Der Kampf gegen Armutslöhne beim Tiefkühlbackwaren-Hersteller ARYZTA in Nordhausen und Eisleben

NGG: Streiks in Nordhausen und Eisleben legen Produktion beim größten Tiefkühlbackwaren-Hersteller Europas lahm! ARYZTA-Beschäftigte wollen weg von ArmutslöhnenMit großer Beteiligung und Entschlossenheit hat am Montag ein Streik der Beschäftigten des ARYZTA-Konzerns in Nordhausen begonnen. Die Arbeitsniederlegung in den Morgenstunden legte die Produktion von Europas größten Tiefkühlbackwarenproduzenten am Thüringer Standort komplett lahm. (…) Vor dem Werk versammelten sich über 200 Beschäftigte und machten ihren Unmut über die festgefahrenen Lohnverhandlungen deutlich. Aufgerufen hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Sie fordert einen Tarifvertrag für armutsfeste Löhne. Derzeit erhalten viele Beschäftigte für ihre anstrengende Arbeit in einem 3- oder 4 Schichtsystem nur einen Stundenlohn 10,81 Euro. Die Gewerkschaft NGG fordert die unterste Lohngruppe auf mindestens 13 Euro anzuheben und die anderen Lohngruppen ebenfalls entsprechend nach oben anzupassen…“ Meldung der NGG Ost vom 03. August 2021 externer Link mit Hintergründen und mehr dazu:

  • Ende Oktober beginnen bei der Nordhäuser Großbäckerei Aryzta die nächsten Entgelttarifverhandlungen – die KollegInnen sind streikerprobt New
    »Normalerweise sitzen die anderen am Hebel, jetzt waren wir es«  Julia Maciejewicz hat bei der Nordhäuser Großbäckerei Aryzta einen erfolgreichen Streik mit organisiert. Womöglich war es nicht der letzte
    »Wenn du nachts ins Werk kommst und allen verkündest, sie sollen die Maschinen abstellen – das ist schon ein geiles Gefühl«, sagt Julia Maciejewicz und lächelt. Die 39-Jährige spricht direkt, auf ihrem Arm ist ein Tattoo, ihre Nachtschicht liegt erst wenige Stunden zurück. Die alleinerziehende Mutter zweier erwachsener Kinder sitzt an einem Plastiktisch in einem Eiscafé in der Nähe des Bahnhofs der thüringischen Stadt Nordhausen. Sie raucht, grüßt immer wieder Kolleg*innen, die vorbeilaufen. Zu ihrem Arbeitsplatz ist es nicht weit. Vom Bahnsteig aus ist der schmucklose Kasten mit der Aufschrift »Klemme« und dem aufgemalten Croissant gut zu sehen. Das Werk gehört zum Schweizer Lebensmittelriesen Aryzta, einem der führenden Hersteller von Tiefkühlbackwaren in Europa. »Die Leute rümpfen manchmal die Nase, wenn sie hören, dass wir dort arbeiten«, sagt sie. Maciejewicz ist Teigmacherin und Mitglied der Tarifkommission. Vor einigen Jahren hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) bei Aryzta einen eindrucksvollen Arbeitskampf begonnen. Im vergangenen Winter hat Maciejewicz zum ersten Mal einen Streik miterlebt und mitorganisiert – im kommenden Winter könnte es nun weitergehen. Während die Medien im Vorfeld der Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen viel über die Lage in Ostdeutschland berichten, fällt ein Thema unter den Tisch: die oft harten Arbeitsbedingungen und die mühsamen Versuche der Beschäftigten, daran etwas zu ändern. Rund 165 Beschäftigte produzieren bei Aryzta in Nordhausen in drei bis vier Schichten Berliner, Brötchen, Baguettes und andere Backwaren für große Handelsketten und die Gastronomie. Julia Maciejewicz ist für die Berliner-Linie verantwortlich. Rund 11 000 Berliner, zu denen man in Berlin Pfannkuchen sagt, werden bei Aryzta pro Stunde hergestellt. (…) »Die NGG war in Nordhausen schon lange im Werk präsent, aber niemand ist vorangegangen«, blickt Maciejewicz zurück. Das »Genöle« unter den Kolleg*innen hatte sie irgendwann satt. »Ich bin weniger aus Überzeugung in die Tarifkommission gegangen, sondern damit etwas passiert.« Die Zeit danach sei spannend, aber auch stressig gewesen. (…) Am 7. November und 4. Dezember 2023 war es dann so weit: Die Kolleg*innen in Nordhausen und Eisleben streikten gemeinsam an zwei Tagen für einen neuen Manteltarifvertrag. In Nordhausen gibt es in der Frühschicht etwa 60 Arbeiter*innen, nur eine Handvoll hatte sich nicht beteiligt. Als am zweiten Streiktag die Maschinen auf Maciejewicz Worte hin heruntergefahren wurden, war das ein »magischer Moment«, erzählt sie stolz. »Normalerweise sitzen die anderen am längeren Hebel, aber jetzt waren wir es.« (…) Am Ende konnten die Streikenden höhere Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Samstags- und Feiertagsarbeit, die Erhöhung der Jahressonderzahlung sowie mehr Freizeit und Entlastung bei Schichtarbeit durchsetzen. Eine Zwischenetappe war geschafft. »Die NGG macht einen tollen Job, sie steht hinter uns«, sagt Maciejewicz. (…) Während das politische Beben der Landtagswahlen noch durch Deutschland geht, beginnen Ende Oktober für Nordhausen die nächsten Entgelttarifverhandlungen. Aktionen und Forderungen werden vorher von der Tarifkommission beschlossen. Sollten die Verhandlungen bis Januar 2025 nichts bringen, seien Streiks denk- und machbar, erklärt Niekler. Die NGG sieht in der Auseinandersetzung auch eine Wirkung für die Region. »Aryzta muss hier zum Leuchtturmbetrieb werden.« Die Teigmacherin Julia Maciejewicz hofft, dass sich die Situation verbessert. »Es wird immer Alleinerziehende geben – die sollen es doch mal leichter haben als ich.«“ Artikel von Sebastian Bähr vom 5. September 2024 in Neues Deutschland online externer Link („»Normalerweise sitzen die anderen am Hebel, jetzt waren wir es«“)
  • Nach Streiks deutlich bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten der Großbäckerei in Eisleben/Nordhausen: Neuer Manteltarifvertrag bei Aryzta
    „Der Lebensmittelgewerkschaft NGG ist es gelungen mit dem größten Tiefkühlbackwarenproduzenten in Ostdeutschland Eckpunkte für einen neuen Manteltarifvertrag zu vereinbaren. Die Regelungen verbessern die Arbeitsbedingungen erheblich und gelten für etwa 1.400 Beschäftigte an den Standorten Eisleben und Nordhausen. Das vorläufige Tarifergebnis gelang gestern im fünften Verhandlungstermin. Diesem waren zwei massive Streiktage am 7. November und 4. Dezember 2023 vorausgegangen.
    Geschnürt wurde ein umfangreiches Maßnahmepaket: Die Beschäftigten erhalten höhere Zuschläge für Mehrarbeit, Nachtarbeit sowie bei Arbeit an Samstagen und Feiertagen. Dazu wird die Jahressonderzahlung auf 100% der durchschnittlichen Bruttomonatsgrundvergütung erhöht (bisher 500 Euro). Neben den finanziellen Verbesserungen bringt der neue Tarifvertrag mehr Freizeit und Entlastung für die anstrengende Schichtarbeit. Für alle Beschäftigten gibt es künftig 30 Tage Urlaub (zuvor 27 Tage), für ältere Beschäftigte noch zusätzlich einen Urlaubstag mehr jeweils ab dem 55., 60. und 63. Lebensjahr. Ferner sind als Ausgleich für die belastende Schichtarbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter je nach Schichtsystem 3-4 weitere freie Tage im Jahr vorgesehen.
    Darüber hinaus wird der Arbeitgeberbeitrag zur betrieblichen Altersvorsorge um den Betrag von 15% eines Monatslohns aufgestockt (bisher nur 100€). Die maximale Frist für die Eigenkündigung der Beschäftigten sinkt von 7 auf 3 Monate. Für die Auszubildenden wurden eine monatliche Fahrkostenpauschale zur Berufsschule von 50€ und zwei zusätzliche freie Tage zur Prüfungsvorbereitung sowie eine Übernahmeregelung nach erfolgreicher Ausbildung vereinbart. (…)Der neue Manteltarifvertrag wird auf Grundlage der vereinbarten Eckpunkte in den kommenden Wochen ausformuliert. Das Entgelt ist nicht von den Verhandlungen betroffen. Ein entsprechender Tarifvertrag läuft noch im Jahr 2024 und kann erst dann verhandelt werden. Die unterste Lohngruppe liegt derzeit bei 12,33 Euro.“ Meldung der NGG Ost vom 13. Dezember 2023 externer Link
  • Streikwelle ausgelöst. Tarifkonflikt: Lebensmittelgewerkschaft NGG mobilisiert Beschäftigte bei Europas größtem Tiefkühlkosthersteller Aryzta in Thüringen und Sachsen-Anhalt
    Ein, zwei Knopfdrücke durch Beschäftigte – und schon stand die Produktion still. So ist das beim Streik. Auftakt war am Dienstag morgen, Punkt 4.30 Uhr. Die Nachtschichtler beim Tiefkühlkosthersteller Aryzta im sachsen-anhaltinischen Eisleben zogen vor die Werkstore, trafen auf die Frühschichtler. Die machten mit. Etwa 200 Beschäftigte versammelten sich, alle in signalfarbener Warnweste ihrer Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG). Einige waren kreativ, malten Protestschilder – auf einem stand: »2021 – Mitarbeiter bei Aryzta. 2041 – Rentner und Sozialfall«. Auf einem weiteren: »Nehmt uns verdammt noch mal ernst!« Der Unmut ist echt – denn für die Plackerei im Drei- oder Vierschichtsystem gibt es oft nur karge Löhne. 10,81 Euro pro Arbeitsstunde für Beschäftigte in der untersten Lohngruppe etwa. Die NGG fordert hingegen 13 Euro, stufenweise. Die Begründung: »Wir brauchen Entgelte, von denen man heute leben kann«, betonte der NGG-Geschäftsführer der Region Leipzig-Halle-Dessau, Jörg Most, am Dienstag im jW-Gespräch. Verhindert werden muss ferner das: der direkte Übergang von der Erwerbsarbeitszeit in die Altersarmut. Und es ist eine Frage von Lohngerechtigkeit im Osten und Westen der Republik. »Das Niedriglohnsystem Ost muss endlich ein Auslaufmodell sein«, so Most. Nach Angaben der Lebensmittelgewerkschaft werden am unterfränkischen Aryzta-Standort in Gerolzhofen höhere Löhne gezahlt, deutlich höhere sogar…“ Artikel von Oliver Rast in der jungen Welt vom 04.08.2021 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=192339
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