Streaming-Entertainment-Dienst Netflix und ver.di vereinbaren Mindestgagen für deutsche Serienproduktionen

ver.di FilmUnion: Tarifvertrag für Film- und Fernsehschaffende„… Bereits seit 2020 bestehen Gemeinsame Vergütungsregeln (GVR) externer Link zu erfolgsbasierten Zusatzvergütungen zwischen Netflix und ver.di. Am 7. Juni 2022 haben sich Netflix und ver.di zudem auf Folgendes geeinigt: Ab dem 1. Juli 2022 macht Netflix sowohl den bestehenden Tarifvertrag für auf Produktionsdauer beschäftigte Film- und Fernsehschaffende als auch den Gagentarifvertrag zwischen ver.di und der Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen e.V. zur formellen Grundlage bei seinen Serienproduktionen. Außerdem geht Netflix bei den Gagenhöhen für an den Serien-Produktionen beteiligte Filmschaffende mit mindestens fünf Jahren Berufserfahrung über den bestehenden Gagentarifvertrag hinaus: Bei Folgenbudgets über 1,2 Mio. Euro werden die Mindestgagen um 5 Prozent angehoben und bei Folgenbudgets über 2,5 Mio. Euro um 7,5 Prozent. Außerdem werden auch Mindestgagen für Regisseur*innen geregelt, diese fügen sich in die bestehende GVR ein…“ ver.di-Pressemitteilung vom 14.07.2022 externer Link, dort weiterführende Informationen, siehe auch:

  • [Vorwürfe des Bundesverbandes Regie] Regisseure werden ausgebootet: Verdi begeht einen Tabubruch New
    Die Gewerkschaft Verdi hat mit Netflix einen Tarifvertrag abgeschlossen, der Regisseure zu Tagelöhnern macht. Die Kreativen sind entsetzt, zumal, da die Gewerkschaft sie gar nicht vertritt. Warum das Lohndumping?
    Netflix und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi haben sich darauf verständigt, dass seit dem 1. Juli bei Serienproduktionen sowohl der Tarifvertrag für auf Produktionsdauer beschäftigte Film- und Fernsehschaffende als auch der Gagentarifvertrag zwischen Verdi und der Produzentenallianz die Grundlage für Vergütungen bilden. Zudem wurden in der Übereinkunft auch Mindestgagen für Regisseurinnen und Regisseure festgelegt. Gegen diese Regelung hat der Bundesverband Regie (BVR) protestiert und sie als „Tabubruch“ bezeichnet. Mit mehr als 550 Mitgliedern ist der Bundesverband eine der größten Berufsvereinigungen der Filmbranche. Bei der Verabredung mit Netflix handelt es sich nach Auffassung des BVR weder um einen Tarifvertrag noch um eine Gemeinsame Vergütungsregel, sondern um einen für Regisseure unvorteilhaften „Deal“. (…)
    Der Regisseur und Drehbuchautor verweist im Gespräch darauf, dass der Bundesverband Regie seit 2020 mit Netflix für den selben Bereich – 45 Minuten fiktional – in Verhandlungen sei und vor wenigen Wochen das Scheitern der Verhandlungen erklärt habe. „Verdi grätscht damit in das anstehende Schlichtungsverfahren des BVR mit Netflix.“
    Das Ergebnis des Vertrags bedeutet nach Berechnungen des Regieverbands die Drittelung der Regievergütung im Vergleich zu den Vereinigten Staaten oder anderen Ländern. Das Ziel von Netflix sei offensichtlich: Es würden Billiglohnländer etabliert und Produktionen dorthin verlagert. Sollten diese doch teurer werden, werde man neue Billiglohnländer finden und dorthin weiterziehen. „Für eine Gewerkschaft, die da mitmacht, ist das eine seltsame Rollenumkehr, auch wenn es ‚nur‘ die Regie betrifft: Starter im Unterbietungswettbewerb.“ Vor wenigen Wochen hatte Netflix mitgeteilt, dass es nicht bereit ist, die angemessenen Gagen in Dänemark zu zahlen, und angekündigt, den Produktionsstandort Dänemark zu boykottieren…“ Artikel von Helmut Hartung vom 09.08.2022 in der FAZ online externer Link, siehe dazu:

    • VER.DI IN DER FALLE VON NETFLIX: ZWISCHEN ANMASSUNG UND STAGNATION
      Netflix versucht offenkundig, das Aushandeln von angemessener Vergütung mit den deutschen Regisseuren und Regisseurinnen zu verhindern – und die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di spielt mit
      ver.di und die US-amerikanische Produktionseinheit von Netflix, Netflix IO, vereinbaren einen Vertrag für Serien und versuchen die fiktionalen Regisseure/innen in Deutschland damit zu überrumpeln. Dabei steht ver.di in ihrem Kerngeschäft – den öffentlich-rechtlichen Sendern – gar nicht gut da. Sie brauchen offenbar dringend Erfolge.
      Stagnation auf der einen Seite – Kniefall vor NETFLIX auf der anderen.
      Seit Jahrzehnten hat es jede Gewerkschaft vermieden, die Regisseurinnen und Regisseure in ihre Tarifverträge im Bereich Auftragsproduktion mit einzubeziehen. Und die Produzenten waren froh darum, denn die Arbeit von Regisseuren unterscheidet sich sehr von denen anderer auf Produktionsdauer Beschäftigter beim Film. Am deutlichsten wird dies dadurch, dass in der Gagentabelle des TV-FFS, dem Manteltarifvertrag von ver.di, Regisseure/innen überhaupt nicht vorkommen. Diese Lücke schloss schon immer und schließt auch weiterhin der Bundesverband Regie – seit bald 50 Jahren.
      Netflix und ver.di scheuen keine rechtlich fragwürdigen Absprachen.
      Was jetzt passiert ist, ist ein Tabubruch. Denn im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern wird in Deutschland die Regie nicht für eine Arbeitsleistung innerhalb einer bestimmten Zeit bezahlt, sondern für das Erstellen des „Werks“, die finale Leistung, den fertigen Film.
      Ver.di und Netflix haben jetzt in ihrem Vertrag, es handelt sich weder um einen Tarifvertrag noch um eine Gemeinsame Vergütungsregel, schlicht einen Deal gemacht: Netflix zahlt je nach Budgetklassen einer Serienfolge/-produktion für die Teammitglieder plus 5% oder 7,5 % auf die Gagen des bisher nur für deutsche Produzenten geltenden Manteltarifvertrags. Das ist erst einmal fürs Team erfreulich, und setzt nebenbei alle anderen Anbieter unter Druck…“ Stellungnahme des BVR vom 26. Juli 2022 externer Link, auf deren Homepage weitere Beiträge dazu, wie z.B.:
    • FRAGEN EINER LESENDEN REGIE. VER.DI UND NETFLIX VEREINBAREN TARIFVERTRAG FÜR SERIEN
      Zur Pressemitteilung von ver.di vom 14.7.2022
      Mit Freude & Verwunderung lesen wir, der BVR, dass ver.di erneut einen Vertrag mit Netflix abgeschlossen hat. Jedoch, für die Regie überwiegt dabei die Verwunderung die Freude ganz erheblich.
      Wir wundern uns nämlich darüber, dass die Gewerkschaft mal eben so, en passant, auch für die Regie in Deutschland abgeschlossen zu haben glaubt. Wozu die Regie gar nicht erst gefragt wurde. Weil sie nämlich in diesen Verhandlungen als Verhandlungspartner schlichtweg nicht vorkam.
      ver.di repräsentiert nämlich nur ein extrem minoritäres Grüppchen der Regie. So minoritär, dass manche es als praktisch „nicht vorhanden“ bezeichnen. Und da fragen wir uns schon: Wer verhandelt da mal eben – für uns? Und im Ergebnis noch dazu ziemlich mau? Und warum will man überhaupt die Regie unter ein eigenes Regime zwingen und dazu für Folgevergütungen in eine Abrechnungsmethodik, die von einer Firma betreut wird, die dem Schauspielerverband gehört? Und die, verglichen mit anderen, ähnlichen „Clearingstellen“, einen Kostensatz hat, der sich gewaschen hat? Um von einer – nicht vorhandenen – Kontrolle ihrer internen Struktur zu schweigen? Fragen über Fragen…“ BVR-Pressemitteilung vom 14. Juli 2022 externer Link
  • siehe auch einen Artikel darüber in mmm externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=202762
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