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Nach fünf Monaten Arbeitskampf beim Verpackungsmittelhersteller Neupack in Hamburg und Rotenburg: Ist der Neupack-Streik Ostern zu Ende?
Nachdem die IG BCE im 47. Streikinfo von „erster Bewegung“ berichtete (nach fast fünf Monaten Arbeitskampf!), schreibt sie im 48. Streikinfo: „Ziel ist ein Vertrag bis Ostern“. Am Mittwoch ist ein erneuter Verhandlungstag, Hauptpunkt dürfte die Vereinbarung über eine Maßregelungsklausel sein, die Krüger bisher ablehnt.
Auf der Mitgliederversammlung am Donnerstag letzter Woche war den KollegInnen aus Stellingen und Rotenburg mitgeteilt worden, daß es keinen Haustarifvertrag geben werde. Der Abschluß wird dann Regelungsabsprache heißen. Diese wird schon jetzt der Belegschaft als „möglichst nahe an einem Tarifvertrag“ verkauft. Von dem ursprünglichen Ziel, eine kollektive Stärke durch einen Tarifvertrag zu erreichen, ist also nichts geblieben, obwohl Tarifverträge die Grundlage und die Stärke von Gewerkschaften ausmachen.
Am Anfang lief alles wie geschmiert. Die große IG BCE (680 000 Mitglieder) glaubte, den kleinen Krauter Krüger (196 Beschäftigte) leicht und in kurzer Zeit besiegen zu können: Wir werden an Krüger ein Exempel statuieren – koste es, was es wolle, so hieß es vom Hauptvorstand in Hannover. Die Streikenden fühlten sich unterstützt und glaubten ihren Gewerkschaftsführern. Aber Krüger zeigte sich halsstarrig und wollte sich partout nicht zum Sozialpartner und ehrbaren Hamburger Kaufmann modeln lassen. Die IG BCE-Führung war schon jetzt gescheitert und wochenlang ratlos, weil sie nur Sozialpartnerschaft kann und nicht Klassenkampf. Bis sie auf die Flexi-Streik-Taktik kam.
Nachdem die Streikenden am 24. Januar zum erstenmal von der IG BCE-Streikführung in Hannover in den Betrieb geschickt wurden, was Flexi-Streik genannt wurde, sind sie die weitaus meiste Zeit den Krügers die Lager füllend im Betrieb gewesen. Mal fünf Tage, mal sechs Tage, jetzt seit über zehn Tagen. Jetzt sieht es so aus, als wenn die KollegInnen drin zu bleiben hätten bis zur Urabstimmung und dann herrscht wieder Normalarbeitstag bei Krüger. Die Firma bekam jeweils 12 Stunden vorher Bescheid, wann die Streikenden in den Betrieb geschickt wurden. KollegInnen berichteten, daß sie von Abteilungsleitern über die Streikplanung der nächsten Tage unterrichtet wurden. Was noch dazu kam: Die bisher 60 polnischen Streikbrecher, die fest eingestellt wurden, wurden von der Stammbelegschaft angelernt, sie nehmen der Stammbelegschaft in Zukunft die Arbeitsplätze weg. 40 von ihnen wurden Verträge bis 2014 angeboten.
Zu Beginn des Streiks wurde gegenüber den StreikbrecherInnen der Stammbelegschaft argumentiert, gerade vom zuständigen Gewerkschaftssekretär: Ihr verlängert nur den Streik, wenn ihr reingeht! Schilder mit dieser Aufschrift wurden ihnen entgegengehalten. Da sie jetzt durch ihre Arbeitseinsätze den Streik verlängern, macht ihre Gewerkschaft sie nach eigener Logik zu Streikbrechern.
Oder noch schlimmer: Rettet Krüger vor einer Niederlage.
Die Streikinfos der IG BCE müßten also eigentlich Arbeitsinfos oder ehrlicherweise: Streikbrecherinfos heißen.
Während der Arbeitseinsätze im Betrieb wurden viele von ihnen gemobbt, fristlos gekündigt, abgemahnt. Sie hatten die Hoffnung, daß die IG BCE sie angesichts dieses Verhaltens der Firma Krüger sofort aus der Firma holt, sie bekamen allerdings nur die Zusage, juristisch dagegen vorzugehen (43. Streikinfo).
Drei Maschinenführer, die nach langen Gesprächen mit raus gegangen waren, wurden nach einem Tag von der IG BCE-Streikführung zusammen mit den anderen KollegInnen wieder in den Betrieb geschickt. Eine weitere Chance war verpaßt, die Krüger-Familie niederzustreiken.
Die KollegInnen einer Schicht drohten, einen wilden Streik zu machen, gegen die IG BCE. In etlichen Versammlungen im Zelt in Stellingen wurden die Gewerkschaftssekretäre, die die Flexi-Streik Taktik verteidigten, von den Neupack-KollegInnen hart angegriffen, auch der stellv. Bezirksvorsitzende Oliver Venske.
Die betriebliche Streikleitung vor Ort war außen vor, sie wußte meistens nicht, wann ein Streik ausgesetzt oder wieder angesetzt wurde, auch nicht, wann Mitgliederversammlungen stattfinden sollten. Die betriebliche Streikleitung, die keine war, forderte, einen wirklichen Flexi-Streik zu machen, d.h. an einem Tag rein- und wieder rauszugehen. Das wurde von der Hauptverwaltung der IG BCE in Hannover abgelehnt.
Der Betriebsratsvorsitzende Murat Günes folgerte daraus in der Jungen Welt vom 14.3.: „Flexi-Streik ist Flexi-Verarschung“. Er argumentiert:
„Ein Flexistreik kann eine gute Sache sein, vorausgesetzt, die streikenden KollegInnen vor Ort entscheiden über den genauen Ablauf und nicht die entfernte Gewerkschaftszentrale. Der Flexistreik soll für den Arbeitgeber möglichst unberechenbar sein. Statt durchgängig zu streiken, geht ein Teil oder alle Streikenden für eine gewisse Zeit wieder in den Betrieb, so dass auch wieder Löhne gezahlt werden müssen. Allerdings ist es entscheidend, zu betonen, dass durch einen zentral von außen gesteuerten Flexistreik die Streikenden nur verlieren können. In der Praxis hat die IGBCE mehrfach entschieden, uns für mehrere Tage am Stück in den Betrieb zu schicken. Das war überhaupt nicht ‚unberechenbar‘ für die Geschäftsführung und hat außerdem die Lager von Neupack wieder erheblich gefüllt. Viele KollegInnen halten das eher für eine Flexi-Verarschung. Stattdessen wäre es sinnvoller, wenn wir täglich selbst entscheiden, ob und wie lange wir reingehen. Denn wir können vor Ort am besten entscheiden, wie wir unsere Ziele schnell und wirkungsvoll durchsetzen können“.
In der Tat, alle KollegInnen sehen das genau so, gehen mit Wut zur Arbeit, haben das Vertrauen in die Streikführung in Hannover verloren und resignieren. Sie fühlen diese Art Flexi-Streik gegen sich gerichtet und Krüger nützt! Am 1. November traten sie in einen unbefristeten Streik, der bis zum 24. Januar währte. Sie weigerten sich gegenüber der IG BCE-Führung in dieser Zeit in mehreren Mitgliederversammlungen von ihrer Forderung nach einem Haustarifvertrag abzugehen und auch ihren Versammlungsort, die Streikjurte über Weihnachten abzubauen. Sie nahmen sich genau wie ihr Betriebsrat das Recht heraus, njet zu sagen. Für diesen Ungehorsam wurden die Neupack-Kämpfenden mit dem Flexi-Streik bestraft. Ihnen mußte bewiesen werden, wer am längeren Machthebel sitzt – koste es was es wolle, es mußte ein Exempel statuiert werden.
Am Ostermontag ist ein St. Pauli Bundesligaspiel. Auch diesmal wieder werden KollegInnen aus dem Soli-Kreis und Streikende ins Stadium gehen und Neupack-Soli-Transparente zeigen – diesmal auf allen Tribünen. Diesmal mit Trauerflor?
Dieter Wegner, aktiv im Soli-Kreis Neupack: www.soli-kreis.tk , jourfixe.hh@t-online.de, 27.03.2013