Presse-Umgang mit „Alternative für Deutschland“: Je weniger, desto besser

Dossier

Neue „Feinde der Pressefreiheit“Viele Journalisten stellen sich die Frage, ob sie die „Alternative für Deutschland“ (AfD) behandeln sollen, wie jede andere Partei auch? Dabei müsste die Frage eher lauten: reicht es, wenn sich Journalistinnen und Journalisten für Gespräche mit der AfD so vorbereiten, wie bei anderen auch? (…) Für Journalist*innen ist es wichtig zu wissen, wie Populismus funktioniert. Viele Leute denken fälschlich, es gehe darum, dass Politiker einfache Wahrheiten aussprechen und dabei provozieren. Aber Populismus ist kein rhetorisches Stilmittel, sondern eine Ideologie. (…) die AfD würde die unliebsame „Systempresse“ gern abschaffen. Sie hinterfragt die Legitimation unserer Arbeit – insbesondere die der öffentlich-rechtlichen Medien. Gleichzeitig braucht sie die etablierten Medien, um ihre Themen in die Debatten zu einzubringen. (…) Redaktionen könnten sich vor der Berichterstattung diese Fragen stellen: Wie geht man kritisch mit ihrer irreführenden Selbsteinordnung um und ordnet sie richtig ein? (…) Muss man ihr bei jeder/dieser Provokation eine Plattform bieten?…“ Artikel von Ferda Ataman vom 1. Dezember 2019 aus der dju-Zeitung mmm externer Link und mehr zur wichtigen Debatte:

  • Boykottiert die Sommerinterviews! AfD in Sommerinterviews als Arbeitsverweigerung der zuständigen RedaktionenNew
    • AfD in Sommerinterviews: Warum eigentlich?
      Die beiden AfD-Vorsitzenden waren an diesem Wochenende getrennt voneinander Gast in den Sommerinterviews von ARD und ZDF. Warum eigentlich? Die Partei wird beim Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft.
      Vor einer Woche ein harmonischer Bundesparteitag, jetzt die obligatorischen Sommerinterviews der Öffentlich-Rechtlichen: Medial läuft es für die AfD im Moment ziemlich gut. Das kann man zumindest meinen, wenn man die Berichterstattung über die Partei und ihre Spitzen verfolgt: sachlich, kritisch, ohne Lobhudelei. Eben genauso wie im Fall der Spitzenkräfte anderer demokratischer Parteien, die vor Kamera und Mikrofon stehen. Dass es qualitative Unterschiede in diesen Interviews gibt, analysiert heute die FAZ in ihrem Vergleich der Interviews von ARD und ZDF mit Tino Chrupalla und Alice Weidel.
      Warum eigentlich führen die beiden öffentlich-rechtlichen Sender Sommerinterviews mit den Spitzen einer Partei, die beim Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall gelistet ist? Eine Partei, die jetzt bereits in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen als gesichert rechtsextremistisch gilt? Die sich über riesige Einschaltquoten und die Möglichkeit freuen kann, zur Hauptsendezeit Millionen von Fernsehzuschauern ihr freundliches Bild zu präsentieren. Nur deshalb, weil die AfD im Bundestag vertreten ist?
      Das ist ein sehr formales Argument, das aktuelle politische Entwicklungen wie eine rasante Rechtsdrift der AfD nicht berücksichtigt. Dann müssten die beiden Sender auch noch Interviews mit Weidel und Chrupalla führen, wenn ihre Partei bundesweit als gesichert rechtsextremistisch engestuft wäre. Dass es so kommen kann, ist zumindest nicht unwahrscheinlich.
      Die Sommerinterviews lassen am Ende Fragen offen – zu viele Fragen.“ Kommentar von Hendrik Zörner vom 8.07.2024 im DJV-Blog externer Link
    • Politik im Sommerloch: Boykottiert die Sommerinterviews!
      Man wünscht sich, einmal Mäuschen in den Köpfen von so manchem Redakteur und so mancher Redakteurin in den Redaktionen von ARD und ZDF zu sein. Einmal Mäuschen in den Köpfen von so manchem Redakteur und so mancher Redakteurin in den Redaktionen von ARD und ZDF: Vor allem zur Sommerzeit. Denn da stehen traditionell die Sommerinterviews mit den Spitzenkandidat:innen des bundespolitischen Politzirkus an und es wird genau hingeschaut, wer auf der Terrasse des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses im Berliner Regierungsviertel Platz nimmt. Und Jahr für Jahr rauchen in den Redaktionen die Köpfe ob der Frage, wie denn mit der rechtsextremen „Alternative für Deutschland“ umzugehen sei. Einmal Mäuschen in den Köpfen von so manchem Redakteur und so mancher Redakteurin in den Redaktionen von ARD und ZDF: Denn der vermeintliche Umgang mit der AfD in den Sommerinterviews ist im Grunde nichts anderes als Arbeitsverweigerung der zuständigen Redaktionen…“ Kommentar von Moritz Post vom 07.07.2024 in der FR online externer Link
  • [Online-Webinar am 03.07.2024] Medien, AfD und die Grenzen des Sagbaren: Wie können Journalist*innen Normalisierungsstrategien der extremen Rechten erkennen und verantwortungsvoll über sie berichten?
    Ein Webinar für Journalist*innen und Wissenschaftler*innen am 3. Juli von 18 bis 19.30 Uhr. Referentin: Hannah Hecker, Universität Tübingen.
    Seit Jahren wird im Journalismus über den richtigen Umgang mit der AfD diskutiert. Angesichts der Radikalisierung und des gleichzeitigen Popularitätsgewinns der Partei stellt sich diese Frage verschärft – vor allem auch im Vorfeld der Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Die Sozialwissenschaftlerin Hannah Hecker forscht an der Universität Tübingen über den medialen Umgang mit der AfD in politischen Talkshows und den damit verbundenen Strategien rechter Akteure, die Grenzen des Sagbaren zu verschieben. In einem einführenden Vortrag zeigt sie Beispiele für Normalisierungsversuche der AfD auf und macht Vorschläge für einen verantwortungsvollen journalistischen Umgang mit diesen Strategien. Im Anschluss diskutiert sie mit den Teilnehmenden über deren Fragen und Beispiele aus dem journalistischen Arbeitsalltag. Die Veranstaltung wird gemeinsam organisiert vom Wissensnetzwerk Rechtsextremismusforschung (Wi-REX) und dem Institut für Journalistik an der TU Dortmund. Anmeldungen bitte an info@wi-rex.de. Hannah Hecker ist Soziologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in dem DFG-Forschungsprojekt »Die Aushandlung von Sagbarkeitsgrenzen in politischen Diskursen. Eine Analyse parlamentarischer, massenmedialer und zivilgesellschaftlicher Öffentlichkeiten« am Institut für Politikwissenschaft der Universität Tübingen
    .“ Ankündigung beim Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung des Online-Webinars am 03.07.2024 doch ohne Links in der Veranstaltungsübersicht externer Link (bitte dort erkundigen)
  • Über Rechtsextreme reden? Handlungsempfehlungen für den journalistischen Umgang mit rechtsextremen Parteien und die Berichterstattung über Rechtsextreme 
    Der Rechtsextremismus wird immer mehr zur Bedrohung für die Demokratie als Ganzes. Rechtsextreme Parteien wie die AfD haben sich in den letzten Jahren immer weiter radi­kalisiert, gleichzeitig erleben wir eine gesellschaftliche Normalisierung rechtsextremer Positionen und Erzählungen. Parallel dazu müssen Medienschaffende einen Umgang damit finden, dass Rechtsextreme politische Ämter besetzen und darüber auch versuchen, den medialen Diskurs zu beeinflussen. Dies stellt die Berichterstattung immer wieder vor Herausforderungen. Der CeMAS-Policy-Brief „Über Rechtsextreme reden? Empfehlungen für die mediale Berichterstattung“ stellt Ansätze für den Umgang vor…“ Policy Brief von Pia Lamberty und Maheba Goedeke Tort vom 7. Mai 2024 bei CeMAS externer Link 
  • [„Journalist*innen müssen stärker hinterfragen, welche Stimmen sie multiplizieren, wem sie Raum geben“] Plädoyer an die Presse – 10 Ideen gegen die Medienkrise
    Ein Ziel dieses Plädoyers ist es, dass sich Journalist*innen wieder stärker dieser Verantwortung bewusst werden – und dass dieses Bewusstsein zu einem konstruktiven Selbstbewusstsein wird. Denn es gibt kein Naturgesetz, das etablierte Medien verpflichtet, den rechten, demokratie- und wissenschaftsfeindlichen Narrativen hinterherzurennen. Sie können stattdessen andere, konstruktive und demokratische Narrative etablieren, sogar eigene Themen setzen – und so die Hoheit über den Diskurs zurückgewinnen. Allzu oft steht dem jedoch ein verrutschtes Verständnis von Objektivität und Demokratie im Weg. Journalist*innen müssen stärker hinterfragen, welche Stimmen sie multiplizieren, wem sie Raum geben. Denn zu oft ist es die laute Minderheit der Extremist*innen. Scheinbar unaufhaltsam bestimmen diese Leute, worüber wir reden, wann wir darüber reden und wie wir darüber reden. Medienschaffenden bleibt dann das ernüchternde Gefühl, man renne nur hinterher. Das ist das Ziel der Neuen Rechten, die strategisch und mit aller Vehemenz versucht, die Diskurshoheit an sich zu reißen…“ Aus dem Plädoyer mit „10 Ideen gegen die Medienkrise“ bei Volksverpetzer externer Link mit Unterstützung von djv u.a.
  • Sollte man die AfD in TV-Talkshows einladen? „Bitte nicht!“ Warum Caren Miosga die falsche Entscheidung trifft Sie hatte es zu Beginn ihres neuen Formates angekündigt, nun unternimmt Caren Miosga den Versuch, mit einem AfD-Politiker in ihrer Sendung im Ersten zu sprechen. Für Sonntag, 21. April 2024, hat das Talkformat Tino Chrupalla, AfD-Bundessprecher und Fraktionsvorsitzender im Bundestag, als Gast angekündigt. Im „medium magazin“ 1/2024 kommentiert Tanjev Schultz in seiner Kolumne „einerseits…andererseits“ Miosgas Einstellung zur Frage, ob man die AfD in Talkshows einladen solle. (…) Wieder und wieder ist in Redaktionen über den Umgang mit der AfD diskutiert worden, und nun geht in diesem Wahljahr alles von vorne los. Die Chance, alte Fehler noch einmal zu begehen, möchte auch Caren Miosga ergreifen. Bitte nicht. Warum glauben Journalistinnen und Journalisten, sie müssen AfD-Leute einladen, da diese nun einmal so populär sind? Nichts müssen sie.
    Natürlich haben die öffentlich-rechtlichen Medien den Auftrag, die Breite der Meinungen und Gruppen in der Gesellschaft zur Geltung zu bringen. Doch das bedeutet nicht, dass diese Breite in jedes Format passt. Und es bedeutet keineswegs, wirklich allen Akteuren und jeder Ansicht, sei sie noch so abstrus oder gefährlich, Aufmerksamkeit zu schenken. Wo sich extremistische Entwicklungen nicht ignorieren lassen, sollten sie zwar zum Thema werden – nur eben nicht in Gesprächen mit den Extremisten selbst.
    Muss man denn nicht mit allen Menschen reden können? Ja, schon. Allerdings nicht in jeder Situation und in jedem Setting. Ein Gefängnisseelsorger spricht mit grausamsten Gewalttätern, ein Strafverteidiger mit übelsten Terroristen. Journalistinnen und Journalisten haben ebenfalls oft gute Gründe, in einer Recherche mit finsteren Typen zu reden, mit Diktatoren, Mafiabossen oder Neonazis. Aber in der Regel nicht live vor einem Millionenpublikum. (…)
    Björn Höcke in eine Talkshow einzuladen, ist im besten Fall naiv, im schlimmsten Fall bündlerisch oder zynisch. Offenbar hat Caren Miosga das auch nicht vor. Wer zu „krass“ rechtsextrem sei, den wolle sie nicht in ihrer Sendung haben; wohl aber – zum Beispiel – einen AfD-Bürgermeister aus Sachsen-Anhalt, den sie demnach für gemäßigt hält. Anders gesagt: Miosga traut ihrem eigenen Argument nicht. Denn es ist ja nicht der Bürgermeister, der in den Wahlumfragen zur Landtagswahl in Thüringen vorne liegt, es ist der Spitzenkandidat Björn Höcke mit seiner von ihm geprägten Partei. Wie würde das konkret aussehen in der Sendung? Würde dort ruhig und sachlich mit dem Bürgermeister diskutiert, erschiene dieser als vielleicht streitbarer, letztlich aber erträglicher Politiker – und die AfD würde viel harmloser wirken, als sie ist. Diese Art der Normalisierung wäre ganz nach dem Geschmack der Extremisten, die sich ja als vermeintlich „bürgerliche“ Kraft und als „Grundgesetz-Partei“ ausgeben. Würde der Bürgermeister hingegen hartnäckig zu den Widersprüchen zwischen dieser Fassade und den realen Absichten sowie der völkischen Rhetorik von Höcke und anderen aus der AfD befragt, ergäbe sich der übliche Entlarvungskrampf: Die Journalistin strampelt sich ab, der AfD-Gast weicht aus, leugnet, verharmlost oder treibt die Runde mit eigenen Provokationen vor sich her. Niemand wird dadurch schlau. Wenn es einigermaßen gelingt, einen AfD-Politiker in Widersprüche zu verwickeln, wie unlängst Sandra Maischberger im Gespräch mit Tino Chrupalla, bleibt die Wahrnehmung der AfD-Anhänger dennoch eine völlig andere. Auf Social-Media-Plattformen feiern sie jede kleine Bockigkeit und jede scheinbar schlagfertige Antwort ihrer Leute als einen kolossalen Sieg über die angebliche „Lügenpresse“. Es stimmt, die AfD benötigt ARD und ZDF nicht, sie setzt auf andere Kanäle. Warum aber sollten ARD und ZDF ihr den Gefallen tun, noch zusätzliches Futter für die Propaganda zu produzieren? (…)
    Manchmal ist zu hören, es wirke schwach, der AfD auszuweichen, sich ihren Positionen und Protagonisten nicht zu stellen. Das wirke so, als traue man den eigenen Argumenten nicht. Das ist falsch. Man traut den eigenen Argumenten so sehr, dass es nicht nötig ist, die Zeit mit der AfD zu verschwenden. Mit einer Partei, deren Leute tricksen und täuschen. Mit einer Partei, die Redaktionen aus eigener Urteilskraft als extremistisch einstufen können, ohne dafür den Verfassungsschutz vorschieben zu müssen. Caren Miosga sieht das ja wohl ähnlich, wenn sie vor Lügnern warnt, denen in einer Livesendung nicht beizukommen sei. Wenn deshalb Führungsfiguren der AfD als Gäste für sie nicht infrage kommen: Warum sieht ­Miosga es als ihre Aufgabe an, unbedingt Personen aus der Partei zu finden, die angeblich besser geeignet sind und mit denen es sich zu diskutieren lohnt? (...)
    Die Öffentlich-Rechtlichen sind dafür da, die demokratische Debatte zu fördern. Sie sind nicht dafür da, denen eine Stimme zu geben, die sich um die Grundregeln demokratischer Debatten nicht scheren. Mit AfD-Leuten reden, mit ihnen diskutieren? Ja, das muss sein, in der U-Bahn, während einer Bürgerversammlung oder auf einer Familienfeier. Auch Caren Miosga kann das in ihrem Umfeld gerne tun. Aber lieber nicht in ihrer Talkshow.“ Kommentar von Tanjev Schultz vom 19. April 2024 im „medium magazin“ externer Link
  • Der Deutsche Journalisten-Verband fordert die Medien dazu auf, ihre Berichterstattung über die sogenannte Alternative für Deutschland neu zu justieren
    Anlass sind die einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zufolge fortgeschrittenen Überlegungen im Bundesamt für Verfassungsschutz, die gesamte AfD als „gesichert extremistische Bestrebung“ einzustufen. Das ist eine deutliche Verschärfung der bisherigen Eingruppierung als Verdachtsfall des Rechtsextremismus. „Wenn das zur offiziellen Position des Verfassungsschutzes wird, können wir Journalistinnen und Journalisten die AfD nicht mehr als eine Partei von mehreren beschreiben“, sagt DJV-Bundesvorsitzender Mika Beuster. Vielmehr müsse in der Berichterstattung kontinuierlich auf die extremistischen Absichten dieser Partei hingewiesen werden. Beuster: „Das muss wie ein unübersehbarer Warnhinweis wie auf Zigarettenschachteln in unseren Artikeln auftauchen.“
    Aus einer schärferen Einstufung der AfD ergeben sich aus Sicht des DJV-Vorsitzenden auch Konsequenzen für den Schutz von Medienschaffenden, die über Veranstaltungen der Partei berichten wollen: „Die Polizei muss noch stärker als bisher ihr Augenmerk darauf richten, dass Journalistinnen und Journalisten gefahrlos und ungehindert ihrem Berichterstattungsauftrag nachkommen können.“ Die feindselige Haltung von AfD-Anhängern zur Pressefreiheit stelle seit Bestehen der Partei ein Risiko für Medienvertreter dar. Berichterstatter, die bedrängt, beschimpft oder angegriffen würden, sollten sich an ihren DJV-Landesverband wenden
    .“ Pressemitteilung vom 27.02.2024 externer Link („AfD: Berichterstattung neu justieren“)
  • Sozialpsychologin nimmt Medien im Umgang mit AfD in die Pflicht, nicht über jedes Stöckchen zu springen 
    Die Sozialpsychologin Pia Lamberty nimmt beim Umgang mit der AfD die Medien in die Pflicht, nicht über jedes Stöckchen zu springen. „Rechtsextreme auf Covern bieten keinen journalistischen Mehrwert, normalisieren aber rechtsextreme Akteure“, sagte sie dem Nachrichtenportal Watson. „Generell wird aus meiner Sicht der AfD noch zu häufig eine Plattform geboten, die sie dann auch gezielt für sich nutzen. Politiker der AfD schaffen es leider auch immer wieder, Themen auf die mediale Agenda zu bringen, die dann plötzlich breit diskutiert werden.“ (…) Zu spät, einen Strategiewechsel anzustreben, ist es aus Sicht der Expertin auch in Deutschland noch nicht. „Rechtsextremismus wird vermutlich nicht so schnell verschwinden“, sagte sie dazu und fuhr fort: „Letztendlich sollten sich gerade alle gesellschaftlichen Akteure fragen: Inwiefern begünstigt unser Verhalten den Rechtsextremismus und was können wir besser machen?“ Laut Lamberty gibt es viele kleine Dinge, die Medien im Umgang mit der AfD besser machen könnten: „Man kann sich überlegen, wie man Bilder verwenden kann, ohne beispielsweise rechtsextreme Bildsprache zu reproduzieren oder der Person ein Podium zu geben“, sagte sie. Wichtig sei es, einen Fokus auf jene zu legen, die von den Plänen der AfD besonders betroffen sind.“ Meldung vom 18. Februar 2024 der dts Nachrichtenagentur bei Oldenburger Onlinezeitung externer Link („Sozialpsychologin nimmt Medien im Umgang mit AfD in die Pflicht“)
  • „Wie Wackelpudding an die Wand nageln“ – eine kleine Auswahl zum großen Problem…
    • AfD-Chef Chrupalla zerstört Markus Lanz … zumindest wird die AfD es so feiern
      Die Lanz-Sendung vom 6.2.2024 war wieder mal ein Paradebeispiel, warum die Medien endlich begreifen müssen, dass sie enormen Schaden anrichten, wenn sie immer noch AfD-Rechtsextremisten in ihre Sendungen einladen, um ihnen eine große Bühne zu bieten, für deren gefährliche Desinformation und Selbstverharmlosung. Selbst wenn man sich um Differenzierung und um Fakten bemüht, wie das Lanz durchaus tat, prallt das an der Schamlosigkeit der Rechtsextremisten ab. Chrupalla und seine rechtsextreme AfD danken Lanz für den Abend. (…) Es ist völlig egal, ob man Chrupalla „stellen“ kann oder „zerstören“, der hat bereits dadurch gewonnen, dass er eingeladen wurde. (…)
      STUDIE: RECHTSEXTREME EINLADEN MACHT RECHTSEXTREME STÄRKER
      Wir haben vor einer Weile bereits über eine Studie geschrieben externer Link , die sich genau mit diesem Thema beschäftigt. Fazit: Interviews und Auftritte rechtsextremer Akteure im Fernsehen führen dazu, dass ihre Ansichten und Statements eine höhere Zustimmung in der Bevölkerung erzielen. Die „Entzauberung“ rassistischer, rechtsextremer und falscher Statements, welche durch solche Auftritte angestrebt werden soll, findet also überhaupt nicht statt. Im Gegenteil externer Link. (…) Es geht ja nicht darum, die AfD und ihre Behauptungen tot zu schweigen, im Gegenteil. Das kann man doch problemlos machen, ohne sie einzuladen. Man muss über die AfD und ihre Themen reden, aber im richtigen Kontext, ohne die Möglichkeit, dass sie sich hinter Floskeln und Codewörtern versteckt. Man kann sie sogar vorher Interviewen, und dann in der Sendung über die relevanten Ausschnitte reden, aber deren Aussagen gut vorbereitet, gefaktencheckt einordnen und einen Experten kommentieren lassen. Was hindert uns daran?
      Während Millionen auf die Straße gehen, darf die AfD im Prime TV hetzen
      Während schon die vierte Woche Millionen Menschen gegen die rechtsextreme AfD und die Normalisierung des Rechtsextremismus auf die Straße gehen, machen die Öffentlich-Rechtlichen diese ganze Anstrengung zunichte, wenn sie immer und immer wieder diesen Rechtsextremisten eine Bühne bieten. (…) Nein, natürlich hat Chrupalla nicht Lanz zerstört. Aber Lanz auch nicht Chrupalla. Und auch Maischberger die Woche zuvor nicht. Das ist ja das Problem. Chrupalla und seine Partei zerstören aber mit jedem Auftritt immer weiter unsere Grundlage eines gemeinsamen Konsenses, der für die Demokratie unabdingbar ist. Wir sägen selbst an den Ästen, auf denen wir sitzen. Es wird endlich Zeit, dass wir damit aufhören.“ Analyse von Thomas Laschyk vom 7.2.2024 bei Volksverpetzer externer Link
    • Chrupalla bei Lanz: Wie Wackelpudding an die Wand nageln
      „„Reden mit Rechten“ scheint in diesen Tagen das Motto der Talkshows zu sein. Erneut wird bei Lanz einem Vertreter der AfD die Bühne geschenkt. (…) Schon in diesen ersten Momenten der Talkrunde von Markus zeigte sich paradigmatisch, wie schwierig, um nicht zu sagen unmöglich, vielleicht auch sinnlos es ist, sich mit einem Politiker wie Tino Chrupalla auseinanderzusetzen. In über Jahre verfeinerter Gewandtheit, drehte der AfD-Vertreter konkrete Fragen um, wich aus, wollte mal dieses nicht gesagt haben oder behauptete, dass jenes aber eigentlich ganz anders gemeint gewesen sei. (…) Sich auf Positionen festzulegen und diese dann auch konsequent vertreten, das fiel nicht nur Chrupalla bei Markus Lanz im ZDF schwer – das ist die Spezialität der AfD bei öffentlichen Auftritten. Als würde man versuchen, Wackelpudding an die Wand zu nageln. So wirkte der Umgang mit Chrupalla bei Lanz. Der Rechtsaußen, wich aus, verweigerte sich, drehte und wendete sich…“ Kommentar von Michael Meyns vom 07.02.2024 in der Frankfurter Rundschau online externer Link und ein anderes Beispiel:
    • (Unbefriedigende) Antwort von »Maischberger«
      Auf meine Mail an die Redaktion der ARD-Sendung »Maischberger« (https://sascha-kersken.de/2024/01/23/auch-die-ard-braucht-feedback-zu-ihrem-naziproblem/ externer Link) habe ich nach über zwei Wochen wider Erwarten doch noch eine Antwort erhalten. Da sie gemäß dem folgenden Absatz nicht an mich persönlich erfolgte, sondern auf alle derartigen Mails eingeht, erlaube ich mir, sie im Folgenden zu zitieren und zu kommentieren. (…) Dass Leute es nach dem allgemeinen Bekanntwerden der Deportations- (und, wenn wir ehrlich sind, letztlich wieder Vernichtungs-) Pläne der AfD nicht ertragen, den Chef-Deporteur (und, wenn wir ehrlich sind, letztlich wieder -Vernichter) auf dem gemütlichen Talkshow-Sofa zu sehen, erkennen sie immerhin noch an:
      „Gerade im Hinblick auf die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in der jüngsten Zeit haben uns viele unserer Zuschauerinnen und Zuschauer Unverständnis und auch Bestürzung zur Einladung von Herrn Chrupalla entgegengebracht.“
      Die nachfolgende Behauptung halte ich dagegen für äußerst unglaubwürdig:
      „Bitte seien Sie versichert, dass wir die Einladung von Herrn Chrupalla, wie alle Gästeeinladungen, sehr gründlich und in langen Diskussionen in der Redaktion abgewogen haben.“
      Schon im nächsten Absatz geht das Ganze in hufeisenförmige Äquidistanz über, die glaubwürdiger ist – und völlig verantwortungslos. »Zuschauerinnen und Zuschauer, die auf diesen Demonstrationen […] ihre Sorgen […] zum Ausdruck bringen« und »Zuschauer […], die ihre Fragen an unsere Gesellschaft gerade bei der AfD aufgehoben sehen« – szenetypisch offenbar (fast) nur Männer und/oder mit Verzicht auf (selbst binäre) Gendermarkierung – sind für »Maischberger« offenbar gleichermaßen ernstzunehmende Gruppen, und keine von ihnen scheint für sie eine Gefahr für die liberale, rechtsstaatliche Demokratie darzustellen, ohne die eine Sendung wie die ihre gar nicht stattfinden könnte. Zuletzt wird es praktisch noch als Tugend gepriesen, dass »alle anderen, die sich weder der einen noch der anderen Gruppe zugehörig fühlen, aber sich ein Meinungsbild machen wollen« sich aufgrund der »Neutralität« der Sendung frei für die Freiheit oder für eine Nazidiktatur entscheiden können (was im zweiten Fall vermutlich die letzte freie Entscheidung ihres Lebens wäre). (…) Zum Schluss werden alle Kritiker*innen noch pauschal mit Einzelnen in einen Topf geworfen, die der Redaktion Unflätigkeiten bis Drohungen geschickt haben. Dabei ist davon auszugehen, dass diese ganz überwiegend aus rechten Kreisen kamen, die fanden, dass ihr Oberbonze dort »unfair« behandelt worden sei. Ein weiterer Grund, warum Talkshows keine Nazis einladen sollten…“ Beitrag vom 8.2.2024 von und bei Sascha Kersken externer Link
    • Nur eine kleine Auswahl zum großen Problem…
  • „Medien reden mit Rechten“ hat nicht funktioniert – Petition „Keine Bühne für Nazi-Propaganda im ÖRR“ 
    • „Medien reden mit Rechten“ hat nicht funktioniert
      Seit den Veröffentlichungen zu Massenabschiebungsplänen der AfD fragen sich Journalisten mal wieder, wie sie mit der Partei umgehen sollen. Unser Kolumnist findet, dass große Medien sich lang genug zu offen gegenüber Rechten gezeigt haben. (…)Es ließen sich zahllose weitere Beispiele aus großen Medien finden – Magazin-Cover, die mit dem Grusel vor den Rechten spielen und diese zugleich normalisieren. Talkshows, die gern mit der Aufregung kalkulieren, die AfD-Leute bei ihren Auftritten verbreiten, weil das Quote verspricht und damit die weitere Beauftragung der Produktionsfirma durch die Öffentlich-Rechtlichen. Interviews, in denen AfD-Politiker politisch gestellt oder entzaubert werden sollten, auch wenn die sich auf kein vernünftiges Gespräch einlassen, sondern einfach ihre Schlagworte wieder und wieder ins Mikrofon kloppen – das würde in Beiträgen, die Auskünfte von der Partei einordnen und kontextualisieren, nicht passieren. (…) „Mit Rechten reden“ hieß ein Buch von 2017. Das war zwar gar nicht, was es vorzugeben schien, sondern ziemlich unverständlich und albern, aber der Slogan prägte den medialen Geist dieser Zeit. Und prägt bis heute. Wohin dieses Verständnis, diese Normalisierung dann geführt hat – dafür hat sich nie wieder jemand interessiert, dafür war dann niemand verantwortlich. Selbstkritik ist nicht die größte Stärke von Medien. Sie wäre aber angebracht, um aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen – aus der unreflektierten Angstlust im Umgang mit einer demokratiegefährdenden Partei bis heute. Insofern betrifft der Weckruf, der von der Correctiv-Recherche ausgeht, auch den Journalismus.“ Kolumne von Matthias Dell vom 24.01.2024 im Deutschlandfunk externer Link
    • [Petition] Keine Bühne für Nazi-Propaganda im ÖRR
      Wir fordern den ÖRR auf, die Vertreter*innen der AfD vollständig aus ihren Sendungen zu verbannen! Wir wollen diese Leute nicht mehr sehen. Wir fordern einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der frei ist von jeder Form von Nazi-Propaganda. ARD, ZDF etc. dürfen den Funktionär*innen der AfD keine Bühne mehr geben. Hass und Hetze, Lügen und Fake News haben im ÖRR nichts zu suchen. Wenn es auf Grund des „Vielfaltsgebotes“ unumgänglich sein sollte, auch über AfD-Positionen berichten zu müssen, dann ist es die Aufgabe einer politisch verantwortlichen Berichterstattung, Falschbehauptungen sofort richtigzustellen, die Aussagen der AfD und ihrer braunen Netzwerke zu demaskieren und in Klartext offen zu legen, was sie sind: Menschenverachtend und Demokratie-zerstörend…“ Petition bei campact von KlimaGerecht Leben externer Link an Kai Gniffke, Intendant SWR und ARD-Vorsitzender & Norbert Himmler, Intendant ZDF – siehe zum aktuellen Anlass beispielhaft:
    • den Post von „wenig Worte“ vom 6.2.24 auf bsky externer Link
      Seit 3 Wochen Millionen gegen AfD auf der Straße. Reaktion des ÖRR nur in dieser Zeit (Auszug):
      23.01.24
      Baumann im ZDF Morgenmagazin
      23.01.24
      Chrupalla bei #Maischberger
      04.02.24
      Chrupalla im DLF Interview der Woche
      05.02.24
      Leif-Erik Holm bei #hartaberfair
      06.02.24
      Chrupalla bei #Lanz
  • Müssen öffentlich-rechtliche Medien „neutral“ oder antifaschistisch sein?
    • Müssen ARD und ZDF „neutral“ sein?
      Was bedeutet „neutral“? Es wird manche überraschen, aber das steht so nirgends. Wir bekommen immer wieder Publikumspost, in der uns eine Hörerin oder ein Zuschauer vorwirft, wir würden unsere Neutralitätspflicht verletzen – wenn etwa ein journalistischer Beitrag über gesellschaftlich strittiges Thema einen bestimmten Tenor hat oder zu einem Ergebnis kommt, das manchen nicht gefällt. Dann heißt es, wir seien nicht „neutral“. Liest man sich aber die juristischen Grundlagen für die Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch, dann taucht das Wort „neutral“ gar nicht auf. Aus guten Gründen, weil das Wort „neutral“ auch ein wenig nebulös ist. Die „Neutralität“ der Schweiz meint etwas anderes als die „Neutralität“ des Schiedsrichters. (…)
      Pflicht zur Unabhängigkeit und Überparteilichkeit der Berichterstattung
      Und diese Begriffe sagen ja eigentlich viel klarer, worum es geht. Wenn wir es aufdröseln, fordert der Auftrag somit also zunächst Unabhängigkeit und Überparteilichkeit. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll nicht abhängig sein vom Staat, von einer Regierung, von Parteien oder anderer Interessengruppen. Niemand soll durch großzügige Spenden oder umgekehrt politischer Einflussnahme die Berichterstattung beeinflussen dürfen. Einfacher gesagt: Der Auftrag fordert nicht Neutralität, sondern zunächst vor allem Unabhängigkeit der Berichterstattung. (…)Und es steht ja nicht nur „ausgewogen“ da, sondern auch „angemessen“. Mit anderen Worten: Nicht jede Auffassung muss im gleichen Maße abgebildet werden. Die Einzelmeinung eines politischen Hinterbänklers verdient deshalb nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie die einer Ministerin oder eines Fraktionschefs der Opposition, die ja als Teil einer Regierung sprechen oder eben die Haltung ihrer Partei wiedergeben. Und genauso ist es „angemessen“, dass Positionen, die sich auf Fakten und auf Wissenschaft stützen, im Programm berücksichtigt werden und eine unbelegte Verschwörungserzählung gar nicht. Das mag, je nach Sichtweise, nicht „neutral“ sein, aber es ist wahrheitsgetreu, sachlich, objektiv, und es ist trotzdem ausgewogen und angemessen.“ Beitrag von Gábor Paál vom 20.1.2024 im SWR externer Link
    • „Öffentlich-rechtliche Medien müssen antifaschistisch sein“
      Für Jüdinnen und andere Minderheiten in Deutschland ist antifaschistischer Kampf alternativlos, meint Marina Weisband. Er sei aber auch grundlegend für die Verteidigung der Demokratie – und damit Teil des Auftrags der öffentlich-rechtlichen Medien.
      Zwischen der anfänglichen Auslassung der Anti-AfD-Proteste durch die „Tagesschau“ und dem Interview am Montag eben dort ausgerechnet mit Alice Weidel stellte sich mir die Frage: wie antifaschistisch müssen Medien eigentlich sein? Diese Frage ist nicht trivial. Denn Antifaschismus ist keine neutrale Position. Es ist eine Haltung. Eine politische Haltung sogar. Es ist aber gleichzeitig der Schutz und die Verteidigung der Demokratie – also eigentlich Teil des Auftrags der öffentlich-rechtlichen Medien und aller deutschen Bürgerinnen und Bürger. Mehr noch. Das Nichteinnehmen dieser politischen Haltung könnte man in sich als demokratiefeindlich begreifen. Denn unsere Demokratie ist ja gemäß unserer Verfassung eine wehrhafte. Was bedeutet Wehrhaftigkeit, wenn ich Inhalte herstelle, die Millionen von Menschen sehen und hören? Einerseits könnte man sagen: ich bleibe neutral und das bedeutet, ich gebe allen Parteien eine Stimme, die nicht verboten sind. Andererseits ist da diese Partei, aus der mehrere Landesverbände als gesichert rechtsextrem gelten, die rassistische Parolen verbreitet und verfassungswidrige Massendeportationen plant – übrigens  nicht nur im geheimen Hotel, sondern auch offen am Rednerpult. Dass sie nicht verboten ist, mag mit demokratietheoretischen Argumenten, mit politischer Zaghaftigkeit zu tun haben oder mit juristischen Fallstricken – aber ändert das wirklich etwas an dem, was die AfD vorhat, wenn sie an die Macht kommt? Was wir alle wissen? Was ihre Abgeordneten selbst sagen?…“ Kolumne von Marina Weisband vom  17.01.2024 im Deutschlandfunk externer Link
  • Rechte haben kein Recht auf Sendezeit. In Luxemburg und Südbelgien bieten die Medien Extremist:innen kein Forum – und konnten einen Rechtsruck damit bislang verhindern
    „… Immer weniger Distanz auch in den Medien. Alle Jahre wieder wird der Menschenfeind Höcke vom MDR zum lauschigen Sommerinterview geladen; diesmal schockte er mit dem Nazi-Wort „Gleichschaltung“ und forderte die Ausgrenzung von Schulkindern mit Behinderungen. Im Juni 2023 starrt Alice Weidel vom Cover des Stern. Auf die Frage „Verteidigen oder kritisieren Sie jetzt die Rechtsextremen in Ihrer Partei?“ antwortet die Fraktionsvorsitzende: „Rechtsextreme? Die habe ich jetzt noch nicht entdecken können bei uns.“ „Ihr Ernst?“, quengeln die Interviewer. Und wagen die letzte Frage: „Frau Weidel, wollen Sie selbst Kanzlerin werden?“
    Während sich das Publikum in True-Crime-Manier aus sicherer Distanz gruselt, empören sich Teile der Medienwelt – kurz zumindest. Wird die Partei durch solche Auftritte aufgewertet, verharmlost und normalisiert? Oder ist es gerade mutig, sich der Bedrohung zu stellen, statt sie zu stigmatisieren und ignorieren? Kritik wird totgeschlagen mit immer gleichen Argumenten wie „Wir müssen die Vielfalt und politische Chancengleichheit wahren“ (Öffentlich-Rechtliche) und „Wir müssen ja mit allen reden“ (Stern). Müssen wir? Nur weil eine Partei demokratisch gewählt ist, heißt das nicht, dass sie demokratische Inhalte vertritt. „Nein, so sollten wir Medien nicht mit der AfD umgehen“, kritisierte etwa die Spiegel-Redakteurin Ann-Katrin Müller besagtes Stern-Interview. „Sie ist keine normale Partei, sondern eine, die in großen Teilen rechtsextrem ist. Sie will die Demokratie maßgeblich verändern, da haben nicht nur Parteien und Zivilgesellschaft eine Verantwortung, sondern auch wir Medien.“
    Social Media mitdenken
    Diese Verantwortung schlägt sich nieder in Form und Wirkung. Form, weil Redaktionen frei entscheiden können, mit wem sie ein Gespräch führen und wie sie dieses anschließend für die Öffentlichkeit aufbereiten, und Wirkung, weil Massenmedien in Wechselwirkung stehen mit anderen Kanälen. Ein Interview, das clever aufgebaut ist und so die menschenfeindlichen Ideologien der Funktionär:innen, die inhaltliche Inkompetenz der Partei oder Lügen (Wissenschaftsfeindlichkeit) entblößt, ist dann nicht mehr viel Wert, wenn keine:r weiß, ob – und vor allem wie – diese Formate AfD-Sympathisant:innen erreichen. Auf Social Media schrumpfen die Diskussionen auf eine Schlagzeile zusammen. Was bei den Menschen hängen bleibt: AfD-Klimaleugner darf mit Klimaforscher diskutieren, wie etwa bei Markus Lanz im Mai 2023, als Steffen Kotré auf Mojib Latif traf. Das ist eine Form von Legitimierung, die nur Massenmedien als traditionelle Schleusenwärter von relevanten Informationen leisten können. (…)
    Redaktionen befeuern diesen Mechanismus mit „False Balance“, wenn sie etwa den Konsens von 99 Prozent der Virolog:innen oder Klimaforscher:innen wiederholt der 1-Prozent-Meinung gegenüberstellen oder rechtsextreme Ansichten von Minderheiten zu Wort kommen lassen. Sichtbarkeit normalisiert. Journalist:innen überschätzen sich maßlos, wenn sie glauben, die „False Balance“ im Gespräch ausbalancieren zu können. (…)
    Ein Blick ins Ausland zeigt: Es geht auch anders. Medienschaffende können sich durchaus als Hüter:innen dieser Grenzen verstehen – und den Rechtsruck damit verhindern. Untersucht hat das die Politikwissenschaftlerin Léonie de Jonge in ihrem 2021 veröffentlichten Buch The Success and Failure of Right-Wing Populist Parties in the Benelux Countries. Dass es Rechtspopulist:innen bislang nicht ins Parlament Walloniens und Luxemburgs* geschafft haben, in Flandern dagegen zweitstärkste und in den Niederlanden stärkste Kraft sind, liegt de Jonge zufolge nicht etwa daran, dass die Menschen dort finanziell abgesicherter, gebildeter oder weniger rassistisch wären. Tatsächlich war die Arbeitslosenrate 2020 in Wallonien doppelt so hoch wie in Flandern; die Einstellungen gegenüber Immigrant:innen unterscheiden sich kaum, so auch das Vertrauen in die Demokratie und politische Institutionen. Der Erfolg radikal rechter Parteien liegt, nach de Jonges Analyse, hauptsächlich daran, wie offen die Gatekeeper einer Demokratie mit ihnen umgehen. Demnach tragen die Medien und etablierten Parteien in Frankreich eine erhebliche Mitschuld am Aufstieg des Front National und in den Niederlanden an Wilders’ PVV.In Wallonien dagegen haben schon in den 1990er-Jahren alle Rundfunkanstalten einen Pakt geschlossen, den „cordon sanitaire médiatique“: Menschen, die rassistischen, demokratiefeindlichen Gruppen nahestehen, bekommen keine Plattform; Einladungen zu Live-Interviews und Talkshows sind tabu. Nach rechtlichen Streitigkeiten urteilte der Belgische Staatsrat 1999: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe das Recht, undemokratischen Parteien den Zugang zu verwehren. Auch kommerzielle Sender und die meisten Printmedien in Wallonien halten die Prinzipien hoch. Das heißt nicht, dass wallonische Journalist:innen nie mit Rechtsextremen reden. Es heißt, dass sie nur dann zitiert werden, wenn die Zitate kontextualisiert werden und antidemokratische Inhalte als solche einordbar sind. Reden von rechtsradikalen Politiker:innen etwa werden nicht direkt übertragen, sondern von Reporter:innen zusammengefasst. In der Luxemburger Presse besteht zwar keine formelle Absprache, wohl aber ein informeller Konsens gegen das Abbilden rassistischer und übertrieben nationalistischer Stimmen. (…)
    In Deutschland ist es für eine Kursänderung noch nicht zu spät – für einen „cordon sanitaire médiatique“ allerdings schon. Dieser wirkt nur, bevor sich eine starke rechte Bewegung ins politische System gefressen hat
    …“ Beitrag von Miriam Petzold vom 2. Januar 2024 in Good Impact externer Link
  • Im Zwiespalt: Die Medien und die AfD
    Die AfD hat ein gespaltenes Verhältnis zur Pressefreiheit und zu den Medien. Berichten sie nicht in ihrem Sinne, sind es Lügner. Journalist*innen hingegen stehen vor der Herausforderung: Wie umgehen mit einer demokratisch gewählten Partei, die sich des rechten Populismus bedient, um ihre nationalistische und rassistische Programmatik unters Volk zu bringen? Eine längst überfällige Debatte!...“ Dossier von 2019 bei der dju-Zeitung mmm externer Link

Siehe auch unser Dossier: Immer mehr (v.a. rechte und polizeiliche) Übergriffe auf JournalistInnen

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=158572
nach oben