden: Ein (Militär)Tribunal verurteilte 25 Angeklagte zu Gefängnisstrafen wegen Teilnahme an einer illegalen Demonstration, unter ihnen eine der bekanntesten Personen der Anti-Mubarak Revolte, Alaa Abdel Fattah, der im November festgenommen im März auf Kaution freigelassen wurde und nun zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Bereits im April wurde einer der Sprecher der 6. April Bewegung, Ahmed Maher zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Der (Agenturen)Bericht Alaa Abdel Fattah condamné à 15 ans de prison externer Link am 11. Juni 2014 bei Assawra. Siehe dazu auch:

  • Ägypten: Blogger und Demokratie-Aktivist Alaa trotz Ende der Strafe weiter in Haft New
    Alaa Abd el-Fattah ist einer der prominentesten Gefangenen des autoritären ägyptischen Sisi-Regimes. Obwohl seine Haftstrafe eigentlich zu Ende wäre, will die Justiz den Aktivisten nicht aus dem Gefängnis lassen. Seine Mutter ist deswegen seit fast einem Monat im Hungerstreik.
    Am 29. September hätte Alaa Abd el-Fattah endlich wieder in Freiheit sein sollen. Dann wäre eigentlich die fünfjährige Haftstrafe abgelaufen, die der britisch-ägyptische Blogger, Programmierer und Demokratie-Aktivist wegen angeblicher Verbreitung von Falschnachrichten erhalten hatte. Doch die ägyptische Justiz weigert sich – entgegen der eigenen Strafprozessordnung – ihn aus dem Gefängnis zu entlassen, indem sie die zweijährige Untersuchungshaft nicht anrechnet.
    Anfang Oktober wurde Alaa von der Gewinnerin des britischen PEN-Preises Arundhati Roy zum „Autor des Mutes“ für das Jahr 2024 ernannt. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch oder Amnesty International fordern seit Jahren die Freilassung von Alaa. Im September hatten 59 Menschenrechts-Initiativen aus der ganzen Welt in einem offenen Brief die internationalen Partner von Ägypten, zu denen auch die Bundesrepublik Deutschland gehört, aufgefordert, sich beim ägyptischen Staat für die Freilassung einzusetzen.
    Wie britische Medien berichten, befindet sich Laila Soueif, die 68 Jahre alte Mutter von Alaa, seit dem erwarteten Entlassungstag im Hungerstreik gegen die fortwährende Inhaftierung ihres Sohnes. Der BBC sagte sie: „Ich mache so lange weiter, bis Alaa frei ist oder ich in einem schrecklichen Zustand ins Krankenhaus eingeliefert werde.“ Das Leben ihres Sohnes sei seit elf Jahren auf Eis gelegt. „So kann es nicht weitergehen.“ Soueif war nach London gereist, um sich bei britischen Abgeordneten und Ministern für die Freilassung ihres Sohnes einzusetzen…“ Beitrag von Markus Reuter vom 26.10.2024 in Netzpolitik externer Link
  • Ägypten: »Eine große Migrantenwelle
    Sanaa Seif, die ägyptisch-britische Filmemacherin, politische Aktivistin und Schwester des in Ägypten inhaftierten Bloggers Alaa Abdel Fattah (sie selbst wurde ebenfalls dreimal inhaftiert und saß insgesamt über drei Jahre im Gefängnis), im Interview von Cyrus Salimi-Asl vom 13. Juli 2023 in Neues Deutschland online externer Link: „… Ich sehe [meinen Bruder] einmal im Monat hinter einer Glasscheibe, wir sprechen über Telefonhörer miteinander. Und jede Woche bringe ich Essen, frische Wäsche, Zeitschriften und Bücher vorbei und bekomme von ihm einen Brief. Seine Haftbedingungen haben sich sehr verbessert in den vergangenen sechs Monaten. Er wurde verlegt: aus dem schrecklichen Hochsicherheitsgefängnis namens Skorpion in ein neues Gefängnis. (…) Er wurde 2019 verhaftet und Ende 2021 zu fünf Jahren Haft verurteilt. Die zweieinhalb Jahre Untersuchungshaft wurden nicht angerechnet. Es gab keinen ordentlichen Prozess. Das Urteil wurde von einem Sondergericht ausgesprochen und musste dann von der militärischen Führung schriftlich bestätigt werden. (…) Niemand ist glücklich mit Al-Sisi, aber über mehrere Jahre galt er als akzeptabel. (…) Aber sein wirtschaftliches Versagen hat die Situation grundlegend geändert. (…) Jetzt stützt er sich auf Waffen, er hat die Armee und er hat den Staat. Und er hat andere staatliche Institutionen geschwächt. Es ist beispiellos, wie hilflos die Justiz geworden ist. Es gab immer Probleme mit dem Justizsystem, aber eine gewisse Unabhängigkeit hatte es sich bewahrt. Mein Bruder wurde 2006 verhaftet, weil er eine Bewegung von Richtern unterstützte, die für eine unabhängige Justiz gekämpft haben. Unsere staatlichen Institutionen hatten in der Vergangenheit immer noch eine gewisse Freiheit, das ist nicht mehr so. Al-Sisi hat die Waffen, er hat den Staat und internationalen Rückhalt. (…) Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar sind seine Sponsoren. Der israelische Staat unterstützt das ägyptische Militär, egal wer regiert, und Netanjahu stützt Al-Sisi. Sie haben falsch kalkuliert und Blankoschecks ausgestellt und diesem Diktator einen Haufen Waffen geschickt, damit er die Grenzen in Afrika dicht hält. Statistiken zeigen, dass die Anzahl der Migranten aus Ägypten nach Europa dramatisch gestiegen ist. In unsere Wirtschaftskrise sind auch westliche Regierungen involviert, speziell Frankreich und Deutschland. Ägypten war für einige Jahre der Hauptabnehmer deutscher Waffen. Diese Waffen konnten wir uns aber nicht leisten, das sehen wir jetzt. Ich möchte diese Schulden gestrichen sehen, denn das ägyptische Volk hatte dabei kein Wort mitzureden. Und ich wünsche mir, dass westliche Politiker und Diplomaten aufhören, davor zurückzuschrecken, die Menschenrechtssituation anzusprechen. Deutschland könnte dies vor den UN-Menschenrechtsrat in Genf bringen. Wir brauchen nicht viel, um zivilgesellschaftlichen Raum zum Atmen zurückzugewinnen. Falls das nicht passiert, muss der Westen sich auf eine große Migrantenwelle einstellen, die er so bislang noch nicht gesehen hat. Wenn Syrien schon beängstigend war für Deutschland und Europa: Wir sind 100 Millionen Menschen.“

  • Alaa Abdel Fattah verschärft seinen monatelangen Hungerstreik im Gefängnis und nimmt kein Wasser mehr zu sich
     „… Der inhaftierte ägyptische Menschenrechtsaktivist Alaa Abdel Fattah hat seit Sonntag, dem 6. November [2022], kein Wasser mehr getrunken und damit seinen monatelangen Hungerstreik gegen seine ungerechtfertigte Inhaftierung und die Menschenrechtslage im Land weiter verschärft. (…) Die Eskalation findet im Rahmen der laufenden UN-Klimakonferenz im ägyptischen Sharm El-Sheikh statt, wo Hunderte von Staats- und Regierungschefs und Aktivist:innen zusammenkommen, um über den Klimawandel und Möglichkeiten zu seiner Eindämmung zu beraten. Die COP27-Konferenz dauert noch bis zum 18. November…“ engl. Artikel vom 7. November 2022 von Peoples Dispatch externer Link („Alaa Abdel Fattah escalates his months-long hunger strike in prison, stops consuming water”), siehe dazu:

    • Der Gastgeber foltert
      „… Der Fall des Gefangenen Alaa Abdel Fattah im Hungerstreik lastet auf der UN-Klimakonferenz COP27: Der linke Blogger war eine der Führungsfiguren der Revolution von 2011 und wurde 2021 zu fünf Jahren Haft verurteilt, weil er angeblich Falschinformationen verbreitet haben soll – ein gängiger Vorwurf gegen Dissidenten. Alaas Familie habe den ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah Al-Sisi inzwischen um Begnadigung gebeten, teilte seine Schwester Mona Saif am Freitagabend mit, nachdem Appelle zu seiner Freilassung – unter anderem von Bundeskanzler Olaf Scholz oder auch US-Präsident Joe Biden – auf taube Ohren gestoßen waren. Human Rights Watch (HRW) hat Al-Sisi wiederholt vorgeworfen, die schlimmste Kampagne gegen die Menschenrechte in der modernen Geschichte des Landes zu leiten. Dafür nutzt er auch den UN-Klimagipfel in Scharm El-Scheikh: »Das Al-Sisi-Regime hat sich gedacht, dass COP27 eine Chance ist, die schreckliche Menschenrechtsbilanz reinzuwaschen«, erklärt gegenüber »nd« Karim Abdelrady, der seit zehn Jahren als Menschenrechtsanwalt tätig ist. Das Regime unternehme große Anstrengungen, sich als demokratischen Gastgeber zu präsentieren. »Aber der Hungerstreik von Alaa Abdel Fattah zeigt der Welt, dass Al-Sisis Regime Menschenrechte und Meinungsfreiheit nicht respektiert.« Die Sperrung hunderter Webseiten, auch von Menschenrechtsorganisationen wie HRW und Reporter ohne Grenzen, beweise, dass Ägypten mit einer »Mentalität von Sicherheit und Militär« regiert werde…“ Artikel von Cyrus Salimi-Asl vom 13. November 2022 in ND online externer Link
    • Siehe zum Hintergrund auch das Dossier von 2022: COP27 in Ägypten: UN-Klimakonferenz in einem Land, in dem nicht nur Klimaproteste verboten sind
  • „Demokratie-Aktivist in Kairo wieder in Haft“ am 29. September 2019 bei der Deutschen Welle externer Link meldet zur polizeistaatlichen Kampagne des Regimes gegen Medien einen – von vielen möglichen – konkreten Fall: „… Abdel Fattahs Schwester, die bekannte Aktivistin Mona Seif, schrieb auf Twitter, ihre Familie wisse nicht, wo der 37-Jährige sei. „Die Polizei sagte, er sei wahrscheinlich bei der Staatsanwaltschaft“. Unter Berufung auf die Anwälte ihres Bruders fügte sie hinzu: „Wir wissen immer noch nicht, was ihm vorgeworfen wird.“ Wie es aus Sicherheitskreisen heißt, werde gegen den den Blogger wegen des Vorwurfs ermittelt, zu Protesten aufgerufen zu haben. Alaa Abdel Fattah, der auch als „Ikone“ des arabischen Frühlings 2011 bezeichnet wird, saß bis März eine fünfjährige Haftstrafe wegen des Verstoßes gegen ein Demonstrationsverbot ab. Seine Freilassung erfolgte unter strengsten Auflagen: Jeden Abend muss er sich bei der Polizei melden und darf die Polizeistation erst am frühen Morgen wieder verlassen. Am Sonntag ließen die Beamten Abdel Fattah indes nicht gehen. Polizisten verwehrten seiner Mutter den Zugang zur Polizeistation und verweigerten Informationen zum Verbleib ihres Sohnes. Viele Oppositionelle, die seit der Machtübernahme von Präsident Abdel Fattah al-Sisi im Jahr 2013 inhaftiert wurden, müssen sich bei einer Freilassung an diese strengen Bewährungsauflagen halten…“
  • „Jan 25, 5 years on: The only words I can write are about losing my words“ von Alaa Abd el Fattah am 24. Januar 2016 bei Mada Masr externer Link, worin der politische Gefangene seine persönliche Bilanz aus dem Gefängnis heraus zieht – mit dem Verweis darauf, dass er sich priviligiert sieht, weil er, im Gegensatz zu den meisten anderen Gefangenen, einmal im Monat Besuch von seiner Familie bekommen kann…
  • 16. September 2014: Protesttag gegen das Demonstrationsgesetz: Hungerstreik
  • Egypt: Alaa Abdel Fattah Released on Bail externer Link – Meldung vom 15. September 2014 bei den Revolution News über die Freilassung gegen Kaution des bekannten Aktivisten und zweier weiterer wegen verstoßes gegen das Demonstrationsgesetz inhaftierter Aktivisten
  • Brief aus dem Gefängnis
    Mahienour Al Massry, Aktivistin der Revolutionären Sozialisten Ägyptens ist zu 2 Jahren Haft wegen ihrer Teilnahme an einer Demonstration inAlexandria im Dezember 2013 verurteilt worden. In ihrem Brief Lettre de prison de Mahienour Al Massry   vom 22. Mai 2014 schildert sie ihre ersten Erfahrungen aus den Gefängnissen im Sisi – Land – unter vielem anderem etwa die Tatsache, dass Menschen Geld dafür bekommen, die Strafe anderer abzusitzen. Im Verlauf des Juni werden in mehreren europäsichen Ländern Solidaritätsaktionen gegen die Serie der politischen Verurteilungen in Ägypten stattfinden
  • Sabbahi demands new Protest Law after 15-year sentences externer Link – ein Artikel über erste Proteste gegen und Reaktionen auf dieses jüngste Urteil am 12. Juni 2014 bei Mada Masr, worin auch der Grund für die Festnahmen im November und das Verfahren jetzt hervorgehoben werden – die damalige Demonstration richtete sich gegen die Bestimmung in der neuen Verfassung, dass auch Zivilpersonen von den dubiosen Herren in Uniform abgeurteilt werden

Und zuvor:

  • Repressionswelle gegen ägyptische Aktivisten
    Die ägyptische Generalstaatsanwaltschaft hat Haftbefehle gegen mehrere Aktivisten erwirkt. Konkret bekannt sind bisher die Namen von Alaa Abdel Fatah , Ahmed Douma , Karim El Shaer , Hazem Abdel Azim und Ahmed Eid. Alle fünf sind landesweit für ihre politischen Aktivitäten bekannt, haben teilweise schon mehrmals im Knast gesessen. Alaa Abdel Fatah, der im Westen bekannteste Aktivist, saß schon unter Mubark ein, ebenso wie während der Herrschaft der Militärs. Für seine Freilassung engagierten sich weltweit politische Aktivisten…“ Beitrag von recherchegruppe aufstand auf linksunten.indymedia vom 25.03.2013 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=60138
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