Musk ein Muss? Die Bedeutung Sozialer Medien für kritischen Journalismus

Facebook: "Freunde" in und als GefahrSoziale Medien werden vorrangig als Unterhaltungsmedium wahrgenommen, dabei ist ihre Bedeutung für den Journalismus erheblich. Die Präsenz von Fake News auf den Online-Plattformen macht es dem kritischen Journalismus wiederum schwer. Trotzdem führt kein Weg an den Sozialen Medien vorbei. (…) Sie werden nämlich nicht mehr nur zur Unterhaltung genutzt, sondern auch zu Informationszwecken. (…) Die sogenannte vierte Gewalt, ‚die Medien‘ und vor allem seriöser, Nicht-BILD-Journalismus, hat mit der gewachsenen Bedeutung Sozialer Medien für die Informationsbeschaffung zu kämpfen. (…) Eine Herausforderung ist dabei auch, dass Soziale Medien klassischen, kritischen Journalismus bereits teilweise ersetzen. Das ist nicht nur schlecht, da die Digitalisierung und Dezentralisierung viel Emanzipationspotential birgt, vor allem in Ländern mit eingeschränkter Pressefreiheit. (…) vor allem der Bevölkerung in autoritären Staaten bleibt oft keine Alternative der Vernetzung und des Widerstands…“ Artikel von Maus Taute externer Link im iz3w-Heft 406 vom 17.12.2024 externer Link („Trotz alledem – Kritischer Journalismus“) und nun eine Erwiderung:

  • Da, wo der Pfeffer wächst –  eine Replik auf “Musk ein Muss? Die Bedeutung Sozialer Medien für kritischen Journalismus” New
    „Auffällig im Beitrag von “Maus Taute” ist, dass es keine grundlegende Überlegungen dazu gibt, was X (vormals Twitter) eigentlich ist und welche Konsequenzen daraus resultieren.
    X, Facebook, GMail, Tik-Tok, usw. sind Firmen, die an den Menschen, die diese Dienste benutzen, Geld verdienen. Du bist die Ware. Punkt. Eigentlich müsste dieser Hinweis genügen, um die Finger davon zu lassen.  Allerdings reicht dieser Hinweis vielen Menschen nicht, die sich vielleicht immer noch als “links” oder “progressiv” betrachten.
    In der Regel ist es so, dass kostenlose Dienste profitorientiert sind. Also ist Vorsicht  geboten. Mehr noch: Es gibt bei der Verwendung auch gravierende Sicherheitsaspekte, die es zu berücksichtigen gilt.  Ich komme später auf sie zurück.
    Der Kurznachrichtendienst Signal ist eine ehrenwerte Ausnahme,  ebenso Dienste wie z.B. Mastodon, Friendica und Pleroma, um einige Beispiele zu nennen.
    Das Hauptargument von Maus Taute ist, man müsse Präsenz zeigen. Kritischer Journalismus in Kooperation mit einer aktiven Zivilgesellschaft dürfe nicht hinnehmen, dass die demokratischen Spielregeln in den Sozialen Medien  von Rechten ausgehöhlt werden.
    Im Prinzip ist dagegen nichts zu sagen. Allerdings ist es ein Kampf, den man in “Sozialen Medien” wie X nicht gewinnen kann. Die Argumente dafür liefert Maus Taute selbst: “Jede Person bekommt unterschiedliche Inhalte angezeigt”. Die Algorithmen sind undurchsichtig, sensationsgeil und wirken allmächtig. Das ist auch einer der Gründe, weshalb Soziale Medien ebenfalls Brutstätten für Populismus, Rechtsradikalismus und Menschenfeindlichkeit sind. Staatliche Institutionen und die Betreiber*innen können oder wollen schlicht nicht hinterherkommen, die Plattformen frei von Fake News und Diskriminierung zu halten“.
    X bestimmt selbst die Spielregeln. Es ist schließlich ihr privates Eigentum. Wer aufbegehrt oder z.B. den Völkermord der israelischen Regierung in Gaza anprangert, könnte  gesperrt werden oder der Autor / die Autorin schikaniert werden  – die Beiträge werden ganz einfach schwer zu finden sein. Der Historiker, ehemalige Botschafter und Menschenrechtsaktivist, Craig Murray ist ein Beispiel unter vielen: Siehe https://www.craigmurray.org.uk/archives/2023/01/twitter-ban/ externer Link. Passend zum Thema Journalismus auf X: Es gab den Fall der Suspendierung von zehn Journalisten, die Musk untersucht haben. Siehe “December 2022 Twitter suspensions”: https://en.wikipedia.org/wiki/December_2022_Twitter_suspensions externer Link.
    Gravierend ist das gerade bei Instagram zu beobachten. Konten, die den Völkermord in Gaza dokumentieren, werden gesperrt. Nicht nur kleine Organisationen können davon betroffen sein. Friedensaufrufe des Papstes wurden “shadowbanned”- siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Shadowban externer Link.  Weniger als 1 % der 18 Millionen Anhänger des Papstes erreichten seine Aufrufe. Siehe auch https://skwawkbox.org/2025/01/05/pope-shadowbanned-over-gaza-genocide-and-international-justice/ externer Link
    Fragen der (persönlichen) Sicherheit
    Kritischer Journalismus kann auch dazu führen, dass man die unangenehme Aufmerksamkeit der Justiz oder Sicherheitsbehörde erregt.
    Da X  ein zentrales System ist, ist es einfach für die Polizei, Sicherheitsbehörden und sonstige Dritte herauszubekommen, wer was unterstützt. Twitter speichert eine ganze Menge Information über seine Nutzerinnen und Nutzer: https://help.x.com/de/rules-and-policies/x-law-enforcement-support externer Link
    Wer sich einer Bewegung anschließt oder eine Meinung  befürwortet, setzt normalerweise ein “Like”. Dies ist nicht nur zählbar – das macht Twitter automatisch – es kann auch mit Konsequenzen verbunden sein. Welche das im künstlerischen Bereich sind, kann man hier nachlesen: “Artists’ blitzkrieg: Criminalised, cancelled, fired, censored”: https://mg.co.za/friday/2024-12-20-artists-blitzkrieg-criminalised-cancelled-fired-censored/ externer Link
    Wer also gegen Völkermord in Gaza ist oder die palästinensische Bevölkerung unterstützt, muss man mit Repressalien rechnen. Schließlich wird von der Regierung  jedwede Kritik an Israel als Antisemitismus gesehen: Dazu ein Auszug aus der von der Bundesregierung verabschiedete Resolution: “„dass sicherzustellen ist, dass keine Organisationen und Projekte finanziell gefördert werden, die Antisemitismus verbreiten, das Existenzrecht Israels in Frage stellen, die zum Boykott Israels aufrufen oder die die BDS-Bewegung aktiv unterstützen.“”
    In England wurde ein Aktivist angeklagt, weil er öffentlich gesagt hat, er unterstütze den palästinensischen Widerstand in Gaza gegen die israelische Armee. Ihm wird Unterstützung einer terroristischen Organisation vorgeworfen, die mit bis zu 14 Jahre Gefängnis belegt werden kann. Das Setzen eines Likes kann also schon gefährlich sein.
    Bei Facebook ist es auch nicht anders: Im Arbeitsleben kann es kritisch werden, wenn man sich öffentlich zu Themen äußert, die dem Arbeitgeber nicht schmecken. Siehe Daimler lässt kritische Facebook-Gruppe abschalten: https://archiv.labournet.de/branchen/auto/dc/allg/index.html. Welche Informationen Facebook über einen besitzt und u.a. der Polizei weitergegeben werden: https://netzpolitik.org/wp-upload/2016/08/facebook-law-enforcement-portal-inofficial-manual.pdf externer Link
    Was tun?
    Maus Taute sieht zu X keine Alternativen  “Die fehlende Durchsetzungskraft von Alternativen wie Mastodon oder Bluesky legt den Schluss nahe, dass aktuell kein Weg an Plattformen wie X, Instagram oder TikTok vorbeiführt
    Ja, es stimmt, dass Mastodon oder Bluesky noch keine Alternativen darstellen. Sie können es aber werden. Maus Taute vergisst, dass man selbst etwas gegen X tun kann. Auf Alternativen muss man nicht warten. Das Prinzip ist ganz einfach:  Hilfe zur Selbsthilfe. Wir bauen unsere Alternative selbst auf.
    Heutzutage ist ein Breitbandanschluss eher die Norm. Moderne Computer sind klein, leistungsstark und brauchen nicht viel Strom. Handys sind gute Beispiele dafür – deren Rechenleistung ist enorm. Das können wir zu unserem Vorteil nutzen und Alternativen zu X, Facebook, usw. selbst erstellen oder z.B. bei Mastodon eigenständig betreiben. Der Begriff dafür ist Selfhosting, zu Deutsch selbst hosten. Es gibt im wesentlichen zwei Möglichkeiten, um selfhosting zu Hause zu machen: Einen kleinen billigen Raspberry Pi oder einen kleinen gebrauchten Computer kaufen. Vielleicht auch nur den alten, in der Ecke stehenden Rechner abstauben und verwenden. Raspberry Pis sind billige Einplatinencomputer. die fürs Selfhosting geeignet sind. Sie brauchen wenig Strom und kosten wenig. Mastodon ist FOSS -” Free and Open Source Software”.  Die  Software kann frei und ohne Zahlung von Lizenzgebühren verwendet werden. Der Quellcode ist frei zugänglich, die Software darf verändert und weitergeben werden. Eine Anleitung, wie man Mastodon auf einem Raspberry Pi betreibt, findet man hier:  https://www.heise.de/select/ct/2023/2/2232615095288990940 externer Link
    Nicht nur Matodon ist ein Teil des Fediverse. Einfach gesagt, Mastodon Server sind miteinander vernetzt: “Fediverse (Kofferwort aus engl. federation und universe) oder Fediversum[1][2] bezeichnet ein Netzwerk föderierter, voneinander unabhängiger, sozialer Netzwerke, Mikroblogging-Dienste, Webseiten für Online-Publikationen oder Daten-Hosting” Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Fediverse externer Link
    Es gibt viele anderen Programme, die man selbst hosten könnte. Ein paar Beispiele:
    – Matrix, https://www.matrix.org externer Link – Gruppendiskussionen, Instant Messaging,
    – Xmpp, B. https://prosody.im externer Link, Instant Messaging
    – Lemmy, https://join-lemmy.org/ externer Link, Sozialer Nachrichtenaggregatoren und Diskussionsforen
    – PeerTube, https://joinpeertube.org/ externer Link, ist eine dezentralisierte, freie, föderierte Software für Video-Plattformen
    – Websites selbst hosten. Dafür gibt es Unmengen an Software, die die Arbeit erleichtern.
    Es gibt für fast alles freie Alternativen zur Bezahlsoftware. Selbst zu Mastodon gibt es mindestens drei Alternativen:  Akkoma, Pleroma und Gotosocial.
    Wie im Arbeitsleben: Die Menge macht es. Wenn Beschäftigte sich zusammenschließen, sieht der Chef klein und ziemlich alt aus. Das gleiche gilt für die Alternativen zu X, Facebook und co. Statt bei X mitzumachen und denen mit unserem guten Ruf schmücken zu lassen, sorgen wir dafür, dass wir unsere eigenen Welten aufbauen. Die Voraussetzungen sind  vollständig vorhanden. Just do it.
    Kommentar von Dave Hollis vom 20.1.2025

Zu dieser hochaktuellen Debatte verweisen wir auch auf unser Dossier: #TwitterÜbernahme durch #ElonMusk: Wir kennen nun den Preis der #Meinungsfreiheit

Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=225047
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