Dossier

„…
Der öffentliche Gesundheitsetat in Polen ist einer der kleinsten in ganz Europa. In den 2000ern schlossen einige Krankenhäuser, die bankrott gegangen waren. Einige wurden privatisiert, andere, denen es an Geldern oder Personal mangelte, wurden geschlossen. Auch unsere Gewerkschaft war in den Kämpfen des Krankenhauspersonals beispielsweise in Kostrzyn (zu Deutsch: Kotschin), das nahe an der deutschen Grenze liegt, beteiligt. Dort war das öffentliche Krankenhaus bankrott gegangen und konnte noch nicht einmal mehr die Löhne des Personals für einen vollen Monat zahlen. Wir organisierten Proteste gegen die Lokalregierung. Generell sind die Löhne von Ärzt*innen, Pflegekräften, Rettungssanitäter*innen und nicht-medizinischem Personal sehr niedrig. Viele – vor allem junge Menschen – gehen seither ins Ausland. Das Durchschnittsalter von Pflegekräften in Polen liegt demnach bei 55 Jahren. Es gibt eine ganze Armee von selbstständigen Rettungssanitäter*innen. Die Krankenwagenfahrer*innen sind also selbstständig. Viele Krankenpfleger*innen, die eigentlich schon das Renteneintrittsalter erreicht haben, müssen weiterarbeiten, weil die Jüngeren Polen verlassen haben. Wir beobachten seit 2008 Bemühungen, um die Arbeitsbeziehungen im Gesundheitssektor zu flexibilisieren. Hierbei gab es auch Versuche, das Streikrecht einzuschränken. Dies war wiederum die Reaktion auf Arbeitskämpfe von Krankenpfleger*innen. So gab es 2018 größere Proteste von jungen Ärzt*innen, die sich gemeinsam weigerten, Überstunden zu leisten. Zugleich forderten sie höhere Löhne und eine Anhebung des Gesundheitsetats auf 6% des BIP, was noch nicht einmal besonders viel wäre im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Die Regierung versprach, die Arbeitsbedingungen zu ändern und unterschrieb eine Vereinbarung mit den jungen Ärzt*innen. Geändert hat sich allerdings bisher nichts...“ so Ausführungen zum Gesundheitswesen in dem Interview mit Aktiven der
Basisgewerkschaft Inicjatywa Pracownicza „Perspektiven des Klassenkampfes in Polen zu Zeiten der Pandemie“ das Solidarisch gegen Corona am 20. April 2020 veröffentlichte, worin auch noch mehrere weitere Themen behandelt werden, wie etwa die Sozialpolitik der PiS, Erwerbsloseversicherung oder auch die gesamte wirtschaftliche Lage der arbeitenden Menschen und Erwerbslosen. Zur Entwicklung der Epidemie in Polen und den politischen und gesellschaftlichen Reaktionen weitere Beiträge und neu:
Proteste im polnischen Gesundheitswesen in der vierten Woche und weiten sich aus – nächster Aktionstag am 9. Oktober weiterlesen »