Knorr-Bremse: Manager verlangen kostenlose Mehrarbeit

Dossier

Arbeit ohne EndeDer Weltmarktführer Knorr-Bremse macht satte Gewinne. Doch an einem Berliner Standort sollen die Beschäftigten mehrere Stunden zusätzlich arbeiten – zum gleichen Lohn. Dahinter steckt eine antiquierte Unternehmenskultur. Und ein sehr unsozialer Plan. (…) Ab April sollen die rund 350 Beschäftigten dort 42 Stunden pro Woche arbeiten – sieben Stunden mehr als in der Metall- und Elektroindustrie üblich. Für dasselbe Geld. Einfach so. Jeder Beschäftigte würde dem Unternehmen, das in Berlin Stromrichter produziert, also jeden Tag im Grundsatz 84 Minuten Arbeitszeit schenken. (…) Knorr-Bremse ist ein weltweit führender Hersteller von Bremssystemen für Züge, U-Bahnen und LKW. Dem Konzern geht es blendend: Der Gewinn hat sich in den vergangenen Jahren von 329 auf 645 Millionen Euro annähernd verdoppelt. Mit der vollen Kasse geht das Management auf Shopping-Tour. Quer durch Deutschland hat Knorr-Bremse in den vergangenen Jahren Unternehmen aufgekauft. So wie die Berliner Powertech. (…) Nun will der Konzern offenbar überall die Regeln durchsetzen, die im Knorr-Bremse-Reich schon lange gelten: 42-Wochenstunden, keine Tarifverträge, kein demokratischer Dialog auf Augenhöhe mit Belegschaft und Gewerkschaft…“ IG-Metall-Meldung vom 28.02.2017 externer Link, siehe dazu zwei weitere Beiträge:

  • Der Sieben-Stunden-Vorteil. Knorr-Bremse will 42 statt 35 Stunden in der Woche arbeiten lassen. Die Gewerkschaft soll draußen bleiben – aber die Arbeiter wehren sich New
    Soll man, soll man lieber nicht? Um kurz vor 9 Uhr herrscht bei den Kollegen des Industriebetriebs Knorr-Bremse Powertech noch ein wenig Ratlosigkeit. Geplant war für den heutigen Mittwoch ein Warnstreik, im Autokorso wollte man dann durch Berlin fahren. Doch das Management des Konzerns legte sich mächtig ins Zeug. Am Tag zuvor berichtete es von einer Einigung im Konflikt und verunsicherte damit viele Kollegen. Nun steht nur ein Dutzend Arbeiter vor ihrem Werk im Berliner Stadtteil Tegel. Es nieselt. Andererseits: Einige hocken schon in ihren Autos; und einfach aufgeben? »Ihr müsst das entscheiden«, erklärt ein Sekretär der IG Metall. Noch ein Überlegen, dann der Entschluss, ein Betriebsrat fällt ihn: »Wir fahren.« 32 Autos setzen sich in Bewegung. In ihnen gut 50 Arbeiter, die ihrem Konzern zeigen wollen, dass sie sich Tarifflucht und unbezahlte Arbeitszeitverlängerung nicht gefallen lassen. Der Arbeitskampf bei der Knorr-Bremse AG ist am Mittwoch in eine neue Runde gegangen. Beschäftigte der Tochterfirma Powertech – sie produziert Energieversorgungssysteme für Schienenfahrzeuge – legten die Arbeit nieder. Hintergrund des Warnstreiks ist die Tarifflucht des Unternehmens und dessen Versuch, die Arbeitszeiten heraufzusetzen. Warum es gerade 42 Stunden sind, weiß auch ein Betriebsrat von KB Powertech nicht. (…) Regulär habe stets die 35-Stunden-Woche gegolten. Zeitweise hätten sich die Kollegen auch darauf eingelassen, ihren Tarifvertrag abzuändern und die 38-Stunden-Woche einzuführen – da hatte man ihnen von wirtschaftlichen Schwierigkeiten erzählt. Doch nun soll beides nicht mehr gelten, statt dessen: 42 Stunden in der Woche ohne entsprechenden Lohnausgleich. (…) Seit Jahresbeginn ist das Unternehmen nicht mehr an den Vertrag gebunden. Dennoch kann die Leitung die Arbeitszeit nicht einfach heraufsetzen, denn die alte Regelung gilt für die bisherigen Beschäftigten nach. »Die Kollegen wurden dann zu Einzelgesprächen gebeten, und ihnen wurde erklärt, die sieben zusätzlichen Arbeitsstunden wären ein Beitrag fürs Unternehmen«, erklärt der Betriebsrat gegenüber jW. Auch herrsche Angst, weil die wirtschaftliche Situation des Betriebs wieder schwierig sei. Viele hätten sich in der Folge darauf eingelassen, einen Änderungsvertrag zu unterschreiben und die längeren Arbeitszeiten hinzunehmen. Wie hoch der Teil der schlechtergestellten Kollegen mittlerweile ist, sei noch unklar. Er schätzt, dass es eine Mehrheit unter den rund 350 Beschäftigten in Tegel ist. (…) Für die, die die 42-Stunden-Woche akzeptierten, solle es in den kommenden Jahren mehr Geld geben – für die anderen nicht. (…) Nach Angaben der IG Metall wie auch des Betriebsrats von KB Powertech verständigte sich das Management nicht mit Gewerkschaft oder Betriebsrat, sondern mit einer Minderheit des Aufsichtsrats – und zwar außerhalb der regulären Sitzungen des Gremiums…“ Artikel von Johannes Supe in der jungen Welt vom 15.03.2018 externer Link  

    • Siehe auch: Autokorso gegen Multimilliardärs-Machenschaften: Knorr-Bremse: Der Lohnklau geht weiter
      Die Knorr-Bremse AG des Multimilliardärs Heinz Hermann Thiele verspricht ihrer Belegschaft bessere Arbeitsbedingungen. Die orientieren sich zwar an dem jüngst von der IG Metall erfolgreich verhandelten Tarifabschluss. Was das Management verschweigt: Der Lohnklau geht weiter – denn bei Knorr-Bremse müssen die Arbeitnehmer einen ganzen Tag (!) pro Woche länger arbeiten und damit 42 statt 35 Stunden wie in den Betrieben mit IG Metall-Tarif. Damit bleiben sie wie immer: deutlich schlechter gestellt…“ Bericht  samt Bildergalerie vom 14.03.2018 bei der IG Metall Berlin externer Link
  • Beschäftigte von Knorr-Bremse protestieren: Belegschaft läuft Sturm gegen Stellenabbau und 42-Stunden-Woche, Pressekonferenz des Unternehmens gestört 
    Beim Schienenhersteller Knorr-Bremse kehrt keine Ruhe ein. Anlässlich einer Pressekonferenz des Unternehmens demonstrierten Anfang der Woche Vertrauensleute der IG Metall vor dem Firmensitz in München. Sie forderten den Erhalt von 143 Berliner Arbeitsplätzen, die die Geschäftsführung vernichten will. Symbolisch für die Streichungen ließen die Kollegen 143 schwarze Luftballons steigen. Dem Knorr-Bremse-Vorstandschef Klaus Deller wurde ein Katalog mit 40 Fragen überreicht. (…) In der vergangenen Woche musste Knorr-Bremse zudem einen Rückschlag hinnehmen. Das Unternehmen hatte die IG Metall dazu drängen wollen, in bezug auf den Konzern nicht mehr von »Ausbeutung« und »Steinzeitkapitalismus« zu sprechen. Zudem hätte die Gewerkschaft eine Gegendarstellung des Unternehmens veröffentlichen sollen. Doch das Landgericht Berlin wies einen entsprechenden Antrag des Konzerns zurück…“ Artikel von Martin Hornung in der jungen Welt vom 29.03.2017 externer Link
  • „Richtig Ärger“ bei Knorr Bremse
    „– das kündigten mehrere IG Metall-Geschäftsstellen mit Betrieben von Knorr-Bremse an, als das Unternehmen sein Maßnahmenpaket zur Profitsteigerung ankündigte. Jetzt stellt eine bundesweite Resolution Gegenforderungen. Wenig überraschend beabsichtigt Knorr-Bremse, vor allem auf Kosten der Beschäftigten seine Marge zu erhöhen. Die geplanten Maßnahmen haben es in sich: Je nach Standort und Status sollen die Arbeitszeit auf 42 Wochenstunden unternehmensweit „angeglichen“, Arbeitsplätze verlagert und Tarifbindungen gelöst werden. „Skandal-Unternehmen Knorr-Bremse muss sozial werden!“ Unter diesem Titel haben am 13. März neun betroffene IG Metall-Geschäftsstellen, darunter München, Passau und Rosenheim, eine gemeinsame Resolution veröffentlicht…“ Bericht der IG Metall Bayern vom 15.03.2017 externer Link
  • Ein unanständiges Angebot: Knorr-Bremse bringt 580 Millionen Euro auf, um ein Konkurrenzunternehmen auszustechen. Der eigenen Belegschaft soll die Arbeitszeit heraufgesetzt werden
    „Am 1. Februar hat das Unternehmen Knorr-Bremse mitgeteilt, ab April in den »Power-Tech«-Betrieben Berlin und Holzkirchen die Arbeitszeit von 35 auf 42 Stunden in der Woche zu erhöhen. Eine Lohnanhebung soll es dabei nicht geben. Die IG Metall reagierte sofort. Der erste Bevollmächtigte des Verbands in Berlin, Klaus Abel, erklärte: »Das gibt richtig Ärger. Belegschaft und IG Metall werden nicht hinnehmen, dass sich Manager und Inhaber die Taschen vollstopfen, während die Mannschaft zu Bedingungen wie in der Steinzeit der Industrie schuften soll.« Knorr-Bremse ist mit 5,5 Milliarden Euro Umsatz Weltmarktführer für Schienen- und Nutzfahrzeugbremsen. Von 25.000 Beschäftigten arbeitet nur noch ein Fünftel im Inland. Der Gewinn wurde seit 2010 verdoppelt. Die Konzerntochter Hasse & Wrede in Berlin soll nun geschlossen, die Produktion bis Mitte 2018 nach Liberec in Tschechien verlagert werden. 130 Beschäftigte sollen den Arbeitsplatz verlieren, 275 vom Berliner Stadtteil Tegel in den Bezirk Marzahn umziehen. Die Einführung der 42-Stunden-Woche entspreche, so das Unternehmen, einer »Angleichung an Konzern-Arbeitsverhältnisse«. (…) Mehr als 100 Unternehmen wurden in 30 Jahren gekauft. Die Übernahme des direkten Konkurrenten Haldex läuft derzeit. Der schwedische Konzern mit 500 Millionen Euro Umsatz und 2.100 Beschäftigten gilt im Lkw-Bremsen-Breich nach Knorr und Wabco als Nummer drei. (…) Betriebsrat und IG Metall Heidelberg haben Ende 2016 von Knorr folgendes gefordert: »Dauerhafte Sicherung der Arbeitsplätze, keine Filetierung von Haldex im Zusammenhang mit Kartellamtsauflagen, Fortgeltung der Tarifbindung und Tarifverträge.« …“ Artikel von Martin Hornung bei der jungen Welt vom 28. Februar 2017 externer Link
  • Siehe zur Geschichte des Knorr-Imperiums: „Knorr Knorr Knorr…“
    „Wenn ein Verkehrsmittel rollt, muss es auch punktgenau zum Halten gebracht werden können. Bei großen und schweren Fahrzeugen war das technisch schon immer eine Herausforderung gewesen. Für Eisenbahnzüge löste das Problem um 1900 der begabte Berliner Ingenieur und Unternehmer Georg Knorr mittels Erfindung eines Systems, das als „Knorr-Einkammerschnellbremse“ in die Technikgeschichte eingegangen ist. Ab 1905 bei den Güterzügen der deutschen Bahnen eingesetzt, wurden die Knorrschen Bremsen bald zum Standard bei allen europäischen Eisenbahnen. Seit 1904 war die Firma am Berliner Ostkreuz ansässig. Von ihrer wirtschaftlichen Stärke zeugt nicht zuletzt das unter Denkmalschutz stehende Werksgebäude an der Hirschberger Straße im Berliner Bezirk Lichtenberg. 1911 – im Todesjahr des Firmengründers – wurde die Knorr-Bremse GmbH in die Knorr-Bremse AG umgewandelt. Für die weitere Expansion des Unternehmens war frisches Kapital erforderlich. Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich die AG zum größten europäischen Bremsenhersteller. Neben den vervollkommneten Bremssystemen für die Bahn wurden Druckluftbremssysteme für Nutzfahrzeuge entwickelt – Ende der 1930er Jahre fuhr der größte Teil der in Deutschland zugelassenen LKW-Flotte mit Knorr-Bremssystemen. Der Konzern hatte bis zu 20.000 Beschäftigte – und war bei den Arbeitern berüchtigt wegen seines gnadenlos durchgedrückten Akkordsystems: „In Lichtenberg, da steht’n Haus, / da schinden se dir die Knochen, / und wirste alt, denn fliegste raus, als hättste wat verbrochen.“ So beginnt das Lied von der „Knorr-Bremse“ aus dem Jahre 1926. Nach 1945 erlebte der Konzern eine wechselvolle Geschichte…“ Geschichtlicher Rückblick von Günter Hayn bei Das Blättchen, Zweiwochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft, vom 27. Februar 2017 externer Link
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=112689
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