Arbeiter des Bergbauunternehmens Kali+Salz in Westthüringen wird wegen Kritik an Arbeitsbedingungen – mit Zustimmung des Betriebsrats – entlassen

Dossier

Kündigungs“schutz“Einer der Nutznießer des Ukraine-Krieges ist K + S. Das Bergbauunternehmen profitiert von den Wirtschaftssanktionen gegen seine Konkurrenten Belaruskali und Uralkali, die zusammen für ein Drittel der weltweiten Kaliproduktion verantwortlich sind. Die K + S AG, die zehn Prozent des weltweiten Kalis abbaut und verarbeitet, verdoppelte 2022 ihren operativen Gewinn vom Vorjahr auf 2,4 Milliarden Euro. Branchenbeobachter rechnen auch für dieses Jahr mit einem Rekordgewinn. Ein Arbeiter im Werra-Kalirevier in Westthüringen, wo K + S zwei Gruben und eine Fabrik unterhält, stellte den Konzernprofiten die Arbeitsbedingungen in den Schächten gegenüber und versuchte auch politische Zusammenhänge herzustellen. Dafür wurde er gekündigt. Diesen Montag wird der Fall vor Gericht verhandelt…“ Artikel von Susanne Knütter in der jungen Welt vom 27.11.2023 externer Link („Kündigung im Schacht“) und mehr daraus/dazu:

  • Bergmann Julian Wächte gewinnt Prozess gegen K+S: Kritische und polemische Aussagen auf Belegschaftsversammlungen sind kein Kündigungsgrund New
    Die Anwaltskanzlei Meister und Partner teilt mit, dass das Arbeitsgericht Fulda (Aktenzeichen: 4 Ca 377/23) gestern entschieden hat, dass die Kündigung des Jungbergmanns Julian Wächter durch K+S wegen kritischer Aussagen auf einer Belegschaftsversammlung im September 2023 rechtswidrig ist. Es urteilte: Das Arbeits-verhältnis wurde weder durch die außerordentliche, noch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung aufgelöst. Auch der Antrag der Beklagten, das Arbeitsverhältnis durch das Gericht aufzulösen, wurde abgewiesen. K+S wurde verpflichtet, den Kläger als Bergbautechnologen weiter zu beschäftigen bis zum Ende des Rechtsstreits.
    Der Anwalt des Klägers, Peter Weispfenning, informiert: „Damit steht fest, wer sich in dieser Auseinandersetzung rechtswidrig verhalten hat: Nicht der Kläger, sondern die Beklagte K+S.
    Die kritische Äußerung des Klägers auf einer Belegschaftsversammlung zu den Arbeitsbedingungen, zur Arbeitssicherheit, zu Arbeitsplatzabbau, aber auch politische Fragen, wie Kritik an Regierung und AfD mit betrieblichem Bezug sind durch das Recht auf freie Meinungsäußerung (Artikel 5 Grundgesetz) geschützt. Und natürlich haben die Belegschaftsmitglieder auch das Recht, solche Kritiken in deutlicher, auch polemischer Form vorzutragen.
    Zurückgewiesen wurde auch der Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses wegen kritischer Medienberichte nach der Kündigung, für die die Beklagte ausgerechnet den Kläger verantwortlich machen wollte. Dabei hat sie das kritische Medienecho selbst zu verantworten. Der Kläger wird heute noch seine Arbeitskraft persönlich anbieten und es ist der Beklagten dringend anzuraten, ihn weiter zu beschäftigen und für Rechtsfrieden zu sorgen.“
    Der Prozess stößt jetzt bereits auf großes Interesse in der Öffentlichkeit. 40 Prozessbesucherinnen und -besucher waren vor Ort und zeigten ihre Solidarität mit dem Kläger, der auch Delegierter der 3. Internationalen Bergarbeiterkonferenz war.“ Pressemitteilung vom 11.4.24 der Anwaltskanzlei Meister & Partner (per e-mail)
  • Der Prozess des Bergmanns Julian Wächter gegen K+S gegen seine fristlose Kündigung beginnt am 10. April 2024 in Fulda mit ener Soli-Kundgebung
    • Kommt zum Prozess des Bergmanns Julian Wächter gegen K+S
      Zum morgen stattfindenden Prozess des Bergmanns Julian Wächter gegen seine fristlose Kündigung bei Kali+Salz (K+S) schreibt die Bergarbeiterbewegung Kumpel für AUF: „ Der Prozess findet am morgigen Mittwoch, den 10. April, um 11 Uhr, beim Arbeitsgericht Fulda, Am Hopfengarten 3 statt. Die kämpferische Bergarbeiterbewegung Kumpel für AUF führt ab 10 Uhr eine Kundgebung vor dem Arbeitsgericht Fulda durch. (…)Als Grund für die fristlose Kündigung des Kollegen Julian Wächter wird von K+S ein Redebeitrag auf einer Betriebsversammlung genannt. Damit wird diese  Kündigung zu einer grundsätzlichen Frage der ganzen Arbeiterbewegung gemacht: Haben die Beschäftigten das Recht auf freie Meinungsäußerung auf den Betriebsversammlungen, oder dürfen sie nur das sagen, was der jeweiligen Geschäftsleitung genehm ist. Natürlich ist es für eine Geschäftsleitung  unangenehm, wenn die Pläne, die sie noch geheim halten will, aufgedeckt werden…“ Presseerklärung von „Kumpel für AUF“ im Kali-Werra-Revier dokumentiert am 09.04.2024 in den Rote-Fahne-News externer Link
    • Kumpel gegen K+S: Gerichtsverhandlung in Fulda: Arbeiter klagt auf Wiedereinstellung
      Ein junger Kumpel kritisiert seine Vorgesetzten vom börsennotierten Bergbaukonzern K+S für schlechte Arbeitsbedingungen und Rationalisierungspläne, die hinter verschlossenen Türen verhandelt würden. Daraufhin wird er wegen angeblicher Falschbehauptungen fristlos entlassen. Später liefert der Konzern aber selbst Hinweise dafür, dass der Arbeiter aus dem Werra-Kalirevier in Westthüringen mit seinen Anschuldigungen nicht so falsch lag wie behauptet wird. Wenn das Arbeitsgericht in Fulda diesen Mittwoch den Fall »Julian Wächter gegen K+S« verhandelt, dürften einige Widersprüche auf den Tisch gelegt werden. Auf einer Betriebsversammlung Ende September kritisierte der Arbeiter in einer Rede, die jW vorliegt, Konzernrekordgewinne auf Kosten der Beschäftigten. Er ging auf Arbeitszeiten, zu hohe Temperaturen, Einsparungen bei Materialien ein. »Der Mann hat ganz normale Fragen zum Thema gemacht: Lohnkürzung, Arbeitshetze, Wetterführung«, sagte Rainer Weinmann von der Initiative »Kumpel für AUF«, die den Kollegen unterstützt, am Dienstag gegenüber jW. Damit habe er einen wunden Punkt getroffen, das Unternehmen habe panisch reagiert und im nachhinein sei versucht worden, Gründe für die Kündigung zu finden, so Weinmann. So werfe K+S dem Kumpel »ehrverletzende, üble Nachrede« vor, weil Wächter in seiner Rede etwa von drei Herzinfarkten in der A-Schicht im Schacht Unterbreizbach gesprochen habe. Der Konzern habe zwar zugegeben, dass drei Leute ausgefahren worden sind, die Ursache sei jedoch nicht bekannt. Nach sechs bis 14 Tagen seien die Beschäftigten zurück im Schacht gewesen. (…) Allein die Frage, seit wann K+S mit dem Betriebsrat über einen Sozialplan verhandelt, beantwortete K+S deutlich: »Es gibt keinen Sozialplan zum Projekt ›Werra 2060‹. Es wurde zwischen Unternehmen und Betriebsrat bislang auch nicht über einen Sozialplan ›Werra 2060‹ verhandelt.« Nun, der Teufel steckt im Detail. Zwar wurde bisher kein Sozialplan verhandelt, aber geplant sei das, sagte Weinmann gegenüber jW. In der Klageerwiderung des Anwalts von K+S stehe, so Weinmann, dass mehrere Termine in 2024 dafür angesetzt seien.“ Artikel von Susanne Knütter in der jungen Welt vom 10.04.2024 externer Link
  • Darf man bei Betriebsversammlungen künftig nicht mehr seine Meinung sagen? Damit darf K+S nicht durchkommen!
    „… Inzwischen ist der Fall recht bekannt in der Region: Ein junger Bergmann aus dem Werk Werra klagt gegen die fristlose Kündigung durch Kali + Salz (K+S). Er hatte sein Redemanuskript für die Betriebsversammlung Ende September im Vorfeld einzelnen Kollegen gegeben und sie um Hinweise dazu gebeten. Das wird ihm von K+S jetzt als unerlaubtes „Flugblattverteilen“ ausgelegt. Die realen Missstände, die er anprangerte, werden als unwahre Tatsachenbehauptungen diffamiert. Dazu muss man wissen: bei einer Betriebsversammlung hat der Betriebsrat das Hausrecht. Das Recht auf Aussprache ist im Betriebsverfassungsgesetz festgeschrieben. Auch polemische Überspitzungen sind nach der Rechtssprechung zulässig. Die Richterin sprach beim Gütetermin von einem „Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit des Mitarbeiters und der Imagewahrung des Betriebs“. Da scheint K+S aber große Angst um ihr Image zu haben, wenn schon versucht wird, die Meinungsfreiheit bei einer – wohlgemerkt nichtöffentlichen – Versammlung einzuschränken! Muss man künftig Angst um seinen Arbeitsplatz haben, wenn man auf Betriebsversammlungen seine Kritiken äußert und das gemeinsam mit Kollegen vorbereitet? Damit darf K+S nicht durchkommen! Vor Gericht wurden die eigentlichen Hintergründe der Kündigung deutlich: der junge Bergmann legte dar, dass er als Delegierter aus Deutschland bei der 3. Internationalen Bergarbeiterkonferenz war. 35 Delegierte aus 19 Ländern repräsentierten dort Ende August 2023 zehntausende Kumpel aus aller Welt. Dort wurde der internationale Zusammenschluss der Bergleute vorangebracht. Unter der Losung „Kein Kampf darf mehr alleine stehen“ wurde sich verpflichtet, dass ab sofort jede Belegschaft in ihren Kämpfen gegen Angriffe großer Konzerne wie K+S Unterstützung bekommt. Die internationale Solidarität mit dem jungen Bergmann ist Ausdruck davon. Mit dem Programm „Werra 2060“ plant K+S die verschärfte Ausbeutung der Belegschaft und Arbeitsplatzvernichtung. Aufgrund der Proteste der Bevölkerung in der Region darf K+S z.B. zukünftig keine Lauge mehr in die Werra einleiten und muss deshalb andere Verfahren anwenden, mit denen man weniger Profit macht. Das soll dann wiederum aus der Belegschaft herausgepresst werden! Offenbar will K+S in dieser Situation ein Exempel statuieren und die Belegschaft einschüchtern. Aber die Masse der Kumpel, mit denen „Kumpel für AUF“ vor den Toren gesprochen hat, sind solidarisch mit dem jungen Bergmann. Eine Unterschriftensammlung „Mach meinen Kumpel nicht an! Sofortige Rücknahme der politischen Kündigung! Wer einen von uns angreift, greift alle an!“ wurde gestartet. Wie erwartet kam es zu keiner gütlichen Einigung. Der Kammertermin für den 10. April 2024 11 Uhr ist beim Arbeitsgericht Fulda geplant. „Kumpel für AUF im Kali-Werra-Revier“ wird auch da wieder mit vielen Unterstützern vor Ort sein! Die „Kumpel für AUF“-Gruppe in der Kali-Werra-Region organisiert die Solidarität unter den Kumpel bei K+S und darüber hinaus. Jeder, der das unterstützen möchte, kann zu ihren Treffen am Freitag, den 12. Januar 2024, und am 26. Januar 2024 um 16:30 Uhr in die „Kulturwerkstatt EA“ in Eisenach, Katharinenstraße 42, kommen.“ Pressemitteilung von Kumpel-für-Auf-Gruppe im Kali-Werra-Revier bei den Rote-Fahne-News am 18. Dezember 2023 externer Link
  • K + S feuert kritischen Arbeiter, Betriebsrat stimmt zu
    Westthüringen: Der Kriegsgewinnler K + S versucht den kritischen Arbeiter Julian zu feuern und unterstellt ihm Agitation. Grundlage ist ein Rede-Manuskript für eine Betriebsversammlung, das er mit der Bitte um Verbesserung und Korrektur im Kollegium weitergegeben hatte. Darüber berichtet die Tageszeitung junge welt.15 Den Schachzug über das weitergegebene Redemanuskript geht das Unternehmen, weil die Meinungsfreiheit bei Betriebsversammlungen besonderes geschützt ist. (…)
    Bei den Beschäftigten soll von den Gewinnen allerdings nichts ankommen. Im Gegenteil: Julian kritisierte auf der Betriebsversammlung eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen. Ein Bombengeschäft, wie Julian gesagt haben soll. Der offensichtlich gelbe Betriebsrat hatte „keine Bedenken“ gegen seine Kündigung. Im 29köpfigen Gremium scheint man auf Meinungsfreiheit im Betrieb zu pfeifen, beziehungsweise sie gemeinsam mit dem Management zum Wohl der Aktionäre zu verhindern…“ Aus den Union Busting-News von Jessica Reisner vom 7. Dezember 2023 externer Link bei der Aktion gegen Arbeitsunrecht
  • Weiter aus dem Artikel von Susanne Knütter in der jungen Welt vom 27.11.2023 externer Link: „… Er sprach von Einsparungen, Überstunden, mangelhaftem Anlernen. 2021 sei die Wochenarbeitszeit »stillschweigend auf 39 Stunden hochgesetzt« worden. Gearbeitet werde bisweilen bei Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius, so Wächter. Dafür habe ihm K + S im Personalgespräch Verleumdung vorgeworfen, wie Rainer Weinmann von der Initiative »Kumpel für AUF«, die den Kollegen unterstützt, am Freitag gegenüber jW sagte. Obwohl er recht habe, so Weinmann. »Die Kollegen sprechen selbst vom ›Backofenschacht‹, von ›Ägypten unter Tage‹«, sagte Weinmann. Auf die Frage, wie hoch die Temperatur im Schnitt unter Tage wäre und ob K + S Strom spare, indem Lüfter heruntergeregelt oder ausgestellt würden, hieß es von seiten des Unternehmens am Freitag gegenüber jW: In der Grube Unterbreizbach schwanke die Temperatur »im wesentlichen zwischen etwa 30 und 40 Grad«. 50 Grad würden an »keiner Stelle auch nur ansatzweise erreicht«. Das Unternehmen sei auch nicht einverstanden damit gewesen, dass Wächter kritisierte, das Projekt Werra 2060, mit dem u. a. die Produktion und die Lagerung umgebaut werden sollen, werde »hinter verschlossenen Türen verhandelt«. K + S plane weder einen vollkontinuierlichen Schichtbetrieb, der jeden Wochentag auch zum Werktag machen würde, noch verhandle der Konzern derzeit mit dem Betriebsrat über einen Sozialplan, sagte ein Pressesprecher gegenüber jW. Es sei auch nicht korrekt, dass die Wochenarbeitszeit stillschweigend auf 39 Stunden hochgesetzt wurde. Das sei im Tarifvertrag so geregelt worden, wie es vom Betriebsrat gegenüber jW hieß. Trotzdem gebe es dafür keinen Lohnausgleich. Statt dessen würden die Beschäftigten für diese Stunde einmal im Jahr per Ausschüttung am Gewinn beteiligt – den sie täglich erwirtschaften. (…)
    Nun können weder falsche Aussagen, politische Reden noch das Verteilen von Schriftstücken eine Kündigung rechtfertigen. Das sei auch der Grund, so Weinmann, dass Wächter ohne Angabe von Gründen gekündigt wurde. Dennoch äußerte der 29köpfige Betriebsrat keine Bedenken gegen die Kündigung von Wächter…“
  • Siehe auch die Pressemitteilung von »Kumpel für AUF« vom 17. November 2023 externer Link: Fristlose Kündigung: Die Angst des Bergbaukonzerns Kali und Salz (K+S) vor dem Redebeitrag bei einer Betriebsversammlung
Kurzlink: https://www.labournet.de/?p=216932
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