Wie kommt der rechte Vormarsch zustande? Unter anderem mit neuem Sprachgebrauch in den Medien

Dossier

Heidenau 2015: Nazis raus aus den Köpfen! Plakat der Linken Sachsen„… 3. Beschönigung. Nennen Sie Rassisten „Zuwanderungskritiker“. Bezeichnen Sie alle Akteure zunächst als konservativ, höchstens aber als „rechtspopulistisch“, egal, wie extremistisch, rassistisch oder gewalttätig sie sind. Überlegen Sie sich für eindeutig Rechtsextreme lustig verharmlosende Worte wie „Nationalromantiker“. (…) 4. Passivierung. Direkt an Entschärfung und Beschönigung grenzt die Passivierung, mit der Sie rechte Täter von der Hauptperson zu allenfalls zufällig Beteiligten machen. Bei einem Nazimord wurde das Opfer nicht von einem Rechtsextremen erschossen, sondern kam durch einen Schuss zu Tode. Der sich gelöst hat. Von einer Waffe. Auf bisher unklare Weise. Wenn eine Passivierung zu umständlich ist, entscheiden Sie sich für eine Objektifizierung: Der Molotowcocktail hat das Flüchtlingsheim angezündet, nicht etwa ein rassistischer Attentäter. Je häufiger Sie sprachlich vertuschen, dass Rechtsextreme absichtsvoll und geplant handeln, um so besser…“ – das sind nur zwei von der Anleitung in 20 Schritten „So verschieben Sie eine Debatte nach rechts“ von Sascha Lobo am 26. Juni 2019 beim Spiegel online externer Link – die offensichtlich auch in den Medien viel gelesen und befolgt wurde… Siehe zu dieser Entwicklung weitere Beiträge über rechte Vorgehensweise und ihre mediale Beförderung:

  • Rechtes Framing im Journalismus: Von Stimmungsmache gegen die Schwächsten bis Medienversagen in der Sicherheitsdebatte New
    • Rechtes Framing im Journalismus: Stimmungsmache gegen die Schwächsten
      Bei Themen wie Migration oder Bürgergeld übernehmen selbst etablierte Medien bis hin zu den Öffentlich-Rechtlichen immer häufiger populistische Strategien und rechtes Framing. Eine dramatische Entwicklung, zumal die Branche vor riesigen inhaltlichen Herausforderungen steht. (…)
      Anbiedern beim Publikum und realitätsfernes rechtes Framing – das sind nur zwei ungute Entwicklungen, die einem derzeit in den etablierten Medien auffallen. Eine weitere: Die, sagen wir mal, unternehmerfreundlichen Stimmen, die schon immer stark waren, werden schärfer. Der Leiter des FAZ-Wirtschaftsressorts forderte kürzlich die Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auf 80 Prozent. Seine Argumentation: „Eine geringere Lohnfortzahlung wird jeden potentiellen ‚Blaumacher‘ zum Nachdenken bringen, ob er oder sie es sich wirklich leisten kann, krankzufeiern.“
      Fast zeitgleich knöpfte sich ein Kommentatorenkollege vom „Stern“ Mitarbeitende von VW sowie die für sie zuständigen Gewerkschafter vor, die Ihren Unmut über vom Konzern geplante Sparmaßnahmen geäußert hatten. Das „Problem“, so der Autor, sei: „Wer bei Volkswagen arbeitet, hat über Jahrzehnte wie die Made im Speck gelebt (…) Ein VW-Vertrag ist wie ein Lottoschein mit sechs Richtigen.“
      Solche Kommentare werfen auch die Frage auf: Warum sind diese Menschen eigentlich Journalisten geworden?
      …“ Artikel von René Martens vom 06.11.2024 in der Kontext-Wochenzeitung externer Link
    • #286 Off The Record: Das Medienversagen in der Sicherheitsdebatte
      In der neuen Folge unseres Hintergrundpodcasts verarbeiten wir die Debatte um das Sicherheitspaket. Es geht um die Diskursverschiebung nach rechts, um das Auseinanderdriften von Politik und Zivilgesellschaft – und um Journalist:innen als Treiber von Überwachung.
      Die Debatte um das sogenannte Sicherheitspaket externer Link nach dem Anschlag von Solingen externer Link hat viele bei uns im Team erschüttert. Mit Verschärfungen in der Asylpolitik und einem massiven Überwachungsausbau wollte die selbsternannte Fortschrittskoalition die Opposition rechtsaußen überholen. Das ist vorerst zwar teilweise gescheitert – aber nicht am Widerstand innerhalb der Koalition oder aus der Zivilgesellschaft, sondern an der CDU, der die Maßnahmen immer noch nicht weit genug gingen. Auch die mediale Debatte war dominiert von Forderungen nach immer noch krasseren Maßnahmen, um das „Sicherheitsgefühl“ der Menschen zu verbessern. Von evidenzbasierter Innen- und Sicherheitspolitik keine Spur.
      In der neuen Folge Off The Record stellen wir uns deshalb schwere Fragen: Warum ist es der Zivilgesellschaft und uns als Medium nicht gelungen, mit unserer Kritik überhaupt nur gehört zu werden? Wie kann es sein, dass im Bundestag so schmerzlich Stimmen für Humanität und Bürgerrechte fehlen? Warum lassen Journalist:innen die Regierung mit billigen Scheinlösungen durchkommen? Und wer fragt noch nach den Folgen dieser Politik für marginalisierte gesellschaftliche Gruppen?
      Daniel Leisegang und Markus Reuter sprechen mit mir über eine getriebene Ampel im Endstadium, über die Verschiebung des Diskurses nach rechts und über Journalismus, der zu oft Politik- mit Sportberichterstattung verwechselt. Am Ende wagen wir einen Ausblick auf künftige politische Verhältnisse, die wahrscheinlich noch schwieriger werden. Und wir überlegen, was Zivilgesellschaft, Medien und gerade wir bei netzpolitik.org künftig anders machen müssen…“ Der Podcast von netzpolitik.org von Ingo Dachwitz vom 09.11.2024 externer Link Audio Datei
    • Es müssen also nicht immer Interviews sein… Siehe unser Dossier: Presse-Umgang mit „Alternative für Deutschland“: Je weniger, desto besser
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  • „Neue Wörter, alter Hass“ von Jakob Guhl am 01. Juli 2019 in der taz online externer Link kommentiert: „… „Remigration“ strebt somit nach der Herstellung größtmöglicher „ethnokultureller“ Homogenität. Auch hier spielt die Sprache eine wichtige Rolle: „ethnokulturell“ verschleiert, wie eng „Kultur“ und „Ethnie“ innerhalb der identitären Gedankenwelt miteinander verbunden sind. Genauso gut könnten sie daher von der Herstellung einer völkischen Reinheit sprechen. Die Identitären sprechen jedoch von „Ethnopluralismus“. Im Vergleich mit dem Vokabular traditioneller rechtsextremer Gruppen klingt dies moderater, so, als wollten die Identitären niemandem etwas zuleide tun. Doch in letzter Konsequenz ist die Forderung nach Remigration in einem vielfältigen Europa eine Forderung nach ethnischer Säuberung. (…) Bei den regelmäßig in Schnellroda stattfindenden Konferenzen des Instituts für Staatspolitik, die eine Schlüsselrolle bei der ideologischen Schulung des identitären Nachwuchses spielen, sprachen in den vergangenen Jahren nicht weniger als sieben AfD-Vertreter. Darunter befanden sich der Vorsitzende des völkischen „Flügels“ innerhalb der AfD, Björn Höcke, sowie der Europawahlkandidat Hans-Thomas Tillschneider, welcher ein Büro im Haus der identitären Gruppe „Kontrakultur“ in Halle hat, aber auch die beiden Vorsitzenden der Bundespartei, Jörg Meuthen und Alexander Gauland…
  • „Hitzeopfer des Tages: Hans-Georg Maaßen“ von Sebastian Carlens am 01. Juli 2019 in der jungen Welt externer Link zu einer weiteren rechtsradikalen Standard-Taktik: „… Andere Sorgen hat der ehemalige Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen. Der Mann ist mittlerweile als Aufmerksamkeitstäter unterwegs, missverstanden fühlt er sich auch: »Ausgerechnet mich in die rechte Ecke zu stellen, empfinde ich als unverschämt«, befand er in der Bild am Sonntag. Ja, wie kommen die Leute da nur drauf? An Maaßen selbst, seinem einfühlsamen Verständnis für einen braunen Wutmob in Chemnitz, an seiner liebevollen Betreuung von AfD-Abgeordneten kann es nicht liegen, denn gerade unter seiner Ägide habe der Verfassungsschutz »das ihm Mögliche« getan, um »Rechtsextremismus zu bekämpfen«. Insgesamt: »keine Versäumnisse« beim Kampf gegen rechte Gewalt. Warum werden dann in diesem Land eigentlich Menschen von Neonazis ermordet? Und dann noch so viele? Auch darauf hat Maaßen eine Antwort: »die andauernden Delegitimierungs- und Diskreditierungskampagnen der früheren SED« gegen den Verfassungsschutz…“
  • „„Hart aber fair“: AfD-Politiker Uwe Junge darf am längsten reden, WDR-Rundfunkrat schaltet sich ein“ von D.J. Frederiksson am  02. Juli 2019 in der FR online externer Link über die mediale Beförderung rechtsradikaler Aktivisten: „… Natürlich gibt es auch diese Woche so ein paar ärgerliche Aussetzer von Plasberg und seiner Redaktion. Wieder einmal wird eine absurde Kausal-Umkehrung nicht nur geduldet, sondern von Plasberg selbst wiederholt: Die Behauptung, dass der rechte Terror deswegen so lange unerkannt und unbekämpft geblieben ist, weil der Verfassungsschutz mit dem massiven Islamismusproblem alle Hände voll zu tun hatte, ist ähnlich glaubhaft wie eine Mordkommission, die ihre miserable Aufklärungsquote mit all den Brandstiftungen erklärt. Nicht nur sollten beiden Themenfelder gänzlich unabhängig voneinander sein, sondern man darf auch erwarten, dass sowohl Mordkommission als auch Verfassungsschutz entsprechend ausgerüstet werden, um ihre verdammte Hauptaufgabe zu erledigen, anstatt sich über widersprüchliche Prioritäten zu beklagen…“

Siehe zum Thema auch im LabourNet (nur u.a.):

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=151122
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