„Bundesfinanzminister Olaf Scholz sucht weitere EU-Länder, die seinen Minimalvorschlag für eine Finanztransaktionssteuer unterstützen. Doch mit der Ursprungsidee, einer Spekulantenbesteuerung, hat Scholz‘ Vorschlag nicht mehr viel gemein – im Gegenteil. (…) Vor über zehn Jahren, kurz nach dem Höhepunkt der Finanzkrise, erhielt die Idee in der EU neuen Auftrieb: eine Finanztransaktionsteuer, mit der der Kauf von Aktien, Wertpapieren, aber auch Derivaten besteuert wird, sollte die Spekulation eindämmen. Und ganz nebenbei den Finanzsektor an den Milliardenkosten der Krise beteiligen. Doch im ersten Anlauf scheiterten die EU-Staaten. Der in Steuerfragen in der EU notwendige einstimmige Beschluss kam nicht zustande. Seitdem versucht eine Staatengruppe, die Steuer über die sogenannte verstärkte Zusammenarbeit einzuführen. Mindestens neun Länder müssen so einer Koalition der Willigen angehören, derzeit sind es zehn. (…) Für sie hat Olaf Scholz im vergangenen Dezember einen Minimalvorschlag vorgelegt und die ursprüngliche Idee deutlich abgespeckt. Nur der Kauf von Aktien soll mit 0,2 Prozent besteuert werden; bei 50.000 Euro wären demnach 100 Euro Steuer fällig. Für Hochfrequenzhändler plant Scholz eine Sonderregel, sie müssten nur ihr Tagessaldo, also Käufe abzüglich Verkäufe, versteuern. Käufe anderer Wertpapiere, auch die von spekulativen, werden nach dem Scholz-Modell überhaupt nicht erfasst. Die Finanztransaktionssteuer ist eine reine Umsatzsteuer. Sie wird von den Banken immer auf den Endkunden, also auch den Kleinanleger, überwälzt – so wie bei der Mehrwertsteuer im Supermarkt. Von der Ursprungsidee, den Finanzsektor, Banken, Investmentbanker oder Wertpapierhändler zu treffen und damit auch spekulative Geschäfte einzudämmen, ist nichts mehr übrig geblieben. Im Gegenteil: Der Finanzminister muss künftig sogar daran interessiert sein, dass Aktien möglichst häufig ge- und verkauft werden und dass auch munter weiter spekuliert wird. Denn nur so sorgt die Finanztransaktionssteuer für Einnahmen von bis zu 1,5 Milliarden Euro im Jahr, mit denen die Koalition – Stand heute – die Grundrente finanzieren will.“ Beitrag von Theo Geers vom 4. Februar 2020 beim Deutschlandfunk (Audiolänge: 3:20 Min., hörbar bis zum 19. Januar 2038), siehe dazu weitere Infos und Stimmen, neu:
Finanztransaktionssteuer: „Der Lobby die Stirn bieten“ weiterlesen »