NS-Skandal bei Heckler & Koch: Forderungen nach Aufarbeitung beim führenden deutschen Kleinwaffenhersteller

Dossier

Buch von Anne Friebel (Hg.), Josephine Ulbricht (Hg.): Zwangsarbeit beim Rüstungskonzern HASAG im Hentrich & Hentrich Verlag“Ein Dreiviertel-Jahrhundert nach Ende des Zweiten Weltkriegs kommt die tiefbraune Vergangenheit des Firmengründers der Heckler & Koch GmbH, Edmund Heckler, ans Licht der Öffentlichkeit. Damit ist das vom Waffenproduzenten Heckler & Koch über mehr als 70 Jahre lang schöngefärbte Bild des Firmengründers von 1949 nicht länger haltbar: Edmund Heckler war zuvor verantwortlicher Betriebsführer eines „NS-Musterbetriebs“, in dem sich bestialische Geschehnisse zutrugen. Nach Recherchen der „Bild am Sonntag“ vom 6. September 2020 avancierte Oberingenieur Edmund Heckler in den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts zum Werksleiter der „Hugo Schneider AG“ (HASAG) in Taucha in Sachsen…“ Pressemitteilung vom 07.09.2020 der Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandelexterner Link – siehe mehr daraus und nun dazu:

  • „Brownwashing“ der Nazivergangenheit: Ergebnisse der GUG zur Firmengründung von Heckler & Koch sehen Edmund Heckler lediglich als „Karrieristen und Opportunisten“ New
    • Gegen das „Brownwashing“ der Nazivergangenheit von H&K-Firmengründer Edmund Heckler: Firmengründer und Namenspatron E. Heckler war in der Zeit des Nationalsozialismus wichtiges Zahnrad in der NS-Vernichtungsmaschinerie / RIB e.V. fordert Konsequenzen
      Die Kritischen Aktionär*innen Heckler & Koch und mit ihnen mehrere Friedenorganisationen – wie das RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.), die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Ohne Rüstung Leben (ORL) und pax christi – haben bei den vergangenen Hauptversammlungen der Heckler & Koch AG wiederholt die braune Vergangenheit des Firmengründers Edmund Heckler in der Zeit des Nationalsozialismus scharf kritisiert.
      Zu den aktuell publizierten Vorabinformationen der diesbezüglichen Forschungsstudie der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) und der gestrigen H&K-Pressemitteilung gilt festzustellen: „Die GUG-Studie bringt neue Erkenntnisse zu den Machenschaften des H&K-Firmengründers Edmund Heckler ans Tageslicht. Nicht bestätigt wurde der in Medien erhobene Vorwurf, Heckler sei direkt für das Panzerfaustprojekt bei der NS-Waffenschmiede HASAG verantwortlich gewesen. Desgleichen scheinen die Vorwürfe, Heckler habe in dem von ihm geleiteten HASAG-Werk in Taucha KZ-Insassen eingesetzt. Dagegen wurden andere Vorwürfe bestätigt, die tief blicken lassen:

      • Edmund Heckler leitete das HASAG-Werk in Taucha und besaß eine Prokura. Damit war Heckler in führender Position bei einer der bedeutendsten NS-Waffenschmieden tätig, die massiv in die systematische Vernichtung von Millionen Menschen durch das NS-Regime involviert war.
      • Der Munitionsexperte Heckler beriet das Unternehmen und war somit am Aufbau der Munitionsfabrikation in der Rüstungsindustrie beteiligt.
      • Edmund Heckler verschwieg nach Ende des Zweiten Weltkriegs gegenüber der US-Army, dass Zwangsarbeiter in der HASAG-Rüstungsproduktion eingesetzt waren.
      • Die Gräueltaten an Hunderten von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter bei der HASAG können dem NS-Schergen und späteren NSDAP-Mitglied Edmund Heckler nicht entgangen sein.
      • Nach Kriegsende schrieb Heckler an den Bürgermeister von Taucha, dass die Versorgung der noch in Taucha verbliebenen Häftlinge nicht die Aufgabe des Unternehmens sein könne.

      Erfreulich klar stellt die GUG-Geschäftsführerin Andrea H. Schneider-Braunberger fest, dass Edmund Heckler für ein Unternehmen aktiv war, das in die Vernichtung von unzähligen Menschen involviert war. „Heckler hat 1936 entschieden, in einem Rüstungsunternehmen unter einem SS-Mann zu arbeiten“, so Schneider-Braunberger. Gemeint ist die HASAG, bei der mit Generaldirektor Paul Budin „ein 100-prozentiger Nationalsozialist an der Spitze“ stand. Budin pflegte persönliche Kontakte zum Reichsführer SS, Heinrich Himmler, und berief viele SS-Offiziere auf bedeutende Posten“.
      Genau bei diesem Unternehmen mit diesem Generaldirektor war Edmund Heckler als Werksleiter tätig. Nach den bislang vorliegenden Fakten ist der GUG – zumindest anhand deren Zwischenergebnisse – vorzuwerfen, dass sie Edmund Heckler „als Rädchen in einem brutalen Getriebe“ schönredet und damit dessen Rolle in der NS-Vernichtungsmaschinerie verharmlost. Die GUG-Historiker bezeichnen Edmund Heckler lediglich als „Karrieristen und Opportunisten, der sich mit seinem Fachwissen in den Dienst der wehrtechnischen Industrie stellte“ (siehe Pressemitteilung H&K vom 18.09.2023 als Attachment anbei). Eine solche euphemistische Einschätzung ist wahrlich kein Ruhmesblatt in den fachwissenschaftlichen Analysen der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte.
      Die GUG lässt unerwähnt, dass Ohne die all die „Rädchen“ wie Edmund Heckler das gesamte NS-Rüstungsgetriebe nicht hätte funktionieren können. Ohne Opportunisten und Karrieristen wie Heckler wäre der Tod von Millionen Menschen durch das verbrecherische Regime des NS und die damit verbundene industrielle Vernichtung auch von jüdischem Leben in Deutschland nicht möglich gewesen…“ Erste Stellungnahme vom 19.9.2023 des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.) externer Link zur Forschungsstudie der Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) zur Firmengründung von Heckler & Koch und den Biografien der drei Firmengründer – mit Forderungen bishin zur Umbenennung. Siehe die erwähnte PM:

    • Die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte präsentiert die Ergebnisse zur Firmengründung von Heckler & Koch sowie die Biografien der Firmengründer
      Nach Abschluss der Recherchen zur Gründungsgeschichte von Heckler & Koch und den Biografien der drei Firmengründer, stellt die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte e.V. (GUG) am Dienstag, den 19.09.2023 nun die Ergebnisse ihrer dreijährigen Forschung vor. Bei den Fachvorträgen der drei Historiker werden sowohl Vertreter der Medien, der Politik sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Heckler & Koch anwesend sein. Hintergrund der Aufarbeitung war die mediale Berichterstattung aus dem Jahr 2020, die einem der Gründer, Edmund Heckler, der zur Zeit des Nationalsozialismus in der HASAG in Leipzig tätig war, schwere Kriegsverbrechen vorwarf. Daraufhin haben Vorstand und Aufsichtsrat direkt gehandelt und nur wenige Tage später die unabhängige Aufarbeitung des 1949 gegründeten Unternehmens Heckler & Koch durch die GUG veranlasst und volle Transparenz versprochen. Die Bereitstellung erster Zwischenergebnisse hat gezeigt, dass sich die schweren Vorwürfe, die gegen Edmund Heckler erhoben wurden, durch die Recherchen nicht bestätigen. Darin bezeichnen die Historiker Heckler als Karrieristen und Opportunisten, der sich mit seinem Fachwissen in den Dienst der wehrtechnischen Industrie stellte. Eine Skandalisierung seiner Biografie sei jedoch abzulehnen, so die Schlussfolgerung der GUG. Das nun der Abschlussbericht vorgestellt werden kann, freut die beiden Vorstände Dr. Jens Bodo Koch und Dr. Björn Krönert…“ Pressemitteilung vom 18.09.2023 bei Heckler & Koch externer Link, siehe auch:
    • Edmund Heckler: “Karrierist und Opportunist”, aber kein Kriegsverbrecher?
      Gesellschaft für Unternehmensgeschichte legt Ergebnisse eines Gutachtens vor / Einer der drei HK-Gründer im Zwielicht
      Nach Abschluss der Recherchen zur Gründungsgeschichte von Heckler & Koch und den Biografien der drei Firmengründer, wird die Gesellschaft für Unternehmensgeschichte (GUG) am Dienstag nun die Ergebnisse ihrer dreijährigen Forschung vorstellen, teilt das Unternehmen am Montag in einer Pressemitteilung mit. Das Ergebnis der Studie: Edmund Heckler habe “keine schweren Kriegsverbrechen” begangen…“ Artikel von Martin Himmelheber vom 18. September 2023 in NRWZ externer Link
    • Heckler & Koch: Teil eines mörderischen Systems
      Hat Edmund Heckler KZ-Zwangsarbeiter eingesetzt? Eine Studie entlastet den Mitgründer der Waffenfirma Heckler & Koch, nennt ihn dennoch ein Rädchen im brutalen Getriebe…“ Artikel von Dr. Hauke Friederichs vom 18. September 2023 in der Zeit online externer Link
  • Weiter aus er Pressemitteilung vom 07.09.2020 bei Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel externer Link: „… Unter dem Werksleiter Edmund Heckler mussten bei der HASAG mehr als eintausend KZ-Insassen – unter ihnen Juden, Sinti und Roma – Panzerfäuste herstellen. Die Zwangsarbeiter stammten aus den Konzentrationslagern Auschwitz, Buchenwald und Ravensbrück. Bei der HASAG wurden unter Edmund Hecklers Führung laut Aussagen von Zwangsarbeiter*innen „immer wieder Häftlinge erschlagen und erschossen“ (siehe FOCUS.DE vom 07.09.2020). Andere wurden gehängt oder zu Tode getreten. Die Kritischen Aktionär*innen Heckler & Koch (KA H&K) fordern deshalb von Vorstand und Aufsichtsrat der heutigen Heckler & Koch GmbH bzw. der H&K AG: 1. In einem unabhängigen Historikerbericht zur Firmengeschichte muss sowohl die tiefbraune Vergangenheit des Firmengründers Edmund Heckler als auch die blutrote Vergangenheit des Unternehmens Heckler & Koch mit vielzähligen Rüstungsexporten in Krisen- und Kriegsgebiete und Millionen von Opfern aufgearbeitet und publik gemacht werden. 2. Die KA H&K erweitern ihre Forderung nach finanzieller Unterstützung eines Fonds für die Opfer der H&K-Rüstungsexporte nunmehr auch auf die Zwangsarbeiter in der Zeit des Nationalsozialismus…“

Siehe zum Hintergrund auch das Buch von Anne Friebel (Hg.), Josephine Ulbricht (Hg.): Zwangsarbeit beim Rüstungskonzern HASAG im Hentrich & Hentrich Verlag externer Link

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=177725
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